Antragslose Arbeitnehmerveranlagung und Arbeitnehmerveranlagung auf Antrag.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** über die Beschwerde des ***Bf1***, geb. ***1***, wohnhaft in ***2***, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Abweisung eines Antrags gem. § 303 Abs. 1 BAO auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2016 vom abgeschlossenen Verfahrens, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gem. § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 2016 aufgrund "vergessener" Geltendmachung von Werbungskosten erfüllt sind.
Nach Abgabe der elektronisch eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2016 mit Bescheid vom i.H.v. 3.060,61 € fest.
Aufgrund der anrechenbaren Lohnsteuer i.H.v. 3.711,16 € ergab sich für den Beschwerdeführer (Bf.) eine Abgabengutschrift i.H.v. 651 € (siehe auch das diesbezügliche Info-Schreiben des Finanzamtes vom ).
Dieser Einkommensteuerbescheid 2016 vom erwuchs in Rechtskraft, da dagegen kein Rechtsmittel seitens des Bf. ergriffen wurde.
Mit brachte der Bf. erneut eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 ein, die vom Finanzamt als Wiederaufnahmeantrag für das mit Einkommensteuerbescheid 2016 vom abgeschlossenen Verfahrens gewertet wurde.
In diesem Antrag vom begehrte der Bf. als Techniker des Baunebengewerbes die Berücksichtigung von Aufwendungen für Arbeitsmittel i.H.v. 1.006,75 € (KZ 719) und für beruflich veranlasste Reisekosten i.H.v. 5.200,40 € (KZ 721).
Mit Bescheid vom hat das Finanzamt den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet abgewiesen, da die beantragten Aufwendungen keinen Wiederaufnahmetatbestand darstellen würden und im Übrigen die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 mit Bescheid vom rechtskräftig durchgeführt worden sei.
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom führt der Bf. unter Beilage div. Belege (diese seien bereits am mit seinem Antrag gem. § 303 Abs. 1 BAO auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2016 vorgelegt worden) aus, dass für das Jahr 2016 erhöhte Werbungskosten und Sonderausgaben i.H.v. nunmehr insgesamt 7.145,75 € noch nicht berücksichtigt worden seien.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen und auf die diesbezüglich bereits ergangene höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, weshalb im gegenständlichen Fall bei den "vergessenen Aufwendungen", nicht von für den Bf. neu hervorgekommenen Tatsachen ausgegangen habe werden können.
Der Bf. stellte daraufhin am einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führt darin ergänzend zu seinem bisherigen Beschwerdebegehren aus:
Die Tatsachen (erhöhte Werbemittel) seien nach Ansicht des Bf. neu hervorgekommen, da diese im Einkommensteuerbescheid 2016 vom nicht berücksichtigt worden seien und den Pauschalbetrag für Werbungskosten übersteigen würden. Aus diesem Grunde habe er am einen Wiederaufnahmeantrag gestellt, da ihm vor Abschluss des Einkommensteuerverfahrens 2016 der Sachverhalt nicht "bewusst" gewesen sei.
Die Arbeitnehmerveranlagung 2016 habe er auch nicht selbst eingebracht, sondern diese sei über "antraglose Arbeitnehmerveranlagung" berechnet worden.
Lt. BMF könne auch nach einer antraglosen Arbeitnehmerveranlagung innerhalb einer Frist von fünf Jahren durch die Einbringung einer Steuererklärung für das betreffende Jahr aufgehoben werden.
Am habe er persönlich beim Finanzamt neben der erhöhten Werbekostenaufstellung, das Formular für den Antrag auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerbescheides 2016 sowie das Formular für den Einkommensteuerbescheid 2016 eingereicht.
Dem Bf. sei bei Abschluss des Steuerjahres 2016 nicht bewusst gewesen, dass erhöhte Werbemittel bei der Arbeitnehmerveranlagung berücksichtigt werden können.
2016 sei auch das erste Jahr gewesen, in dem der Bf. erwerbstätig gewesen sei (entgegen BVE, wo von einem "Einkommensteuerverfahren 2015" ausgegangen worden sei).
