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Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 29.09.2020, RV/6300007/2019

Stattgabe der Beschwerde eines Geschäftsführers einer GmbH, weil er die ihm vorgeworfenen Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG laut Aktenlage nicht begangen hat

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Richard Tannert als Vorsitzenden des Finanzstrafsenates Salzburg 1 in der Finanzstrafsache gegen 1. die A-GmbH, FNaa, XXA, als belangter Verband und 2. B, geb. xxxxb, Regisseur, Filmproduzent, Drehbuchautor und Geschäftsführer, whft. XXA, vertreten durch Dr. Peter Beisteiner, Steuerberater, Mathias-Bayrhamer-Straße 10, 5201 Seekirchen am Wallersee, als Beschuldigter wegen der Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeiten gemäß § 49 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG), Strafnummern (StrNrn.) str001 und str002, Amtsbeauftragte Hofrätin Dr. Friederike Heitger-Leitich, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis der Einzelbeamtin des Finanzamtes Salzburg-Land als Finanzstrafbehörde vom und im Übrigen aus Anlass der Beschwerde hinsichtlich des den belangten Verband betreffenden Teil dieses Erkenntnisses im Vorverfahren den Beschluss gefasst:

I. Der Beschwerde des Beschuldigten wird teilweise Folge gegeben und das Erkenntnis der Finanzstrafbehörde betreffend seine Person dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat:

Das gegen B beim Finanzamt Salzburg-Land unter der StrNr. str002 anhängige Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes, er habe als Geschäftsführer der A-GmbH, FNaa, sohin als Wahrnehmender deren steuerlichen Interessen, vorsätzlich betreffend die Lohnzahlungszeiträume Jänner 2011 bis Dezember 2013 Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschläge zu diesen in Höhe von insgesamt € 9.506,66 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet und hiedurch Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen, anhängige Finanzstrafverfahren wird gemäß §§ 136 Abs. 1 iVm 82 Abs. 3 lit. c Fall 1 FinStrG eingestellt.

II. Soweit sich die Beschwerde des Beschuldigten gegen den den belangten Verband betreffenden Teil des Erkenntnisses der Finanzstrafbehörde gerichtet hat, wird sie als unzulässig zurückgewiesen.

III. Aus Anlass der Beschwerde des Beschuldigten wird das Erkenntnis der Finanzstrafbehörde betreffend den belangten Verband gemäß § 161 Abs. 3 Satz 2 FinStrG dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat:

Das gegen die A-GmbH, FNaa, beim Finanzamt Salzburg-Land unter der StrNr. str001 anhängige Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes, sie trage gemäß § 3 Abs. 1 und 2 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) die finanzstrafrechtliche Verantwortung dafür, dass B als ihr Geschäftsführer, sohin als Wahrnehmender deren steuerlichen Interessen und ihr Entscheidungsträger, vorsätzlich betreffend die Lohnzahlungszeiträume Jänner 2011 bis Dezember 2013 Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschläge zu diesen in Höhe von insgesamt € 9.506,66 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet und hiedurch Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen habe, anhängige Finanzstrafverfahren wird gemäß §§ 136 Abs. 1 iVm 82 Abs. 3 lit. c Fall 1 FinStrG eingestellt.

