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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2020, RV/3200003/2020

Haftung nach § 11 BAO

Entscheidungstext

Im Namen der republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. RA, Rechtsanwalt, Adr*RA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ZA vom , Zahl*, betreffend Haftungsbescheid zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben als die Haftung betreffend Abgabenschuldigkeiten (Mineralölsteuer Juni 2009) der A GmbH, Adr*A*GmbH, auf € 107.178,89 (bisher € 107.677,57) eingeschränkt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , ***1***, wurde der Beschwerdeführer (Bf) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Mineralölsteuer nach §§ 11 3. Alternative, 33 Abs. 1 (38 Abs. 1 MinStG), 38 Abs. 1 FinStrG rechtskräftig schuldig erkannt.

Mit Bescheid vom , Zahl Zahl*, zog das Zollamt den Bf. gemäß § 11 BAO zur Haftung für die hinterzogenen Mineralölsteuerbeträge im Ausmaß von insgesamt € 604.822,38 heran.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei § 11 BAO handle es sich um eine Ermessensbestimmung, bei der vor allem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden bei der Begehung des Finanzvergehens in Relation zum Abgabenschuldner abzustellen sei, weiters darauf, wer durch den Verkürzungserfolg bereichert wurde.

Das Zollamt habe die Umstände des Ermessens nicht näher ausgeführt. Der Bf. sei für den vollen Betrag der Abgabenverbindlichkeit als Haftender herangezogen worden, was in dieser Form wohl keinesfalls richtig sein könne.

Des weiteren werde Verjährung eingewendet. Bei Haftungsbescheiden handle es sich um Einhebungsmaßnahmen, welche nur innerhalb der Einhebungsverjährung zulässig seien. Das Recht Abgaben einzuheben und zwangsweise einzubringen verjähre nach 5 Jahren. Es werde von Abgaben aus März 2009 und Juni 2009 gesprochen, bei denen längst Verjährung eingetreten sei.

Weiters habe das Gericht über den Bf. eine Wertersatzstrafe verhängt, welche als Äquivalent für den nicht oder nicht zur Gänze realisierten Verfall anzusehen sei. Im Hinblick auf die Verhängung einer Wertersatzstrafe sei ein Haftungsbescheid nach § 11 BAO ausgeschlossen.

Das Zollamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl Zahl**, als unbegründet ab. Verjährung sei, unter Hinweis auf die Beschwerdeverfahren betreffend die Firmen A GmbH und B s.r.o. nicht eingetreten.

Bei der Haftung nach § 11 BAO handle es sich um eine uneingeschränkte Primärhaftung. Die Abgabenvorschreibung an die A GmbH und B s.r.o blieben infolge Vermögenslosigkeit erfolglos.

Im Übrigen sei der Bf. maßgeblich an der Umsetzung des betrügerischen Geschäftsmodelles beteiligt gewesen und habe daraus laut den Urteilsausführungen einen hohen Gewinn lukriert.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf. die Vorlage an das Bundesfinanzgericht. Auf die beantragte Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde verzichtet.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte das Bundesfinanzgericht zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen gewerbsmäßiger Hinterziehung von Mineralölsteuer rechtskräftig verurteilt worden ist. In der Urteilsbegründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei "als ein voll eingeweihter Beitragstäter mit Kernkompetenz nicht nur in der führungsorientierten Planung und Strategie, sondern auch im Finanzcontrolling" anzusehen. Er habe die Finanzvergehen in der Absicht begangen, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, hohe Entnahmen, Regelmäßigkeit und hohe kriminelle Energie der Begehungsweise.

Es sei nicht ausgeschlossen, dass die gänzliche oder teilweise Abgabeneinhebung beim Haftungspflichtigen entweder sofort möglich oder zu einem späteren Zeitpunkt, gerade auch im Hinblick auf sein Lebensalter (geb. 1981) möglich sei.

Die Abgaben seien weder bei der A GmbH noch bei der B s.r.o. einbringlich, noch bei den anderen Verurteilten, die ebenfalls zur Haftung herangezogen worden sind.

Der Beschwerdeführer hat gegen dieses Erkenntnis außerordentliche Revision eingebracht.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/13/0029-10, wurde die Revision als zulässig und zum Teil begründet erkannt, weil das Bundesfinanzgericht Zahlungen weiterer Haftungspflichtiger im Umfang von € 393,22, € 22,79 und € 82,67 nicht berücksichtigt habe.

Im übrigen bestätigte der Verwaltungsgerichtshof die Ausführungen zur Ermessensübung.

Somit war die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wieder unerledigt.

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Hinsichtlich des Sachverhalts und der Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/3200004/2017, verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Gem. § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Unstrittig ist, dass der Bf. mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , ***1*** rechtskräftig wegen der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung als Beteiligter nach § 11 3. Alternative, § 33 Abs. 1 (§ 38 Abs. 1 MinStG), § 38 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt wurde. Der vom Landesgericht Salzburg festgestellte Hinterziehungsbetrag an Mineralölsteuer betrug insgesamt € 604.822,38 (Faktum I: € 497.144,81 und Faktum II € 107.677,57).

