zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.09.2020, RV/3100444/2019

Zuschlag gem. § 4 Abs. 2 Z 2 EStG ist nur im ersten noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum zulässig

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterName_A in der Beschwerdesache Beschwerdeführer, Anschrift_1, vertreten durch Steuerberater_A, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes_A vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1.) Verfahrensgang:
Anlässlich einer zur ABNr.:_1 durchgeführten Außenprüfung tätigte der Betriebsprüfer_A ua. nachfolgende Feststellung:
"Tz 4 Einkünfte aus Vermietung Anschrift_2
Neuberechnung Afa Bemessungsgrundlage Gebäude per 11/2009
Alt-Vermietung Gebäudeanteil bis Kj 1997 It. Vorprüfung 44% erklärt (beendet mit VST-Rückrechnung), Neuvermietung des Gesamtgebäudes It. Erkl. ab 11/2009 (somit 12 Jahre nach Ende der alten Vermietung und 18 Jahre nach Neu- und Umbau 1991)
Für den Altgebäudeanteil ist (nach Prüfung seit ) der Buchwert fortzuführen. Die Einlage für den 1991 errichteten Zubau erfolgt auf Basis der fiktiven Anschaffungskosten.
a) Neuberechnung Gebäudeansatz Buchwertfortführung ...
Buchwert brutto - Anteil Altvermietung 44 %,
Buchwertübernahme per 11/2009 in Euro Betrag_1
b) Berechnung fiktiver Anschaffungskosten Neuvermietung 56% ...
Summe Buchwert Gebäude per 11/2009 in Euro Betrag_2 ...
Buchwert zu Prüfungsbeginn in Euro Betrag_3
c) Afa Berechnung nach Prüfung:
Afa Herstellung Altgebäudeanteil in Euro Betrag_10
Afa Gebäudeanteil BJ 1991 Einlage Neuvermietung 56%: Afa in Euro Betrag_4
Basis Herstellungs-Anschaffungskosten 11/2009 und Afa ab 2009 in Euro Betrag_5
bisher laut Erklärung in Euro Betrag_7
Minderung Afa-Erhöhung Überschuss 2012-2016 je Euro Betrag_6
Zusätzliche Berichtigung bis zum "Wurzeljahr" 11/2009:
Hinsichtlich der unterlassenen Buchwertfortführung für den bereits vor 2009 vermieteten Gebäudeanteil handelt es sich nach Prüfung um einen nicht nur objektiv sondern auch subjektiv (persönlich) unrichtigen Ansatz. Die Bemessungsgrundlagen waren für die Weitervermietung bereits gegeben. Man hätte wissen müssen, dass der für die Erklärung gewählte Ansatz jedenfalls unrichtig ist.
Berechnung Zuschlag 2012
Afa lt. Erklärung für Vermietungsanteil 44% von Euro Betrag_7 - 2,5 Jahre je Euro Betrag_8 - Euro Betrag_9
Afa lt Buchwertfortführung und Prüfung 2009 bis 2011 2,5 Jahre je Euro Betrag_10 - Euro Betrag_11
Zuschlag Überschuss 2012 Euro Betrag_12 "
(siehe Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom in Verbindung mit der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO vom , beide zu ABNr.:_1).

Das Finanzamt_A folgte den Feststellungen des Betriebsprüfers und erließ unter Verweis auf obige Niederschrift und Prüfungsbericht einen gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 (mit Ausfertigungsdatum ), mit welchem ua. die jährliche Afa Gebäude um Betrag_6 € vermindert sowie im Jahr 2012 ein Zuschlag in Höhe von Betrag_12 € vorgenommen wurden.

