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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 27.08.2020, RV/3100167/2018

Zeitpunkt des Entstehens eines Guthabens iSd § 215 BAO auf dem Abgabenkonto

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden R1 und die weiteren Senatsmitglieder R2, R3 und R4 in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, vertreten durch Stb_1, Bf_Adr, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck vom und vom betreffend einen ersten und einen zweiten Säumniszuschlag 2014 in Anwesenheit von Vertr_Stb für die Kanzlei Stb_1 und Vertr_FA als Vertreter des Finanzamtes Innsbruck sowie der Schriftführerin S zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde der Beschwerdeführerin (Bf) gegenüber einen ersten Säumniszuschlag für die Umsatzsteuer 09/2014 in Höhe von € 2.502,54, und mit Bescheid vom einen zweiten Säumniszuschlag in Höhe von € 849,22 fest.

2. Gegen beide Bescheide wurden rechtzeitig Beschwerden erhoben, die gleichlautend in der Weise begründet wurden, dass die Umsatzsteuer im Wege der Überrechnung entrichtet werden hätte sollen. Die Überrechnungsanträge seien rechtzeitig gestellt worden, jedoch hätten sich die Überrechnungen verzögert, da bei den Käufern Nachschau gehalten worden sei. Aufgrund der Rechtzeitigkeit der Überrechnungsanträge liege keine Säumnis vor. In eventu werde vorgebracht, dass - gemäß § 217 Abs. 7 BAO - kein grobes Verschulden vorliege, sollte durch die Überrechnung technisch eine Säumnis entstanden sein.

3. Nach Ergehen abweisender Beschwerdevorentscheidungen (am betreffend den ersten, am betreffend den zweiten Säumniszuschlag) wurden am bzw. am die Vorlageanträge gestellt. In den (gleichlautenden) Begründungen wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass, betrachte man die maßgeblichen Bestimmungen der BAO (§ 211 Abs. 1 lit g, § 215 Abs.4 sowie § 239) und des Umsatzsteuergesetzes (§ 21 Abs. 1 letzter Satz), Guthaben aus Umsatzsteuervoranmeldungen im Zeitpunkt der Einreichung der UVA entstünden und eine Überrechnung solcher Guthaben auf den Tag zurückwirkten, an dem der Überrechnungsantrag gestellt bzw. das Guthaben entstanden sei. Eine verspätete Verbuchung aufgrund von Überprüfungshandlungen durch die Abgabenbehörde ändere nichts an dieser rückwirkenden Entstehung des Guthabens.

Im gegenständlichen Fall seien die Umsatzsteuervoranmeldungen 09/2014 der Immobilienkäufer rechtzeitig vor Fälligkeit der Umsatzsteuer der Bf eingereicht worden. Deren Guthaben seien mit Einreichung der Voranmeldung entstanden. Die gleichzeitig gestellten Überrechnungsanträge bewirkten somit gem. § 211 Abs. 1 lit g BAO eine rechtzeitige Entrichtung der Abgaben.

Ein grobes Verschulden der Bf liege nicht vor, da sie gerade durch die Überrechnung vor dem Fälligkeitstag die rechtzeitige Entrichtung der Abgaben sicherstellen habe wollen. Eine solche habe - wie dargestellt - auch stattgefunden.

4. In einem am beim Bundesfinanzgericht eingebrachten Schriftsatz wird seitens des steuerlichen Vertreters der Bf die mit Hinweisen auf Literatur, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis untermauerte Ansicht vertreten, § 21 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994 stelle eine Tilgungsform iSd § 211 BAO dar. Ebenso wie die gemäß dieser Bestimmung auf den Tag der Einreichung der UVA zurückwirkende Gutschrift wirke auch das Guthaben auf den Tag der Einreichung der UVA zurück. Eine Differenzierung der Begriffe Gutschrift und Guthaben sei nicht geboten und in der BAO und dem UStG auch nicht vorgesehen.

5. Mit Schreiben vom ersuchte der steuerliche Vertreter um Vertagung der mündlichen Verhandlung. Der Steuerberater Stb_1 sei urlaubsbedingt abwesend und als Einziger mit dem zu erörternden Sachverhalt vertraut. Es handle sich um einen durchaus komplex gelagerten Fall mit unterschiedlich gelagerten Rechtsansichten, in dem eine mündliche Erörterung mit Herrn Stb_1 äußerst wünschenswert sei.

