Nachsicht
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0069. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Abweisung eines Antrags auf Nachsicht gemäß § 236 BAO, [Steuernummer] nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Antrag vom begehrte der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.), die belangte Behörde möge fällige Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt 23.302,38 Euro gemäß § 236 BAO durch Abschreibung nachsehen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Beträge:
Einkommensteuer 2013: 4.474,00 Euro,
Einkommensteuer 2014: 4.939,00 Euro,
Einkommensteuer 2015: 4.408,00 Euro,
Einkommensteuer 2016: 8.835,00 Euro,
Anspruchszinsen 2013: 247,37 Euro,
Anspruchszinsen 2014: 179,71 Euro,
Anspruchszinsen 2015: 88,78 Euro,
Anspruchszinsen 2016: 130,52 Euro.
Im Zeitraum von 1998 bis 2002 sei der Bf. in Dänemark steuerlich ansässig und für ein dänisches Unternehmen tätig gewesen. Im Rahmen des Ausscheidens aus diesem Unternehmen habe der Bf. sich entschieden, die dänische Pension nicht sofort, sondern erst ab dem 60. Lebensjahr auszahlen zu lassen.
Ausschlaggebend für diesen Entschluss sei gewesen, dass nach dem zum damaligen Zeitpunkt in Geltung stehenden Doppelbesteuerungsabkommen (in der Folge: DBA) zwischen Österreich und Dänemark, Ruhegehälter nur im Wohnsitzstaat (hier: Österreich) zu besteuern gewesen wären.
Der Bf. habe 2009 das 60. Lebensjahr erreicht. Die Auszahlung der Pension ab 2010 sei in Dänemark einer Besteuerung von ca. 52% unterworfen worden.
Der Betrag, für den die Nachsicht begehrt werde, ergebe sich aus der Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts bei der Festsetzung der Einkommensteuer in Österreich.
Es liege eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vor. Der Bf. habe sich im Vertrauen auf die steuerlichen Rechtsfolgen des DBA Österreich/Dänemark aus dem Jahr 1961 für eine Auszahlung der dänischen Pension ab dem 60. Lebensjahr entschieden. Dies sei damals vorteilhaft gewesen, weil die Besteuerung in Österreich niedriger sei, als in Dänemark.
Im Rahmen der Änderung des DBA Österreich/Dänemark (BGBl III 41/2008) sei auch die Besteuerung der Ruhegehälter geändert worden. Nach Art. 18 Abs. 3 dieses Abkommens habe nun Dänemark das Besteuerungsrecht. Nach Art. 24 Abs. 2 lit. c DBA Österreich/Dänemark stehe Österreich der Progressionsvorbehalt zu.
Die Übergangsbestimmung des Art. 30 Abs. 3 DBA Österreich/Dänemark sei dies nur auf Pensionen anzuwenden, deren Auszahlung nach dem Inkrafttreten beginnt. Für Altfälle bleibe es bei der früheren Rechtslage.
Der Bf. habe ab Bekanntwerden der neuen Regelung keine Möglichkeit mehr gehabt, von der Übergangsregelung Gebrauch zu machen.
Aufgrund der Berücksichtigung der dänischen Pensionseinkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts in Österreich, verbunden mit der hohen Besteuerung in Dänemark (8% Besteuerung der Beiträge im Jahr 2002 und ca. 52% Besteuerung der laufenden Pensionszahlungen), ergebe sich eine unverhältnismäßig hohe Abgabenbelastung. Dieser atypische Vermögenseingriff sei vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigt und für den Bf. nicht vorhersehbar gewesen.
Bei der Ermessensübung sei zu berücksichtigen, dass der Bf. stets volle Kooperation in sämtlichen steuerlichen Belangen gezeigt habe.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Bf. als unbegründet ab. Die Gewährung einer Nachsicht im Sinne des § 236 BAO erfordere
einen Antrag der Partei,
die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit,
das Vorliegen einer Unbilligkeit und
eine positive Ermessensentscheidung.