In der hiergegen fristgerecht erhobenen Beschwerde vom führte der Beschwerdeführer unter Verweis auf Zorn in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (53. Lfg 2012) zu § 4 Abs. 2 EStG Rz 93.1, begründend aus, die Feststellung der Betriebsprüfung sei zutreffend, dass die in den Jahren 2009 bis 2011 in Ansatz gebrachte Afa nicht aufgrund von fiktiven Anschaffungskosten, sondern auf Basis der Buchwertfortführung zu ermitteln sei. Ein Zuschlag für bereits verjährte Zeiträume im Sinne des § 4 Abs. 2 Zif. 2 EStG in Verbindung mit § 28 Abs. 7 EStG sei jedoch nur dann möglich, wenn der Zuschlag nicht höher sei, als die steuerliche Auswirkung (Aufwand), die sich im noch nicht verjährten Zeitraum ergeben könne. Sinn des zitierten § 4 Abs. 2 Zif. 2 EStG sei es, eine Neutralisation vorzunehmen, wenn es durch die Wurzelberichtigung bei Verjährung im noch nicht verjährten Zeitraum zu veränderten Ergebnissen komme, welche im verjährten Zeitraum aufgrund der Verjährung nicht mehr korrigiert werden könne. Niemals dürfe der Zu- oder Abschlag dazu führen, dass es dadurch zu höheren Ergebnissen komme, welche nicht im Zeitablauf des noch nicht verjährten Zeitraumes wieder gegenberichtigt werde. Der Zu- und Abschlag dürfe nicht höher sein, als die steuerliche Auswirkung, die sich im noch nicht verjährten Zeitraum ergebe. Eine zu hohe Afa-Basis im verjährten Zeitraum führe aber nun genau dazu, dass es keinen Zusammenhang zwischen Zuschlag im verjährten Zeitraum und Gegenkorrektur im nicht verjährten Zeitraum komme, sondern vielmehr werde hier der Gesamtaufwand des Steuerpflichtigen gekürzt und somit der Intension des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG widersprochen, welcher nur Ergebnisauswirkungen aufgrund der laut Rechtsprechung gebotenen Wurzelberichtigung und der zeitlichen Lage der Verjährung zu kompensieren versuche. Der Sinn des zitierten Paragrafen sei es, diese zeitlichen Differenzen zu kompensieren, nicht aber die Verjährung vollends zu durchbrechen.