IV. Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

A. Mit Erkenntnis der Einzelbeamtin des Finanzamtes Salzburg-Land als Finanzstrafbehörde vom , StrNrn. str001 und str002, wurden nach durchgeführter mündlicher Verhandlung in einem gemäß § 61 Abs. 1 FinStrG verbundenen Finanzstrafverfahren B als Beschuldigter und die A-GmbH als belangter Verband schuldig erkannt, 1.), es hätte B als Geschäftsführer der A-GmbH, FNaa, sohin als Wahrnehmender deren steuerlichen Interessen, vorsätzlich betreffend die Lohnzahlungszeiträume Jänner 2011 bis Dezember 2013 Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschläge zu diesen in Höhe von insgesamt € 9.506,66 (jahresweise aufgeschlüsselt: Dienstgeberbeiträge 2011: € 2.972,48 + 2012: € 2.895,16 + 2013: € 2.827,47 zuzüglich Zuschlägen zu diesen 2011: € 277,42 + 2012: € 270,22 + 2013: € 263,91) nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet und hiedurch Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen sowie 2.), es trage die A-GmbH, FNaa, gemäß § 3 Abs. 1 und 2 VbVG die finanzstrafrechtliche Verantwortung für die in Pkt. 1.) beschriebenen Finanzvergehen des Beschuldigten, weshalb über B gemäß § 49 Abs. 2 [iVm § 21 Abs. 1 und 2] FinStrG eine Geldstrafe in Höhe von € 1.100,00 und gemäß § 20 FinStrG für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Tagen sowie über den belangten Verband [gemäß §§ 28a Abs. 2, 49 Abs. 2 iVm § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG eine Verbandsgeldbuße in Höhe von € 1.000,00 verhängt worden sind; zusätzlich wurden dem Beschuldigten und dem belangten Verband der Ersatz pauschaler Verfahrenskosten nach § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG im Ausmaß von € 110,00 und € 100,00 auferlegt (Protokoll mündliche Verhandlung vom , Finanzstrafakt betreffend den Beschuldigten, Bl. 73 ff; schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses betreffend den Beschuldigten, genannter Finanzstrafakt, Bl. 76 ff).

In der Begründung des am mündlich verkündeten Straferkenntnisses (und gleichlautend in der Begründung der schriftlichen Ausfertigung betreffend den Beschuldigten) hat die Einzelbeamtin der Finanzstrafbehörde im Wesentlichen ausgeführt wie folgt (Finanzstrafakt betreffend den Beschuldigten, Bl. 74 ff):

B sei der Geschäftsführer der A-GmbH, FNaa. Ihm sei anzulasten, dass er bis zum fünften Tag nach Fälligkeit Lohnabgaben, also offensichtlich die verfahrensgegenständlichen Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und Zuschläge zu diesen, [ergänze: offensichtlich betreffend seinen Sohn C] nicht in vollständiger Höhe entrichtet habe, weshalb im Zuge einer GPLA-Prüfung im Zuge einer Abstimmung der Zahlungen Abfuhrdifferenzen festgestellt worden seien. Den Beschuldigten habe als Geschäftsführer, sohin als Wahrnehmender deren steuerlichen Interessen, die Verpflichtung gehabt, diese Lohnabgaben [zu entrichten] bzw. auch stichprobenartige Überprüfungen vorzunehmen. Weil er diese Überprüfung unterlassen habe und die Lohnabgaben auch nicht den Vorschriften entsprechend [entrichtet] worden seien, liege eine auf Steuerersparnis gerichtete Handlungsweise vor. Er hätte jedenfalls erkennen können, dass die betreffenden Lohnabgaben nicht ihn, sondern seinen Sohn betroffen hatten. Jedenfalls hätte er bei seinem Steuerberater oder beim Finanzamt entsprechende Erkundigungen einholen können. Er habe daher den abgabenrechtlichen Belangen gegenüber bewusst gleichgültig gehandelt, weshalb er eine bedingt vorsätzliche Vorgangsweise zu verantworten habe.

Der mit Eingabe des steuerlichen Vertreters [der GmbH] vom beantragten Gutbuchung von Lohnabgaben sei zwar antragsgemäß stattgegeben worden, diese habe sich jedoch auf den Geschäftsführer der A-GmbH, B [also auf den Beschuldigten], bezogen, welcher im Sinne des § 41 Abs. 4 lit. f Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) aufgrund Überschreitung des 60. Lebensjahres ab Mai 2007 von der Dienstgeberbeitrags- und Zuschlagspflicht befreit gewesen war. Dieser Sachverhalt stehe in keinem Zusammenhang zu den gegenständlichen Abfuhrdifferenzen in Bezug auf C.

Bei der Strafausmessung wurden berücksichtigt als mildernd die finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschuldigten, eine erfolgte Schadensgutmachung, er als erschwerend [die Mehrzahl der deliktischen Angriffe über mehrere Jahre hinweg].