Die Punkte 1. und 2. seien erfüllt. Jedoch mangle es an einer Unbilligkeit. Eine persönliche Unbilligkeit sei weder festgestellt noch behauptet worden. Eine sachliche Unbilligkeit liege nicht vor, weil weder eine falsche Auskunft seitens der Abgabenbehörde noch ein vom Gesetzgeber ungewollter Effekt gegeben sei. Die Besteuerung nach dem gültigen Doppelbesteuerungsabkommen treffe jeden Steuerschuldner in einer vergleichbaren Situation.
Letztlich hätte, selbst bei Vorliegen einer Unbilligkeit, die Ermessensentscheidung gegen die Gewährung einer Nachsicht gesprochen.
Zwischenzeitig kam es am hinsichtlich der Einkommensteuer 2013 zu einer stattgebenden Beschwerdevorentscheidung, sodass die Abgabenforderung in Höhe von 4.474,00 Euro nicht mehr aufrecht ist. Auch die oben genannten Anspruchszinsen 2013 wurden durch einen Bescheid vom aufgrund des erfolgreichen Rechtsmittels iZm der Einkommensteuer 2013 angepasst.
Mit Schriftsatz vom erhob der Bf. das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde gegen den abweisenden Bescheid vom . Im angefochtenen Bescheid sei die belangte Behörde nicht auf den konkreten Sachverhalt eingegangen.
Sinn und Zweck des Art. 30 Abs. 3 DBA Österreich/Dänemark sei, dass die geänderte Besteuerung nicht für Personen eintreten soll, für die bereits ein Anspruch entstanden ist. Es sei erkennbar, dass die DBA-Staaten aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht in bereits entstandene Pensionsansprüche eingreifen wollten.
Die Übergangsregelung sei für den Bf. nicht zur Anwendung gekommen, weil die Auszahlung seiner Pension erst 2010 begonnen habe. Insofern trete für ihn eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Schlechterstellung ein, weil er für den bereits entstandenen Pensionsanspruch wegen der zeitlich aufgeschobenen Auszahlung eine erhöhte Besteuerung habe hinnehmen müssen.
Der Bf. beantragte eine mündliche Verhandlung und die Entscheidung durch den gesamten Senat.
Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass die Beschwerde lediglich die Argumente des Antrags vom wiederhole und auf die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen werde.
Mit Schreiben vom begehrte der Bf. die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht. Dies erfolgte durch die belangte Behörde mit Vorlagebericht vom . In einer umfangreichen Stellungnahme führte die belangte Behörde u.a. aus, dass der Bf. die ausländischen Einkünfte nicht erklärt habe und die steuerliche Erfassung nur aufgrund einer Kontrollmitteilung erfolgt sei. Von einem steuerlichen Wohlverhalten könne nicht gesprochen werden.
Mit Schreiben vom zog der Bf. den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat zurück.
In einer Replik vom zum Vorlagebericht bringt der Bf. vor, er habe das damals zuständige Finanzamt im Jahr 2014 in zwei Schreiben umfassend über die Pensionseinkünfte der Jahre 2010 bis 2013 informiert. Auch die Jahresbescheide 2014 und 2015 seien zunächst ergangen, ohne dass es Rückfragen zu den dänischen Pensionseinkünften gegeben habe. Es läge daher sehr wohl steuerliches Wohlverhalten vor.
Inhaltlich wird vorgebracht, dass sich aus den Materialien zum DBA nicht ergäbe, dass der Gesetzgeber in bestehende Pensionsansprüche habe eingreifen wollen. Ein zeitliches Auseinanderfallen von mehreren Jahren zwischen Entstehung des Pensionsanspruchs und Auszahlung sei nicht der österreichische Regelfall.