6. Am wurde im Beschwerdefall die mündliche Senatsverhandlung durchgeführt. Seitens des steuerlichen Vertreters wurde eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt, in welcher zur streitgegenständlichen Frage der rechtzeitigen Entrichtung der Umsatzsteuer 09/2014 nochmals ausführlich wie folgt ausgeführt wurde:

"1. Es ist mir unverständlich, wie die Behörde rechtlich nicht der Ansicht sein kann, dass Gutschriften aufgrund einer UVA gem. UStG entstehen. Diese Gutschriften werden zu Guthaben lt. BAO und diese Guthaben können bei anderen Abgabepflichtigen zur Tilgung verwendet werden.
Gutschriften entstehen wie bereits dargelegt mit dem Tag der Einreichung der UVA am Abgabenkonto. Sind die Gutschriften höher als der Rückstand oder ist kein Rückstand vorhanden, werden die Gutschriften zu Guthaben. Diese Guthaben eines Abgabepflichtigen können zur Tilgung einer fälligen Abgabe eines anderen Abgabepflichtigen verwendet werden. Tilgungen mittels Überrechnungen wirken auf den Tag der Einreichung des Überrechnungsantrages zurück, sofern das Guthaben beim Abgabepflichtigen tatsächlich in dieser Höhe vorhanden ist.

Werden nun Gutschriften aus einer UVA beim Abgabepflichtigen (hier Wohnungskäufer des Beschwerdeführers) geltend gemacht, so wirkt die Gutschrift aus der UVA auf den Tag der Einreichung derselben zurück. Dies auch dann, wenn das Finanzamt die UVA aufgrund der Gutschrift überprüft, indem die Partei die Rechnungen die zum Vorsteuerabzug berechtigen, prüfen möchte.
Diese Prüfungen können manchmal mehrere Wochen dauern.

Die Gutschrift wirkt jedoch auf den Tag der Einreichung zurück, was am Finanzamtkonto in der Spalte Wirksamkeitsdatum im Gegensatz zum Buchungsdatum zu erkennen ist.

Ist der Antrag auf Überrechung ebenfalls mit dem Tag der Einreichung der UVA gestellt, entsteht die Tilgungswirkung beim Empfänger der Überrechnung ebenso rückwirkend mit dem Tag des Einbringens des Überrechnungsantrages.

Dies ist in der Literatur eindeutig niedergeschrieben (vgl. Zitat Ritz in der Beschwerde) und ebenso in der Lehre fest so verankert (Beilage 3 Ausführungen des Verfahrensexperten und Kammerpräsidenten A). Ein der Literatur und Lehre widersprechendes Urteil ist einer ordentlichen Verwaltungsgerichtshofrevision zugänglich.

Konkret sieht man diese rechtliche Tatsache auch bei der beschwerdeführenden Partei am Steuerkonto mit Buchungstag , Beilage 4. Dort sind Überrechnungen mit Wirksamkeitsdatum zur Gebarung verbucht, somit rund 5 Monate vor Buchungstag (!). Eine Argumentation wie die des Finanzamtes, dass ein Guthaben erst bei Buchung (!) am Abgabenkonto entsteht, widerspricht somit der Vermerkung eines Wirksamkeitsdatums. Ein Wirksamkeitsdatum zusätzlich zum Buchungstag ergibt sich ausschließlich aus der rechtlichen Würdigung wie sie vom Beschwerdeführer vorgebracht wird.

2. Konkret fehlen am Abgabenkonto die folgenden Wirksamkeitsdaten:

  • Überrechnung vom Käufer_1 über EUR 85.072,82, Beilage 5
    Diese Überrechnung inkl. UVA wurde mangels vorhandener Steuernummer des vorsteuerabzugsberechtigten Käufers vom steuerlichen Vertreter in Papierform rechtzeitig am beim Finanzamt eingereicht, sodass diese Gutschrift = Guthaben und die Überrechnung ebenso auf den (gemeint wohl: 2014) zurückwirken (Beilage 6).

    Mangels korrekter Eingabe seitens des Finanzamtes in Finanzonline und weil der Antrag mangels technischer Möglichkeit diesen elektronisch zu übermitteln in Papierform und nicht via Finanzonline eingereicht wurde, fehlt es dieser Überrechnung an der Darstellung des korrekten Wirksamkeitsdatums.