Die A-GmbH, FNaa, sei für die im Spruch des Erkenntnisses gegen B angeführten, von ihrem Entscheidungsträger schuldhaft zu ihren Gunsten begangenen und ihre abgabenrechtlichen Pflichten betreffenden Finanzvergehen [finanzstrafrechtlich] verantwortlich (Verhandlungsprotokoll, genannter Finanzstrafakt, Bl. 75).

B. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte in vollem Umfang Beschwerde erhoben und beantragt, das Erkenntnis ersatzlos aufzuheben [mit ausreichender Deutlichkeit wohl: das Erkenntnis der Finanzstrafbehörde dahingehend abzuändern, dass die anhängigen Finanzstrafverfahren eingestellt werden], wobei eine Entscheidungsfindung eines Finanzstrafsenates des Bundesfinanzgerichtes begehrt wurde.

Der Beschuldigte, also B, sei Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH. Sein Sohn C halte an der Gesellschaft einen Kapitalanteil von 26 %. Für die Erledigung der lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten sei an die Kanzlei des Verteidigers ein Dauermandat erteilt worden.

Bei der Durchführung der Lohnbuchhaltung sei es zu einem bedauerlichen Fehler gekommen, den der Beschuldigte jedoch nicht zu vertreten habe. Für den Sohn des Beschuldigten war ein Lohnkonto eingerichtet worden, bei welchem er irrtümlicherweise als Geschäftsführer bezeichnet worden war. Für die streitbefangenen Zeiträume seien Dienstgeberbeiträge, Zuschläge zu diesen und Kommunalsteuer pünktlich erklärt und abgeführt worden. Für den Beschuldigten selbst, der bereits 2007 das 60. Lebensjahr vollendet hatte, wurde in Ansehung des § 41 Abs. 3 lit. f FLAG kein Lohnkonto geführt. Wegen der Namensgleichheit sei hier zu einer Verwechslung von Vater und Sohn bei der Bearbeitung der Lohnangelegenheiten gekommen; dies deshalb, weil C im Firmenbuch auch als Prokurist eingetragen sei. [Mit anderen Worten: Von der Lohnbuchhaltung der Steuerberatungskanzlei wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt irrig angenommen, dass von ihnen geführte Lohnkonto betreffe den Geschäftsführer B und nicht seinen Sohn C.]

Der als Verteidiger einschreitende Steuerberater sei jedoch im Jahre 2014 zu der Auffassung gelangt, dass C im Streitzeitraum eine selbständige, künstlerisch geprägte Tätigkeit innegehabt habe und nicht als Dienstnehmer anzusehen sei. Indizien hätten gegen seine Eingliederung in die A-GmbH gesprochen. Aus diesem Grund sei [am] ein Antrag auf Gutbuchung der nach "unserer" Auffassung [also wohl nach der Auffassung der Steuerberatungskanzlei] zu Unrecht, aber stets pünktlich bezahlten Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu diesen für C [gestellt] worden. [Anmerkung: Wobei aber - folgt man den obigen Ausführungen der Verteidigung - die Lohnbuchhaltung der Meinung gewesen sein muss, der Steuerberater spreche von B.] Dem Antrag [der keinen Namensbezug enthalten hatte] sei entsprochen worden. Da sich die Judikatur zwischenzeitig eher profiskalistisch entwickelt habe, sei aus verfahrensökonomischen Gründen dem GPLA-Prüfer, welcher die fehlende Dienstnehmereigenschaft des C in Zweifel gezogen hatte, nachgegeben worden.

Der Tatbestand des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG sei schon objektiv nicht verwirklicht. Die Dienstgeberbeiträge und Zuschläge wurden 2011, 2012 und 2013 stets pünktlich gemeldet, also in korrekter Höhe bekannt gegeben und auch bezahlt. Unter Strafe stehe nur das Unterlassen der Bekanntgabe. Die Nichtzahlung sei nicht strafbewährt [vermutlich: strafbewehrt, weil vom Wortstamm "mit Strafe abwehren" und nicht "sich bewährt haben"]. Gleiches [Was?] gelte auch für die Rückforderung. Das Handeln sei nach den einschlägigen Rechtsnormen gar nicht strafbewährt [strafbewehrt], weil der Beschuldigte durch seine[n] Bevollmächtigten [den Steuerberater] sämtlichen Melde- und Zahlungspflichten nachgekommen sei.

