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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.10.2020, RV/3100565/2017

Differente Beurteilung einer bekannten Sachlage ist kein Wiederaufnahmegrund

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen

1. den am ausgefertigten Bescheid der belangten Behörde ***FA*** betreffend Abweisung des Antrags vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2006 vom 12. Jänner2015 abgeschlossenen Verfahrens und

2. den am ausgefertigten Bescheid der belangten Behörde ***FA*** betreffend Abweisung des Antrags vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2007 vom 12. Jänner2015 abgeschlossenen Verfahrens

zu Recht erkannt:

I. Die Bescheidbeschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Abgabenbehörde hat mit den am ausgefertigten Bescheiden das Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007 wiederaufgenommen und mit gleichem Datum neue Sachbescheide ausgefertigt.

2. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006 und 2007 angeregt. Er wende ein, dass die jetzt wiederaufgenommenen Einkommensteuerbescheide aus dem Jahr 2006 und 2007 ursprünglich im Jahr 2008 erlassen worden seien und daher hinsichtlich der vorgeschriebenen Steuernachzahlung Verjährung eingetreten sei. Im amtsbekannten Fall ***KEG1*** seien zahlreiche Arbeitnehmer unrichtig gemeldet worden. Auch in seinem Fall stimmten die im Jahr 2006 und 2007 gemeldeten Zeiten nicht. Ebenso seien die Bezüge viel zu hoch angegeben worden. Im Jahr 2006 sei es so gewesen, dass er nur drei Monate für ***1*** gearbeitete habe und € 1.600 im Monat bar auf die Hand erhalten habe. Im Jahr 2007 sei er sich nicht sicher, ob er überhaupt für ***1*** gearbeitet habe, jedenfalls hätte er auch hier nicht den angegebenen Betrag, sondern viel weniger verdient.

3. Die belangte Behörde hat den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2006 mit dem am ausgefertigten Bescheid und den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2007 ebenfalls mit dem am ausgefertigten Bescheid abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe keine Tatsachen im abgeschlossenen Verfahren vorgebracht, die neu hervorgekommen seinen und zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt hätten.

4. Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde gegen die Bescheide betreffend Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007. Es handle sich bei den von ihm geltend gemachten Tatsachen jedenfalls um "nova reperta". Die belangte Behörde sei unrichtigerweise von einem weitaus überhöhten Einkommen bei ***1*** ausgegangen und habe den Schutzbehauptungen der gerichtlich wegen Betrugs verurteilten ***1***-Brüder mehr Glauben geschenkt als seinen Ausführungen und den gleichlautenden Aussagen anderer Ex-Arbeitnehmer von ***1***. Richtig wäre gewesen, dass das Finanzamt im Jahr 2006 einen Verdienst von € 1.600 erfasst hätte und das für drei Monate, im Jahr 2007 habe er seiner Erinnerung nach gar kein Einkommen bei ***1*** gehabt. Nachdem diese Umstände bereits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannt und darüber hinaus jedenfalls entscheidungswesentlich gewesen wären, beantrage er die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2006 und 2007. Er ersuche, in Anlehnung zahlreicher anhängiger Beschwerdefälle beim Finanzamt Innsbruck zum Fall "Firma ***1***" bzw. "Firma ***2***" die wahrscheinlich abgestimmten einheitlichen Beschwerde(vor)entscheidungen abzuwarten und deren Ergebnisse auch in seinem Fall zu berücksichtige. Es könne nicht sein, dass den Schutzbehauptungen der Brüder ***1***, dass sie den Arbeitern einen derart hohen Lohn gezahlt hätten, um den Verbleib des Geldes zu rechtfertigen, tatsächlich Glauben geschenkt werde und die Arbeiter jetzt für deren Lügengeschichten einstehen müssten und bestraft würden. Im Übrigen wende er neuerlich Verjährung ein.

5. Die belangte Behörde hat mit den am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidungen die Beschwerden gegen die Bescheide über die Abweisung der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe keine Tatsachen im abgeschlossenen Verfahren vorgebracht, die neu hervorgekommen seinen und zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt hätten.

6. Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

7. Die Abgabenbehörde hat die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht mit Bericht vom zur Entscheidung vorgelegt.

II. Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann über Antrag bewilligt oder wird von Amtswegen verfügt werden (§ 303 Abs. 1 BAO).

2. Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat nach § 303 Abs. 2 lit. b BAO insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Aus dem Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist.

3. Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende Umstände (). Als Beweismittel kommt gemäß § 166 BAO alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist (zB Urkunden, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten oder Augenschein).

4. Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittelkommen (nova reperta) kommen als tauglicher Wiederaufnahmegrund iSd Neuerungstatbestandes (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO) in Betracht. Das sind solche, die schon vor Erlassen des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheids bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (; ). Keine neu hervorgekommenen Tatsachen und folglich keine Wiederaufnahmegründe sind neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen (; ) oder das Hervorkommen von Rechtsirrtümern (; ). Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen sind keine Tatsachen, gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (; ).

5. Wenn der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und weiter ausführend in der Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde sei im abgeschlossenen Verfahren unrichtigerweise von einem weitaus überhöhten Einkommen ausgegangen, er habe im Jahr 2006 nur € 1.600 und im Jahr 2007 seiner Erinnerung nach gar keinen Verdienst von seinem Arbeitgeber "***1***" erhalten, zeigt er damit weder Tatsachen noch Beweismittel auf, die schon vor Erlassen der das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheide (Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007) bestanden haben, ihm aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden. Vielmehr weist er darauf hin, dass er mit der Beurteilung der ihm im Zeitpunkt der Erlassung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 und2007 bereits bekannten Sachlage durch die Abgabenbehörde nicht einverstanden ist. In einem solchen Fall steht Steuerpflichtigen das ordentliche Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde (§ 243 BAO) zur Verfügung. Gleiches gilt hinsichtlich der im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sowie in der Beschwerde vorgetragenen Einrede der Verjährung. Dass die belangte Behörde bei Erlassen der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007 von nicht verjährten Zeiträumen ausgegangen ist und der Beschwerdeführer Gegenteiliges annimmt, ist eine differente rechtliche Beurteilung der bekannten Sachlage. Bei solchen Streitigkeiten kann das ordentliche Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde (§ 243 BAO) erhoben werden. Als Grund für eine Wiederaufnahme des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ist das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet.

6. Die Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 279 Abs. 1 BAO abzuweisen.

III. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die im Beschwerdefall relevanten Rechtsfragen sind mit der zitierten Judikatur (Punkt II.) ausreichend geklärt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 2 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100565.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at