  • Dasselbe gilt für die Überrechnung des Käufers Käufer_2, siehe Beilage 7, iHv EUR 18.126,05.

  • Dasselbe gilt für die bereits erwähnten Überrechnungen lt. Beilage 4 iHv EUR 17.550 und EUR 33.856,10

  • In Summe sind somit EUR 154.604,97 gemäß diesen Ausführungen bereits am Fälligkeitstag der U 09/2014 wirksam als Guthaben vorhanden.

3. Jedoch ist nach neuerlicher Durchsicht, des zur Gänze vom Vorgänger-Steuerberater abgewickelten Sachverhaltes und lediglich in diesem Zeitraum von mir übernommenen Mandats, bereits ein Rückstand aus der U 7/14 am Abgabenkonto vorhanden. Mangels Widmungsmöglichkeit einer Tilgung durch Überrechnung (anders als bei Tilgungsmöglichkeit durch Entrichtung), wirkt eine Tilgung jedoch auf den ältesten vorhandenen Rückstand am Abgabenkonto. Somit sind die mit falschem Wirksamkeitsdatum versehenen Überrechnungen auf den Rückstand aus der U 7/14 anzurechnen und somit ist eine Säumnis bei der U 7/14 nicht gegeben, jedoch bei der U 9/14.

4. Unter Abwägung aller vorgebrachten Ausführungen ist dem Steuerpflichtigen daher aufgrund der Beauftragung eines renommierten Steuerberaters Stb_2 für die Abwicklung der Überrechnungen und der laufenden Kontrolle durch den Buchhalter sowie der bis dahin untadeligen Zahlungsweise des Mandanten kein grobes Verschulden an der Säumnis anzulasten. Der Steuerberater hat rechtzeitig vor dem Fälligkeitstag die UVA´s der Mandanten eingereicht sodass das Guthaben entstanden ist und ebenso rechtzeitig wurde ein Überrechnungsantrag gestellt. Für Mandanten bei denen noch keine Steuernummer vorlag, hat der Steuerberater Stb_2 Papieranträge eingebracht und somit für eine fristwahrende Überrechnung gesorgt. Diese Papieranträge sind jedoch seitens des Finanzamtes mit unkorrektem Wirksamkeitsdatum versehen worden, an der aber den Steuerpflichtigen bzw. den Vertreter kein grobes Verschulden trifft.

Der Mandant hat eine Zahllast von über einer Million Euro im Jahr 2014, sodass ein einmaliges mutmaßliches Überschreiten eines sonst allen Zahlungspflichten nachkommenden Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden darstellt.

Ebenso hat der Steuerpflichtige bis dahin keine Säumniszuschläge verursacht, sodass dies die erste Säumnis des Pflichtigen darstellt."

II. Sachverhalt

1. Die Bf ist Bauträger und errichtete während des Jahres 2014 eine Wohnanlage in Z. Für die Veräußerung der Wohnungen wurde gem. § 6 Abs. 2 UStG 1994 zur Steuerpflicht optiert. Die Umsatzsteuer wurde durch Überrechnung von den Abgabenkonten der Käufer auf jenes der Bf entrichtet.

2. Am reichte die Beschwerdeführerin (Bf) die Umsatzsteuervoranmeldung (UVA) für den Zeitraum 09/2014 mit einer Zahllast von € 125.126,82 ein. Die Verbuchung der UVA auf dem Abgabenkonto der Bf erfolgte am .

3. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuer 09/2014 ( - maßgeblicher Tag für die Verwirkung des ersten Säumniszuschlages) bestand auf dem Abgabenkonto der Bf ein Rückstand an fälligen Abgabenschuldigkeiten iHv € 184.412,15. Dieser Rückstand setzte sich zusammen aus Umsatzsteuer 07/2014 iHv € 183.326,71 sowie Umsatzsteuer 08/2014 iHv € 1.085,44. Weiters war neben der Umsatzsteuer 09/2014 am auch die Kammerumlage 07-09/2014 iHv € 243,28 fällig, die - wie die Umsatzsteuer 09/2014 - am gemeldet, im Gegensatz zu dieser aber unmittelbar auf dem Abgabenkonto der Bf verbucht wurde:

[...]

