§ 18 Abs. 1. Z 2 EStG 1988: Kein Sonderausgabenabzug für Beiträge zu einer Erlebensversicherung und einer prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Bf.-Adr., über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom bzw. betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 und 2011, Steuernummer xxx, zu Recht erkannt:
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog in den Streitjahr 2010 und 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Zuge der am eingebrachten Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 und 2011 machte die Bf. unter Pkt. 6 "Sonderausgaben" in der Kz 455 jeweils einen Betrag von 300,00 Euro geltend.
Die belangte Behörde erlies die Einkommensteuerbescheide (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 und 2011 antragsgemäß am (für das Jahr 2010) bzw. am (für das Jahr 2011).
Gegen diese Bescheide brachte die Bf. mit Schreiben vom Beschwerde ein. In der Begründung führte die Bf. aus, dass sie die 300,00 Euro in der falschen Spalte eingetragen habe. Richtig wäre die Spalte 450 statt 455 gewesen.
Die belangte Behörde erlies mit ein Ergänzungsersuchen mit folgendem Inhalt: "Sie werden ersucht die beantragten Sonderausgaben mittels Belegen nachzuweisen. Um was handelt es sich bei den monatlichen Zahlungen von 25,00 Euro?"
Die Bf. reichte in Folge am für das Jahr 2010 eine Kopie der Zahlungsanweisung an die Z.Z. Versicherungs-AG iHv 25,00 Euro mit dem händischen Vermerk "Versicherung seit 2007" ein und am für die Jahre 2010 und 2011 einen Auszug aus dem Gehaltsnachweis Juli 2015 des Landes Steiermark nach, auf welchem u.a. ein Abzug "Z.Z. Zukunftssicherung" iHv 25,00 Euro ausgewiesen ist.
Die belangte Behörde wies mit Beschwerdevorentscheidungen vom die Beschwerden ab, da die monatlich über die Gehaltsabrechnung abgezogenen 25,00 Euro für die Zukunftsvorsorge bereits steuerlich begünstigt seien und gem. § 18 EStG 1988 keine Sonderausgaben darstellen würden. Trotz wiederholter Aufforderungen die weiters beantragten Sonderausgaben in Höhe von 25,00 Euro monatlich nachzuweisen, seien lediglich eine Kopie eines Erlagscheines über die Zahlung von 25,00 Euro an Z.Z. für eine Sparpolizze vorgelegt worden. Daraus könne nicht abgeleitet werden, ob es sich um abzugsfähige Sonderausgaben gem. § 18 EStG 1988 handle. Dies wären z.B. Krankenversicherungen, Unfallversicherungen, Pflegeversicherungen, Rentenversicherungen, Lebensversicherungen auf Ableben etc.
Da keine Ausgaben für Personenversicherungen wie ursprünglich unter Kz 455 geltend gemacht und in den Erstbescheiden anerkannt, vorlagen, ergab sich für die beiden Beschwerdejahre eine Nachforderung von gesamt 12,00 Euro.
Mit Schreiben vom brachte die Bf. eine - als Vorlageantrag zu wertende - Berufung gegen die Bescheide ein. Dem Schreiben war eine Kopie einer Information der Z.Z. Versicherungen AG vom über die technischen Werte zur Sparpolizze xxx beigelegt, in welcher die Erlebensleistung zum Ende der Vertragsdauer am - unter Angabe der Erlebenssumme und der voraussichtlichen Gewinnbeteiligung - ausgewiesen wurde.
Die belangte Behörde legte die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerden.
Das Bundesfinanzgericht richtete mit und Schreiben an die Bf., in welchen die Bf. zu Klärung, ob es sich bei den beantragten Ausgaben iHv 25,00 Euro monatlich um Zahlungen zur Versicherungspolizze xxx der Z.Z. Versicherungen AG, oder um Zahlungen btr. Z.Z.-Zukunftssicherung handelte, befragt wurde. Weiters wurden Vertragskopien der Sparpolizze und der Zukunftssicherung angefordert.
