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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.05.2020, RV/7102877/2019

Erhöhte Familienbeihilfe; Feststellung, ob in einem bestimmten eingegrenzten Zeitraum eine 50%ige Behinderung vorlag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde des Bf, Stadt, Ungarn, vom , gegen den Bescheid des Finanzamts Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab März 2016, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird insofern abgeändert, als der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab 04/2017 gewährt wird.

Für den Zeitraum von 03/2016 - 03/2017 bleibt der Bescheid unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf), ungarischer Staatsbürger, wohnt mit seiner Gattin und seiner Tochter in Stadt, Ungarn. Seine Tochter T. G., geb. Nov97, besuchte 2016 ein Gymnasium in Stadt.

Der Bf beantragte mit Schreiben, beim Finanzamt (FA) am eingelangt, die Differenzzahlung zur Familienbeihilfe für T., vom - .

Darüber hinaus beantragte der Bf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung seiner Tochter ab 03/2016. Es bestehe die Erkrankung "Colitis ulcera". Der Bf legte dem Antrag verschiedene Unterlagen bei.

Das FA wies den Antrag des Bf auf erhöhte Familienbeihilfe mit Bescheid vom ab April 2016 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen kein Gutachten erstellt und somit keine Behinderung bescheinigt werden hätte können.

In der Beschwerde vom brachte der Bf im Wesentlichen vor, er habe als Anlage seines Antrags zahlreiche ärztliche Dokumente übermittelt, welche die erhebliche Behinderung seiner Tochter beweisen würden. Die Krankheit sei schon im Jahr 2007 diagnostiziert worden und sie stehe seither unter dauerhafter ärztlicher Behandlung.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen habe seine Tochter nicht zur Untersuchung eingeladen; dabei könnte ihre Krankheit und Behinderung festgestellt werden.

T. wurde am untersucht und vom Sachverständigen des Sozialministeriumservice am folgendes ärztliche Sachverständigengutachten erstellt:

"Anamnese:
Colitis ulcerosa sei seit 10 Jahren bekannt, die ED sei im Alter von 9 Jahren gestellt worden. Außerdem bestehe eine Glutenunverträglichkeit, eine Milchallergie sowie viele
Nahrungmittelunverträglichkeiten (mittels IgG 4 AK festgestellt). Sie leide viel unter
Blähungen und Krämpfen, habe 3-4 Durchfälle täglich. Vor allem die Bauchkrämpfe seien
sehr belastend, deren Dauer betrage oft 2 Stunden, sie müsse dann von der Schule zu
Hause bleiben.
Stationär wegen der Colitis sei sie die letzten Jahre nicht gewesen, bis dato auch noch
keine Operation. Sie leide auch oft unter vergeblichem Stuhldrang, manchmal komme auch nur Blut - sie sei auch blutarm.
Eventuell sei eine Biologika.-Therapie vorgesehen
Derzeitige Beschwerden: s. oben
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Salofalk Schaum, Budenofalk 2 mg 1x1 (Cortison), Salfolak 2x1, Pantoprazol, Pentasa, Vit. D., Folsan, Calcium, Östrogene, Buscopan, Espmumisan

Sozialanamnese: Schülerin, demnächst Matura, will studieren

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Ambulantes Blatt, Übersetzung aus dem Ungarischen v. (KH Stadt:
Procititis ulcerosa, erosives Stadium - es wird ein blutiger Stuhlgang 2 x täglich angegeben - unter Therapie keine Besserung
Übersetzung aus dem Ungarischen v. , Dr. E., Activ Naturmed - vor 7
Jahren Untersuchung wegen stark blutender Colitis - Steroide, Pentasa, Imuran, Salofalk
Clysma
Abschlussbericht KH Györ v. bis stationär - Indeterminierte Colitis,
chronisch obstruktive LungenDurchfall. Hat krampfartige Bauchschmerzen
Gastroenterologe Dr. P. v. (in Ungarisch): Colitis ulcerosa, GERD, Insuffiz.krankheit - seit Dez. vorigen Jahres produziert sie rekurrent
frischen blutigen Stuhl, hat aber keinen cardiae, Erosiones ventrikuli et duod; TE