Sowohl der beschuldigte Geschäftsführer und sohin auch der belangte Verband hätten nicht vorsätzlich gehandelt. Die Finanzstrafbehörde übersehe in ihrem Erkenntnis grundlegende Prinzipien bei der Ermittlung und Feststellung der subjektiven Tatseite. Die Behörde habe bestenfalls leichte Fahrlässigkeit festgestellt. Geradezu praxisfremd sei ihr Ansatz, der Beschuldigte habe erkennen müssen oder können, dass es zu Fehlern bei der Lohnabrechnung gekommen sei, oder sich zumindest darüber erkundigen [können]. Der Beschuldigte sei Regisseur und Künstler, aber weder Betriebswirt noch Jurist, weshalb er sich fachkundiger Hilfe bedient habe, die der Besteuerung eine vertretbare Rechtsauffassung zugrunde gelegt habe.

Der nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG geforderte Vorsatz müsse sich lediglich auf die Verwirklichung des Tatbildes, sohin auf die Versäumung des Termins zur Entrichtung der Selbstbemessungsabgabe, richten. Es sei aber pünktlich erklärt und abgeführt [gemeint: entrichtet] worden. Es sei "denkunmöglich", dass Wirtschaftsakteure, die ihre steuerlichen Agenden in die Hände erfahrener Fachleute geben und die relevanten Informationen zur Verfügung stellen, es ernsthaft für möglich halten, dass es zu einem Finanzvergehen komme, geschweige denn, dass man sich damit abfinde. Ansatzpunkte, dass den Beschuldigten und den Verband Überwachungspflichten treffen, seien nicht ersichtlich, da es in 25 Jahren zu keinerlei Beanstandungen gekommen sei.

Es hätte positiver Feststellungen der Finanzstrafbehörde bedurft, um einen derartigen Vorwurf in seriöser Weise zu erheben und begründen zu können. Es komme auf das konkrete Wissen des Täters an. Es reiche auch nicht, dass ein Geschäftsführer sich hätte Gedanken machen müssen. Vorsätzlich handle auch nicht, wer der Besteuerung eine vertretbare Rechtsauffassung zugrunde legt, selbst wenn diese später nicht bestätigt werde. Es werde die Rechtsfortentwicklung behindert, wenn jede von der Verwaltungsmeinung abweichende Rechtsauffassung oder Subsumtion gleich unter Strafdrohung gestellt werde.

C. Eine eigene Beschwerde des belangten Verbandes, der A-GmbH, liegt nicht vor (Abfrage Finanzstrafregister). Bezüglich des belangten Verbandes hat sein Verteidiger nach Abschluss der mündlichen Verhandlung am zwar erklärt, "dass der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Sachverhalt nicht in die Entscheidungsfindung eingeflossen ist und dies Gegenstand einer Beschwerde sein wird", was als Anmeldung einer Beschwerde zu verstehen war (vgl. ), jedoch wurde eine solche nach bereits unmittelbar nach der Verhandlung ausgehändigter Ausfertigung eines Straferkenntnisses eine solche durch den Verteidiger als Vertreter des belangten Verbandes nicht ausgeführt (Finanzstrafregister), weshalb - unter Vorwegnahme der Unzulässigkeit einer diesbezüglichen Beschwerde des Beschuldigten - nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bezogen auf den belangten Verband das Erkenntnis der Finanzstrafbehörde in Rechtskraft erwachsen ist.

