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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.09.2020, RV/5200088/2012

Sicherstellungsauftrag; Einwand: res judicata

Entscheidungstext

Im Namen der republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Doris Schitter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Christian Kras, Handelsstr. 6/2, 5162 Obertrum am See, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zahl ***6***, betreffend Sicherstellungsauftrag nach § 232 BAO, zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , Zl. ***5*** erließ das Zollamt gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.) einen Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO in Höhe von € 322.451,17 an Einfuhrumsatzsteuer für den Zeitraum März 2007 bis August 2008. Begründend führte die Abgabenbehörde aus, dass die ***1*** GmbH, als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bf. seit fungierte, von März 2007 bis August 2008 in 39 Fällen eingangsabgabenpflichtige Waren in den zollrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 4200) übergeführt habe, ohne die an dieses Zollverfahren geknüpfte Verpflichtung zur nachweislichen Weiterbeförderung an die in den Zollanmeldungen angeführte Warenempfängerin zu erfüllen. Der ***1*** GmbH sei diese Einfuhrumsatzsteuerschuld mit Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zahl ***7*** vorgeschrieben worden. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Bf. an der Hinterziehung dieser Einfuhrumsatzsteuerbeträge maßgeblich beteiligt gewesen sei. Am sei daher eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht worden.

Um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung zu begegnen, sei gem. § 232 BAO der verfahrensgegenständliche Sicherstellungsauftrag erlassen worden.

Der Bf. sei bei der ***1*** GmbH als handelsrechtlicher Geschäftsführer beschäftigt. Über das Vermögen der ***1*** GmbH sei mit Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom Datum das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluss vom Datum die Schließung des Unternehmens angeordnet worden.

Die Höhe seines Nettobezuges habe im gesamten Kalenderjahr 2010 € 41.413,43 betragen. Ausgehend von 14 Monatsgehältern ergäbe dies einen durchschnittlichen monatlichen Nettolohn von € 2.958,10. Eine Einbringung der Abgabenschuld durch Lohnpfändung wäre daher auch dann nicht annähernd möglich, wenn die ***1*** GmbH nicht insolvent geworden sei. Eine vollständige Einbringung der Schuld durch Lohnpfändung erscheine daher unmöglich. Auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung lasse außerdem die Höhe der Abgabenschuld auf die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit schließen (drohende Konkursgefahr). Aus den angeführten Gründen müsse ohne die Durchführung von Sofortmaßnahmen von einer wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung ausgegangen werden.

In Erledigung der gegen den Bescheid erhobenen Berufung erließ das Zollamt am , Zahl ***8***, eine Berufungsvorentscheidung mit folgendem Spruch:

Über die Berufung von ***Bf1***,… gegen den Sicherstellungsauftrag des Zollamtes Linz Wels vom , Zahl ***5***, ergeht gemäß § 276 Bundesabgabenordnung (BAO) in Verbindung mit § 85b Absatz 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) folgende Entscheidung:
Der Berufung wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben
.

Begründet wurde der Bescheid damit, dass der Berufung vollinhaltlich Rechnung getragen worden ist.

In der Folge erließ das Zollamt mit Bescheid vom , Zahl ***6***, einen Sicherstellungsauftrag über voraussichtlich verkürzte Abgabenbeträge. In diesem Bescheid wurden die einzelnen Anmeldungen und die dabei verkürzten Abgaben (Einfuhrumsatzsteuer) für den Zeitraum ab Annahme der Anmeldung bis angeführt.

Die dagegen erhobene Berufung vom wurde mit Berufungsvorentscheidung vom , Zahl ***9***, als unbegründet abgewiesen.

Dagegen richtet sich die als Vorlageantrag zu wertende Beschwerde vom .

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

In den Beschwerdefällen sind gemäß § 323 Abs. 38 BAO die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängig gewesenen Beschwerden vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Auf das Berufungsverfahren waren von der belangten Behörde die §§ 85a bis 85e ZollR-DG in der Fassung vor der Novelle durch das FVwGG 2012 anzuwenden.

Nach dessen § 85b Abs. 3 ZollR-DG ist das Zollamt als Berufungsbehörde berechtigt eine angefochtene Entscheidung nach jeder Richtung abzuändern oder aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Dies entspricht der Regelung des § 276 Abs. 1 BAO in der Fassung vor der Novelle durch das FVwGG 2012.

Die Entscheidungsbefugnis des Zollamtes umfasst somit die (ersatzlose) Aufhebung des angefochtenen Bescheides, die Abweisung der Berufung und die Abänderung des angefochtenen Bescheides. Eine Aufhebung als Sachentscheidung darf nur erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (vgl. Ritz, BAO4, § 276 Tz 5f, mit Hinweisen zur Rechtsprechung).

Die belangte Behörde hat mit ihrem Bescheid (Berufungsvorentscheidung) vom , Zahl ***8***, (rechtskräftig) dem Antrag des Bf. auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom (Sicherstellungsauftrag) vollinhaltlich stattgegeben.

Ein neuerlicher Sicherstellungsauftrag in das Vermögen des Bf. betreffend verkürzte Einfuhrumsatzsteuer für Zeiträume von März 2007 bis August 2008 durfte daher nicht ergehen.

Erfolgt eine Aufhebung eines Bescheides in der Sache selbst, kommt eine weitere Entscheidung in derselben Sache gegenüber derselben Partei nicht in Betracht (vgl. ).

Durch eine in Rechtskraft erwachsene meritorische Aufhebung eines Bescheides liegt somit "res iudicata" vor, welche eine neuerlichen Bescheiderlassung in derselben Sache aufgrund des Grundsatzes "ne bis in idem", einem Grundprinzip der österreichischen Rechtsordnung, verhindert. Die Sache ist dabei jene Angelegenheit die den Spruch des Bescheides gebildet hat (vgl. )

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom , Ro 2016/16/0004, festgestellt, dass eine Berufungsvorentscheidung oder Berufungsentscheidung, die eine in Betracht kommende ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides zu Unrecht ausspricht, anstatt diesen abzuändern, das Hindernis der entschiedenen Sache für eine neuerliche Bescheiderlassung darstellt (Hinweis E vom , 2013/16/0156, und vom , 2011/16/0105, sowie E vom , 2010/15/0108, VwSlg 8583 F/2010), auch wenn die Aufhebung lediglich zur Ermöglichung "formal richtiger" Bescheide beabsichtigt war (Hinweis E vom , 2011/13/0005).

Im gegenständlichen Fall betraf der Spruch des mittels Berufungsvorentscheidung aufgehobenen Bescheides vom , Zahl ***5***, die Sicherung von Einfuhrumsatzsteuer, welche im Zeitraum zwischen März 2007 und August 2008 entstanden ist. Der angefochtene Bescheid umfasst ebenfalls die Sicherung von Einfuhrumsatzsteuer mit identem Bescheidadressaten. Dass der Zeitraum der zu besichernden Abgaben auf Einfuhren ab Juli 2007 bis August 2008 eingeschränkt worden ist und die einzelnen Einfuhren angeführt worden sind, ändert nichts an der Sachidentität.

Der angefochtene Bescheid wird wegen "entschiedener Sache" aufgehoben.

Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 276 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5200088.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at