Untersuchungsbefund: […]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
Gdb%
1
Colitis ulcerosa
Unterer Rahmensatz, da ca. 3-4 Stühle täglich. Wahl dieser Position, da ausgedehnte Erosionen (auch Magen und Dünndarm befallen) und starke Blutungsneigung sowie erheblicher Leidensdruck. Inkludiert auch die Nahrungsmittelunverträglichkeiten
50

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten
Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Aus den vorgelegten Befunden ist rückwirkend ein durchgehender GdB von 50 v.H. nicht ableitbar, dieser liegt erst ab Untersuchungsdatum vor unter besonderer Berücksichtigung des Befundes von Dr. P. von 04/2017

Stellungnahme zu Vorgutachten: Erstgutachten

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 04/2017

Frau T. G. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu
verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: macht Matura, erhaltene Mobilität

Dauerzustand
Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Besserungsmöglichkeit von Leiden 1"

Unter Zugrundelegung der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen gab das FA der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Verweis auf die Bestimmungen des § 8 Abs 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967), wonach ein Kind als erheblich behindert gilt, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht und der Grad der Behinderung mindestens 50% betragen muss, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ab April 2017 mit der Begründung teilweise statt, dass das Sozialministeriumservice im Gutachten vom einen Grad der Behinderung von 50% ab festgestellt habe. Für den Zeitraum 03/2016 - 03/2017 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Zustellung der BVE erfolgte nach den Angaben des FA im Vorlagebericht mit internationalem Rückschein, der Nachweis über die erfolgte Zustellung langte jedoch beim FA nicht ein.

Im Vorlageantrag, datiert mit , ungarischer Poststempel , brachte der Bf im Wesentlichen vor, er lege weitere ärztliche Dokumente bei, welche die erhebliche Behinderung und das fortdauernde Bestehen der Krankheit seiner Tochter beweisen würden. Seine Tochter habe auch schon im Zeitraum von 03/2016 - 03/2017 an diesen Krankheiten gelitten. Die Symptome hätten schon 2007 begonnen.

Mit Schreiben vom urgierte der Bf beim FA und brachte Folgendes vor:

"Sie haben meinen Antrag vom auf erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum 3/2016 - 3/2017 als unbegründet abgewiesen.

Obwohl die Möglichkeit dafür bestand, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen meine Tochter (T. G., geb. Nov97) erst am zur ärztlichen Untersuchung eingeladen, wodurch ihre Krankheiten und Behinderung hätten früher festgestellt werden können, da sie an diesen Krankheiten schon seit Jahren leidet.

Diese Begründung kann ich nicht annehmen, da ich Ihnen als Anlage meines Antrags zahlreiche ärztliche Dokumente in deutscher Übersetzung eingereicht habe.

Als Anlage meines Antrags und meiner Beschwerde habe ich mehrmals die ärztlichen Dokumente (ambulante Behandlungsblätter, Abschlussberichte) in Kopie und in deutscher Übersetzung eingereicht, welche die erhebliche Behinderung, das fortdauernde Bestehen der Krankheiten meiner Tochter für den Zeitraum 3/2016-3/2017 bewiesen.

Die in der Beschwerdevorentscheidung angeführte Begründung der Abweisung, entspricht in keiner Weise den Tatsachen.

Begründung:

Das Sozialministeriumservice hat im Gutachten vom einen Grad der Behinderung von 50 % ab festgestellt. Meine Tochter litt aber schon vor diesem Zeitpunkt, also in dem Zeitraum 3/2016-3/2017 an diesen Krankheiten.

