Rückzahlungsantrag ohne rückzahlbares Guthaben auf dem Abgabenkonto
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***V.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes ***ZA*** vom , Zahl: ***29***, über die Abweisung eines Antrages auf Rückzahlung gemäß § 239 Bundesabgabenordnung (BAO) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Rückzahlung eines "bereits verwendeten Guthabens" in der Höhe von insgesamt 51.892,74 Euro.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass mit Bescheid vom , Zahl: ***1***, dem Antrag der Bf. auf Aussetzung der Vollziehung gemäß Art. 244 UA 2 und 3 Zollkodex in Verbindung mit § 212a Abs. 1 Bundesabgabenordnung, stattgegeben worden sei. Eine Verwendung bestehender Abgabenguthaben des Abgabenkontos ***/**** zur teilweisen Verrechnung des mit Bescheid vom , Zahl: ***40***, zur Entrichtung vorgeschriebenen Abgabenbetrages in Höhe von insgesamt 1.994.529,15 Euro sei demzufolge nicht rechtens. Auch sei gegen den Bescheid vom Beschwerde eingebracht und nach Beschwerdevorentscheidung die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt worden. Es liege somit ein offener, noch nicht rechtskräftiger Bescheid vor.
Mit Bescheid vom , Zahl: ***29***, wies das Zollamt diesen Antrag gemäß § 239 Abs. 1 BAO ab. Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung:
Ein rückzahlbares Guthaben entstehe erst dann, wenn auf einem. Abgabenkonto die Summe der Gutschriften die Summe der Lastschriften übersteige, wenn somit auf ein und demselben Abgabenkonto per Saldo ein Überschuss zu Gunsten des Abgabepflichtigen bestehe.
Dabei komme es nicht auf Buchungen an, welche die Abgabenbehörde nach Auffassung des Abgabepflichtigen entweder durchführen hätte müssen oder nicht durchführen hätte dürfen, sondern auf die tatsächlich durchgeführten Buchungen.
Da am Abgabenkonto Nr. ***-**** kein Guthaben bestehe, sei der Antrag abzuweisen gewesen.
Mit Bescheid des Zollamtes vom , Zahl: ***40***, sei der Bf. eine Zollschuld in Höhe von 1.994.529,15 Euro vorgeschrieben worden. Im Zusammenhang mit einer Beschwerde gegen diesen Bescheid sei am auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieser Entscheidung gemäß Artikel 244 ZK eingebracht worden. Über die Beschwerde gegen den Abgabenbescheid sei mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***89***, entschieden worden. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei mit Bescheid vom , Zahl: ***90***, abgewiesen worden. Gegen die Beschwerdevorentscheidung vom sei fristgerecht ein Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht eingebracht worden. Im Zusammenhang mit diesem Vorlageantrag sei wiederum ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eingebracht worden, der mit Bescheid vom , Zahl: ***43***, abgewiesen worden sei. Gegen diesen abweisenden Bescheid sei eine Beschwerde eingebracht worden. Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***1***, sei der Beschwerde (nach Beibringung einer Sicherheit) stattgegeben und folgende Abgabenbeträge von der Vollziehung ausgesetzt worden:
Einfuhrumsatzsteuer: 1.811.367,45 Euro
Abgabenerhöhung: 135.407,42 Euro
Neben diesen von der Vollziehung ausgesetzten Abgabenbeträgen seien folgende Abgabenbeträge nicht ausgesetzt und daher fällig und vollstreckbar:
Aussetzungszinsen: 11.300,51 Euro
Säumniszinsen: 15.920,11 Euro
Der Gesamtrückstand am Abgabenkonto Nr. ***-**** betrage gegenwärtig daher 1.973.995,49 Euro
Vom Finanzamt ***FA*** seien folgende Guthabensbeträge an das Zollamt ***ZA*** überrechnet worden:
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Datum | Betrag (€) |
47.739,69 | |
3585,25 | |
247,80 | |
320,00 |
Die Überrechnung dieser Beträge durch das Finanzamt sei aufgrund der Bestimmung des § 215 Abs. 2 BAO erfolgt. Diese Bestimmung sehe vor, dass das nach einer erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde des Bundes verbleibendes Guthaben zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden sei, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde des Bundes habe; dies gelte nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt sei.
