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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.09.2020, RV/7103059/2018

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Vertreters des Beschwerdeführers, ***11*** für ***12***, des Amtsvertreters ***13*** in Beisein der Schriftführerin ***2*** Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Vorhalt vom hielt die Abgabenbehörde dem Beschwerdeführer (Bf) vor, dass am Konto der ***3*** Abgabenbeträge in der Höhe von € 23.034,07 uneinbringlich aushafteten und führte Folgendes aus:

"Die Vertreter juristischer Personen haben alle Pflichten des Vertretenen zu erfüllen. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, vorschriftsmäßig entrichtet werden.

Vertreter haften mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für unentrichtet gebliebene Abgaben des Vertretenen, wenn sie an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden trifft. Leichte Fahrlässigkeit gilt bereits als Verschulden.

Sie werden daher In Ihrem eigenen Interesse ersucht, die nachfolgenden Fragen sorgfältig und vollständig zu beantworten und durch Vorlage geeigneter Unterlagen, die zu Ihrer Entlastung dienen können, zu belegen.

Die Im Rückstand ausgewiesenen Selbstbemessungsabgaben sind nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt. Die Ermittlung der im Rückstand enthaltenen bescheidmäßig vorgeschriebenen Abgaben entnehmen Sie bitte den beiliegenden, an den/die Primärschuldner/in ergangenen Bescheiden (Ablichtungen).

Laut Firmenbuchauszug waren sie im Zeitraum bis als Vertreter/In des/der Primärschuldners/in bestellt.

Auf Grund Ihrer Funktion als geschäftsführende/r Vertreter/In oblag Ihnen die Wahrnehmung der abgabenrechtllchen Verpflichtungen der Vertretenen.

Da die im beiliegenden Rückstandsauswels angeführten Abgabenbeträge während Ihrer Vertretungsperiode fällig bzw. nicht entrichtet wurden, muss das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteiles davon ausgehen, dass Sie der Ihnen aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Vertretenen nicht vorschriftsgemäß nachgekommen sind.

Die genannten Beträge sind bei dem/der Prlmärschuldner/in als uneinbringlich anzusehen. Dies ergibt sich zweifelsfrei daraus, dass der Sanierungsplan über das Vermögen der Primärschuldnerin am bestätigt wurde.

Sofern der/die Prlmärschuldner/in bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, werden Sie ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssen alle damaligen Gläubiger der/die Prlmärschuldner/in (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem sind alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.

Es steht Ihnen frei, die maßgebliche finanzielle Situation zum Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gläubiger der/die Primärschuldner/in auch auf andere Art und Weise einwandfrei bekannt zu geben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt Ihnen als Vertreter/in, Nachweise dafür, wieviel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden sind und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der/die Prlmärschuldner/in noch Befriedigung erlangten, zu erbringen. Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise muss das Finanzamt davon ausgehen, dass Sie die Ihnen obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt haben, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall bei der/die Prlmärschuldner/in ist.

Unter diesen Umständen haften Sie für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß (zB ).

Wird der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liegt es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die genannten Abgabenbeträge auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten der/die Primärschuldner/in (zB ). Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt (zB ), sähe sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung gegen Sie im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen.

Zur Stellungnahme wird Ihnen eine Frist bis zum eingeräumt."

Mit Stellungnahme vom führte der Bf durch seinen Rechtsvertreter wie folgt aus:

"Die am Rückstandsausweis angeführten Rückstände werden inhaltlich nicht bestritten.

Die Beträge sind allerdings nur insoweit als uneinbringlich anzusehen, als sie nicht von der Quote aus dem Sanierungsplan gedeckt sind.

Die vormalige Zahlungsunfähigkeit ist durch eine strafbare Handlung an der ***3*** entstanden: eine Frau ***4*** hat einen Urkundenbetrug am Vermögen der ***3*** begangen. Sie wurde u.a. deshalb angeklagt und zeigte sich in der Hauptverhandlung vom in einem Betrag in Höhe von EUR 33.245,13 geständig.

Frau ***4*** hat die ***3*** betrogen, indem sie sich im Zeitraum von November 2014 bis Februar 2015 in wiederholten Angriffen Frau ***5*** anvertrautes Gut in Höhe von EUR 33.245,13, nämlich Bargeld der ***3***, aneignete mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Auch wenn diese Tat nur bis Februar 2015 andauerte, so traten die Auswirkungen dennoch erst danach ein, zumal im Sommer 2015 der Umsatz des ***3*** wie jedes Jahr erheblich zurückging und ab diesem Zeitpunkt keine ausreichenden finanziellen Mittel mehr da waren um die Schulden zu bezahlen. Das Lokal "***6***" ist während der Sommermonate immer schlecht besucht, da es keinen Gastgarten hat und bei höheren Temperaturen bzw. Hitze von Gästen gemieden wird, da keine ausreichende Luftkühlungsmöglichkeit vorhanden ist. Es gelang dann trotz aller Bemühungen in den umsatzstärkeren Herbstmonaten 2015 nicht mehr, den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.

