Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.06.2020, RV/7100991/2020

Säumniszuschlag und Hemmung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Säumniszuschlag nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Abwesenheit der Beschwerdeführerin und in Anwesenheit von Vertreter für das Finanzamt zur Steuernummer 06 ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Festsetzungsbescheid vom setzte das Finanzamt Wien 8/16/17 (belangte Behörde) die Umsatzsteuer für den Zeitraum 05-10/2018 fest. Dies führte zu einer Nachforderung in Höhe von € 105.000. Sowohl die Umsätze als auch die Vorsteuern wurden im Schätzungswege ermittelt.

Mit Bescheid vom erließ die belangte Behörde einen Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages in Höhe von € 2.100, der sich von der Umsatzsteuer 5-10/2018 bemisst. In der Begründung wurde angeführt, dass die Festsetzung erforderlich war, weil die Abgabenschuld nicht bis entrichtet wurde.

Am langte auf elektronischem Weg folgende Beschwerde bei der belangten Behörde ein:
"Gegen oben genannten Bescheid erheben wir innerhalb der offenen Frist Beschwerde. Der Säumniszuschlag bezieht sich auf eine angenommene Umsatzsteuerschuld für den Zeitraum 05-10/2018 in Höhe von 105.000.-. Dieser Betrag wird nicht geschuldet. Die Höhe der Umsatzsteuerschuld für den Zeitraum 05-10/2018 liegt deutlich niedriger. Wir beantragen unserer Beschwerde statt zu geben und den gegenständlichen Bescheid vom ersatzlos zu beheben. Hilfsweise beantragen wir den Säumniszuschlag von der Höhe der tatsächlich geschuldeten Umsatzsteuer zu berechnen. Hilfsweise beantragen wir die Höhe des Säumniszuschlags auf ein Minimum zu beschränken."

Beschwerdevorentscheidung

Am erließ die belangte Behörde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, die wie folgt lautet:
"Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 der BAO nach Maßgabe der Bestimmungen der Abs. 2-10 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt gemäß § 217 Abs. 2 BAO 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Gemäߧ 21 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz ( USTG ) hat der Unternehmer bis spätestens zum 15. Tag des auf den Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates die Umsatzsteuer zu entrichten. Erweist sich die Selbstberechnung der Umsatzsteuer als unvollständig oder nicht richtig, hat das Finanzamt die Steuer gem. § 21 Abs. 3 UStG festzusetzen. Am wurde die Umsatzsteuer 5-10/2018 fällig am in Höhe von €105.000,- festgesetzt.

Da die Umsatzsteuer 5-10/2018 nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet wurde, besteht der am vorgeschriebene Säumniszuschlag zu Recht. Es wäre noch zu bemerken, dass im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuldigkeit die Berechnung des Säumniszuschlages unter Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages von Amtswegen erfolgt."

Vorlageantrag

Am langte bei der belangten Behörde der Vorlageantrag zur Beschwerdevorentscheidung vom ein. Das Anbringen lautet:
"Zur Beschwerdevorentscheid (BVE) des FA vom (ergangen über die Beschwerde gegen den 1. SZ über EUR 2.100,--) stellt die umseitige Gesellschaft hiermit den
ANTRAG

auf Vorlage des Rechtsmittels an das BFG, Bundesfinanzgericht.

Alle Argumente bleiben aufrecht.
Alle Anträge bleiben aufrecht. Insbesondere der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung."

Vorlagebericht

Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass die Beschwerde abgewiesen werden möge.

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht wandte sich mit Beschluss vom an beide Verfahrensparteien, lud darin um Stellungnahme zum Sachverhalt ein und ersuchte um Bekanntgabe, ob der angefochtene Säumniszuschlagsbescheid mit Zustellnachweis zugestellt wurde bzw. wann die Zustellung erfolgte. Der Beschluss lautet wie folgt:
"I. Auf Grund der derzeit vorliegenden Unterlagen ist derzeit von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Am erließ das Finanzamt Wien 8/16/17 (belangte Behörde) einen Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für den Zeitraum 5-10/2018, der zu einer Nachforderung von € 105.000,-- führte. Dieser Bescheid sollte mit Zustellnachweis (RSb) dem Zustellbevollmächtigten (
AB) zugestellt werden.