D. Die sich für das Bundesfinanzgericht ergebende Akten- und Beweislage wurde dem Amtsbeauftragten und der belangten Behörde vorgetragen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht bzw. der befasste Finanzstrafsenat, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Soweit jedoch eine mündliche Verhandlung aus den Gründen des § 160 Abs. 1 FinStrG, etwa bei erforderlicher Verfahrenseinstellung, nicht stattfindet, obliegt die Entscheidungsfindung dem Senatsvorsitzenden. Dies gilt auch für den Fall, in welchem sich das Bundesfinanzgericht aus Anlass einer Beschwerde überzeugt, dass zum Nachteil eines anderen Beschuldigten bzw. belangten Verbandes (vgl. § 56 Abs. 5 Z. 1 FinStrG) oder Nebenbeteiligten, welcher keine Beschwerde eingebracht hat, das Gesetz unrichtig angewendet worden ist und gemäß § 161 Abs. 3 Satz 2 FinStrG so vorzugehen ist, als wäre auch von diesen Personen (hier die A-GmbH als belangter Verband) eine Beschwerde eingebracht worden.

2. Gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG haben die Finanzstrafbehörden - und gemäß § 157 FinStrG auch das Bundesfinanzgericht - unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht; bestehen Zweifel, so darf die Sache nicht zum Nachteil des Beschuldigten angenommen werden. Dabei ist der Nachweis nicht nur hinsichtlich der objektiven, sondern auch hinsichtlich der subjektiven Tatseite zu führen. Bleiben Zweifel bestehen, sind diese somit zugunsten des Beschuldigten beachtlich.

In einem Finanzstrafverfahren darf sohin ein Schuldspruch nur erfolgen, wenn vom entscheidenden Organ der Finanzstrafbehörde bzw. der Finanzstrafbehörde in freier Beweiswürdigung die Überzeugung gewonnen wird, dass die dafür erforderlichen entscheidungsrelevanten Tatsachen auch in subjektiver Hinsicht wirklich vorliegen und solcherart etwa eine diesen widersprechende Sachverhaltsdarstellung des Beschuldigten so unwahrscheinlich ist, dass ihr Zutreffen nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden kann, also kein Zweifel mehr an seinem Verschulden besteht (z.B. , RV/2300007/2016). Die Erfüllung des Tatbestandes muss eine fast vollständige Wahrscheinlichkeit oder sogar Gewissheit für sich haben (zB ). Diese Relevanz einer allfälligen diesbezüglichen Feststellungslücke zugunsten des Beschuldigten gilt natürlich umso mehr, wenn wesentliche Aspekte eines strafrelevanten Sachverhaltes aufgrund der Aktenlage gar nicht festgestellt werden können.

3. Gemäß § 79 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 hatte im strafrelevanten Zeitraum (Februar 2011 bis Jänner 2014) ein Arbeitgeber (hier: die A-GmbH) bzw. der Wahrnehmende seiner steuerlichen Interessen (hier in Frage kommend der beschuldigte B als Gesellschafter und im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer und allenfalls Entscheidungsträger bzw. Personen im Rahmen der Lohnbuchhaltung der Steuerberatungskanzlei, welche die von der A-GmbH zu entrichtenden oder abzuführenden Lohnabgaben zu berechnen und derjenigen Person, welche die Zahlungen an die Abgabenbehörde vorzunehmen hatte, zu melden waren; Personen aus diesem Kreis wohl allenfalls als Beitrags- oder Bestimmungstäter) die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat von den (ausbezahlten) Löhnen einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen. In gleicher Weise waren die Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen gemäß § 43 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 und die Zuschläge zu diesen gemäß § 122 Abs. 7 Wirtschaftskammergesetz 1988 iVm. § 43 Abs. 1 FLAG zu entrichten. Welche Bemessungsgrundlagen dafür gegeben waren, hatte der Arbeitgeber in einem von ihm für jeden Arbeitnehmer gemäß § 76 EStG 1988 und einer dazu ergangenen Verordnung zu führenden Lohnkonto zu verzeichnen.

4. Gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG machte sich einer Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer vorsätzlich derartige Abgaben, die selbst zu berechnen waren, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet (Familienbeihilfe bzw. Zuschläge zu diesen) oder abgeführt (Lohnsteuer - hier nicht relevant) hat, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe der geschuldeten Beträge bekanntgegeben wurde; im Übrigen war die Versäumung eines Zahlungstermines für sich alleine nicht strafbar.

Der für die Verwirklichung des Tatbildes nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG erforderliche Vorsatz musste sich sohin nach ständiger Rechtsprechung nur auf die tatbildmäßig relevante Versäumung des Termins für die Entrichtung oder Abfuhr der Selbstbemessungsabgaben bzw. der fünftägigen Frist richten. Ob den dafür Verantwortlichen an der Unterlassung einer als strafbefreiend normierten Meldung der geschuldeten Beträge an das Finanzamt ein Verschulden getroffen hat, ist irrelevant (z.B. ; ).

Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) reicht aus; dieser wird in § 8 Abs. 1 FinStrG damit beschrieben, dass der Täter die Verwirklichung der Tat ernsthaft für möglich hält und sich damit abfindet. Eine bloße (grobe) Fahrlässigkeit hinsichtlich der Unterlassung der Entrichtung oder Abfuhr bis zum fünften Tag nach Fälligkeit erfüllt den Tatbestand nicht. Trifft also jemanden lediglich ein Überwachungsverschulden, weshalb er nicht erkannt hat, dass er nicht fristgerecht die Lohnabgaben entrichten oder abführen wird, und daher bei Verletzung der ihm möglichen, gebotenen und auch zumutbaren Sorgfalt unbewusst fahrlässig gehandelt hat, ist sein Verhalten nicht strafbar. Zur Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit (wenn der Täter die Möglichkeit der Herbeiführung eines strafrelevanten Sachverhaltes zwar erkannt hätte, ihn aber nicht herbeiführen will) siehe für viele z.B. Schmitt in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, FinStrG I5, Rz 12 zu § 8.

5. Im gegenständlichen Fall hat die Finanzstrafbehörde auf Seite des Beschuldigten einen Eventualvorsatz als erwiesen erachtet, indem dieser sich abgabenrechtlichen Belangen gegenüber bewusst gleichgültig verhalten habe. Dies habe sich darin manifestiert, dass er bezüglich der Lohnabgaben keine stichprobenartige Überprüfung vorgenommen habe. Weil er diese stichprobenartige Überprüfung unterlassen hat, habe ihm eine Wahrnehmung gefehlt, nämlich die, dass die strafrelevanten Lohnabgaben (also solche, die nicht fristgerecht entrichtet wurden) nicht seine Person, sondern seinen Sohn betroffen hätten, (und wohl weiter abzuleiten:) sowie, dass das Unterlassen der Entrichtung von Familienbeihilfen und Zuschlägen zu diesen unzulässig gewesen ist. Zumindest aber hätte er bei Vornahme der erforderlichen Stichproben und einer deswegen erfolgten Feststellung, dass die nicht (fristgerecht) entrichteten Lohnabgaben seinen Sohn betroffen haben, hinsichtlich der Richtigkeit der Nichtentrichtung Erkundigungen bei seinem Steuerberater oder beim Finanzamt einholen können.

Dies sind aber im Ergebnis typische Argumente für eine unbewusste Fahrlässigkeit, nicht jedoch für einen bedingten Vorsatz des Beschuldigten: Derjenige, dem nur vorzuwerfen ist, dass er aufgrund ungenügender Überwachung einen Sachverhalt nicht erkennt, welcher zu einer abgabenrechtlichen Pflichtverletzung (der nicht fristgerechten Entrichtung) führen kann, handelt sorglos und solcherart, wenn ihm die erforderliche Überwachung möglich und auch zumutbar gewesen wäre, fahrlässig im Sinne des § 8 Abs. 2 FinStrG. Es kann dem Verpflichteten sogar bewusst sein, dass er gegen seine Überwachungspflicht verstößt, er also diesbezüglich bewusst gleichgültig handelt, dennoch handelt er immer noch nur fahrlässig. Er handelte auch lediglich fahrlässig, wenn er grob fahrlässig im Sinne des § 8 Abs. 3 FinStrG gehandelt hätte, sodass also, weil er ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelte, der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes (die Nichtentrichtung bis zum fünften Tag nach Fälligkeit) als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar gewesen ist. Wird vom Täter mangels möglicher, gebotener und pflichtgemäßer Überwachung die Möglichkeit eines strafrelevanten Sachverhaltes nicht erkannt, handelt er unbewusst fahrlässig. Nur wenn - zweifelsfrei nachgewiesen - der Entscheidungsträger es ernstlich für möglich gehalten hat, dass aufgrund seines Verhaltens (etwa seiner Untätigkeit) die Lohnabgaben nicht spätestens am fünften Tag entrichtet werden, und er sich damit (mit dieser Möglichkeit) - wiederum nachgewiesen - abgefunden hat, läge eine vorsätzliche Vorgangsweise vor.