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Der Bf. erzielte im Streitjahr 2016 bei der Fa. ***3*** GmbH (FN ***4***) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Bf. brachte am über FinanzOnline eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 ein.
Aufgrund dieser Erklärung und in Folge dieser vom Finanzamt durchgeführten Arbeitnehmerveranlagung, ergab sich für den Bf. eine Gutschrift i.H.v. 651 € aufgrund zu viel entrichteter Lohnsteuer.
Mit Eingabe vom stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2016, wegen noch nicht berücksichtigter und nach Ansicht des Bf. neu hervorgekommener Werbungskosten.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen des Bf. sowie der belangten Behörde.
Dieser Sachverhalt war rechtlich folgendermaßen zu würdigen:
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO idFd FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 13/2014 kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gem. § 303 Abs. 2 BAO hat der Wiederaufnahmeantrag zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird,
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
Gemäß § 303 Abs. 3 BAO wird der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen.
Tatsachen iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.
Keine "Tatsachen" sind hingegen etwa (vgl. Ritz, BAO, 6. Aufl., § 303 Tz 23):
- neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung, oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Rechtslage eigenständig gewonnen werden (; , 96/15/0148; , 2008/15/0215),
- das Hervorkommen von Rechtsirrtümern (; ),
- die Nachholung von in der Abgabenerklärung vergessenen Positionen wie z.B. Werbungskosten ().
Als Beweismittel neu hervorkommen können z.B. Urkunden und Aufzeichnungen.
Tatsachen und Beweismittel stellen nur dann Wiederaufnahmsgründe dar, wenn sie zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorhanden waren, aber erst später hervorgekommen sind (nova reperta).
Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe.
Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind".
Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (; , Ra 2014/15/0058; , Ro 2016/15/0036; , Ro 2015/13/0011).
§ 41 Abs. 2 Z 1EStG 1988 lautet:
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird (Antragsveranlagung).
§ 39 Abs. 1 EStG 1988 dritter Satz ist anzuwenden.
§ 41 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 lautet:
Wurde bis Ende des Monats Juni keine Abgabenerklärung für das vorangegangene Veranlagungsjahr eingereicht, hat das Finanzamt von Amts wegen eine antragslose Veranlagung vorzunehmen, sofern der Abgabepflichtige nicht darauf verzichtet hat.
Dabei gilt Folgendes:
a) Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen:
- Aufgrund der Aktenlage ist anzunehmen, dass der Gesamtbetrag der zu veranlagenden Einkünfte ausschließlich aus lohnsteuerpflichtigen Einkünften besteht.
- Aus der Veranlagung resultiert eine Steuergutschrift.
- Aufgrund der Aktenlage ist nicht anzunehmen, dass die zustehende Steuergutschrift höher ist als jene, die sich aufgrund der übermittelten Daten gemäß § 18 Abs. 8, § 35 Abs. 8 und § 84 ergeben würde.
b) Wurde bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgenden Kalenderjahres keine Abgabenerklärung für den betroffenen Veranlagungszeitraum abgegeben, ist jedenfalls eine antragslose Veranlagung durchzuführen, wenn sich nach der Aktenlage eine Steuergutschrift ergibt.
c) Wird nach erfolgter antragsloser Veranlagung innerhalb der Frist der Z 1 eine Abgabenerklärung abgegeben, hat das Finanzamt darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den gemäß lit. a oder lit. b ergangenen Bescheid aufzuheben.
d) Der Bescheid auf Grund einer antragslosen Veranlagung ist ersatzlos aufzuheben, wenn dies in einer Beschwerde (§ 243 BAO) beantragt wird; die Beschwerde bedarf keiner Begründung.
e) Die Steuererklärungspflicht (§ 42) bleibt auch nach Vornahme der Veranlagung aufrecht.
§ 41 Abs. 2a lautet:
Abs. 2 Z 2 ist nicht anzuwenden, wenn der Verdacht besteht, dass der Steuerpflichtige Dienstnehmer eines Scheinunternehmers gemäß § 8 des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes - SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015, ist, Zweifel an der Identität des Steuerpflichtigen oder der Bevollmächtigung seines steuerlichen Vertreters bestehen, oder sonstige schwerwiegende Bedenken gegen die Anwendung von Abs. 2 Z 2 bestehen.