Das Finanzamt_A wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, da § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 für Fehlerberichtigungen für die Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsprechend gelte (§ 28 Abs. 7 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012). Insbesondere Fehler in Bezug auf die Höhe der Afa-Bemessungsgrundlage seien daher in gleicher Weise durch einen Zu- oder Abschlag korrigierbar (vgl ErlRV 1960 BlgNR 24. GP 20). Ein Zu- oder Abschlag gemäß § 28 Abs. 7 EStG 1988 sei im Rahmen der Einkünfteermittlung für die jeweilige Einkunftsquelle zu erfassen (vgl EStR Rz 6516a). Die steuerwirksame Korrektur über einen Zu- oder Abschlag trage dem Grundsatz der Besteuerung des richtigen Totalgewinnes Rechnung. Durch die Bestimmung werde die Erfassung des richtigen Totalgewinnes sichergestellt und eine sachlich gebotene konsistente Einmalerfassung erreicht. § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 sei anzuwenden auf Fehler aus verjährten Veranlagungsjahren, deren Folgewirkungen in noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume hineinreiche (periodenübergreifende Fehlerwirkung). Sie führe im Ergebnis zu einer steuerwirksamen Nachholung aller in den verjährten Zeiträumen eingetretenen gewinnwirksamen Fehler im ersten noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum. Der Zu- oder Abschlag sei somit der Saldo aus den steuerlichen Korrekturen betreffend die bereits verjährten Zeiträume. "Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen (Bilanzberichtigung)." Nach § 28 Abs. 7 EStG sei § 4 Abs. 2 Z 2 EStG sinngemäß anzuwenden. Bei den Überschusseinkünften gäbe es keine Vermögensübersicht. Allerdings müsse die Einkunftsermittlung den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes entsprechen. Nach § 16 Abs. 1 Z 8 lit d EStG könne bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen würden, ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5 % der Bemessungsgrundlage als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden. Nach § 16 Abs. 1 Z 8 lit b EStG sei bei einem Wirtschaftsgut, das unentgeltlich erworben werde, die Absetzung für Abnutzung des Rechtsvorgängers fortzusetzen. § 16 Abs. 1 Z 8 lit c EStG 1988 idF BGBl I 2008/85 laute: "Wird ein sonstiges Wirtschaftsgut unentgeltlich erworben, sind die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes (§ 6 Z 9) anzusetzen." EStR 2000 Rz 6432 laute: "Beginnt die Verwendung eines Gebäudes des Altvermögens zur Erzielung von Einkünften nach dem , sind die fiktiven Anschaffungskosten nur dann als AfA-Bemessungsgrundlage heranzuziehen, wenn die Verwendung zur Einkünfteerzielung erstmalig erfolgt. Eine erstmalige Verwendung liegt nicht vor, wenn das Gebäude bereits zuvor - wenn auch mit einer mehrjährigen Unterbrechung - zur Erzielung von betrieblichen oder außerbetrieblichen Einkünften verwendet wurde. Wie schon der Charakter des Altvermögens eine Eigenschaft des Gebäudes darstellt, bezieht sich auch der Umstand der erstmaligen Verwendung im Falle des unentgeltlichen Erwerbes auf das Gebäude und nicht auf den Steuerpflichtigen. Wurde das Gebäude im Falle eines unentgeltlichen Erwerbes bereits durch den Rechtsvorgänger zeitweise zur Einkünfteerzielung verwendet, liegt auch beim Rechtsnachfolger keine erstmalige Verwendung vor. Es bestehen aber keine Bedenken, für die AfA-Bemessung die fiktiven Anschaffungskosten heranzuziehen, wenn bei einem unentgeltlichen Erwerb zwischen der Beendigung der Vermietung durch den Rechtsvorgänger oder der im Zuge eines unentgeltlichen Erwerbes erfolgten Beendigung des Mietverhältnisses und dem neuerlichen Beginn der Vermietung durch den Steuerpflichtigen ein Zeitraum von mehr als zehn Jahren liegt." (gleichlautend auch EStR 2000 Rz 6433f). Nach dem reinen Gesetzestext - unter Außerachtlassung der Toleranz nach den EStR - sei § 16 Abs. 1 Z 8 lit b EStG bei unentgeltlichem Erwerb anzuwenden und die Afa des Rechtsvorgängers fortzusetzen. Somit sei der Ansatz der Afa für den Altbestand auf Basis der fiktiven Anschaffungskosten objektiv und subjektiv falsch gewesen und habe in der Wortinterpretation nicht den Bestimmungen des EStG entsprochen. Die vom steuerlichen Vertreter zitierte Literaturstelle betreffe die Berichtigung hinsichtlich bilanzierende Abgabepflichtige unter Bezugnahme auf deutsche Literatur (Heinicke in Schmidt, EStG31, § 4 Tz 727). Die oa ErlRV erwähne ausdrücklich als Anwendungsfall die "Änderung der Afa-Bemessungsgrundlage". Somit sei ein Zuschlag nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG zulässig.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

2.) Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer erzielt ua. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Gebäudes Anschrift_2. Ein Teil des Gebäudes (44%) wurde in der Vergangenheit bereits bis zum Kalenderjahr 1997 vermietet; nach Jahren ohne Vermietungstätigkeit vermietete der Abgabepflichtige ab November 2009 erstmals das gesamte Gebäude (Altgebäude plus Zubau).

Der Beschwerdeführer ermittelte ab der (erstmaligen) Vermietung des (Gesamt)Gebäudes 2009 die Höhe der Absetzung für Abnutzung (Afa) auf Grundlage von fiktiven Anschaffungskosten des vermieteten (Gesamt)Gebäudes zum Zeitpunkt November 2009 (siehe Schreiben des Beschwerdeführers vom samt Beilagen).

Nach Vorlage einer Prognoserechnung für die Jahre 2009 bis 2028 (mit Schreiben vom ) veranlagte das Finanzamt_A den Beschwerdeführer mit Einkommensteuerbescheiden für das Jahr 2009 (mit Ausfertigungsdatum ) und 2010 (mit Ausfertigungsdatum 25. November bzw. ) endgültig.