Vor diesem Hintergrund könne dem Gesetzgeber, u.a. auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, nicht unterstellt werden, dass er in entstandene Pensionsansprüche, über die zudem bereits disponiert worden sei, bewusst eingreifen wollte, sondern sei davon auszugehen, dass er den vorliegenden Fall des zeitlichen Auseinanderfallens nicht vor Augen gehabt hätte.
In einer Stellungnahme vom brachte die belangte Behörde vor, dass Art. 30 Abs. 3 DBA Österreich/Dänemark auf den Zufluss der Pension und nicht auf die Entstehung des Anspruches abstelle.
Am fand die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht statt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf. ist in Österreich ansässig. Im Zeitraum von 1998 bis 2002 war er in Dänemark steuerlich ansässig und für ein dänisches Unternehmen tätig. Im Rahmen des Ausscheidens aus diesem Unternehmen hat sich der Bf. entschieden, eine ihm zustehende dänische Pension nicht sofort (als Abfertigung), sondern erst ab dem 60. Lebensjahr für die Dauer von 10 Jahren als jährliche Rente auszahlen zu lassen.
Diese Rente kam aufgrund einer Einmalzahlung des damaligen Dienstgebers des Bf. in die Pensionskasse zustande. Vom eingezahlten Betrag fiel iZm der Einzahlung in Dänemark eine Steuer von 8% an.
Ausschlaggebend für diesen Entschluss der Auszahlung in Rentenform war, dass nach dem zum damaligen Zeitpunkt in Geltung stehenden DBA zwischen Österreich und Dänemark, Ruhegehälter nur im Wohnsitzstaat der Besteuerung unterlagen.
Im am in Kraft getretenen DBA Österreich/Dänemark (BGBl III 41/2008) wurde (eingeschränkt durch dessen Art. 30 Abs. 3) das Besteuerungsrecht abweichend vom bis dahin geltenden DBA im Fall des Ansässigkeitswechsels dem Quellenstaat zugeordnet. Für den Wohnsitzstaat ist ein Progressionsvorbehalt vorgesehen.
Zur tatsächlichen Auszahlung der laufenden Rentenbeträge kam es mit Beginn des Jahres 2010. Das Einkommen des Bf. betrug in den Streitjahren einschließlich der ausländischen Einkünfte zwischen 398.542,46 Euro und 606.683,33 Euro.
Die Einkommensteuer- und Anspruchszinsenbescheide 2014 bis 2016 sind jeweils vom und wurden am gleichen Tag über FinanzOnline zugestellt.
Am kam es hinsichtlich der Einkommensteuer 2013 (Wiederaufnahmebescheid) zu einer stattgebenden Beschwerdevorentscheidung, sodass die Abgabenforderung in Höhe von 4.474,00 Euro nicht mehr aufrecht ist. Auch die Anspruchszinsen 2013 wurden durch einen Bescheid vom aufgrund des erfolgreichen Rechtsmittels iZm der Einkommensteuer 2013 angepasst und sind nicht mehr aufrecht.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den im Verfahrensgang genannten Dokumenten, insbesondere aus dem Antrag vom , dem angefochtenen Bescheid sowie der Bescheidbewerde.
Dass der Bf. eine aus Dänemark stammende und dort zu besteuernde Rente bezieht, ergibt sich aus dem Einblick in den elektronischen Veranlagungsakt des Bf. sowie einer AEOI-Kontrollmitteilung (ON 8).
Die Höhe des Einkommens des Bf. in den Streitjahren und die Fälligkeit kann den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden (ON 10, 12, 14 und 15) bzw. dem elektronischen Veranlagungsakt (Anspruchszinsen) entnommen werden. Dass die verfahrensgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten des Jahres 2013 nicht mehr bestehen, ist den genannten Bescheiden vom bzw. zu entnehmen.
Im Übrigen haben die Verfahrensparteien den festgestellten Sachverhalt im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung der Bescheidbeschwerde)
Rechtslage
§ 236 BAO lautet:
§ 236. (1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
(2) Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
(3) Die Bestimmungen des § 235 Abs. 2 und 3 gelten auch für die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten.