Die Symptome von Colitis ulcerosa begannen schon im Jahre 2007. Sie hatte stark blutenden Colitis, bei Stuhlentleerung hatte sie krampfhafte Bauchschmerzen. Während der Colonoscopie wurden vom Anusring bis zur Höhe von 12-14 cm entzündete Anzeichen, schwere Erosionen bemerkt. Man begann ihre Behandlung mit Steroid von großer Dosis, 5-ASA Präparat (in Form von p.os und enema), sowie mit ergänzenden magenschützenden und kaliumergänzenden Mitteln. Nach der Fortlassung von Medrol begann die Blutung wieder. Manchmal hatte sie eine bessere Periode, ein halbes Jahr lang ging es ihr gut. Dann bildete sich wieder eine blutende Entzündung aus - zu dieser Zeit fand man im Bereich des Rectum und des Sigma Geschwüre auch.

In den 10 Jahren hatte sie dreimal Colonoscopie und einmal Gastroscopie. Die letzten Untersuchungen waren am . Während der Colonoscopie bemerkte man ausgebreitete Erosionen. Seit 4 Jahren treten die Remissionsphasen unter ständiger Medikamenteneinnahme nicht auf. Sie hat 3-4 mal blutige, schleimige Stuhlgänge/Tag. Seit 10 Jahren nimmt sie Pentasa Tabl/Gran., und Salofalk Enema, aber das hilft auch nicht. Sie bläht sich und hat starke Krämpfe, die stundenlang dauern.

In den vielen Jahren hatte sie oft Gelenksschmerzen, besonders beide Knie und Schultergelenkschmerzen.

Da sie seit mehr als einem Jahr auch an GERD leidet, hat sie oft Magenschmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit. Sie hat Erosionen im Magen und Duodenum.

Seit ihrer Geburt an hat sie Hühnerei-, Laktose- und Kuhmilcheiweißunverträglichkeit. Es besteht seit 01.2014 Lebensmittelintoleranz, deshalb hält sie zusätzlich auch Nahrungskarenz von Ei, Weizen, anderen glutenhaltigen und glutenfreien Getreiden, Milch, Kiwi, Banane, Ananas, Kirsche, Erdbeere, Himbeere, Mandel. Wegen der starken Schmerzen und Krämpfen im Bauch kann sie viele Arten von Gemüse auch nicht essen, sowie Hülsenfrüchte, Kohlgemüse. Vollkornprodukte, scharfe Gewürze, rohes Obst und Gemüse, Schalenfrüchte, Salate. Fruchtsäfte, Paprika, Tomate, fettes Fleisch und Wurstsorte kann sie auch nicht vertragen. Seit ihrer Kindheit leidet sie unter atopische Dermatitis. Oft hat sie trockene, rote, manchmal schuppende Ekzeme auf der Haut und einen starken Juckreiz, die mit Glucocorticoiden behandelt werden. Ihre Menses werden von starken Krämpfen begleitet und sie dauern 7-8 Tage. Sie wurde wegen Cortiment und Budenofalk völlig unregelmäßig. Deshalb ist sie sehr blutarm, das Eisen ist manchmal 3, aber die Eisentablette verstärkt die Darmblutung, deshalb bekommt sie seit Jahren Ferrlecit Spritze. Sia hat Anämie, eine Verminderung der Hämoglobin-Konzentration im Blut und zu niedrigen Anteil der Erythrozyten am Blutvolumen. Sie ist oft müde und hat häufig Kopfschmerzen. Sie nimmt seit Jahren an Psychotherapie teil. Im Jahre 2014 wurde Hyperkyphosis dorsi, Scol thor et lumb. m. Scheuermann diagnostiziert. Seither muss sie regelmäßig Heilgymnastik machen. Sie hat oft Rückenschmerzen.

Aufgrund der eingereichten ärztlichen Dokumente wäre meines Erachtens feststellbar, dass bei meiner Tochter eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung bestand, dass der Gesamtgrad der Behinderung mehr als 50 % beträgt und dass diese Krankheiten voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhalten.

Hätte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen meine Tochter zur ärztlichen Untersuchung schon im Jahre 2016 eingeladen, hätten ihre Krankheiten und Behinderung früher festgestellt werden können, und hätten wir viel früher Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe. Die Schuld daran trägt die Behörde...".