Der Abgabepflichtige erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 Verluste aus der gegenständlichen Vermietung und führte hierzu - über Vorhalt der Abgabenbehörde vom - im Schreiben vom ua. aus, der Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten liege ein Mittelwert aus Ertrags- und Sachwert zugrunde. Das Objekt sei im Jahr 2011 nicht vermietet gewesen, da das Mietverhältnis Ende 2010 überraschend beendet und kein dem Eigentümer genehmer Nachmieter gefunden worden sei.
Das Finanzamt_A veranlagte den Beschwerdeführer hieraufhin mit Einkommensteuerbescheid 2011 (mit Ausfertigungsdatum ) antrags- und erklärungsgemäß gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig. Begründend führte die Abgabenbehörde im Bescheid aus, die Veranlagung erfolge bis auf weiters vorläufig, bis die ernsthafte Absicht zur späteren Einnahmenerzielung nachgewiesen werde.

Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2016 ergingen in Folge ebenso gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig (siehe Bescheide für das Jahr 2012 mit Ausfertigungsdatum , für das Jahr 2013 mit Ausfertigungsdatum , für das Jahr 2014 mit Ausfertigungsdatum sowie für die Jahre 2015 und 2016 mit Ausfertigungsdatum ).

Im Rahmen einer beim Beschwerdeführer durchgeführten Außenprüfung zur ABNr.:_1 (Prüfungszeitraum 2012 bis 2016) berichtigte das Finanzamt_A ua. die Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung des gesamten Gebäudes (ab November 2009) dahingehend, dass
a) für den bereits bis 1997 vermieteten Altgebäudeanteil als Afa-Bemessungsgrundlage nicht die fiktiven Anschaffungskosten, sondern die (fortgeschriebenen) Buchwerte zum Ansatz gebracht wurden sowie
b) für den erstmals im Jahr 2009 vermieteten Gebäudeanteil (Zubau 1991) die Höhe der fiktiven Anschaffungskosten abgeändert wurden.
Auf Grundlage obiger Berechnungen setzte die Abgabenbehörde die Höhe der Afa mit Betrag_5 € neu fest und kürzte die geltend gemachte Afa für die Jahre 2012 bis 2016 um jährlich je Betrag_6 €.
Für den bereits in der Vergangenheit vermieteten Altgebäudeanteil (44% des Gesamtgebäudes) wurde für den Zeitraum (2. Halbjahr) 2009 bis 2011 ein Zuschlag nach § 28 Abs. 7 EStG iVm § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 aus der Afa-Differenz berechnet (Differenz der geltend gemachten Afa für Altgebäudeanteil in Höhe von jährlich Betrag_8 € und der laut Abgabenbehörde zustehenden Afa in Höhe von jährlich Betrag_10 €) und im Veranlagungsjahr 2012 zum Überschuss aus Vermietung und Verpachtung (in Höhe von Betrag_12 €) hinzugerechnet ("Zusätzliche Berichtigung bis zum "Wurzeljahr" 11/2009"; siehe Bericht des Finanzamtes_A vom , ABNr.:_1).

Das Finanzamt_A erließ auf Grundlage ua. obiger Feststellung ua. gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültige Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2016 (sämtliche mit Ausfertigungsdatum ).

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 und bekämpfte den auf Grundlage des § 28 Abs. 7 EStG iVm § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 im Veranlagungsjahr 2012 verhängten Zuschlag für den 44%igen Gebäudeanteil.

3.) Beweiswürdigung:
Der streitwesentliche Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden unstrittigen Aktenlage, insbesondere aus den oben näher bezeichneten Unterlagen.

4.) Rechtslage:
4.a) § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF Abgabenänderungsgesetz 2012, AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012 lautet:
"Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen (Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:
- Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden.
- Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.
Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung."

§ 28 Abs. 7 EStG 1988 lautet:
"§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG gilt in Bezug auf die Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- und Abschlägen sinngemäß."