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO lautet:
§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2 Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
§ 4. (1) § 3 in der Fassung BGBl. II Nr. 449/2013 tritt mit in Kraft.
(2) § 3 Z 2 und 3 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 236/2019 tritt mit in Kraft. § 3 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 449/2013 ist weiterhin anzuwenden
1. auf die Einigung in einem Verständigungsverfahren nach einer anderen Rechtsgrundlage als dem EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz - EU-BStbG, BGBl. I Nr. 62/2019, wenn diese vor dem stattgefunden hat;
2. auf die Einigung in einem Schiedsverfahren zur Verhinderung der Doppelbesteuerung nach einer anderen Rechtsgrundlage als dem EU-BStbG, wenn diese vor dem stattgefunden hat.
Art. 18 Abs. 3 DBA Österreich/Dänemark (BGBl III 41/2008 idF BGBl III 27/2010) lautet:
Im Fall einer natürlichen Person, die in einem Vertragsstaat ansässig war und im anderen Vertragsstaat ansässig geworden ist, berührt Absatz 1 nicht das Recht des erstgenannten Staates, nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Ruhegehälter, Renten und ähnlichen Vergütungen zu besteuern, die der natürlichen Person aus diesem Staat zufließen.
Art. 30 Abs. 3 DBA Österreich/Dänemark (BGBl III 41/2008 idF BGBl III 27/2010) lautet:
Artikel 18 Absatz 3 gilt nicht für eine natürliche Person, die, wie in dieser Bestimmung angeführt, im anderen Vertragsstaat ansässig geworden ist, und die, wie in dieser Bestimmung angeführt, vor Inkrafttreten dieses Abkommens Ruhegehälter, Renten und ähnliche Vergütungen bezog.
Hinweis: Das Abkommen ist gemäß seinem Art. 30 Abs. 2 am in Kraft getreten
Erwägungen
Fällige Abgabenschuldigkeiten können gemäß § 236 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Ein entsprechender Antrag des Bf. vom liegt vor.
Da die im Nachsichtsansuchen angeführten Abgabenschuldigkeiten des Jahres 2013 aufgrund eines erfolgreichen Rechtsmittels nicht mehr bestehen und damit auch nicht fällig sind, scheidet eine Nachsicht für diese Abgaben jedenfalls aus.
Die Fälligkeit der übrigen Abgaben ergibt sich aus den Einkommensteuerbescheiden 2014 bis 2016 (jeweils ) bzw. für die Anspruchszinsen 2014 bis 2016 aus § 210 Abs. 1 BAO. Diese wurden einen Monat nach Zustellung, welche am über FinanzOnline erfolgte, fällig.
Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungslast und Beweislast beim Nachsichtswerber. Seine Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluß jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. ).
Im Falle eines Ansuchens um Nachsicht ist zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht (vgl. , mwN).
Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann nach § 1 der Verordnung BGBl II Nr. 435/2005 persönlicher oder sachlicher Natur sein.
Die in den §§ 2 und 3 der Verordnung BGBl II Nr. 435/2005 aufgezählten Fälle schließen Fälle anderer Art nicht aus ("insbesondere"). Es ist aber auch § 1 der Verordnung nicht dahingehend auszulegen, dass ein Sachverhalt mit Merkmalen sowohl der sachlichen als auch der persönlichen Unbilligkeit die in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende Voraussetzung der Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO nur erfüllt, wenn eine dieser Komponenten auch für sich allein genommen dafür ausreichen würde. Die Beurteilung erfordert in solchen Fällen eine Gesamtschau ().
Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme (; siehe auch § 2 V BGBl II 2005/435).
Dass der Bf. oder ihm gegenüber unterhaltsberechtigte Angehörige durch die streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten in einem Ausmaß, wie oben dargelegt, gefährdet oder beeinträchtigt wären, wurde im gesamten Verfahren nicht vorgebracht und ist in Ansehung der Höhe der Einkünfte des Bf. zu verneinen. Eine persönliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO liegt damit nicht vor.
