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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2020, RV/3100475/2020

Säumniszuschlag: Kein minderes Verschulden, wenn die Databox nicht kontrolliert wird

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Säumniszuschlag 2020 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang/Sachverhalt

Der Einkommensteuerbescheid 2018 betreffend die Beschwerdeführerin (Bf) war am ergangen und in elektronischer Form an die Bf zugestellt worden. Im Bescheidspruch ist der Fälligkeitstag der Abgabennachforderung () angegeben. Die Entrichtung erfolgte jedoch erst am .

Mit Bescheid vom wurde daher gegenüber der Bf ein erster Säumniszuschlag in Höhe von € 63,62 festgesetzt.

Mit FinanzOnline-Eingaben vom und vom ersuchte die Bf um Nachsicht. Sie habe die Einzahlungsfrist versäumt, da sie zu lange nicht in ihre Databox geschaut habe. Sie habe nicht gewusst, dass sie keine separate Aufforderung erhalte und verwies darauf, in 23 Jahren Einkommensteuerpflicht nie eine Frist versäumt zu haben.

Das Finanzamt wertete die ursprüngliche Eingabe vom als Antrag gem. § 217 Abs. 7 BAO. Am erging dazu der abweisende Bescheid, in welchem auf die gegenständliche Überschreitung der fünftägigen Toleranzfrist des § 217 Abs. 5 BAO verwiesen und das Nicht-Lesen der Databox als nicht minderes Verschulden iSd § 217 Abs. 7 BAO gewertet wurde.

In der Beschwerde vom brachte die Bf vor, sie habe bisher Verständigungen des Finanzamtes immer mit schriftlichem Bescheid erhalten. Im gegenständlichen Fall sei die Verständigung einmalig über die Databox erfolgt. Sie habe bis zu diesem Bescheid nicht gewusst, wie die Zustellung über die Databox erfolge und sei der Meinung gewesen, sie werde von der Erlassung eines Bescheides verständigt.

Es sei ihr nicht vorwerfbar, dass sie nicht täglich überprüfe, ob es einen Eingang in der Databox gebe. Da sie gewusst habe, dass der Steuerberater die Einkommensteuererklärung bereits abgegeben habe, habe sie, verwundert darüber, noch nichts vom Finanzamt gehört zu haben, am in der Databox nachgesehen und sodann den fälligen Nachforderungsbetrag sofort überwiesen. Ihr Verschulden in der Sache sei höchstens minderschwer.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom verwies auf die FinanzOnline-Verordnung (FOnV 2006), insbesondere auf die Bestimmungen über die Angabe einer elektronischen Adresse, an welcher der FON-Teilnehmer über eine elektronische Zustellung zu informieren sei, sowie über den Verzicht auf die elektronische Zustellung. Nach den Bestimmungen dieser Verordnung sei der Einkommensteuerbescheid 2018 wirksam zugestellt worden; die verspätete Einsichtnahme in die Databox stelle kein fehlendes grobes Verschulden iSd § 217 Abs. 7 BAO dar.

Im Vorlageantrag vom wurde vorgebracht, dass der Bf kein grobes Verschulden angelastet werden könne. Sie selbst habe mit dem Finanzamt kaum zu tun, da ihre Steuererklärungen der Steuerberater einreiche. Die ihr vorgeschriebenen Beträge habe sie in den letzten 23 Jahren immer rechtzeitig entrichtet.

2019 habe sie sich zu FinanzOnline angemeldet und dabei damit gerechnet, bei Vorschreibung einer Zahlung eine Verständigung per Mail zu erhalten, wie dies bei Banken und Versicherungen der Fall sei. Es liege in ihrem Fall weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vor.

Rechtslage und Erwägungen

II.1. Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gem. § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der diesem Abs. 1 folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

Der Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind grundsätzlich unbeachtlich (Ritz, BAO6, § 217 Tz 2f).

Das Vorliegen einer Säumnis steht im gegenständlichen Fall außer Frage.

II.2. Gemäß § 5b Abs. 1 der FOnV 2006 idgF. haben die Abgabenbehörden nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann jeder Teilnehmer in FinanzOnline eine elektronische Adresse angeben, an welche er über eine elektronische Zustellung zu informieren ist. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe (…) einer elektronischen Adresse nicht gehindert.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann der Teilnehmer in FinanzOnline auf die elektronische Form der Zustellung verzichten. Zu diesem Zweck ist ihm bei seinem ersten nach dem erfolgten Einstieg in das System unmittelbar nach erfolgreichem Login die Verzichtsmöglichkeit aktiv anzubieten. Die Möglichkeit zum Verzicht ist auch nach diesem Zeitpunkt jederzeit zu gewährleisten.

II.3. Elektronisch zugestellte Dokumente gelten als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind (§ 98 Abs. 2 BAO). Bereits im Bescheid vom führte die Abgabenbehörde richtig aus, dass bei FinanzOnline der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox ist, zu der der Empfänger Zugang hat (Ritz, BAO6, § 98 Tz 4 mwN).