Die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO ist durch jede Art der Beteiligung am Finanzvergehen erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, welche Bedeutung dem Tatbeitrag für die Verwirklichung der Tat beizumessen ist ().

Außer Streit steht, dass der Bf. im erwähnten gerichtlichen Finanzstrafverfahren rechtskräftig wegen gewerbsmäßiger Hinterziehung von Mineralölsteuer rechtskräftig veruteilt worden ist. In der Begründung des Urteils wird u. a. ausgeführt, der Bf. sei "als ein voll eingeweihter Beitragstäter mit Kernkompetenzen nicht nur in der führungsorientierten Planung und Strategie, sondern auch im Finanzcontrolling" anzusehen. Der Bf. habe die Finanzvergehen in der Absicht begangen, "sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Nebeneinnahmequelle zu verschaffen, hohe Entnahmen, Regelmäßigkeit und hohe kriminelle Energie der Begehungsweise."

Die Beschwerde richtet sich in erster Linie gegen das vom Zollamt bei Heranziehung zur Haftung geübte Ermessen. Zum Einwand, die Inanspruchnahme des Bf. mittels Haftungsbescheides sei insgesamt ungerechtfertigt, da er unbegründet für den vollen Abgabenbetrag zur Haftung herangezogen wurde, wird ausgeführt:

Die Inanspruchnahme als Haftender nach § 11 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (). Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO; vgl. auch ).

Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen ().

Die Begründung des Haftungsbescheides hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist ().

Zweck des Haftungsausspruches ist die Einhebung von Abgaben. Der Haftungsausspruch ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn eine (gänzliche oder teilweise) Abgabeneinhebung beim Haftungspflichtigen entweder sofort möglich oder zu einem späteren Zeitpunkt nicht völlig ausgeschlossen ist. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Vermögenslosigkeit bzw. Arbeitslosigkeit des Haftenden an sich in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht, zumal es eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Vor diesem rechtlichen Hintergrund war es im Hinblick auf das Lebensalter des Bf. jedenfalls zweckmäßig, ihn zur Haftung für die hinterzogenen Abgaben heranzuziehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in der aufhebenden Entscheidung ausgeführt hat, hat das Bundesfinanzgericht die Ermessensausübung ausreichend begründet.

Hinsichtlich der Höhe der Haftungsinanspruchnahme betreffend der Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der A GmbH (Spruchpunkt II des Haftungsbescheides vom ) wurden Zahlungen Dritter nicht berücksichtigt. Aus diesem Grunde erfolgte die Aufhebung des Erkenntnisses betreffend Spruchpunkt II.

Aus den vom Zollamt vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass die Einbringung der gegenständlichen Haftungsschuld bei den Primärschuldnern A GmbH einerseits auf Grund der mit Beschluss des Landesgericht Salzburg vom , GZ ***2***, erfolgten Insolvenzabweisung mangels kostendeckendem Vermögens und der erfolgten amtswegigen Löschung im Firmenbuch nicht möglich ist.

Ebenfalls gescheitert ist die Einbringung mittels Beitreibungsersuchen an die Slowakische Zollverwaltung betreffend der B s.r.o.

X, Y und Z wurden (entsprechend den Urteilen) für Teile der gegenständlichen Abgabenschuld (im Hinblick auf ihre Tatbeiträge) als Haftungspflichtige in Anspruch genommen, jedoch ist laut Aktenlage ableitbar, dass eine Einbringlichkeit der Mineralölsteuer bei diesen voraussichtlich nicht möglich sein wird.

Das ZA hat am mitgeteilt, dass für die B s.r.o. bisher keine Zahlungen erfolgt sind. Für die A GmbH erfolgten drei Zahlungen, am € 393,22 durch Y und am sowie am jeweils € 22.79 bzw. € 82,67 durch Überweisung des Bezirksgerichts C in der Insolvenzsache Z.

Die aushaftende Abgabenschuld betreffen der A GmbH, für die der Beschwerdeführer gem. § 11 BAO zur Haftung in Anspruch genommen wird, verringert sich daher um € 498,68 auf € 107.178,89, so dass in diesem Umfang der Beschwerde stattzugeben war.

Die Einwände betreffend Verjährung sowie Nichtberücksichtigung von Geld- und Wertersatzstrafen wurden, so wie im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , auch vom Verwaltungsgerichtshof als unzutreffend erachtet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die mit dem vorliegenden Erkenntnis zu lösenden Rechtsfragen, sind durch die im Erkenntnis zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt bzw. ergeben sich aus dem Wortlaut der anzuwendenden einschlägigen Bestimmungen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3200003.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at