Am (Bescheiddatum) erließ die belangte Behörde einen Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages wegen der Umsatzsteuer 5-10/2018 in Höhe von € 2.100. Die dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidkopie weist keine Amtssignatur auf. Somit ist davon auszugehen, dass dieser Bescheid per Post versendet wurde.

Am langte über FinanzOnline bei der belangten Behörde eine Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 5-10/2018 ein. In dieser Beschwerde wurde auch die Aussetzung der Einhebung hinsichtlich des gesamten Nachforderungsbetrages (€ 105.000) beantragt.

Am langte über FinanzOnline bei der belangten Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid vom über die Festsetzung des Säumniszuschlages ein.
Daraus folgt, dass der Säumniszuschlagsbescheid vom Mittwoch, , am Samstag, , bereits zugestellt war.

Am gab die Beschwerdeführerin eine Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid 5-10/2018 in Papierform zur Post (Einschreiben), das auch bei der belangten Behörde eingelangt ist. Beigelegt war dieser Beschwerde in Papierform auch ein mit datierter Ausdruck aus FinanzOnline, in dem es heißt: "Der Antrag wurde beim zuständigen Finanzamt eingebracht, wo die weitere Bearbeitung erfolgt." Bei diesem Antrag handelt es sich um die am eingebrachte Beschwerde samt Aussetzungsantrag.

Am erließ die belangte Behörde einen Mängelbehebungsauftrag hinsichtlich der beantragten Aussetzung der Einhebung, weil die Darstellung der Ermittlung des für die Aussetzung der Einhebung in Betracht kommenden Betrages fehlte.

Mit Bescheid vom wurde eine Aussetzung der Einhebung von Umsatzsteuer 5-10/2018 in Höhe von € 67.568,75 bewilligt. Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen dem angefochtenen Festsetzungsbetrag in Höhe von € 105.000 und der Zahllast laut Beschwerde in Höhe von € 37.431,25.

>> Beide Verfahrensparteien werden eingeladen, dazu Stellung zu nehmen.

>> Das Finanzamt Wien 8/16/17 wird ersucht, bekannt zu geben, ob der Säumniszuschlagsbescheid vom mittels Zustellnachweis zugestellt wurde und falls ja, welches Zustelldatum darauf vermerkt wurde.

>> Die Beschwerdeführerin wird ersucht, bekannt zu geben, wann der angefochtene Säumniszuschlagsbescheid zugestellt wurde - da die Zustellung an einen zustellbevollmächtigten Parteienvertreter erfolgte, ist davon auszugehen, dass das Zustelldatum ausdrücklich vermerkt wurde (zB durch Stempelaufdruck am Bescheid).

Entscheidungsgründe
Dem Bundesfinanzgericht obliegen Entscheidungen über Beschwerden in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben. Dabei gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) sinngemäß in Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, soweit sie im Verfahren der belangten Behörde gelten (§ 2a BAO). Gemäß § 115 BAO sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Amts wegen zu erforschen.

Säumniszuschläge sind mit Abgabenbescheid geltend zu machen (). Einem Aussetzungsantrag kann einhebungshemmende Wirkung zukommen. Ein Bescheid entsteht erst dadurch, dass er nach außen in Erscheinung tritt, somit durch seine wirksame Bekanntgabe. Die Frage, ob eine als Bescheid intendierte Erledigung wirksam geworden ist, ist nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Verwirklichung des den Tatbestand der Zustellung erfüllenden Sachverhaltes zu beurteilen ()."

Dazu gab die belangte Behörde mit Schreiben vom bekannt, dass der Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages vom per Post ohne Zustellnachweis zugestellt wurde.

Eine Beantwortung der Beschwerdeführerin langte nicht ein.

Mündliche Verhandlung

Die Ladung vom zur mündlichen Verhandlung am wurde mit Zustellnachweis am zugestellt. Zum angesetzten Verhandlungstermin, , 13:00 Uhr ist für die Beschwerdeführerin niemand erschienen. Auch 15 Minuten nach dem angesetzten Termin ist für die Beschwerdeführerin niemand erschienen. Die beantragte mündliche Verhandlung wurde sodann in Abwesenheit der Beschwerdeführerin ab 13:15 Uhr durchgeführt.