Es entstanden neben zahlreichen anderen Schulden auch die bezughabenden Abgabenrückstände. Diese sind unverschuldet entstanden, weil die ***3***durch strafbare Handlung einer dritten Person (***4***) am Vermögen geschädigt worden ist.

Es haben auch auf Grund dieses Umstandes der Fremdschädigung schon vor, besonders aber nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sämtliche Gläubiger Gleichbehandlung erfahren. Es war dann kein Geld mehr vorhanden. Es ist aus dem Anmeldungsverzeichnis ersichtlich, dass zahlreiche Gläubiger aufscheinen. Alle sind gleich behandelt worden, d.h. es ist von der ***3*** dann gleichmäßig nichts mehr an die Gläubiger bezahlt worden.

Beweis: beiliegendes Protokoll der Hauptverhandlung, Seite 19, bezughabender Strafantrag zum Gerichtsakt ***7*** des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Quotenliste, beizuschaffender Insolvenzakt des HG Wien, Einvernahme der beiden Antragsteller.

Zum Erstantragsteller:

lnhaltlich ist außerdem festzuhalten, dass der Erstantragsteller nur hinsichtlich solcher Beitragsrückstände zur Haftung herangezogen werden könnte, die bis Ende November 2015 (dem Ende seiner Geschäftsführertätigkeit) entstanden sind. Es handelt sich im Einzelnen um die im Rückstandsausweis markierten Abgabenrückstände.

Während die Haftungsinanspruchnahme eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraussetzt (die gegenständlich nicht vorliegt, die angebliche Pflichtverletzung hätte zur Uneinbringlichkeit führen müssen), gilt für die Ermessensübung unter anderem:

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen, etwa die Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers ist angesichts der drei Unterhaltspflichten gering (drei Kinder).

Der Grad des Verschuldens des Vertreters ist gering (könnte nur im untersten Bereich des Verschuldens liegen).

Im Hinblick darauf, dass der Erstantragsteller drei Unterhaltspflichten und kein ausreichendes Einkommen hat und sein Verschulden als höchstens gering zu beurteilen ist, muss auch dies bei der Bemessung der allfälligen Haftungsheranziehung berücksichtigt werden. Beim Erstantragsteller ist unter Berücksichtigung des Existenzminimums kein pfändbares Vermögen vorhanden. Es ist daher selbst im Falle des Ausspruchs der Haftung für den Erstantragsteller nur ein entsprechend reduzierter Haftungsbetrag geltend zu machen.

Zur Zweitantragstellerin:

Die Zweitantragstellerin hat ihrem Mann am Sterbebett versprochen, sein über weit mehr als 30 Jahre geführtes Lokal weiterzuführen. Dementsprechend hat sie sich moralisch verpflichtet gefühlt, die Geschäftsführung von ihrem Bruder ***8*** zu übernehmen. Das Lokal ist seit Anfang des Herbstes wieder gut besucht. Auf Grund der zuvor (Sommer 2016) zu geringen Umsätze sind allerdings laufend Zahlungen zu tätigen, sodass sie aus dem Betrieb des Geschäftes kein Einkommen erzielt. Die Zweitantragstellerin verfügt über eine Pension von EUR 1.000 und eine Witwenpension von EUR 400,-. Sie hat durch Frau ***9*** ebenfalls erhebliche Teile ihres Privatvermögens verloren, zumal sie damals Frau ***9*** auch privates Geld zur Weiterleitung an die WGKK und das FA anvertraut hatte, die sich das Geld jedoch zur Bezahlung eigener Schulden aneignete.

Demnach ist auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Zweitantragstellerin gering. Sie trifft kein Verschulden, gegebenenfalls nur ein höchst geringes Verschulden, da sie bis zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung von ihrem Bruder nicht genau über die Rückstände in Kenntnis gesetzt war und daher von geringeren Rückständen ausgegangen ist.