Für den Beschwerdefall bedeutet dies:
Der Bf. führt in seinem Wiederaufnahmeantrag aus, dass für das Jahr 2016 erhöhte Werbungskosten und Sonderausgaben, i.H.v. nunmehr insgesamt 7.145,75 €, noch nicht berücksichtigt wurden.
Vor Abschluss des Einkommensteuerverfahrens 2016 sei ihm nicht "bewusst" gewesen, dass er erhöhte Werbungskosten und Sonderausgaben absetzen kann.
"Vergessene" Aufwendungen begründen jedoch nach der o.a. Judikatur ebenso wenig wie eine nach Rechtskraft des Bescheides eingetretene bessere Rechtskenntnis des Bf. über steuerlich mögliche Werbungskosten und Sonderausgaben einen Wiederaufnahmegrund aus dem Titel neuhervorgekommener Tatsachen.
Auch ein Hervorkommen von neuen Beweismitteln aus Sicht des Antragstellers, also des Bf., ist in Bezug auf die mit Schreiben vom vorgelegten Unterlagen nicht gegeben.
Vielmehr wird festgehalten, dass auch mehrere vom Bf. vorgelegte Rechnungen unstrittig auf die Firma ***3*** GmbH in ***5*** und nicht an den Bf. gerichtet sind (anders lautend ist die Lieferadresse, die jeweils auf den Bf. lautet). Dass diese Rechnungen nicht der Firma ***3*** GmbH in ***5*** zuzurechnen sind (trotz unterschiedlicher Lieferadresse), hat der Bf. weder behauptet noch nachgewiesen.
Es ist davon auszugehen, dass diese Unterlagen aus Sicht des Bf. nicht "neu hervorgekommen" sein können.
Dasselbe gilt für die Fahrtkostenabrechnung: Der Bf. legte eine Tabelle über gefahrene Kilometer zu nicht konkretisierten Zwecken (keine Namensnennung von Personen etc.) als Nachweis seiner Fahrtkosten vor und will damit zum Ausdruck bringen, dass er tatsächlich diese km-Aufwendungen getätigt hat.
Damit können aber diese Aufwendungen aus Sicht des Bf. keine "neu hervorgekommenen Beweismittel" darstellen, da sie ihm ja bereits zum Aufwandszeitpunkt bekannt waren.
Es ist somit davon auszugehen, dass dem Bf. sämtliche für die Veranlagungszeitraum 2016 relevanten Unterlagen bereits vor Abschluss der Veranlagung zur Einkommensteuer 2016 zur Verfügung standen und er es lediglich aus Vergesslichkeit oder auch aus Unwissenheit über die rechtlichen Möglichkeiten verabsäumt hat, die nunmehr im Wiederaufnahmeantrag beantragten Absetzungen rechtzeitig in der Abgabenerklärung oder zumindest in einer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom steuerlich geltend zu machen.
Da somit nach der Aktenlage zum Zeitpunkt der Einbringung des strittigen Wiederaufnahmeantrages aus Sicht des Bf. keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel vorlagen, waren die Beschwerde vom als unbegründet abzuweisen.
Der vom Bf. behauptete Fall, dass bei einer "antraglosen Arbeitnehmerveranlagung" binnen fünf Jahren eine Steuererklärung eingebracht werden kann, liegt hier nicht vor, da die Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2016 nicht "antragslos", sondern über Antrag mittels Finanz-Online am erfolgte.
Aus diesem Grunde gehen die diesbezüglichen Ausführungen des Bf. zur "antraglosen Arbeitnehmerveranlagung" ins Leere.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Zulässigkeit der Revision:
Gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG wird eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen, da die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung (vgl. ; , Ra 2014/15/0058; , Ro 2016/15/0036; , Ro 2015/13/0011). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Wiederaufnahme antraglose Arbeitnehmerveranlagung Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung FinanzOnline |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101970.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at