Bis zur Verbuchung der Umsatzsteuer 09/2014 reduzierte sich der Rückstand auf dem Abgabenkonto der Bf durch Überrechnungen um € 35.169,22 auf € 149.486,21. Somit bestand auf dem Abgabenkonto der Bf zum (Tag der Verbuchung der U 09/2014) ein Rückstand iHv € 274.613,03, der sich wie folgt zusammensetzte:

[...]

Der Rückstand auf dem Abgabenkonto der Bf reduzierte sich auch in der Folge durch Überrechnungen und betrug am (im Beschwerdefall gem. § 217 Abs. 3 iVm § 226 BAO maßgeblicher Tag für die Verwirkung des zweiten Säumniszuschlages) € 85.649,57:

[...]

4. Betreffend die in der Stellungnahme vom aufgelisteten Überrechnungen sind auf dem Abgabenkonto folgende Entrichtungstage (= Wirksamkeitstage lt. Abgabenkonto FinanzOnline) ersichtlich:

[...]

  • Überrechnungsantrag von Käufer_1 über € 85.072,82:

  • Überr.antrag von Käufer_2 über € 18.126,05:

  • Überrechnungen lt. Beilage 4 über € 17.550,00 und € 33.856,10: jeweils

III. Rechtslage

1.1. Gemäß § 217 Abs. 1 BAO sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten, falls eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. beträgt der erste Säumniszuschlag 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages. Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist ein zweiter Säumniszuschlag für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt ihrer Vollstreckbarkeit (§ 226) entrichtet ist. Der zweite Säumniszuschlag beträgt 1 % des zum maßgebenden Stichtag nicht entrichteten Abgabenbetrages.

1.2. Gemäß Abs. 7 leg. cit. sind Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft.

Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach § 217 Abs. 7 BAO, ob den Abgabepflichtigen an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt ().

Eine (lediglich) leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (zB , G 176/96; ; , 2007/15/0169). (Ritz, BAO 6, § 217 Tz 43ff mwN).

Ein Rechtsirrtum bzw das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen. Allerdings sind Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde (; , 2004/13/0073).

2. Gemäß § 214 Abs. 1 BAO sind in den Fällen einer zusammengefassten Verbuchung der Gebarung Zahlungen und sonstige Gutschriften grundsätzlich auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen.

Reicht eine Zahlung (sonstige Gutschrift) nicht zur Tilgung aller auf dem betreffenden Abgabenkonto verbuchten Abgabenschuldigkeiten aus, so ist keine Aliquotierung vorzunehmen, sondern grundsätzlich zunächst auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten (bei gleicher Fälligkeit auf die früher verbuchten) Schuldigkeiten zu verrechnen (Ritz, BAO 6, § 214 Tz 1).

3. Ein Guthaben entsteht gemäß § 215 Abs. 1 BAO erst dann, wenn auf einem Abgabenkonto die Summe der Gutschriften (Zahlungen, sonstige Gutschriften) die Summe der Lastschriften übersteigt (Ritz, BAO 6, § 215 Rz 1 sowie § 239 Tz 1; zB ; ).
Maßgebend sind hiebei die tatsächlich durchgeführten Buchungen, nicht diejenigen, die nach Ansicht des Abgabepflichtigen hätten durchgeführt werden müssen (Ritz, BAO 6, § 239 Tz 1 mwN).

Gemäß § 215 Abs. 4 BAO sind Guthaben, soweit sie nicht gem. Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.

Ein Guthaben ist das Ergebnis der in § 213 Abs 1 zwingend vorgeschriebenen kontokorrentmäßigen Verrechnung der laufend zu erhebenden Abgaben. Fehlt es an einem solchen Guthaben im Zeitpunkt der Abgabenfälligkeit, so kann die fällige Abgabe nicht durch Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben gem § 211 Abs 1 entrichtet werden (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO 3 § 217 E 45, mit Verweis auf ; , 89/15/0030).

Gutschriften bedeuten noch nicht Guthaben. Eine Gutschrift ist nur eine Buchungsgröße, die zu einem Guthaben als dem Saldo der kontokorrentmäßigen Gebarung führt, sofern der Summe der Gutschriften nicht insgesamt höhere Lastschriften entgegenstehen.
Unter "Guthaben" im Sinne des § 215 ist ein für den Abgabepflichtigen verwendbares, verfügbares Guthaben gemeint, wie es nach den Regeln der §§ 213f festzustellen ist. Erst diese Größe ist ein prinzipiell disponibler Vermögenswert, über den der Abgabepflichtige, sofern keine Verfügung durch die Abgabenbehörde gemäß der Absätze 1 bis 3 mehr stattzufinden hat, verfügen kann (Stoll, BAO-Kommentar, 2307).

4. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 21 Abs. 1 UStG 1994 handelt es sich beim Überschuss aus einer Umsatzsteuervoranmeldung um eine Abgabe im Sinne der Bundesabgabenordnung. Ein solcher Überschuss hat, sofern sich das Finanzamt nicht zu einem Vorgehen nach § 21 Abs. 3 UStG 1994 entschließt, grundsätzlich zu einer Gutschrift zu führen, deren Schicksal bzw. die Frage, unter welchen Voraussetzungen aus der Gutschrift ein (allenfalls rückzahlbares oder überrechenbares) Guthaben wird, sich nach den §§ 214f BAO zu entscheiden hat ( mit Hinweis auf Ruppe, UStG 1994, § 21, Tz 34 f).

Gemäß § 21 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994 wirkt eine sich aus der Umsatzsteuervoranmeldung ergebende Gutschrift auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, zurück.

5. Gemäß § 211 Abs. 1 lit. g BAO idF BGBl. 151/1980 gelten Abgaben bei Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben (§ 215) eines Abgabepflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten desselben Abgabepflichtigen am Tag der Entstehung der Guthaben, auf Abgabenschuldigkeiten eines anderen Abgabepflichtigen am Tag der nachweislichen Antragstellung, frühestens jedoch am Tag der Entstehung der Guthaben als entrichtet.

Nach dieser Bestimmung tritt somit die Tilgungswirkung im Zeitpunkt der Antragstellung - sofern bereits ein Guthaben entstanden ist - ein ().

In Ritz, BAO 6, § 211 Tz 12 wird wie folgt ausgeführt:
Bei der Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben auf ein Abgabenkonto eines anderen Abgabepflichtigen ist der Tag der Antragstellung (frühestens jedoch der Tag der Entstehung des Guthabens) für den Entrichtungszeitpunkt maßgebend (§ 211 Abs 1 lit g).

Tilgungswirkung tritt nur ein, wenn und soweit ein Guthaben tatsächlich umgebucht bzw überrechnet wird; sie setzt somit ein verfügbares Guthaben voraus (vgl ; , 94/13/0061; , 2005/15/0137).

IV. Erwägungen

1. Entrichtungszeitpunkt

1.1. Die Tilgungswirkung auf dem Abgabenkonto, auf welches die Überrechnung eines Guthabens iSd § 215 Abs. 4 BAO erfolgt, tritt nur unter der Voraussetzung (rückwirkend) im Zeitpunkt der Antragstellung ein, dass zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich bereits ein Guthaben auf dem Abgabenkonto des Antragstellers vorhanden war.

Die Bestimmung des § 211 Abs. 1 lit. g. BAO unterscheidet insofern iZm Überrechnungen auf Abgabenkonten anderer Abgabepflichtiger eindeutig: Besteht zum Zeitpunkt der Antragstellung ein überrechenbares Guthaben, so gilt der Tag der Antragstellung als Entrichtungstag für das Abgabenkonto, auf welches die Überrechnung des Guthabens erfolgt; dies auch dann, wenn die tatsächliche Überrechnung, also der Buchungsvorgang, erst verspätet erfolgt (siehe Stoll, Handbuch Bundesabgabenordnung, S. 508).

Besteht im Zeitpunkt der Stellung des Überrechnungsantrages auf dem Abgabenkonto kein Guthaben iSd § 215 Abs. 4 BAO, so gilt als Entrichtungstag gem. § 211 Abs. 1 lit. g BAO - erst - jener Tag, an dem das Guthaben aus der Gebarung tatsächlich entstanden ist.

1.2. Dabei ist der Bf insofern zuzustimmen, dass die Gutschriften aus den eingereichten UVA´s gem. § 21 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994 auf den Tag der Einreichung der UVA´s zurückwirken. Säumnisfolgen betreffend Abgaben, mit denen eine solche Umsatzsteuergutschrift iSd § 214 BAO auf demselben Abgabenkonto zu verrechnen wäre, könnten nicht eintreten (Kollmann in Melhardt/Tumpel, UStG, 2. Aufl. 2015, § 21, Rz 18f).