Beweis: Einvernahme der Antragsteller

Es wird hinsichtlich beider Antragsteller beantragt, von einer Heranziehung zur Haftung abzusehen, in eventu den vorliegenden relevanten Umständen (fehlende Kausalität, Verschulden und Leistungsfähigkeit) Rechnung zu tragen und eine entsprechend niedrige Heranziehung zur Haftung geltend zu machen."

Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde den Bf als Haftungspftichtigen gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO für folgende aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***3*** im Ausmaß von € 13.360,25 in Anspruch.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
Umsatzsteuer
2013
307,31
Umsatzsteuer
2014
4.546,82
Umsatzsteuer
2015
8.107.26
Umsatzsteuer
9/15
398,86

Zur Begründung wurde wie folgt ausgeführt:

"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg. cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verbindlichkeiten ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung ergibt sich, dass der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person aus deren Mitteln nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass er die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichten konnte.

Sie waren unbestritten Geschäftsführer(in) der ***3***, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren daher auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am fünfzehnten Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldezeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 leg. cit. selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Für 2013, 2014 und 2015 wurde die Umsatzsteuer von Ihnen selbst bemessen, jedoch nicht entrichtet. Für 9/2015 wurde die Umsatzsteuer unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung festgesetzt, jedoch nicht entrichtet.

In diesem Zusammenhang wird auch auf die Bestimmung des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstrecken. Ebenso sind Zwangs- und Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen.

Ein Sanierungsverfahren der Primärschuldnerin stellt nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen dar. Daher steht die rechtskräftige Bestätigung eines Sanierungsverfahrens der Primärschuldnerin der Geltendmachung der Haftung·für die die Sanierungsquote übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegen. Die Abgabenbeträge wurden daher um 20% gekürzt und Sie wurden nur für 80 % der Abgaben herangezogen.

Da Sie also Ihren Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.

Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt, war die Abgabenbehörde veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen."

Mit Beschwerde vom brachte der Bf durch seinen Rechtsvertreter Folgendes vor:

"Der Haftungsbescheid vom wird sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach angefochten, dies wegen Vorliegens erheblicher Verfahrensfehler und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Die von meinem Rechtsvertreter auch in meinem Namen abgegebene Stellungnahme ist weitgehend unberücksichtigt geblieben, was als erhebliche Verletzung des Parteiengehörs zu werten ist.

Es wird daher neuerlich vorgebracht:

Die vormalige Zahlungsunfähigkeit ist durch eine strafbare Handlung an der ***3*** entstanden: eine Frau ***4*** hat einen Urkundenbetrug am Vermögen der ***3*** begangen. Sie wurde u.a. deshalb angeklagt und zeigte sich in der Hauptverhandlung vom in einem Betrag in Höhe von EUR 33.245,13 geständig. Frau ***4*** hat die ***3*** betrogen, indem sie sich im Zeitraum von November 2014 bis Februar 2015 in wiederholten Angriffen Frau ***5*** anvertrautes Gut in Höhe von EUR 33.245,13, nämlich Bargeld der ***3*** aneignete mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Auch wenn diese Tat nur bis Februar 2015 andauerte, so traten die finanziellen Auswirkungen dennoch erst danach ein, zumal im Sommer 2015 der Umsatz des ***3*** wie jedes Jahr erheblich zurückging und ab diesem Zeitpunkt keine ausreichenden finanziellen Mittel mehr da waren, um die Schulden zu bezahlen. Das Lokal "***6***" ist während der Sommermonate immer schlecht besucht, da es keinen Gastgarten hat und bei höheren Temperaturen bzw. Hitze von Gästen gemieden wird, da keine ausreichende Luftkühlungsmöglichkeit vorhanden ist. Es gelang dann trotz aller Bemühungen in den umsatzstärkeren Herbstmonaten 2015 nicht mehr, den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Es entstanden neben zahlreichen anderen Schulden auch die bezughabenden Abgabenrückstände. Diese sind unverschuldet entstanden, weil die ***3*** durch strafbare Handlung einer dritten Person (***4***) am Vermögen geschädigt worden ist.

Es haben auch auf Grund dieses Umstandes der Fremdschädigung schon vor, besonders aber nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sämtliche Gläubiger Gleichbehandlung erfahren. Es war dann kein Geld mehr vorhanden. Es ist aus dem Anmeldungsverzeichnis ersichtlich, dass zahlreiche Gläubiger aufscheinen. Alle sind gleich behandelt worden, d.h. es ist von der ***3*** dann gleichmäßig nichts mehr an die Gläubiger bezahlt worden.