Die Erläuternden Bemerkungen zum AbgÄG 2012 führen hierzu ua. aus wie folgt:
"In § 4 Abs. 2 sollen die Grundsätze für die Bilanzberichtung und Bilanzänderung klarer dargestellt werden. Darüber hinaus soll er um eine Bestimmung erweitert werden, die dem Grundsatz der Besteuerung des richtigen Totalgewinnes in besonderem Maße Rechnung trägt: Es soll eine steuerwirksame Korrektur von Fehlern möglich werden, die ihre Wurzel in verjährten Zeiträumen haben, und deren Folgewirkungen noch in nicht verjährte Veranlagungszeiträume hineinreichen. Damit soll eine steuerwirksame Berichtigung von Fehlern, die sich in mehreren Besteuerungsperioden auswirken, auch dann möglich sein, wenn ihrer Steuerwirksamkeit ausschließlich die eingetretene Verjährung entgegen steht.

Die Neufassung des § 4 Abs. 2 ändert zunächst nichts daran, dass unrichtige Bilanzansätze wie bisher bis zur Wurzel zurückverfolgt und korrigiert werden müssen. In Bezug auf die steuerlichen Auswirkungen einer solchen Bilanzberichtigung legt die Judikatur des VwGH (vgl. zuletzt , betr. AfA) das Schwergewicht auf die periodenrichtige Gewinnermittlung und nimmt dadurch in Kauf, dass es dadurch zu einer Doppelerfassung oder Nichterfassung von Aufwendungen oder Erträgen kommt. Demgegenüber legt der BFH das Schwergewicht auf den richtigen Totalgewinn (Einmalerfassung aller steuerlichen relevanten Vorgänge) und lässt Durchbrechungen des materiellen und formellen Bilanzzusammenhangs insoweit zu, als unrichtige Bilanzansätze aus verfahrensrechtlich nicht mehr änderbaren Jahren (erst) in der Schlussbilanz des ersten noch änderbaren Jahres erfolgswirksam zu berichtigen sind. Im Ergebnis soll dieser Sichtweise durch die Neuregelung - allerdings unter Aufrechterhaltung des Bilanzzusammenhanges - zum Durchbruch verholfen werden. Eine sachlich gebotene konsistente Einmalerfassung wird so erreicht (vgl. dazu Beiser, SWK 20/2012, 929).

Die Fehlerkorrektur soll stets in jenem Veranlagungszeitraum vorgenommen werden, zu dem - gemessen am Zeitpunkt der Erlassung des berichtigenden Bescheides - die Richtigstellung frühestmöglich vorgenommen werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass sich der Fehler in dem zu berichtigenden Jahr (noch) steuerlich auswirkt.
Beispiel:
4. Im Jahr 10 wird festgestellt, dass Herstellungsaufwand im Jahr 01 zu Unrecht nicht unter Zugrundelegung einer Restnutzungsdauer von 20 Jahren aktiviert, sondern sofort gewinnmindernd berücksichtigt worden ist. Die Jahre 01 bis 09 sind rechtskräftig veranlagt. Im Jahr 10 ist für Abgabenansprüche der Jahre vor 04 Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Fehlerkorrektur kann daher nur das Veranlagungsjahr 04 betreffen. Da sich der Fehler aus 01 in 04 auswirkt, ist der Bescheid des Jahres 04 im Wege des § 293b BAO zu berichtigen. Rechtskräftige Bescheide der Folgenjahre sind gegebenenfalls gemäß § 295 Abs. 3 BAO zu korrigieren."

Mit dem AbgÄG 2012 wurden zum einen die Grundsätze für die Bilanzberichtung und Bilanzänderung klarer dargestellt und zum anderen eine steuerwirksame Korrektur von Fehlern ermöglicht, die ihre Wurzel in verjährten Zeiträumen haben, und deren Folgewirkungen noch in nicht verjährte Veranlagungszeiträume hineinreichen, ohne in den formellen Bilanzzusammenhang einzugreifen (Knechtl/Unger/Winkler in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 4 Anm. 43; Jakom/Marschner, EStG, 2020, § 4 Rz 222). Damit ist eine steuerwirksame Berichtigung von Fehlern, die sich in mehreren Besteuerungsperioden auswirken können, auch dann möglich, wenn ihrer bisherigen Steuerwirksamkeit ausschließlich die eingetretene Verjährung entgegensteht (Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar, § 4 Abs. 2 EStG Tz 92).