Da die beiden Auskunftsverlangen von der Österreichischen Post AG wieder an das Bundesfinanzgericht rückgesendet wurden, weil eine Zustellung nicht möglich war, wurde die belangte Behörde gem. § 269 Abs. 2 BAO vom Bundesfinanzgericht beauftragt festzustellen, ob es sich bei der Adresse Bf.-Adr., um die aufrechte Abgabenstelle der Bf. handelt.
Im Zuge der von der belangten Behörde durch die Finanzpolizei am durchgeführten Erhebung, konnte die Bf. an der Adresse Bf.-Adr., angetroffen werden und wurde von der Bf. ausgesagt, dass sie an dieser Adresse wohne und die Dokumente hierher zugestellt bekommen möchte.
Das neuerliche Auskunftsschreiben des Bundesfinanzgerichts vom wurde laut Rückschein beim Wohnsitzpostamt der Bf. am hinterlegt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Beschwerdegegenständlich sind die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen iHv 25,00 Euro / Monat bzw. 300,00 Euro / Jahr als Sonderausgaben.
Zum Nachweis der Absetzbarkeit der geltend gemachten Prämienleistung als Sonderausgabe hat die Bf. lediglich einen Zahlschein mit dem Verweis "ab 2007", einen Auszug aus einem Gehaltsnachweis und ein Informationsschreiben der Versicherungsgesellschaft über die technischen Werte zur Sparpolizze xxx vom , nicht jedoch die Versicherungspolizze selbst vorgelegt.
§ 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"[Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:]
Beiträge und Versicherungsprämien ausgenommen solche im Bereich des BMSVG und solche im Bereich der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge (§ 108g) zu einer ...
- Lebensversicherung (Kapital- oder Rentenversicherung): ausgenommen Beiträge zu einer Pensionszusatzversicherung (§ 108b), ...
Versicherungsprämien sind nur dann abzugsfähig, wenn das Versicherungsunternehmen Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat oder ihm die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt wurde. Beiträge zu Versicherungsverträgen auf den Erlebensfall (Kapitalversicherungen) sind nur abzugsfähig, wenn der Versicherungsvertrag vor dem abgeschlossen worden ist, für den Fall des Ablebens des Versicherten mindestens die für den Erlebensfall vereinbarte Versicherungssumme zur Auszahlung kommt und überdies zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und dem Zeitpunkt des Anfallens der Versicherungssumme im Erlebensfall ein Zeitraum von mindestens zwanzig Jahren liegt. Hat der Versicherte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das 41. Lebensjahr vollendet, dann verkürzt sich dieser Zeitraum auf den Zeitraum bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, er darf jedoch nicht weniger als zehn Jahre betragen ..."
Nach § 18 Abs. 2 EStG 1988 sind für die sogenannten "Topf-Sonderausgaben" ohne Nachweis ein Sonderausgabenpauschale von 60,00 Euro jährlich abzusetzen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Wie aus der oben zitierten Gesetzesstelle ersichtlich, sind gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 Beiträge und Versicherungsprämien (ausgenommen solche im Bereich der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge iSd § 108g EStG 1988) zu einer Lebensversicherung auf den Todesfall (ausgenommen Beiträge zu einer Pensionszusatzversicherung iSd § 108b EStG 1988) sowie zu einer Versicherung auf den Erlebensfall (Erlebensversicherung), soweit es sich um eine Rentenversicherung oder um eine vor dem abgeschlossene Kapitalversicherung handelt als Sonderausgaben abzuziehen.
Bei der Erlebensversicherung kann es sich - wie angeführt - um eine Kapitalversicherung oder um eine Rentenversicherung handeln. Bei der Kapitalversicherung wird eine Einmalleistung ausbezahlt, bei der Rentenversicherung eine Rente. Kapitalversicherungen sind seit dem StruktAnpG 1996 im Rahmen der Sonderausgaben nicht mehr zu berücksichtigen. Für Verträge, die ab abgeschlossen wurden, ist der Sonderausgabenabzug nur mehr für Rentenversicherungsverträge zulässig (vgl. Renner in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG-Kommentar18, § 18 Abs. 1 Z 1a, Z 2, Tz 85 - 86).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat derjenige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann. Es liegt in solchen Fällen daher am Abgabepflichtigen entsprechende Beweismittel vorzulegen, andernfalls hat er das daraus resultierende abgabenrechtliche Risiko zu tragen. Insoweit besteht hinsichtlich der Beweismittel auch eine entsprechende Vorsorgepflicht des Abgabepflichtigen (vgl. ; Ritz, BAO Kommentar6, § 115 Tz 12, mwN).
Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Sie sind dabei an die Aktenlage gebunden.
Nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. und Ro 2014/13/0044).
Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO). Zu diesem Zwecke wurde vom Bundesfinanzgericht ein Auskunftsverlangen - Stellungnahme zu den Zahlungen, Vorlage der Versicherungspolizze(n) - bzgl. der beantragten Versicherungsaufwendungen an die Bf. gerichtet. Nach zwei erfolglosen Versuchen der Zustellung ist das dritte Schreiben des Bundesfinanzgerichts vom am beim Wohnsitzpostamt hinterlegt worden. Damit gilt es gem. § 17 Abs. 3 3. Satz ZustellG mit als zugestellt und der Bf. bekanntgegeben. Da das Schreiben auch nicht an das Bundesfinanzgericht rückgesendet wurde, ist von einer Behebung durch die Bf. auszugehen.
Die Bf. ist jedoch der Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen bzw. zur Beantwortung der Fragen nicht nachgekommen und ist damit der Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen aus eigenem Verschulden nicht nachgekommen. Das Bundesfinanzgericht hat daher aufgrund der Aktenlage in freier Beweiswürdigung den Sachverhalt wie folgt gewürdigt:
Aus den vorliegenden Unterlagen ist ersichtlich, dass die Lebensversicherung jedenfalls nach dem abgeschlossen wurde und es sich laut Informationsschreiben der Versicherungsgesellschaft vom um eine Erlebensversicherung mit Einmalleistung und somit um eine Kapitalversicherung handelt. Prämienzahlungen in eine solche Lebensversicherung sind aber nach § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nicht sonderausgabenbegünstigt.
Auch Beiträge im Bereich der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge nach § 108g EStG 1988 sind gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 bei der Ermittlung des Einkommens nicht als Sonderausgaben zu berücksichtigen (vgl. dazu Baldauf in Jahreskommentar EStG, 5. Aufl. 2012, § 18 Rz 41, II. Einzelne Sonderausgaben, Stichwort "Prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge").
Aus dem vorgelegten Auszug des Gehaltsnachweises vom Juli 2015 des Landes Steiermark - weitere Nachweise wurden wie oben dargestellt trotz Aufforderung nicht nachgereicht - auf welchem ein Abzug "Z.Z. Zukunftssicherung" iHv 25,00 Euro ausgewiesen wurde, schließt das Bundesfinanzgericht, dass es sich dabei um eine prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge gem. § 108g EStG 1988 handelt, weshalb ein Sonderausgabenabzug ausgeschlossen ist.
Die beantragten Sonderausgaben waren daher mangels eines entsprechenden Nachweises nicht anzuerkennen, weshalb auch die bereits mit Einkommensteuerbescheid 2010 vom und Einkommensteuerbescheid 2011 vom berücksichtigten Sonderausgaben iHv. jeweils 75,00 Euro (ein Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen, Wohnraumschaffung und -Sanierung) nicht mehr steuerlich zu berücksichtigen waren.
Ohne besonderen Nachweis der Sonderausgaben war in den Beschwerdejahren 2010 und 2011 gemäß § 18 Abs. 2 EStG 1988 jeweils nur der - in den Erstbescheiden vom (Jahr 2010) und (Jahr 2011) nicht berücksichtigte - gesetzlich vorgesehen Pauschbetrag iHv. 60,00 Euro zu gewähren.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall lagen keine Rechtsfragen vor, denen grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen VwGH-Rechtsprechung beantwortet wurden und solche, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 18 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 108g EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100829.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at