Die belangte Behörde beantragte, das Bundesfinanzgericht möge über die Beschwerde abweisend entscheiden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid vom ergab eine Nachforderung von € 105.000. Mit Säumniszuschlagsbescheid vom Mittwoch, , wurde ein Säumniszuschlag in Höhe von € 2.100 festgesetzt. In der Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid wird vorgebracht, dass die tatsächliche Umsatzsteuerschuld wesentlich niedriger wäre.

Am erhob die Beschwerdeführerin gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid eine Beschwerde über FinanzOnline und beantragte darin auch die Aussetzung der Einhebung hinsichtlich des gesamten Nachforderungsbetrages. Über die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid wurde noch nicht entschieden.

Das genaue Zustelldatum des Säumniszuschlagsbescheides konnte nicht festgestellt werden, lag jedoch nach dem .

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist grundsätzlich unstrittig.

Die Feststellung, dass der Bescheid ohne Zustellnachweis zugestellt wurde, ergibt sich insbesondere aus den Angaben der belangten Behörde, welche die diesbezügliche Frage im Beschluss vom ebenfalls mit Schreiben vom beantwortet hatte.

Der angefochtene Bescheid ist mit datiert. Bereits am erhob die Beschwerdeführerin gegen den Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheid, auf den sich der Säumniszuschlag bezieht, eine Beschwerde und beantragte darin auch die Aussetzung der Einhebung für die Abgabenforderung, die sich aus dem Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheid ergibt. Auf Grund der Beschwerdeerhebung über FinanzOnline hinsichtlich des Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheid samt dem darin enthaltenen Antrag auf Aussetzung der Einhebung muss sachverhaltsbezogen davon ausgegangen werden, dass der Aussetzungsantrag zeitlich gesehen vor der Zustellung des angefochtenen Bescheides gestellt wurde.
Wenn die Beschwerdeführerin den angefochtenen Säumniszuschlagsbescheid bereits einen Tag nach dessen Datierung per Post erhalten hätte, ist davon auszugehen, dass sie auch gleich eine Beschwerde dagegen erhoben hätte, zumal sie an diesem Tag ohnehin eine Beschwerde verfasste. Tatsächlich erhob die Beschwerdeführerin erst am eine Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid. Nach der Lebenserfahrung ist es durchaus möglich, dass ein Bescheid, der mit datiert ist, am zugestellt wurde, damit dagegen am (einem Samstag) ein Rechtsmittel erhoben werden kann. Ein Postlauf von zwei Tagen ist durchaus realistisch. Hingegen entspricht es nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass ein Bescheid vom bereits am von der Post zugestellt wird.

Das Gericht ist bei seinen Tatsachenfeststellungen nicht auf eine mathematisch-exakte Beweisführung beschränkt, sondern berechtigt und verpflichtet, aus Beweisergebnissen auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen (zB 11Os 128/88). § 26 Abs 2 ZustG enthält ebenfalls die Vermutung der Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan, was ebenfalls gegen eine Zustellung bereits am spricht. Insgesamt war daher in freier Beweiswürdigung davon auszugehen, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides erst nach dem Antrag auf Aussetzung der Einhebung hinsichtlich des USt-Nachforderungsbetrages erfolgt ist.

Rechtsgrundlagen

§ 217 BAO lautet:

2. Säumniszuschläge

§ 217. (1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

(3) Ein zweiter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt ihrer Vollstreckbarkeit (§ 226) entrichtet ist. Ein dritter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des zweiten Säumniszuschlages entrichtet ist. Der Säumniszuschlag beträgt jeweils 1% des zum maßgebenden Stichtag nicht entrichteten Abgabenbetrages. Die Dreimonatsfristen werden insoweit unterbrochen, als nach Abs. 4 Anbringen oder Amtshandlungen der Verpflichtung zur Entrichtung von Säumniszuschlägen entgegenstehen. Diese Fristen beginnen mit Ablauf der sich aus Abs. 4 ergebenden Zeiträume neu zu laufen.

(4) Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als
a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,
c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,
d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.

(5) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

(6) Wird vor dem Ende einer für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist ein Vollstreckungsbescheid (§ 230 Abs. 7) erlassen, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 erst mit dem ungenützten Ablauf dieser Frist, spätestens jedoch einen Monat nach Erlassung des Vollstreckungsbescheides ein und beginnt erst ab diesem Zeitpunkt die Dreimonatsfrist des Abs. 3 erster Satz zu laufen.