Mit AbgÄG 2012 wurde für Fehler aus verjährten Veranlagungszeiträumen die Möglichkeit geschaffen, diese im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum durch den Ansatz eines Zu- oder Abschlags mit steuerlicher Wirkung periodenübergreifend zu berichtigen. Durch diese Bestimmung soll bei periodenübergreifenden Fehlern der richtige Totalgewinn der Besteuerung zu Grunde gelegt werden, wenn dies sonst wegen des Eintritts der Verjährung nicht möglich wäre (Knechtl/Unger/Winkler in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 4 Anm. 46a). Es soll eine steuerwirksame Berichtigung von Fehlern, die sich in mehreren Besteuerungsperioden auswirken, bewirkt werden, wenn der Steuerwirksamkeit der eigentlichen Bilanzberichtigung ausschließlich die eingetretene Verjährung (der Steuer des Fehlerjahres) entgegensteht (Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG, § 4 Rz 149). Die Regelung hat sohin tendenziell und teilweise einen Totalgewinn vor Augen (Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar, § 4 Abs. 2 EStG Tz 92).

Die Berichtigung von Fehlern aus verjährten Veranlagungszeiträumen gilt auch für die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und für die Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Insbesondere Fehler in Bezug auf die Höhe der AfA-Bemessungsgrundlage sind unter den gleichen Voraussetzungen durch einen Zu- oder Abschlag korrigierbar (Knechtl/Unger/Winkler in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 4 Anm. 46b; Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG, § 4 Rz 151; Jakom/Marschner EStG, 2020, § 4 Rz. 221).

Eine Fehlerberichtigung für verjährte Zeiträume ist gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 TS 2 EstG im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum vorzunehmen. Die Korrektur wird also frühestmöglich vorgenommen (Jakom/Marschner, EStG, 2020, § 4 RZ 222). Die Zu- und Abschläge werden im frühesten der Veranlagungszeiträume vorgenommen, für welche die Abgabe (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) noch nicht verjährt ist. Wie das Gesetz in § 4 Abs. 2 TS 2 EStG anordnet, wird die Verjährung dabei auf den Zeitpunkt der Erlassung des (berichtigenden) Abgabenbescheides beurteilt (ErlRV zum AbgÄG 2012, 19). Die Zu- und Abschläge werden somit für das älteste Veranlagungsjahr angesetzt, für welches dies verjährungsrechtlich - gemessen am Zeitpunkt der Erlassung des berichtigenden Bescheides - möglich ist (Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG, § 4 Rz 157). Der Ansatz der Zu- und Abschläge muss stets in jenem Veranlagungszeitraum vorgenommen werden, zu dem - gemessen am Zeitpunkt der Erlassung des berichtigenden Bescheides - die Richtigstellung frühestmöglich vorgenommen werden kann (Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar, § 4 Abs. 2 EStG Rz 93.2).

4.b) Die Abgabenbehörde kann nach § 200 Abs. 1 BAO die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Die Ersetzung eines vorläufigen durch einen anderen vorläufigen Bescheid ist im Fall der teilweisen Beseitigung der Ungewissheit zulässig.
Wenn die Ungewissheit (Abs. 1 leg.cit.) beseitigt ist, ist nach § 200 Abs. 2 BAO die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass, so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt.

Es muss sich um Ungewissheiten im Tatsachenbereich handeln (; ; ; ; ; Ritz, BAO6, § 200 Rz 1). Ist die Ungewissheit beseitigt, so ist die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige zu ersetzen bzw. hat eine Endgültigerklärung zu erfolgen (Ritz, BAO6, § 200 Rz 11).

4.c) Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt nach Abs. 2 leg.cit. bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre.
Die Verjährung beginnt nach § 208 Abs. 1 lit d BAO in den Fällen des § 200 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.