II.4. Fest steht, dass die Bf über einen FinanzOnline-Zugang verfügt. Dabei ist aktenkundig, dass der Bf bereits die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2017 auf elektronischem Weg zugestellt wurden, worauf das Finanzamt im Vorlagebericht vom hingewiesen hat.

Die Behauptung, die Bf habe sich erst 2019 zu FinanzOnline angemeldet, erweist sich in diesem Zusammenhang als aktenwidrig. Demzufolge ist vor diesem Hintergrund auch die nicht näher ausgeführte Behauptung, der Bf sei erstmals der Einkommensteuerbescheid 2018 in elektronischer Form, somit nicht in schriftlicher Ausfertigung, zugestellt worden, weder nachvollziehbar noch glaubhaft.

Ein Verzicht auf die elektronische Zustellung iSd § 5b Abs. 3 FOnV 2006 liegt gegenständlich nicht vor. Eine elektronische Adresse, an welche die Bf gem. § 5b Abs. 2 FonV 2006 über Eingänge in die Databox informiert werden sollte, hat sie ihren eigenen Angaben zufolge nicht bekanntgegeben, was jedoch dem Verordnungstext zufolge die Wirksamkeit einer Bescheidzustellung nicht hindert.

II.5. Dass eine wirksame Bescheidzustellung stattgefunden hat, hat die Bf auch gar nicht bestritten. Sie stützt ihr Vorbringen darauf, keine Benachrichtigung über die elektronische Zustellung erhalten zu haben.

Dass sie keine Benachrichtigung über die Bescheidzustellung in die Databox erhalten hat, lag entgegen der Ansicht der Bf jedoch nicht im Einflussbereich der Abgabenbehörde, sondern ist ihr selbst zuzurechnen; es wäre der Bf jederzeit möglich gewesen, in ihrem FinanzOnline-Account eine E-Mail-Adresse anzugeben, über welche eine entsprechende Benachrichtigung sodann erfolgt wäre.

II.6. Gemäß dem oben zitierten § 5b Abs. 3 FOnV 2006 hatte die Bf die Möglichkeit, auf die elektronische Zustellung der an sie ergehenden Bescheide zu verzichten. Diese Möglichkeit war ihr nach dem Verordnungstext bei ihrem ersten FinanzOnline-Einstieg nach dem aktiv anzubieten.

Beim Ersteinstieg in FinanzOnline nach dem wurde bzw. wird dem Benutzer eine der Einstiegseite vorgeschaltete Information angezeigt, die auf die automatische Aktivierung der elektronischen Zustellung an FinanzOnline-Teilnehmer hinweist. Diese Information zeigt auch die Möglichkeit auf, auf die elektronische Zustellung zu verzichten, oder in der Funktion "Zustellung" eine E-Mail-Adresse bekanntzugeben, unter der eine Verständigung über eine elektronische Zustellung erfolgen kann. Dieses Informationsfenster kann über zwei Buttons weggeklickt werden: "Weiter zur ´Zustellung´" (um in der Funktion "Zustellung" die entsprechenden Schritte zu setzen, nämlich auf die elektronische Zustellung zu verzichten oder eine E-Mail-Adresse einzugeben) oder "Zur Kenntnis genommen".

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung, ob den Abgabepflichtigen an der Säumnis grobes Verschulden trifft, auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Grobes Verschulden fehlt demnach, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche, und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt ().

Es ist einer Abgabepflichtigen, die an FinanzOnline teilnimmt, zumutbar, Informationen der Abgabenbehörde, die automatisiert sofort nach einem erfolgreichen Login ausgegeben werden, mit der erforderlichen Sorgfalt zu lesen und die entsprechenden Schritte zu setzen.

Nach Kenntnisnahme von der oben beschriebenen Information hätte die Bf eine Zustellung ihrer Bescheide in Papierform oder eine Verständigung per Mail von einer in die Databox erfolgten elektronischen Zustellung veranlassen können. Da sie dies nicht getan hat, wäre es ihr oblegen, ihre Databox - vor allem nach Einreichung der Steuererklärung durch ihren Steuerberater, von der sie Kenntnis hatte - so zeitnah und regelmäßig auf den Eingang neuer Dokumente zu prüfen, dass durch die elektronische Zustellung ausgelöste Fristen eingehalten werden konnten. Eine Überprüfung der Databox hat jedoch erst nahezu zwei Monate nach Einreichung der Einkommensteuererklärung stattgefunden.

Die Bf hat daher mit ihrem Vorbringen nicht dargetan, dass sie an der verspäteten Entrichtung der Einkommensteuer 2018 überhaupt kein Verschulden oder eine lediglich leichte Fahrlässigkeit zu verantworten hätte. Die Beschwerde war somit abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage war gegenständlich nicht zu lösen, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 5b FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100475.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at