Beweis: bereits vorgelegtes Protokoll der Hauptverhandlung, Seite 19, bezughabender Strafantrag zum Gerichtsakt ***7*** des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Quotenliste, beizuschaffender Insolvenzakt des HG Wien, Einvernahme des Beschwerdeführers und der Frau ***5***, p.A. ***3***, ***10***.

Während die Haftungsinanspruchnahme eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraussetzt (die gegenständlich nicht vorliegt, die angebliche Pflichtverletzung hätte zur Uneinbringlichkeit führen müssen), gilt für die Ermessensübung unter anderem:

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen, etwa die Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers ist angesichts der drei Unterhaltspflichten gering (drei Kinder).

Der Grad des Verschuldens des Vertreters ist gering (könnte nur im untersten Bereich des Verschuldens liegen).

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer drei Unterhaltspflichten und·kein ausreichendes Einkommen hat und sein Verschulden als höchstens gering zu beurteilen ist, muss auch dies bei der Bemessung der allfälligen Haftungsheranziehung berücksichtigt werden. Beim Beschwerdeführer ist unter Berücksichtigung des Existenzminimums kein pfändbares Vermögen vorhanden. Es ist daher selbst im Falle des Ausspruchs der Haftung für den Beschwerdeführer nur ein entsprechend reduzierter Haftungsbetrag geltend zu machen.

Es wurde beantragt, von einer Heranziehung zur Haftung abzusehen, in eventu den vorliegenden relevanten Umständen (fehlende Kausalität, Verschulden und Leistungsfähigkeit) Rechnung zu tragen und eine entsprechend niedrige Heranziehung zur Haftung geltend zu machen. Dies ist im bisherigen Verfahren zur Gänze unterblieben.

Zusammengefasst wird daher der Antrag gestellt,
1.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und die beantragten Beweise insbesondere Zeugenaussagen aufzunehmen,
2.) den angefochtenen Bescheid ersatzlos als nichtig aufzuheben und das Verfahren einzustellen,
3.) in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben,
4.) in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der ersten Instanz die Ergänzung des Verfahrens aufzutragen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde vom als unbegründet ab und führte zur Begründung Folgendes aus:

"Nur bei schuldhafter Pflichtverletzung ist eine Haftungsinanspruchnahme möglich, wobei bereits leichte Fahrlässigkeit ausreichend ist.

Eine Pflichtverletzung stellt auch eine Verletzung von Auswahl- und Überwachungspflichten dar. Der Vertreter hat das Personal in so regelmäßigen Abständen zu überwachen, dass Ihm Abgabenrückstände nicht verborgen bleiben. Die von Fr. ***4*** an der ***3*** begangenen Unterschlagungen haben von November 2014 bis Februar 2015 angedauert. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Ihnen diese Tatsache verborgen geblieben ist. Dieser Betrug ist Gegenstand eines Zivilrechtsstreites. Schadenersatzforderungen an die Beschuldigte sind daher auch im Zivilrechtswege geltend zu machen.

Ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erscheint in Hinblick auf die Höhe Ihres Einkommens nicht zu gering.

Die Abstattung des Haftungsbetrages in Form von entsprechenden monatlichen Raten erscheint zumutbar."

Mit Vorlageantrag vom stellte der Bf den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bf als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der***3*** stand mit der rechtskräftigen Bestätigung des Sanierungsplanes, welcher eine Quote für Insolvenzgläubiger von 20% vorsieht, und Aufhebung des Sanierungsverfahrens mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom fest, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nach Abschluss eines Ausgleichs - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - anzunehmen ist, dass der in der Ausgleichsquote nicht mehr Deckung findende Teil der Abgabenforderung uneinbringlich sein wird.

Der (Zwangs-)Ausgleich des Primärschuldners stellt auch keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen dar, weil die Haftung nur insofern akzessorisch ist, als sie das Bestehen des Abgabenanspruchs zur Zeit der Verwirklichung des die Haftung auslösenden Sachverhalts voraussetzt. ().

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Hatte der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, so ist er nur dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat. Wenn die Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel im Verwaltungsverfahren unterlassen wird, kommt eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der uneinbringlichen Abgabenschulden nicht in Betracht.

Dass für die Entrichtung der am , , und fälligen haftungsgegenständlichen Abgaben keine Mittel zur Verfügung gestanden wären, wurde vom Bf nicht behauptet. Vielmehr seien die finanziellen Auswirkungen der strafbaren Handlung von ***4*** nach Februar 2015 eingetreten, zumal im Sommer 2015 der Umsatz des ***3*** wie jedes Jahr erheblich zurückgegangen sei und es in den umsatzstärkeren Herbstmonaten 2015 nicht mehr gelungen sei, die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Schon aus diesen vorgebrachten Umsätzen geht die Erzielung von Einnahmen und somit das Vorhandensein von Mittel hervor.

