Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 07.09.2020, RV/7106048/2019

Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens - keine neuen Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***R1***, den Richter ***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***R3*** und ***R4*** im Beisein der Schriftführerin ***SF*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, vertreten durch ***stV***, ***Adresse stV***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom betreffend

  • Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer für das Jahr 2011

  • Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer für das Jahr 2012

  • Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer für das Jahr 2013

  • Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer für das Jahr 2014

  • Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2011

  • Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2012

  • Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2013

  • Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2014

in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 2011 und Umsatzsteuer 2011 werden gemäß § 279 BAO dahingehend abgeändert, dass der Wiederaufnahmsantrag zurückgewiesen wird.

II. Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 2012 bis 2014 und Umsatzsteuer 2012 bis 2014 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bei der Beschwerdeführerin (Bf) handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsgegenstand die Unternehmensberatung ist.

Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters der Bf vom wurde der Antrag gestellt, die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2014 wiederaufzunehmen. Darin heißt es auszugsweise wie folgt:

"(…) Wir erhielten kürzlich die Information, dass im Zuge einer Betriebsprüfung bei der ***X-GmbH*** unsere Klientin betreffende Ausgangsrechnungen an die ***X-GmbH*** als verdeckte Gewinnausschüttungen an Herrn Mag. ***A*** gewertet und der Kapitalertragsbesteuerung unterzogen wurden. Gegen die den Prüfungsfeststellungen gerecht werdenden Bescheide läuft bei der ***X-GmbH*** noch ein Beschwerdeverfahren, dessen weiterer Ausgang abzuwarten ist. Allerdings steht im Raum, diese Bescheidbeschwerde zurück zu ziehen. Aus diesem Grund beantragen wir die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Veranlagungen 2011 bis 2014 der ***Bf***. Wir ersuchen um Neuausstellung der Körperschaftsteuer- wie auch Umsatzsteuerbescheide der betreffenden Jahre unter Zugrundelegung der Feststellungen des Finanzamtes (…). Aus diesem Grund ersuchen wir, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um folgende Beträge in den einzelnen Jahren zu reduzieren:


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2011
- 10.000,-
2012
- 12.000,-
2013
- 20.150,-
2014
- 42.700,-

Hinsichtlich der Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen ersuchen wir, die Umsatzsteuerbescheide im Sinne der Prüfungsfeststellungen im Hinblick auf eine betragsgleiche Reduktion der Bemessungsgrundlagen für 20%ige Umsätze wie die Einkunftsreduktion bei den Körperschaftsteuerbescheiden wie folgt abzuändern:


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2011
- 2.000,-
2012
- 2.400,-
2013
- 4.030,-
2014
- 8.540,-

(…)"

Dem Wiederaufnahmsantrag waren Auszüge aus der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom sowie dem Prüfungsbericht vom betreffend die bei der ***X-GmbH*** für die Jahre 2011 bis 2014 durchgeführte Betriebsprüfung beigelegt. Darin heißt es ua wie folgt:

"In diesem Zusammenhang wird auf die Selbstanzeigen vom und verwiesen. In der Selbstanzeige vom wird ausgeführt, dass die seitens der ***Bf***, welche dem Gesellschafter Hr Mag ***A*** zuzurechnen ist, verrechneten Leistungen niemals erbracht worden sind und es sich bei den ausgestellten Rechnungen um Scheinrechnungen handelt.

Unter Missbrauch seiner Vertretungsmacht als Geschäftsführer der ***X-GmbH*** soll Herr Mag ***A*** die Bezahlung dieser Scheinrechnungen veranlasst haben.

Seitens der Bp wurde festgestellt, dass es sich bei den verrechneten Leistungen überwiegend um monatliche Pauschalhonorare handelt. Zum Teil wird auch der Vermerk "Leistungsbeschreibung lt Gesamtkonzept" ausgewiesen.

Sämtliche verrechneten Leistungen betreffen einerseits die "Beratung ***XXX***" andererseits div "Projekte".

Es werden zwar Angaben in den vorliegenden Eingangsrechnungen gemacht. Es liegen jedoch weder detaillierte Leistungsverzeichnisse noch eine "Leistungsbeschreibung für ein Gesamtkonzept" vor."