Eine Guthabensverwendung auf Grund des § 215 Abs. 2 BAO habe zwingend zu erfolgen; für eine Ermessensübung bestehe kein Raum.
Für die am , und erfolgten Überrechnungen sei festzuhalten, dass in diesem Zeitraum zwar ein unerledigter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vorgelegen sei, aber noch keine bescheidmäßig bewilligte Aussetzung. Ob dieser Aussetzungsantrag einbringungshemmende Wirkung habe oder nicht (diesbezüglich seien die Bf. und das Zollamt unterschiedlicher Auffassung) könne dahingestellt bleiben, weil eine dem § 215 Abs. 2 BAO entsprechende Verwendung von Guthaben nicht als Einbringungsmaßnahme anzusehen sei. Ein unerledigter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stehe einer amtswegigen Überrechnung daher nicht entgegen. Erst mit (bescheidmäBig verfügter) Aussetzung der Vollziehung würden Guthaben gem. § 215 Abs. 2 BAO zur Abdeckung fälliger Schuldigkeiten nicht mehr verwendet werden dürfen, es sei denn der Abgabepflichtige beantrage dies.
Die bescheidmäßige Aussetzung der Vollziehung sei wie bereits erwähnt erst am erfolgt. Die am erfolgte Überrechnung sei nicht zur Abdeckung der ausgesetzten Schuldigkeiten verwendet worden, sondern zur (teilweisen) Abdeckung der nicht ausgesetzten und daher fälligen und vollstreckbaren Schuldigkeiten.
Dagegen richtete sich die Beschwerde vom . Die Bf. brachte darin vor:
1.) Der Bescheid verstoße gegen die Aussetzungsentscheidung des Zollamtes vom . Danach sei dem ursprünglichen Antrag der Bf. auf Aussetzung der Einhebung vom gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 100.000,00 Euro letztlich stattgegeben worden. Da die Sicherheitsleistung erbracht worden sei, gebe es keine Rechtsgrundlage für die dennoch erfolgte "Pfändung" bzw. Guthabenverwendung in Höhe von 51.892,74 Euro.
2.) Weiters verstoße die Vorgangsweise des Zollamtes gegen § 230 Abs. 6 BAO. Es sei unstrittig, dass auch auf Abgabenbescheide von Zollbehörden § 212a BAO anzuwenden sei.
Nach gelte: "Die Aussetzung der Vollziehung nach Artikel 244 ZK entspricht im Wesentlichen der nationalen Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO, sodass in Vollziehung des Art. 244 ZK die für diese nationale Bestimmung geltenden Verfahrensbestimmungen auch bei der Aussetzung der Vollziehung anzuwenden sind."
Das bedeute, dass sich die Zulässigkeit eines Aussetzungsantrags nach § 212a Abs. 1 bis 4 BAO richte, während die Begründetheit eines derartigen Antrags nach Art. 244 ZK zu beurteilen sei.
In diesem Sinne führe das FG Düsseldorf in seinem Beschluss vom , 4 V 3067/11 A (Z) aus: "Der nach § 361 Abs. 5 der Abgabenordnung i. V. m. § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Antrag ist begründet. Beurteilungsmaßstab für die Begründetheit des vorliegenden Antrags ist Art. 244 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK) …"
Art. 244 Abs. 2 und Abs. 3 würden also als vorrangiges Unionsrecht nur die nationalen Regelungen über die sachlichen Voraussetzungen der AdV durch die Zollbehörden und durch die Finanzgerichte verdrängen.