Bestätigt wird das Vorhandensein von Mittel auch durch die ab November 2014 bis Dezember 2015 regelmäßig durch die Abgabenbehörde im Wege der Vollstreckung eingehobenen Beträgen von € 200,00 bis € 910,00, zumal die Tatsache der teilweisen Abgabenentrichtung auf das Vorhandensein liquider Mittel schließen lässt ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH obliegen die Behauptungslast und auch die Beweislast für die Gläubigergleichbehandlung zu den einzelnen Fälligkeitsterminen der einzelnen Abgaben dem Haftungspflichtigen. Nur wenn der Vertreter der Gesellschaft seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun entspricht, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. ). Die bloße Behauptung der Gleichbehandlung der Gläubiger und der fehlenden schuldhaften Verletzung von Pflichten ist nicht ausreichend.

Es obliegt, entsprechend der dargelegten Rechtsprechung, vielmehr dem Haftungspflichtigen nachzuweisen, dass alle Gläubiger gleichbehandelt wurden. Bei der Geschäftsführerhaftung nach § 9 BAO wird der Grundsatz der Verpflichtung zur zumindest anteiligen Zahlung von Abgabenschulden (Gleichbehandlungsgebot) zudem auch durch Nichtzahlung an alle Gläubiger verletzt, wenn Mittel zur Gläubigerbefriedigung zum Zeitpunkt der Fälligkeiten der Abgaben verfügbar gewesen wären ().

Die bloße Behauptung, das sämtliche Gläubiger Gleichbehandlung erfahren hätten und somit die Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter gestellt zu haben, stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () kein derartiges Vorbringen dar, welches geeignet wäre, die Obliegenheit des Haftungspflichtigen, nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen, warum es ihm unmöglich gewesen sei, seine Verpflichtungen etwa auch im Hinblick auf die Quote, aufzustellen zu erfüllen.

Auch durch die allgemeine Behauptung der mangelnden Liquidität der Gesellschaft hat der Bf eine zu überprüfende Entlastungsbehauptung nicht aufgestellt ().

Mangels einer ziffernmäßig konkretisierte Behauptung kommt eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der uneinbringlichen Abgabenschulden somit nicht in Betracht.

Der Einwand, dass die Zahlungsunfähigkeit durch eine strafbare Handlung an der ***3*** durch ***4*** entstanden sei, ist zu entgegnen, dass es im Zusammenhang mit der abgabenrechtlichen Haftung ohne Bedeutung ist, ob den Geschäftsführer ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft; maßgeblich ist vielmehr, ob er abgabenrechtliche Pflichten schuldhaft verletzt hat (). Von der Verpflichtung, Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft zu entrichten, wird der Geschäftsführer auch nicht entbunden, wenn Mittel der Gesellschaft seiner Verfügungsmacht widerrechtlich entzogen werden ().

Dem zur Ermessensübung erstatteten Vorbringen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bf, etwa die Höhe des Einkommens angesichts der drei Unterhaltspflichten gering sei, wurde bereits mit Beschwerdevorentscheidung erwidert, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bf in Hinblick auf die Höhe des Einkommens nicht zu gering erscheine, sodass die Abstattung des Haftungsbetrages in Form von entsprechenden monatlichen Raten zumutbar erscheine, ohne dass der Bf dem widersprochen hätte. Da der Bf zudem auch keine konkreten Angaben hinsichtlich der Höhe des Einkommens getätigt hat, konnte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bf bei der Bemessung der Haftungsheranziehung schon aus diesem Grunde nicht berücksichtigt werden.

Auch vermag der Hinweis des Bf auf seine schlechte wirtschaftliche Lage an der Rechtmäßigkeit der Ermessensübung nichts zu ändern (). Selbst im Fall der Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten beim Haftenden ist die Heranziehung zur Haftung in Ausübung des Ermessens zweckmäßig, da die allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Zur Behauptung, dass der Grad des Verschuldens des Vertreters gering sei und nur im untersten Bereich des Verschuldens liegen könnte, ist zu bemerken, dass mit der bloßen Behauptung ohne näherer Begründung ein allenfalls im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigendes besonders geringes Verschulden () nicht dargelegt wurde.

Zur Haftungsinanspruchnahme genügt der Vorwurf bloßen Verschuldens, sohin auch leichte Fahrlässigkeit ().

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war ().

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***3*** im Ausmaß von € 13.360,25 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103059.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at