Von Seite der Finanzstrafbehörde wurde diese Thematik nicht ausreichend bedacht und für den Geschäftsführer daher bereits aus einer vorgeworfenen fehlenden Überwachung der Lohnverrechnung (welche er aber anscheinend komplikationsfrei seit Jahrzehnten einer erfahrenen Steuerberatungskanzlei übertragen hatte) ohne weiteres Beweissubstrat abgeleitet, dass er hinsichtlich einer ihm unbekannten Fehlberechnung an Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen zu diesen bedingt vorsätzlich die solcherart nicht errechneten Beträge nicht jeweils bis zum fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet hätte.

6. Den vorgelegten Akten ist überdies zu entnehmen, dass die hier verfahrensgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben zu den strafrelevanten Zeitpunkten (zuletzt: ) offenkundig fristgerecht entrichtet worden (Abfrage Abgabenkonto des belangten Verbandes). Die als strafrelevant erkannten Abfuhrdifferenzen an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlägen zu diesen in Höhe von insgesamt € 9.506,66, festgestellt laut Bericht der Außenprüfung zu ABNr. yyyyy (Finanzstrafakt, Bl. 6 ff), ergeben exakt denjenigen Betrag, welcher erst am mit Wertstellungstag , für die Lohnzahlungszeiträume Jänner 2011 bis Dezember 2013 - neben Gutbuchungen für die Lohnzahlungszeiträume Jänner bis Dezember 2010 und Mai 2014 (vermutlich Jänner bis Mai 2014) - nachträglich gutgebucht worden ist (Kontoabfrage).

Die vorgeworfenen Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG in Form einer vorsätzlichen Nichtentrichtung von Lohnabgaben für die Lohnzahlungszeiträume Jänner 2011 bis Dezember 2013 bis jeweils am fünften Tag nach Fälligkeit, letztlich zum , liegen daher gar nicht vor.

7. Die als strafrelevant erachtete Abfuhrdifferenz ergibt sich offenbar daraus, dass die damalige Lohnbuchhalterin D mit Eingabe vom per Findok die Gutbuchung der Beträge beantragte:

"Sonstige Anbringen und Anfragen
Betreff: Rückforderung DB und DZ 2010-2013
Text:
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei der Steuernummer {…} wurden irrtümlich zu viele Beiträge abgeführt. Ich bitte Sie folgende Beträge Gutzuschreiben und retour zu überweisen.
DB 2010 2842,67
DZ 2010 265,31
DB 2011 2972,47
DZ 2011 277,43
DB 2012 2895,16
DZ 2012 270,23
DB 2013 2827;47
DZ 2013 263,90
Vielen Dank und liebe Grüße
D" ,

was den Sachbearbeiter E nach einem Telefonat mit D zu dem Aktenvermerk "Gesellschafter wurde irrtümlich DB, DZ-pflichtig abgerechnet … kann gutgeschrieben werden" veranlasste (Finanzstrafakt, Bl. 62).