Das FA legte am die Beschwerde dem BFG vor und beantragte, den Vorlageantrag zurückzuweisen, da dieser nicht fristgerecht eingebracht worden sei. In eventu wurde beantragt, die erhöhte Familienbeihilfe von 03/2016 - 03/2017 abzuweisen.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Feststellungen:

Die am Nov97 geborene Tochter des Bf befand sich im beantragten Zeitraum (ab März 2016) in Schulausbildung.

T. wurde im Zuge des Antragverfahrens am untersucht und vom Sachverständigen des Sozialministeriumservice im schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 % rückwirkend ab April 2017 bescheinigt. Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde nicht attestiert.

T. wurde somit für den Zeitraum 03/2016 bis 03/2017 kein Behinderungsgrad von 50% bescheinigt.


Beweiswürdigung:

Die Feststellungen basieren auf dem Gutachten des Sozialministeriumservice vom und den vom Bf vorgelegten angeführten Unterlagen:

Abschlussbericht KH Györ vom bis stationär
Indeterminierte Colitis, chronisch obstruktive LungenDurchfall. Hat krampfartige Bauchschmerzen

Ambulantes Blatt, Übersetzung aus dem Ungarischen v. (KH Stadt:
Procititis ulcerosa, erosives Stadium - es wird ein blutiger Stuhlgang 2 x täglich angegeben - unter Therapie keine Besserung

Übersetzung aus dem Ungarischen v. , Dr. E.,
Activ Naturmed - vor 7 Jahren Untersuchung wegen stark blutender Colitis - Steroide, Pentasa, Imuran, Salofalk Clysma

Gastroenterologe Dr. P. v. (in Ungarisch):
Colitis ulcerosa, GERD, Insuffiz.krankheit - seit Dez. vorigen Jahres produziert sie rekurrent frischen blutigen Stuhl, hat aber keinen cardiae, Erosiones ventrikuli et duod; TE

In der anzuwendenden Einschätzungsverordnung ist unter Punkt für chronische Darmstörungen schweren Grades mit schweren chronischen Schleimhautveränderungen ein Grad der Behinderung zwischen 50 und 60 % festgesetzt.

Darüber hinaus steht Folgendes:

"50%:
Diagnostisch gesicherte Zöliakie bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendetem 18. Lebensjahr
Tägliche, auch nächtliche Durchfälle, anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes
Ausgeprägte Schleimhautveränderungen und schwere Beeinträchtigung des Ernährungszustandes"

Der Sachverständige stellte nach Anamneseerhebung und Untersuchung von T. sowie unter Heranziehung der vom Bf vorgelegten Befunde, insbesondere auf Grund des Befundes des Gastroenterologen Dr. P. vom , den Gesamtgrad der Behinderung mit 50% rückwirkend ab April 2017 fest. Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde nicht bescheinigt.

Festgehalten wurde, dass aus den vorgelegten Befunden rückwirkend ein durchgehender Gesamtgrad der Behinderung von 50% nicht ableitbar sei; dieser liege erst ab Untersuchungsdatum vor unter besonderer Berücksichtigung des Befundes von Dr. P. vom April 2017.

Die Einschätzung der Höhe des Behinderungsgrades ab einem bestimmten rückwirkenden Zeitpunkt bzw. die Einschätzung, wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, beruht auf der Anamneseerhebung, der Untersuchung des Erkrankten, den Erfahrungswerten der Medizin und auf den vom Antragsteller vorgelegten Befunden.

Der Bf bringt selbst vor: "Meine Tochter litt aber schon vor diesem Zeitpunkt, also in dem Zeitraum 3/2016 - 3/2017 an diesen Krankheiten. Die Symptome von Colitis ulcerosa begannen schon im Jahre 2007"

Es kommt aber weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. , , , vgl. auch das Erkenntnis des , ).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) hat der Antragsteller die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Es liege am Antragsteller, das Vorliegen dieses Umstandes klar und ohne Möglichkeit eines Zweifels nachzuweisen (vgl. , vgl. auch Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl., 2020, § 8 Rz 32).

Dieser Nachweis ist dem Bf aber mit den von ihm vorgelegten Unterlagen nicht gelungen.