Mit den hier angefochtenen Bescheiden vom , die für die einzelnen Streitjahre (2011 bis 2014) und beide Abgabenarten (Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer) gesondert ergingen, wies die belangte Behörde den Wiederaufnahmsantrag ab. Begründend wurde jeweils folgendes ausgeführt:

"Im Hinblick auf § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind. In Ihrem Fall ist ersichtlich, dass Scheinrechnungen gelegt wurden, und das war bekannt bevor die Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide ergangen waren. Somit sind für die Jahre 2011-2014 mangels neuer Tatsachen die Anträge auf Wiederaufnahme abzuweisen."

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde vom wurde beantragt, "die Körperschaftsteuer- wie auch Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2011 bis 2014 im Ausmaß der bereits amtsbekannten Prüfungsfeststellungen abzuändern und die Rechnungen aus den Besteuerungsgrundlagen für Umsatzsteuer wie auch die Körperschaftsteuer auszuscheiden."

Begründend wurde folgendes ausgeführt:

"Unserer Ansicht nach handelt es sich definitiv um keine Scheinrechnungen. Warum hier Scheinrechnungen gegeben sein sollen, bleibt die Bescheidbegründung der die Wiederaufnahme abweisenden Bescheide schuldig. Die Annahme, dass es sich bei den Betriebsprüfungsfeststellungen um keine neu hervorgekommenen Tatsachen handeln sollte, wird ebenso nicht ausreichend begründet. Die Rechnungen können ja unmöglich einerseits der Körperschaftsteuer unterworfen werden und zum Anderen der Kapitalertragsteuer auf Seiten des Rechnungsempfängers. Die unterschiedliche rechtliche Würdigung seitens der Betriebsprüfung ist somit sehr wohl eine neu hervorgekommene Tatsache. Dasselbe gilt im Wesentlichen für die Umsatzsteuer. Selbst, wenn wirklich kein Leistungsaustausch gegeben gewesen sein sollte, würde ja auch die Eigenschaft als umsatzsteuerbare Leistung wegfallen. Somit wäre, selbst wenn man der Ansicht folgen würde, dass es sich um Scheinrechnungen handeln würde, jedenfalls eine Berichtigungsmöglichkeit gegeben, solange kein Steuerausfall für den Fiskus besteht, was ja in Anbetracht der Versagung des Vorsteuerabzuges auf seitens des Leistungsempfängers der Fall ist."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2014 ab. Die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2011 wurden dahingehend abgeändert, dass anstelle der Abweisung des Wiederaufnahmsantrages dessen Zurückweisung ausgesprochen wurde. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

"Wiederaufnahme Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 2011: Die Anträge waren zurückzuweisen, da bereits Verjährung eingetreten ist.

Wiederaufnahme Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 2012-2014: Im Antrag vom wurde ausgeführt, es habe eine Betriebsprüfung bei der ***X-GmbH*** stattgefunden, bei der Ausgangsrechnungen der ***Bf*** an die ***X-GmbH*** als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet und der Kapitalertragsbesteuerung unterworfen worden seien.

Auch wenn nicht explizit auf einen der Tatbestände des § 303 BAO Bezug genommen wurde, wurde vom Finanzamt angenommen, der Antrag auf Wiederaufnahme stütze sich auf den Neuerungstatbestand, dies wurde durch die Ausführungen in der Beschwerde bestätigt. In der Beschwerde wird ausgeführt, die unterschiedliche rechtliche Würdigung seitens der Betriebsprüfung sei sehr wohl eine neu hervorgekommene Tatsache.

Wiederaufnahmsgründe für den Neuerungstatbestand sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (zB ; , 96/15/0221; Ritz, BAO, 7. Auflage 2017, § 303 Rz. 30). Bei der Wiederaufnahme auf Antrag ist das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ().

Es wurden keine bereits zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung existenten, aus Ihrer Sicht neu hervorgekommenen Tatsachen geltend gemacht:

- Welche Rechnungen und wofür Sie Rechnungen ausgestellt haben, kann für Sie keine neu hervorgekommene Tatsache darstellen, da es sich um einen selbst verwirklichten Sachverhalt handelt. (Ob es sich bei den Ausgangsrechnungen der ***Bf*** an die ***X-GmbH*** um Scheinrechnungen handelt, muss im gegenständlichen Verfahren nicht beurteilt werden.)

- Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen stellen ebenfalls keine neu hervorgekommenen Tatsachen dar (Ritz, BAO, 7. Auflage 2017, § 303 Rz. 23 mit Judikaturnachweisen). Die rechtliche Würdigung von Tatsachen durch die Betriebsprüfung bei einem anderen Abgabepflichtigen ist daher ebenfalls keine neu hervorgekommene Tatsache im gegenständlichen Verfahren."