§ 21 Abs. 1 UStG 1994 handelt jedoch ausschließlich von der Wirkung einer Gutschrift auf einem bestimmten Abgabenkonto. Dass auch ein überrechenbares Guthaben aufgrund einer solchen Gutschrift "rückwirkend" entsteht, ist entgegen dem Vorbringen des steuerlichen Vertreters, insbesondere der von ihm angeführten Literatur und Lehrmeinung (siehe Mail von A vom ), den bezughabenden Bestimmungen des UStG und der BAO nicht zu entnehmen (siehe oben Pt. III.3.).

Dem steht auch das in der Stellungnahme vom angeführte Mail von A vom an den steuerlichen Vertreter nicht entgegen. Aus diesem Mail geht die - auch im gegenständlichen Verfahren vertretene - Rechtsansicht hervor, ein Guthaben aus einer Umsatzsteuervoranmeldung mit Vorsteuerüberhang entstehe rückwirkend am Tag der Einreichung der UVA. Gestützt wird diese Ansicht auf Ritz, BAO 6, § 211 Rz 14 ("Gutschriften ergeben sich zB aus Umsatzsteuervoranmeldungen. Bei Verwendung solcher Gutschriften richtet sich der Tilgungszeitpunkt nach § 21 Abs 1 erster Unterabsatz letzter Satz UStG 1994. Danach wirkt die Gutschrift auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes zurück (vgl ergänzend § 21 Abs 3 vorletzter Satz UStG 1994 für bescheidmäßige Festsetzungen von Umsatzsteuervorauszahlungen").

Eine Gutschrift ergibt sich aus einer Umsatzsteuervoranmeldung dann, wenn die Berechnung der Umsatzsteuer für einen Voranmeldungszeitraum einen Überschuss zu Gunsten des Unternehmers, also einen Vorsteuerüberhang, ergibt. Die Verwendung einer solchen Gutschrift bewirkt rückwirkend auf den Tag der Einreichung der UVA eine Tilgung jener Abgabenschuldigkeiten auf dem Konto des Unternehmers, welche an diesem Tag fällig geworden sind (siehe dazu bereits oben Pt. IV.1.1.).

Bestehen auf diesem Abgabenkonto keine offenen Abgabenschuldigkeiten, so bewirkt die Gutschrift ein Guthaben auf dem Abgabenkonto, welches aber erst im Zeitpunkt der Verbuchung der Gutschrift entsteht (siehe dazu die oben unter Pt. III.3. wiedergegebene Rechtsprechung und Literatur).

1.3. Das auf dem in FinanzOnline abgebildeten Abgabenkonto angeführte Wirksamkeitsdatum entspricht dem Entrichtungstag auf dem in der von den Abgabenbehörden verwendeten Anwendung "Direktbearbeitung" abgebildeten Abgabenkonto.

Betreffend zwei am auf dem Abgabenkonto gebuchte Überrechnungen ist als Entrichtungstag der angegeben (siehe oben II.4.), was jedoch lediglich annehmen lässt, dass betreffend diese beiden Vorgänge bereits tatsächlich überrechenbare Guthaben zum Zeitpunkt der Antragstellung am vorhanden waren, die Überrechnung jedoch erst am vorgenommen wurde.

Was die anderen in der Stellungnahme vom angeführten Überrechnungen angeht, so war für die belangte Behörde davon auszugehen, dass die Guthaben auf den Abgabenkonten der Antragsteller erst am bzw. am entstanden sind und somit vorher keine Entrichtung iS § 211 Abs. 1 lit. g BAO stattgefunden hat.

Das diesbezügliche Vorbringen lässt erkennen, dass die Bf die Verbuchung der Gebarung auf dem Abgabenkonto als unrichtig erachtet und der Meinung ist, dass Zahlungsverpflichtungen bereits vor dem von der Abgabenbehörde angenommenen Zeitpunkt erfüllt worden sind. Derartige Einwendungen sind jedoch nicht im gegenständlichen Verfahren, sondern im Abrechnungsbescheidverfahren gem. § 216 BAO geltend zu machen.

1.4. Der Vollständigkeit halber darf angemerkt werden, dass eine Rückwirkung der genannten Überrechnungen, wie sie nach der in den Eingaben der Bf bzw. ihres steuerlichen Vertreters vertretenen Meinung eintreten hätte sollen, dennoch keine (vollständige) Entrichtung der Umsatzsteuer 09/2014 bewirkt hätte.