Festgehalten wird noch, dass auch im Gutachten vom , welches auf Grund der Anforderung des FA vom (nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht) erstellt wurde, festgehalten wurde, dass an Hand der vorgelegten Befunde ab April 2016 zwar eine schrittweise Verschlimmerung der Anämie und der Kolitis Beschwerden beobachtet werden könne, die ausgedehnten Erosionen und die Beteiligung des oberen Gastro-Intestinal-Traktes seien jedoch erst 04/2017 diagnostiziert worden. Eine rückwirkende Anerkennung des Gesamtgrades der Behinderung sei nicht möglich, da die Voraussetzungen für 50% erst ab April 2017 erreicht worden seien. Eine Besserung und Stabilisierung sei möglich.

Naturgemäß kann immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit und nie mit Sicherheit festgestellt werden, wann genau eine Erkrankung einen Behinderungsgrad von 50% erreicht bzw. wie hoch in einem bestimmten Zeitraum der Behinderungsgrad war.

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die im Gutachten vom getroffenen Feststellungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen.

Der Bf konnte mit seinem Vorbringen im Urgenzschreiben, dass bei einem früheren Untersuchungstermin von T. deren Krankheiten und Behinderungen früher festgestellt hätten werden können und er mehrmals ärztliche Dokumente übermittelt habe, welche die erhebliche Behinderung, das fortdauernde Bestehen der Krankheiten seiner Tochter für den Zeitraum März 2016 bis März 2017 beweisen würden, keine Unschlüssigkeit des Gutachtens aufzeigen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe um näher angeführte Beträge monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa ). Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa ). Nichts anderes gilt für die Entscheidung über den gemäß § 10 Abs. 1 FLAG gesondert zu beantragenden Erhöhungsbetrag (vgl. ).

Zufolge den Bestimmungen des § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. , , , ).

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen. Daraus folgt, dass der Entscheidungsfindung durch die Behörde weder Bekundungen der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes noch anderer Personen, mögen sie auch über fachärztliche Kenntnisse verfügen, zu Grunde zu legen sind ().

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden (vgl. 2007/15/0019, , ) und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und - im Falle mehrerer Gutachten - nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, , vgl. auch Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).

Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ).

Der Verfassungsgerichtshof äußerte in seinem Erkenntnis vom , B 700/07 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen. Von Gutachten könne NUR nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" abgegangen werden, wenn diese nicht schlüssig seien (vgl. hierzu auch auch /0307VwGH , 2009/16/0325; , ).

Zur Schlüssigkeit von Gutachten des Sozialministeriumservice besteht umfangreiche Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts (vgl. etwa ; ; ; ; ).

Zusammenfassend wird noch einmal festgehalten, dass das Bundesfinanzgericht das Gutachten als nachvollziehbar und schlüssig erachtet, insbesondere weil auch im Gutachten vom die rückwirkende Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung mit schlüssiger Begründung mit 50% erst ab April 2017 festgestellt wurde.

Das Gutachten entspricht den Anforderungen, wie sie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Judikatur festgelegt hat.

Es lagen somit die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe erst ab April 2017 vor.

Dem Antrag des FA im Vorlagebericht, den Vorlageantrag zurückzuweisen, kann nicht gefolgt werden, da das FA für den Zeitpunkt der Zustellung der BVE vom , welche nach Angaben des FA mittels int. Rückschein erfolgte, keinen Zustellnachweis vorlegen kann. Der Vorlageantrag vom wird daher als rechtzeitig gewertet.

Bemerkt wird, dass für die erforderliche Beurteilung der ärztlichen Gutachten des SMS auf Schlüssigkeit, Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit durch das BFG die Vorlage der Gutachten im vollen Wortlaut unerlässlich ist und diese bereits in den von der Amtspartei vorgelegten Akten enthalten sein sollten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.


Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, wie hoch der Behinderungsgrad in einem bestimmten Zeitraum war bzw. wann die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das Bundesfinanzgericht an das vom Sozialministeriumservice erstellte ärztliche Gutachten (bei Schlüssigkeit) gebunden. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at