Im Vorlageantrag vom wurde auf das bisherige Vorbringen verwiesen. Zudem wurde die Entscheidung durch den Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die belangte Behörde legte daraufhin den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom führte sie ua wie folgt aus:

"Betreffend das Jahr 2011: Die Verfahren dieses Jahres können nicht wiederaufgenommen werden, da im Zeitpunkt der Antragstellung bereits Verjährung eingetreten ist.

Das Finanzamt beantragt daher, die Bescheide diesbezüglich (wie in der BVE) von einer Abweisung auf eine Zurückweisung abzuändern.

Betreffend der Jahre 2012-2014: Welche Rechnungen und wofür die Bf Rechnungen ausgestellt hat, kann für die Bf keine neu hervorgekommene Tatsache darstellen, da es sich um einen selbst verwirklichten Sachverhalt handelt. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen stellen auch keine neu hervorgekommenen Tatsachen dar (Ritz, BAO, 7. Auflage 2017, § 303 Rz. 23 mit Judikaturnachweisen). Weiters wird auch auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung verwiesen. Bezüglich Umsatzsteuer kommt noch dazu, dass eine Steuerschuld kraft Rechnungslegung verbleiben würde, wenn die Bf tatsächlich keine Leistung erbracht hätte, aber Rechnungen ausgestellt hat, und somit die Kenntnis der Umstände (selbst wenn man das Vorliegen neu hervorgekommener Tatsachen bejahen würde) nicht einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, was allerdings eine Voraussetzung für die Wiederaufnahme darstellen würde. (Eine allfällige Rechnungsberichtigung würde nur ex nunc wirken.)

Das Finanzamt beantragt daher, die Beschwerde betreffend die Jahre 2012-2014 abzuweisen."

In der am vor dem Bundesfinanzgericht abgehaltenen mündlichen Verhandlung führte der steuerliche Vertreter der Bf in teilweiser Wiederholung seines bisherigen Vorbringens aus, es lägen sehr wohl neue Tatsachen vor. Die neue Tatsache bestehe darin, dass die ***X-GmbH***, wie aus der Selbstanzeige ersichtlich sei, ihre Ansicht betreffend die von der Bf an sie gelegten Rechnungen dahingehend geändert habe, dass es sich hierbei um Scheinrechnungen handle. Dieser Umstand sei der Bf bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen.

Die Bf habe die gegenständlichen Rechnungsbeträge als Betriebseinnahmen in ihre Körperschaftsteuererklärungen und als Ausgangsumsätze in ihre Umsatzsteuererklärungen aufgenommen. Korrespondierend zu den Betriebsprüfungsfeststellungen bei der ***X-GmbH*** sei es notwendig, diese Rechnungsbeträge aus den Bemessungsgrundlagen der Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer auszuscheiden. Nur so ließe sich eine Doppelbesteuerung vermeiden.

Das Bundesfinanzgericht habe im Erkenntnis vom , RV/7100341/2011, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch dann, wenn bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens der Antragsteller von den in Frage stehenden Tatsachen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung Kenntnis gehabt habe, eine Wiederaufnahme des Verfahrens möglich sei, sofern die Abgabenbehörde davon keine Kenntnis gehabt habe.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Bei der Bf handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsgegenstand die Unternehmensberatung ist.

In den Jahren 2011 bis 2014 verrechnete die Bf Beratungsleistungen an die ***X-GmbH***. Die diesbezüglichen Rechnungsbeträge wurden von der Bf als Ausgangsumsätze in die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2014 und als Betriebseinnahmen in die Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2014 aufgenommen.

Mit Bescheiden vom wurden die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer für das Jahr 2011 erklärungskonform festgesetzt.

Mit Bescheiden vom wurden die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer für das Jahr 2012 erklärungskonform festgesetzt.

Mit Bescheiden vom wurden die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 erklärungskonform festgesetzt.

Mit Bescheiden vom wurden die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer für das Jahr 2014 erklärungskonform festgesetzt.

Sämtliche Bescheide sind mit ungenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist in Rechtskraft erwachsen.