Aussagen zum Verfahren enthalte Art. 244 ZK nur insoweit, als die AdV nur bei einer "angefochtenen" Entscheidung zulässig sei. Im Übrigen sei das nationale Verfahrensrecht gemäß Art. 245 ZK einschlägig, vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar AO/FGO, § 361 AO Rz. 510 bis 512.
Es sei nun aber überhaupt keine Frage, dass § 230 Abs. 6 BAO eine reine Verfahrensvorschrift zu § 212a BAO sei. Er laute: "Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212a Abs. 1, 2 lit. b) und 3 letzter Satz betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden."
Welche verfahrensrechtlichen Wirkungen oder Rechtsfolgen ein Aussetzungsantrag habe, richte sich infolgedessen nicht nach Art. 244 Abs. 2 und 3 ZK, sondern nach Art. 245 ZK i.V.m. der BAO.
Es gehe hier auch nicht um die Frage, ob bereits ein Aussetzungsantrag nach § 212a BAO im Widerspruch zu Art. 244 Abs. 2 ZK eine de facto Aussetzung bewirke; es gehe vielmehr allein darum, dass bis zur Entscheidung über den Aussetzungsantrag keine Vollziehungs- und Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden dürften.
Die Regelung in § 230 Abs. 6 BAO liege also in der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, die Art. 245 ZK betone, vgl. auch , Smith Kline Beecham.
Daraus folge auch, dass die Arbeitsrichtlinie Entscheidung, Rechtsbehelf ZK-0060 des BMF unter Punkt 2.3.3. rechtswidrig sei.
3.) Aufgrund der dargestellten Rechtslage entspreche es übrigens bis heute der gängigen Zollpraxis in Deutschland, dass Einfuhrabgabenbescheide der Hauptzollämter weder vollstreckt noch vollzogen würden, solange über einen Aussetzungsantrag noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei.
Diese Praxis stütze sich im Gegensatz zu Österreich noch nicht einmal auf eine ausdrückliche Bestimmung der deutschen Abgabenordnung (AO). Sie entspreche hingegen dem Anspruch auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, der auch das Unionsrecht kennzeichne, vgl. , Sfakianakis, Rn. 28.
Diesem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs würde es widersprechen, wenn während des Aussetzungsverfahrens durch Vollziehungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten. M. a. W.: die Regelung des § 230 Abs. 6 BAO entspreche dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH und des VwGH sowie dem Art. 245 ZK und werde keinesfalls von Art. 244 ZK überlagert, der sich ausschließlich zu den sachlichen Voraussetzungen einer AdV verhalte.
4.) Schließlich verstoße die Vorgangsweise des Zollamtes gegen Treu und Glauben und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung. Das Zollamt habe in Person von Herrn ***X.*** nachhaltig den Eindruck hinterlassen, dass bis zur Verständigung über die Höhe der Sicherheitsleistung keine Vollziehungsmaßnahmen ergriffen werden würden. Auf dem 2. Außenwirtschaftsrechtstag an der JKU Linz am 22. und habe Herr ***X.*** dem Unterzeichner und dem Geschäftsführer der Bf. in Aussicht gestellt, die gesamte Abgabenforderung i. H. v. 1.911.367,45 Euro auszusetzen, wenn eine Sicherheit von 100.000,00 Euro erbracht werde. Diese Inausichtnahme habe Herr ***X.*** im Wissen der vorher ausgebrachten Pfändung gegeben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***32***, wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab. Hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts verwies das Zollamt auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und stellte zu den Einwendungen in der Beschwerde fest:
Zu Punkt 1:
Wie die Bf. richtig ausgeführt habe, sei die Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom erfolgt. Vorher sei zwar ein unerledigter Aussetzungsantrag vorgelegen, die Aussetzung sei aber noch nicht bescheidmäßig bewilligt worden. Ein unerledigter
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stehe einer amtswegigen Überrechnung gem. § 215 Abs. 2 BAO nicht entgegen. Ein Verstoß gegen den Aussetzungsbescheid vom könne daher betreffend die Überrechnungen vom , und schon rein aus zeitlichen Gründen gar nicht vorliegen, weil diese Überrechnungen vor der bescheidmäßigen Aussetzung erfolgt seien. Der am überrechnete Betrag in Höhe von 320,00 Euro sei zur Abdeckung von fälligen Nebengebühren verwendet worden, welche vom Aussetzungsbescheid nicht erfasst seien. Es könne daher ebenfalls kein Verstoß gegen den Aussetzungsbescheid vorliegen.