Eine sachliche Unbilligkeit nach den in § 3 Z 1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO beispielshaft aufgezählten Fällen liegt hier nicht vor. Weder wurden Rechtsauslegungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts noch entsprechende Auskünfte, auf die der Bf. hätte vertrauen dürfen behauptet oder festgestellt.
Eine sachliche Unbilligkeit ist - unbeschadet der in § 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, beispielsweise aufgezählten Fälle - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (/0014mVa ; , 2006/15/0337).
Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt ().
Im konkreten Fall kam es in den Jahren 2014 bis 2016 zu Einkommensteuerbescheiden, in denen für die Berechnung des Durchschnittsteuersatzes die aus Dänemark stammenden Pensionsbeträge des Bf. progressionserhöhend (Progressionsvorbehalt) einbezogen worden sind.
Nach Art. 18 Abs. 3 DBA hat im Fall einer natürlichen Person, die in einem Vertragsstaat ansässig war und im anderen Vertragsstaat ansässig geworden ist, der erstgenannte Staat, das Recht, die Ruhegehälter, Renten und ähnlichen Vergütungen zu besteuern, die der natürlichen Person aus diesem Staat zufließen.
Nach Art. 30 Abs. 3 DBA Österreich/Dänemark gilt Art. 18 Abs. 3 dieses DBA nicht für eine natürliche Person, die, wie in dieser Bestimmung angeführt, im anderen Vertragsstaat ansässig geworden ist, und die, wie in dieser Bestimmung angeführt, vor Inkrafttreten dieses Abkommens Ruhegehälter, Renten und ähnliche Vergütungen bezog.
Aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen geht hervor, dass auf den Zufluss der entsprechenden Bezüge abzustellen ist. Insbesondere verwendet Art. 30 Abs. 3 DBA Österreich/Dänemark mit dem Wort "bezog" die Vergangenheitsform und stellt sohin klar erkennbar darauf ab, dass nur solche Renten ausgenommen sind, deren Auszahlung bereits begonnen hat.
Der Bf. bringt vor, Sinn und Zweck des Art. 30 Abs. 3 DBA Österreich/Dänemark sei, dass die geänderte Besteuerung nicht für Personen eintreten soll, für die bereits ein Anspruch entstanden ist. Es sei erkennbar, dass die DBA-Staaten aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht in bereits entstandene Pensionsansprüche eingreifen wollten. Es trete für den Bf. eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Schlechterstellung ein, weil er für den bereits entstandenen Pensionsanspruch wegen der zeitlich aufgeschobenen Auszahlung eine erhöhte Besteuerung habe hinnehmen müsse. Es könne dem Gesetzgeber - u.a. auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen - nicht unterstellt werden, dass er in entstandene Pensionsansprüche, über die zudem bereits disponiert worden sei, bewusst eingreifen wollte, sondern sei davon auszugehen, dass er den vorliegenden Fall des zeitlichen Auseinanderfallens nicht vor Augen gehabt hätte.
Diese Ausführungen des Bf. spiegeln sich im Wortlaut des angesprochenen DBA, wie oben dargelegt, nicht wider. Auch ist nicht erkennbar, welche konkreten verfassungsrechtlichen Erwägungen gegen die Wortinterpretation der genannten Bestimmungen sprechen würden, zumal es den Vertragsstaaten auch möglich gewesen wäre, auf Art. 30 Abs. 3 des DBA gänzlich zu verzichten. Der VfGH hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Es bleibt vielmehr dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern ().
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine abgabenrechtliche Auswirkung, die ausschließlich Folge eines als generelle Norm mit umfassendem persönlichen Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist, nicht im Einzelfall als Unbilligkeit gewertet und durch Nachsicht behoben werden. § 236 BAO soll die Unbilligkeit des Einzelfalles beseitigen. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit des Einhebungseinzelfalles ist dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden (vgl. mVa ).