Man scheint damals irrtümlich davon ausgegangen zu sein, dass diese Lohnabgaben den Geschäftsführer und nunmehrigen Beschuldigten B, geb. xxxxb, betroffen hätten (Zeugenaussage E, Finanzstrafakt, Bl. 65 f). Von der "Zugrundelegung einer vertretbaren Rechtsansicht" betreffend C, welche - so die Verteidigung - mit Strafe bedroht werde, ist aus der Aktenlage insoweit nichts erkennbar.

8. Tatsächlich aber hat der Vorgang entgegen der Auskunft der Steuerberatungskanzlei tatsächlich das Lohnkonto des Sohns des Beschuldigten, C, geb. xxxxc, betroffen, welches auch nach den Gutbuchungen unverändert geblieben war (Finanzstrafakt Bl. 17 ff). 9. Der Vorgang wurde mittels nachträglicher Außenprüfung vom wieder richtiggestellt (Finanzstrafakt, Bl. 6).

9. Unterstellte man D eine vorsätzliche Vorgangsweise, hätte sie Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 1 iVm Abs. 3 lit. d FinStrG zu verantworten. Hätte der Beschuldigte der Lohnbuchhalterin eine entsprechende Anweisung erteilt, gegenüber dem Finanzamt die Gutschrift der Lohnabgaben für die A-GmbH zu beantragen, und hätte er dabei wider besseres Wissen gehandelt, wären wohl ihm ebenfalls Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 1 FinStrG vorzuwerfen. Ein diesbezügliches Einschreiten des B ist aber aus den Akten gar nicht ersichtlich (zumal D, spätere F, zum Sachverhalt nicht vernommen worden ist). Die Strafbarkeit allfälliger derartiger Abgabenhinterziehungen wäre zwischenzeitlich verjährt und ist auch nicht Verfahrensgegenstand.

10. Da jedenfalls der Beschuldigte die laut Aktenlage ihm zum Vorwurf gemachten Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG nicht begangen hat, war betreffend seine Person das anhängige Finanzstrafverfahren spruchgemäß einzustellen.

11. Soweit das vom Beschuldigten bekämpfte Erkenntnis der Finanzstrafbehörde den belangten Verband betroffen hat, ist er zur Erhebung einer Beschwerde nicht berechtigt gewesen (vgl. § 151 Abs. 1 FinStrG), weshalb sein Rechtsmittel insoweit zurückzuweisen war.

12. Aus Anlass der Befassung des Bundesfinanzgerichtes mit der berechtigten Beschwerde des Beschuldigten bezüglich des seine Person betreffenden Teiles des Erkenntnisses der belangten Behörde ergibt sich jedoch im Sinne des § 161 Abs. 3 Satz 2 FinStrG, dass die Finanzstrafbehörde auch betreffend den belangten Verband das Gesetz, hier in Bezug auf Qualifizierung des festgestellten Verhaltens des Beschuldigten als von einem Vorsatz getragen, unrichtig angewendet hat. Hätte sich die belangte Behörde von Überlegungen im Sinne von Pkt. 5. leiten lassen, hätte sie - auch auf Basis ihrer Feststellungen zur objektiven Tatseite - das Verhalten des Beschuldigten nicht als vorsätzlich qualifiziert, weshalb der belangte Verband nicht finanzstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen und auch das ihn betreffende Finanzstrafverfahren vielmehr ebenfalls eingestellt worden wäre. Es war daher auch betreffend die A-GmbH mit einem Beneficium cohaesionis zu ihren Gunsten spruchgemäß vorzugehen.

13. Diese Entscheidungen auf Einstellung der anhängigen Finanzstrafverfahren konnten gemäß § 62 Abs. 2 iVm § 160 Abs. 1 FinStrG aufgrund der insoweit sicheren Beweislage bereits im Vorverfahren vor Einberufung des Finanzstrafsenates durch den Senatsvorsitzenden getroffen werden.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da der Beschluss nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlte oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden wäre.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Beneficium cohaesionis
Keine nicht bis zum fünften Tag nach Fälligkeit erfolgte Entrichtung
unrichtige Anwendung des Gesetzes
Finanzordnungswidrigkeiten
Einstellung mangels Tatbegehung
bedingter Vorsatz
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6300007.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at