Zu Punkt 2:
Weder die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/17/0227, noch die ebenfalls zitierte Entscheidung des , würden Aussagen zur Frage treffen, ob ein unerledigter Aussetzungsantrag eine Hemmungswirkung entfalte. Die zitierte Entscheidung des Finanzgerichtes Düsseldorf vom , 4 V 3067/11 A, sei für die Rechtsauslegung in Österreich irrelevant.
Die im Zusammenhang mit § 212a BAO stehende Bestimmung des § 230 Abs. 6 BAO werde nach Rechtsauffassung des Zollamtes von Art. 244 ZK jedenfalls überlagert. Gemäß Art. 244 ZK sei unter bestimmten Voraussetzungen die Vollziehung einer durch Rechtsbehelf angefochtenen Entscheidung auszusetzen. Damit setze eine solche Aussetzungsmaßnahme eine zuvor erfolgte Prüfung und Beurteilung darüber voraus, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung vorliegen würden. Die bloße Einbringung eines Aussetzungsantrages dürfe daher nicht mit einer de facto erfolgenden Aussetzung - ohne dass es zu einer Entscheidung über das Vorliegen der Aussetzungsvoraussetzungen komme - einhergehen. Die Einbringung eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung bewirke daher keine Hemmung der Einbringung; die Bestimmung des § 230 Abs. 6 BAO komme daher aufgrund des Art. 244 ZK nicht zur Anwendung. Nur im Fall einer stattgebenden Entscheidung bestehe eine Hemmungswirkung ab Stattgabe.
Zu Punkt3:
Die gängige Zollpraxis in Deutschland sei für Zollverfahren, die in Österreich abgewickelt würden, nicht relevant.
Zu Punkt 4:
Unter dem Grundsatz von Treu und Glauben sei zu verstehen, dass jeder, der am Rechtsleben teilnehme, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen habe und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen dürfe, was er früher vertreten habe und worauf andere vertraut haben würden. Dieser Grundsatz sei auch im Abgabenrecht zu beachten.
Im gegenständlichen Fall könne aus folgenden Gründen kein Verstoß gegen diesen Grundsatz vorliegen:
Selbst wenn das Gespräch zwischen dem Beamten des Zollamtes und dem Geschäftsführer der Bf. in der behaupteten Form stattgefunden habe, hätte dies überhaupt keine Auswirkungen auf die bereits zuvor erfolgten Überrechnungen vom , und . Der am überrechnete Betrag in Höhe von 320,00 Euro sei zur Abdeckung von fälligen Nebengebühren verwendet worden, die vom Aussetzungsbescheid nicht erfasst seien. Es könne daher ebenfalls kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vorliegen.
Mit der fristgerechten Einbringung des Vorlageantrags vom gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO)
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
§ 213 Abs. 1 BAO ordnet an, dass bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, für jeden Abgabenpflichtigen, bei Gesamtschuldverhältnissen für die Gesamtheit der zur Zahlung Verpflichteten, die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen ist.
Nach § 215 Abs. 1 BAO ist ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
Nach § 215 Abs. 2 BAO ist das nach einer gemäß Abs. 1 erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde verbleibende Guthaben zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
Die amtswegige Umbuchung nach § 215 Abs. 1 BAO oder Überrechnung nach § 215 Abs. 2 leg. cit. auf andere Abgabenkonten hat danach zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu erfolgen, ohne dass der Behörde dabei ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre (vgl. Ritz, BAO6, § 215 Tz 4).