Der Bf. geht davon aus, dass der Gesetzgeber die aktuelle Regelung hat mit Blick auf den Standard-Fall einer Pension getroffen habe, bei der es zu laufenden Auszahlungen komme. Der im Streitfall angefallene Mehrbetrag aus dem Progressionsvorbehalt sei atypisch und anormal. Es liege damit eine sachliche Unbilligkeit vor, die sich in der Kombination aus dem im Jahr 2002 ausgeübten Wahlrecht iZm der damals gültigen Rechtslage und der nicht absehbaren Änderung derselben speist.
Dem ist entgegen zu halten, dass der Bf.- wie jeder Staatsbürger - die Möglichkeit in Betracht ziehen musste, dass sich das Besteuerungsregime bei laufenden Dauerbezügen ändern kann. Gerade Steuergesetze unterliegen einer großen Reformdichte und gibt es regelmäßig Änderungen zB hinsichtlich des anzuwendenden Steuersatzes, sowohl für Aktivbezüge als auch für den Ruhegenuss. Ein Vertrauen des Bf., dass es gerade in seinem Fall, bei einer Auszahlung, die erst in 8 Jahren beginnen und dann weiterlaufen wird, zu keinen steuerrechtlichen (belastenden) Änderungen kommen werde, ist durch § 236 BAO nicht geschützt.
Zudem ist davon auszugehen, dass ein Sachverhalt, bei dem zwischen dem Erwerb eines Pensionsanspruchs iZm einer nichtselbständigen Tätigkeit und dem tatsächlichen Beginn der Auszahlungen derselben, mehrere Jahre vergehen, kein atypischer und seltener ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn zwischen Ende des Beschäftigungsverhältnisses und Erreichen des Pensionsantrittsalters ein längerer Zeitraum liegt. Alle diese Fälle werden vom aktuellen DBA Österreich/Dänemark erfasst, wenn die Zahlungen nach dem genannten Stichtag beginnen.
Es ist daher festzustellen, dass sich die Besteuerung des Bf. nicht anders gestaltet, als dies bei anderen Steuerpflichtigen der Fall ist, die einen Ruhegenuss beziehen, der unter die Bestimmungen des gegenständlichen DBA fällt. Eine atypische Belastung ist hiebei nicht zu erkennen, weshalb das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO zu verneinen ist. Zudem ist zu bemerken, dass angesichts des Umstandes, dass strittigen Abgabenforderungen selbst unter Außerachtlassung der ausländischen Einkünfte im Jahr 2014 lediglich ca. 1,9%, 2015 ca. 1,4% und 2016 ca. 8,3% des Einkommens des Bf. ausmachen, die Abgabenschuld auch nicht unproportional zum auslösenden Sachverhalt erscheint.
Dass der Bf. sein Wahlrecht in Bezug auf den Zeitpunkt des Beginns der Pensionszahlungen auch mit Bedacht auf die damals geltenden steuerlichen Regelungen vorgenommen hat, begründet ebenfalls keine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO, da sich dadurch am Umstand, dass eine Besteuerung, die dem Sinne und Zweck der angewandten Steuernormen entspricht, vorgenommen wurde, nicht ändert.
Im Falle eines Ansuchens um Nachsicht ist zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht. Wird diese Frage verneint, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, demnach ist der Antrag abzuweisen (vgl. , mwN).
Im vorliegenden Fall kann, wie dargelegt im Sinne einer Gesamtschau (vgl. ), weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung festgestellt werden. Für eine Entscheidung im Rahmen des Ermessens findet sich demnach kein Platz. Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis folgt der zitierten reichhaltigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt damit nicht vor. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 18 DBA DK (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Dänemark (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 41/2008 Art. 30 DBA DK (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Dänemark (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 41/2008 Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100326.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at