(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

(8) Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen; dies gilt sinngemäß
a) für bei Veranlagung durch Anrechnung von Vorauszahlungen entstehende Gutschriften und
b) für Nachforderungszinsen (§ 205), soweit nachträglich dieselbe Abgabe betreffende Gutschriftszinsen festgesetzt werden.

(9) Im Fall der nachträglichen rückwirkenden Zuerkennung oder Verlängerung von Zahlungsfristen hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung der zuerkannten oder verlängerten Zahlungsfrist zu erfolgen.

(10) Säumniszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Dies gilt für Abgaben, deren Selbstberechnung nach Abgabenvorschriften angeordnet oder gestattet ist, mit der Maßgabe, dass die Summe der Säumniszuschläge für Nachforderungen gleichartiger, jeweils mit einem Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid geltend gemachter Abgaben maßgebend ist.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 21 Abs 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Die Übermittlung der Voranmeldungen hat elektronisch zu erfolgen. Gemäß § 21 Abs 3 UStG 1994 hat eine festgesetzte Vorauszahlung den im Abs. 1 genannten Fälligkeitstag.

Werden mehrere Selbstbemessungsabgaben gemäß § 201 Abs 4 BAO zusammengefasst festgesetzt, so bestehen schuldrechtlich mehrere Fälligkeitszeitpunkte. Lediglich für Verrechnungszwecke ordnet § 214 Abs 2 BAO an, dass der jüngste Fälligkeitszeitpunkt maßgeblich ist.

Zwar stand der Beschwerdeführerin zur Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen 05-10/2018 eine einmonatige Nachfrist ab Bekanntgabe der Umsatzsteuerbescheide zu, weil die Umsatzsteuer später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzt wurde (§ 210 Abs. 4 BAO), doch berührte diese Nachfrist die Fälligkeit der Umsatzsteuer nicht (vgl. Ritz, BAO6, § 210, Tz 9). Diesbezüglich verweist der Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid auf eine Buchungsmitteilung. Am Abgabenkonto ist als Frist zur Entrichtung der Umsatzsteuerfestsetzung der angeführt. Die Fälligkeit für die Umsatzsteuerfestsetzung 05-10/2018 ist spätestens am eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Abgaben nicht entrichtet.

Im Zusammenhang mit der Verhängung des Säumniszuschlages nach § 217 Abs 1 BAO kommt es auf den Zeitpunkt der Entrichtung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung an ().

Bei Fehlen eines Zustellnachweises hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen (zB ). Die Tatsache der Zustellung des angefochtenen Bescheides ist an sich unstrittig, zumal in der Beschwerde vom auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen wird und auch das Datum des angefochtenen Bescheides genannt wird. Diese Information konnte der Beschwerdeführerin nur vorliegen, wenn sie den angefochtenen Bescheid bereits erhalten hatte.
Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden. Diese Grundsätze gelten auch für den Nachweis des Zeitpunktes einer - unstrittig erfolgten - Zustellung ohne Zustellnachweis ( mwN). Die Beschwerdeführerin wurde zwar genau hinsichtlich dieses Umstandes gefragt, nämlich im Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , hat darauf jedoch nicht geantwortet. Auf die Schlussfolgerung, dass der angefochtene Bescheid vor dem zugestellt worden sein musste, wurde im Beschluss vom ebenfalls hingewiesen.

Ein Bescheid entsteht erst dadurch, dass er nach außen in Erscheinung tritt, somit durch seine wirksame Bekanntgabe. Die Frage, ob eine als Bescheid intendierte Erledigung wirksam geworden ist, ist nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Verwirklichung des den Tatbestand der Zustellung erfüllenden Sachverhaltes zu beurteilen ().

Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO bewirkt gemäß § 230 Abs. 6 BAO eine Hemmung der Einbringung (§§ 229 bis 233 BAO). Gemäß § 217 Abs. 4 lit. b BAO schließt bereits die Einbringung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) bis zur Erledigung des Antrages die Pflicht zur Entrichtung von Säumniszuschlägen aus ().

Selbst wenn die Beschwerdeführerin als Folge einer elektronischen Abfrage ihres Abgabenkontos über FinanzOnline bereits wusste, dass ihr ein Säumniszuschlagsbescheid zugehen wird und deshalb noch am die Aussetzung der Einhebung beantragt hatte, war die Antragstellung immer noch vor der tatsächlichen Zustellung des Bescheides.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 230 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100991.2020

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