Dies räumt auch der steuerliche Vertreter in der Stellungnahme vom ein. Insofern steht der grundsätzlich maßgebliche Sachverhalt, nämlich die nicht rechtzeitige Entrichtung der Umsatzsteuer 09/2014, weder zum Fälligkeitstag, noch (vollständig) drei Monate nach Eintritt der Vollstreckbarkeit ( § 226 BAO), dieser Stellungnahme zufolge außer Frage.

2. Zum Verschulden iSd § 217 Abs. 7 BAO

Das Antragsrecht auf Herabsetzung bzw Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen setzt voraus, dass den Abgabepflichtigen kein grobes Verschulden an der Säumnis trifft; da es sich bei § 217 Abs. 7 BAO um einen Begünstigungstatbestand handelt, hat der Begünstigungswerber selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann ().

In der Stellungnahme vom räumte der steuerliche Vertreter der Bf ein, dass die zu diesem Zweck ins Treffen geführten Überrechnungen eine rechtzeitige Entrichtung der Umsatzsteuer 09/2014 schon aus dem Grund nicht bewirken konnten, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Umsatzsteuer ein den Fälligkeiten nach älterer Rückstand auf dem Abgabenkonto der Bf aushaftete.

Dass ein solcher Umstand, der unmittelbar aus dem Abgabenkonto der Bf ersichtlich war, nicht erkannt wird bzw. dass unter solchen Umständen keine Maßnahmen ergriffen wurden, um entweder die rechtzeitige Entrichtung anders als durch die anvisierten Überrechnungen sicherzustellen oder beispielsweise durch Erwirkung einer Stundung den Zahlungstermin hinauszuschieben (§ 212 BAO), kann keinesfalls als bloß minderer Grad des Verschuldens angesehen werden.

Es ist insbesondere bei Vertretung durch berufsmäßige Parteienvertreter (hier: durch den Vorgänger-Steuerberater) ein strenger Maßstab anzulegen, was die nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt angeht.

Das (grobe) Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (Ritz, BAO 6, § 217 Tz 45).

Eine Nichtfestsetzung der beschwerdegegenständlichen Säumniszuschläge iSd § 217 Abs. 7 BAO kommt daher nicht in Betracht.

3. Vertagungsbitte

3.1. Eine bestimmte Mindestfrist zur Ladung zur mündlichen Verhandlung ist im Gesetz nicht gefordert; eine kurzfristige Ladung ist zulässig (Ritz, BAO 6, § 275 Tz 19 mwN; ).

3.2. Ob die Bf bzw. ihren steuerlichen Vertreter an der nicht rechtzeitigen Entrichtung der Umsatzsteuer 09/2014 ein grobes Verschulden iSd § 217 Abs. 7 BAO trifft oder nicht, stellt eine Rechtsfrage dar, die auf Basis des konkreten Sachverhaltes zu beantworten ist ().

Sachverhaltsmäßig war gegenständlich ausschließlich zu beurteilen, ob die Umsatzsteuer 09/2014 fristgerecht entrichtet wurde oder nicht. Welche Überrechnungen zu einer Tilgung eines hier nicht interessierenden Rückstandes (Umsatzsteuer 07/2014) geführt haben oder führen hätten sollen, bedurfte keiner Erörterung in der mündlichen Senatsverhandlung bzw. wäre die mokierte unrichtige Verrechnung auf dem Abgabenkonto der Bf bzw. auf den Abgabenkonten von deren Käufern im Abrechnungsbescheidverfahren gem. § 216 BAO zu klären.

Ein sachverhaltsmäßig komplex gelagerter Fall, der eine mündliche Erörterung mit dem Steuerberater Stb_1 persönlich und folglich eine Vertagung notwendig gemacht hätte, lag daher nicht vor.

3.3. Die Bf war in der mündlichen Verhandlung durch einen Vertreter des Steuerberaters Stb_1 vertreten; auch wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung die oben wiedergegebene schriftliche Stellungnahme vom vorgelegt und im Erkenntnis ausführlich gewürdigt.

Ein Rechtsnachteil für die Bf ist daher in der Nichtgewährung einer Vertagung nicht zu erblicken.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis stützt sich auf die zitierte Literatur und höchstgerichtliche Rechtsprechung. Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage war nicht zu lösen, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 21 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 215 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 215 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 211 Abs. 1 lit. g BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 226 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100167.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at