Bei der ***X-GmbH*** fand eine die Jahre 2011 bis 2014 umfassende Betriebsprüfung betreffend ua Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer und Umsatzsteuer statt. Dabei wurden die von der Bf der ***X-GmbH*** in Rechnung gestellten Beträge, die von der ***X-GmbH*** als Betriebsausgaben gewinnmindernd geltend gemacht worden waren, gewinnerhöhend angesetzt. Die darauf entfallenden, von der ***X-GmbH*** geltend gemachten Vorsteuern wurden nicht anerkannt. Zudem wurden verdeckte Gewinnausschüttungen an Herrn Mag. ***A*** angenommen. Begründend wurde in einer Beilage zur Niederschrift über die Schlussbesprechung vom unter Bezugnahme auf Selbstanzeigen der ***X-GmbH*** vom und im Wesentlichen ausgeführt, bei den von der Bf an die ***X-GmbH*** gelegten Rechnungen handle es sich um Scheinrechnungen.

Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters der Bf vom wurde beantragt, die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2014 wiederaufzunehmen. Korrespondierend zu den Betriebsprüfungsfeststellungen bei der ***X-GmbH*** seien die von der Bf der ***X-GmbH*** in Rechnung gestellten Beträge bei der Bf aus den Bemessungsgrundlagen der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2014 auszuscheiden.

Zum Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2011: Abgesehen von der Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 2011 und des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2011, jeweils vom , fanden weder im Jahr 2012 noch in den Folgejahren nach außen erkennbare Amtshandlungen statt.

Beweiswürdigung

Dass die in Rede stehenden Rechnungsbeträge von der Bf als Ausgangsumsätze in die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2014 und als Betriebseinnahmen in die Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2014 aufgenommen wurden, wurde vom steuerlichen Vertreter der Bf mehrfach betont und von der belangten Behörde im gesamten Verfahrensverlauf nicht in Zweifel gezogen.

Die Feststellung, dass - abgesehen von der Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 2011 und des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2011, jeweils vom - weder im Jahr 2012 noch in den Folgejahren nach außen erkennbare Amtshandlungen stattfanden, gründet sich darauf, dass sich im Akt keinerlei Hinweise auf solche Amtshandlungen finden und auch seitens der Bf kein diesbezügliches Vorbringen erstattet wurde.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den Akten und sind unstrittig.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2011)

Gemäß § 304 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung nur zulässig, wenn sie a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

Gemäß § 207 Abs 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei der Körperschaft- und Umsatzsteuer fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.

Gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO beginnt die Verjährungsfrist in den Fällen des § 207 Abs 2 BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Gemäß § 209 Abs 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen werden. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Als nach außen erkennbare, die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlung gilt ua die Erlassung eines erstinstanzlichen Bescheides (vgl Ritz, BAO6 § 209 Tz 10, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rsp des VwGH).

Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2011:

Die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 207 Abs 2 BAO) begann gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO mit Ablauf des Jahres 2011 zu laufen (zum Entstehen des Abgabenanspruches/der Steuerschuld vgl § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO). Vor Ablauf dieser fünfjährigen Verjährungsfrist wurde durch Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 2011 vom eine nach außen erkennbare Amtshandlung gesetzt, welche die Verjährungsfrist um ein Jahr bis Ende 2017 verlängerte. In diesem "Verlängerungsjahr" 2017 wurde keine nach außen erkennbare Amtshandlung gesetzt. Die Verjährungsfrist endete somit mit Ablauf des Jahres 2017. Zum Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmsantrages im Dezember 2018 war demnach bereits Verjährung eingetreten, weswegen die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 304 lit a BAO nicht erfüllt ist.

Der Wiederaufnahmsantrag wurde auch nicht innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides gestellt (§ 304 lit b BAO), zumal der Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2011 vom mit ungenütztem Ablauf der damaligen Berufungsfrist in Rechtskraft erwachsen ist und die 3-Jahres-Frist des § 304 lit b BAO somit bereits im Jahr 2015 endete.

Mit der vorliegenden Entscheidung erfolgt eine Abänderung des angefochtenen Bescheides betreffend Abweisung des Wiederaufnahmsantrages hinsichtlich Körperschaftsteuer für das Jahr 2011 dahingehend, dass der Wiederaufnahmsantrag nicht ab-, sondern zurückgewiesen wird (vgl auch ). Eine solche Änderung liegt im Rahmen der Änderungsbefugnis gemäß § 279 BAO (vgl ; Ritz, BAO6 § 279 Tz 14).

Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2011:

Die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 207 Abs 2 BAO) begann gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO mit Ablauf des Jahres 2011 zu laufen (zum Entstehen des Abgabenanspruches/der Steuerschuld vgl § 4 Abs 3 BAO iVm § 19 Abs 2 bis 4 UStG 1994). Vor Ablauf dieser fünfjährigen Verjährungsfrist wurde durch Erlassung des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2011 vom eine nach außen erkennbare Amtshandlung gesetzt, welche die Verjährungsfrist um ein Jahr bis Ende 2017 verlängerte. In diesem "Verlängerungsjahr" 2017 fand keine nach außen erkennbare Amtshandlung statt. Die Verjährungsfrist endete somit mit Ablauf des Jahres 2017. Zum Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmsantrages im Dezember 2018 war demnach bereits Verjährung eingetreten, weswegen die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 304 lit a BAO nicht erfüllt ist.

Der Wiederaufnahmsantrag wurde auch nicht innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides gestellt (§ 304 lit b BAO), zumal der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2011 vom mit ungenütztem Ablauf der damaligen Berufungsfrist in Rechtskraft erwachsen ist und die 3-Jahres-Frist des § 304 lit b BAO somit bereits im Jahr 2015 endete.

Mit der vorliegenden Entscheidung erfolgt eine Abänderung des angefochtenen Bescheides betreffend Abweisung des Wiederaufnahmsantrages hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2011 dahingehend, dass der Wiederaufnahmsantrag nicht ab-, sondern zurückgewiesen wird (vgl auch ). Eine solche Änderung liegt im Rahmen der Änderungsbefugnis gemäß § 279 BAO (vgl ; Ritz, BAO6 § 279 Tz 14).

Zu Spruchpunkt II. (Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2014)

Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung des FVwGG 2012, BGBl I 14/2013, kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 303 Abs 2 BAO hat der Wiederaufnahmsantrag a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, und b) die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten.

Tatsachen iSd § 303 Abs 1 lit b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl etwa ; ).

Die in § 303 Abs 1 lit b BAO enthaltene Wendung "im abgeschlossenen Verfahren" beruht erkennbar auf einem Redaktionsversehen. Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl zB ; ).

Im Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0058, nahm der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, ob bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln aus der Sicht der Abgabenbehörde oder aus jener des Antragstellers zu beurteilen ist, auszugsweise wie folgt Stellung:

"22 Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl. ).

23 Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Damit setzt aber diese Bestimmung voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die - für die Behörde - neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind."

Der Verwaltungsgerichtshof bringt in diesem Erkenntnis unmissverständlich zum Ausdruck, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (siehe auch ; ; vgl dazu auch Fuchs, ÖStZ 2017, 70). Bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens müssen demnach bereits im Bescheiderlassungszeitpunkt existierende Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers später neu hervorgekommen sein (vgl etwa Papst, ÖStZ 2017, 49 [51]). Vor diesem Hintergrund ist das vom steuerlichen Vertreter der Bf ins Treffen geführte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100341/2011, in welchem die Ansicht vertreten wurde, im Falle eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei der Kenntnisstand der Abgabenbehörde maßgeblich, als überholt anzusehen.

Im vorliegenden Fall wurden seitens der Bf keine Tatsachen aufgezeigt, die zum Zeitpunkt der Erlassung der Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2014 bereits existent waren und von denen die Bf erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis erlangte. Das einzige Sachverhaltselement, auf das sich der Wiederaufnahmsantrag stützt, betrifft die von der Bf an die ***X-GmbH*** in den Jahren 2011 bis 2014 gelegten Rechnungen. Dabei handelt es sich, worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist, um einen von der Bf selbst verwirklichten Sachverhalt, welcher der Bf von Anfang an vollumfänglich bekannt war. Damit hatte die Bf aber auch von Anfang an volle Kenntnis darüber, ob es sich bei den gegenständlichen Rechnungen, die von ihr selbst gelegt wurden, um Scheinrechnungen handelt oder nicht.

Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass "die unterschiedliche rechtliche Würdigung seitens der Betriebsprüfung (…) somit sehr wohl eine neu hervorgekommene Tatsache [ist]", so genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen keine Tatsachen iSd § 303 Abs 1 lit b BAO darstellen (vgl zB ; ; ; ; ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt III. (Unzulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 2 bis 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise












ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7106048.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at