§ 208 Abs. 1 lit d BAO betrifft die Verjährung des Rechtes, eine endgültige Abgabenfestsetzung (nach einer vorläufigen) vorzunehmen. Maßgebend ist der Zeitpunkt des tatsächlichen Wegfalles der Ungewissheit (zB ), unabhängig davon, ob die Partei oder die Abgabenbehörde hievon Kenntnis erlangte (zB Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 208, 574). Wann subjektiv für die Behörde die Ungewissheit beseitigt wird, ist somit für die Verjährung irrelevant (; Stoll, BAO, 2178; Ritz, BAO6, § 208 Rz 4).

5.) Erwägungen:
5.a) Die Abgabenbehörde hat den streitgegenständlichen Zuschlag gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG idF AbgÄG 2012 im bekämpften Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 (Ausfertigungsdatum ) in Ansatz gebracht. Zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung im Jahr 2018 war jedoch nicht das Veranlagungsjahr 2012, sondern das Veranlagungsjahr 2011 der erste noch nicht verjährte Veranlagungszeitraum.

Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 erging mit Ausfertigungsdatum vorerst gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig, da eine ernsthafte Absicht zur späteren Einnahmenerzielung ungewiss war. In den Folgejahren vereinnahmte der Beschwerdeführer ab dem Jahr 2012 (wiederum) Einnahmen und erklärte ab dem Jahr 2013 positive Überschüsse aus Vermietung und Verpachtung, sodass ab diesem Zeitpunkt die bestandene Ungewissheit der fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht wegfiel. Die nach § 207 Abs. 1 BAO fünfjährige Verjährungsfrist begann nach § 208 Abs. 1 lit d BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde, sohin mit Ablauf des Jahres 2013. Zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung, sohin zum , war damit die fünfjährige Verjährungsfrist betreffend das Veranlagungsjahr 2011 noch nicht abgelaufen. Das Finanzamt_A erließ demzufolge - zutreffend binnen offener Verjährungsfrist - am den gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011.

Nachdem eine Fehlerberichtigung für verjährte Zeiträume durch Verhängung eines Zuschlages gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 TS 2 EStG im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum vorzunehmen ist, hätte das Finanzamt_A den streitgegenständlichen Zuschlag ausschließlich im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 ansetzen dürfen. Die Abgabenbehörde hat damit zu Unrecht den streitgegenständlichen Zuschlag im bekämpften Einkommensteuerbescheid 2012 verhängt, weshalb der Beschwerde Folge zu geben und der Zuschlag im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 ersatzlos zu streichen ist.

5.b) Der Abgabenbehörde ist im bekämpften Bescheid ein - sich aus der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom , ABNr.:_1, ergebender - Rechenfehler hinsichtlich der Berichtigung der Afa 2012 unterlaufen. Abweichend von der abgabenbehördlichen Feststellung in Tz 4c des Berichtes beträgt die tatsächliche Afa-Berichtigung 2012 nicht den zum Ansatz gebrachten Betrag von Betrag_6 €, sondern den Betrag von Betrag_13 € (Berechnung der Afa: Afa-Altgebäudeanteil Betrag_10 € plus Afa-Neuvermietung Betrag_4 €, sohin Summe Afa: Betrag_14 € (anstatt laut Betriebsprüfung Betrag_5 €); vom Beschwerdeführer geltend gemachte Afa im Betrag von Betrag_7 € abzüglich der zutreffenden Afa von Betrag_14 € ergibt eine überhöht geltend gemachte Afa von Betrag_13 €; anstatt lt. Bp Betrag_6 €). Die Afa des Jahres 2012 wurde damit im bekämpften Bescheid in Höhe der Differenz von Betrag_10 € (Betrag_13 € minus Betrag_6 €) zu hoch angesetzt, weshalb die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 2012 diesbezüglich zu berichtigen sind.

5.c) Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 2012 berechnen sich demnach wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkünfte V+V laut bekämpftem Bescheid
Betrag_15 €
abzüglich Zuschlag laut bekämpftem Bescheid
Betrag_12 €
zuzüglich Differenz Afa lt. Pkt 5.b)
Betrag_10 €
Einkünfte V+V laut Erkenntnis
Betrag_16 €

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

6.) Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an den zitierten eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen des § 4 Abs. 2 EStG, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Beilage:
1 Berechnungsblatt Einkommensteuer für das Jahr 2012

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100444.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at