Nach § 215 Abs. 4 BAO sind Guthaben, soweit sie nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zu Gunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.
Gemäß § 216 BAO ist mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen.
Die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) kann nach § 239 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.
Ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto ist im Verfahren nach § 216 BAO auszutragen (Ritz, BAO6, § 216 Tz 1 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein Abrechnungsbescheid nach § 216 BAO dient zweifellos auch dazu, die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Umbuchung oder einer Überrechnung eines Guthabens von einem auf ein anderes Abgabenkonto festzustellen ( mit Hinweis auf ).
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO ist das Bundesfinanzgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Änderungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes darf nicht zu einer Entscheidung führen, die nicht "Sache" (also Gegenstand des Verfahrens) vor der Abgabenbehörde war. "Sache" ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde bildete (vgl. Ritz, BAO6, § 279 Tz 10 ff und die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Wurde nach dem Spruchinhalt des angefochtenen Bescheides der Abgabenbehörde über eine beantragte Rückzahlung eines Guthabens gemäß § 239 BAO abgesprochen, dann ist diese Angelegenheit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht und dieser Gegenstand des Verfahrens darf im Rechtsbehelfsverfahren nicht ausgetauscht werden, weil damit ein unzulässiger Eingriff in die Zuständigkeit der Abgabenbehörde gegeben wäre.
Dem Bundesfinanzgericht ist es daher im hier gegenständlichen Beschwerdeverfahren untersagt, erstmalig etwa die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Umbuchung oder einer Überrechnung eines Guthabens von einem auf ein anderes Abgabenkonto festzustellen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 239 Abs 1 BAO ausgesprochen hat, ist einem Rückzahlungsantrag im Sinn dieser Bestimmung der Erfolg zu versagen, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung das Abgabenkonto kein Guthaben aufweist (vgl z.B. mwH).
Ein rückzahlbares Guthaben eines Abgabepflichtigen entsteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 239 BAO für diesen erst dann, wenn auf seinem Abgabenkonto die Summe aller Gutschriften die Summe aller Lastschriften übersteigt. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Gutschriften an, welche die Abgabenbehörde nach Auffassung des Abgabepflichtigen hätte durchführen müssen, sondern auf die von der Abgabenbehörde tatsächlich durchgeführten Gutschriften. Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Gutschriften die Abgabenbehörde hätte durchführen müssen, können allenfalls Gegenstand eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO sein (vgl. z.B. , mwN).
Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit der Guthabensverwendung durch Überrechnung nach § 215 Abs. 2 BAO, über die in einem Abrechnungsverfahren gemäß § 216 BAO zu entscheiden gewesen wäre, setzt eine Rückzahlung sohin jedenfalls ein "Guthaben" im Zeitpunkt der behördlichen Erledigung voraus.
Dass das Abgabenkonto der Bf. im Zeitpunkt der Antragstellung ein rückzahlbares Guthaben ausgewiesen habe, wird in der Beschwerde nicht behauptet und geht auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht hervor.
Damit ist aber das Schicksal der Beschwerde bereits entschieden, da das Abgabenkonto der Bf. im Zeitpunkt der Antragstellung eben kein Guthaben aufwies. Ein allfälliges vom gegenständlichen Verfahren nicht umfasstes, wenngleich vor der Erlassung dieses Erkenntnisses neu entstandenes Guthaben kann aber nur auf Grund eines neuerlichen Antrages gemäß § 239 BAO zu einer Rückzahlung führen (vgl. neuerlich ).
Vor diesem Hintergrund war im Beschwerdefall die Abweisung des Rückzahlungsantrages durch die belangte Behörde mangels eines Guthabens am Abgabenkonto nicht als rechtswidrig zu beanstanden.
Ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen konnte daher unterbleiben.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall ist eine Revision nicht zulässig, da keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG eine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 215 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 215 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 215 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5200031.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at