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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.07.2020, RV/7101284/2017

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***10***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Vertreters ***10*** und der Amtsbeauftragten ***9*** in Beisein der Schriftführerin ***8*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO insoweit Folge gegeben, als die Haftung auf € 1.963,38 anstatt € 9.106,23 eingeschränkt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde den Bf als Haftungspflichtigen gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff BAO für die nachstehenden aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der ***2*** im Ausmaß von € 9.106,23 in Anspruch.


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Umsatzsteuer 2007
fällig am
1.963,38
Umsatzsteuer 2008
fällig am
7.142,85

Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

"1., Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrlchtet werden.

2., Gemäß § 9 Abs 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepfllchtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

3., Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

4., Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

5., Sie waren im Zeitraum von bis unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***2***, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Milteln zu bezahlen.

6., Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer Ist folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 72 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg.cit. selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - wurde die Umsatzsteuer festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet.

7., Die Schuldhaftigkeit ist damit zu begründen, dass durch Ihr pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten ist.

8., Im Zuge des Vorhalteverfahrens vom haben Sie keine Stellungnahme abgegeben.

9., Aufgrund der Vermögenslosigkeit und der Beendigung der Tätigkeit der Gesellschaft, diese ist bereits im Firmenbuch gelöscht, ist die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenschuld nachgewiesen."

Mit Eingabe vom erhob der Bf durch seinen Vertreter dagegen Beschwerde und führte wie folgt aus:

"Als Berufungsgründe werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Die ***7*** wurde im Jänner 2009 von Herrn ***3*** mit einem notariellen Abtretungsvertrag verkauft und auch uno actu die Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich ein Steuerguthaben am (Finanzamt) Konto der ***2***, das über dem Betrag von € 10.000,00 lag. So lag z.B. laut den vorliegenden Finanzamtsmitteilungen ein Guthaben von € 7.901,74 mit Stand vom vor.

Die Umsatzsteuerbescheide vom für das Jahr 2007 sowie der Umsatzsteuerbescheid vom für das Jahr 2008 sind Herrn ***3*** nicht zugestellt worden, sondern offensichtlich dem seinerzeitigen Geschäftsführer bzw. der Frau ***4***, Rechtsanwältin, als (seinerzeitige) Masseverwalterin der ***7***.

Sie sind inhaltlich falsch und liegt dem offensichtlich eine Schätzung zugrunde. Die den Umsatzsteuerbescheiden zugrunde gelegten Umsätze wurden nicht erzielt, so dass auch keine (Umsatz)Steuerschuld entstehen konnte. Da Herr ***3*** im Umsatzsteuerfestsetzungsverfahren gegen die ***7*** zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine Parteistellung mehr hatte; er war nicht mehr Geschäftsführer dieser Gesellschaft, kann er daher die entsprechenden sachlichen Einwendungen nur im Haftungsbescheidverfahren erheben. Diese Einwendungen sind in diesem Haftungsbescheidverfahren zu berücksichtigen, da ansonsten eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gegeben wäre.

Bei einem mängelfreien Verfahren hätte sich ergeben, dass für den Zeitraum der Jahre 2007 bis 2008 keine Umsatzsteuer angefallen ist, da während dieses Zeitraumes keine operative Geschäftstätigkeit von der ***7*** mehr ausgeübt und auch keine Umsätze daher (logischerweise) erzielt wurden.

Es wird daher der Antrag gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und zu dieser ***5***, p.A, Finanzamt für den 4., 5, Und 10, Bezirk als Zeugen zu laden.

Es ergeht daher auch der Antrag, den Haftungsbescheid vom ersatzlos zu beheben."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde vom als unbegründet ab und führte zur Begründung wie folgt aus:

"Für die GF-Haftung ist entscheidend, ob während der Geschäftsführertätigkeit die Fälligkeit der Umsatzsteuer eingetreten ist. Der allfällige Einwand, die erstmalige Feststellung der Umsatzsteuer sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, wo der der Haftende nicht mehr Geschäftsführer war, geht ins Leere.

§ 4 BAO knüpft das Entstehen des Abgabenanspruches an ein tatbestandsmäßiges Geschehen, dessen Übereinstimmung mit der Wirklichkeit erst im nachfolgenden Abgabenverfahren festgestellt wird. Stellt sich heraus, dass ein steuerauslösender Tatbestand verwirklicht wurde, so entstand der Abgabenanspruch bereits in jenem Zeltpunkt, in dem das tatbestandsmäßige Handeln, Unterlassen oder das den sonstigen Abgabentatbestand erfüllende Ereignis eingetreten ist, und nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem es verifiziert wurde.

Ausgehend von den zur Haftung herangezogenen Abgaben kann festgestellt werden, dass sowohl die Umsatzsteuer 2007, fällig am als auch die Umsatzsteuer 2008, fällig am in den Geschäftsführerzeitraum des Beschwerdewerbers ( bis ) fallen."

Mit Eingabe vom stellte der Bf den Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bf als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der ***2*** stand spätestens mit der amtswegigen Löschung der Gesellschaft am im Firmenbuch gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit fest ().

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Bestritten wurde die Rechtmäßigkeit der Haftung aus dem Grunde, dass der Bf die ***7*** im Jänner 2009 verkauft und auch uno actu die Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe sich ein Steuerguthaben am (Finanzamt) Konto der ***2*** befunden, das über dem Betrag von € 10.000,00 gelegen sei.

Die Umsatzsteuerbescheide seien inhaltlich falsch und läge dem offensichtlich eine Schätzung zugrunde. Die den Umsatzsteuerbescheiden zugrunde gelegten Umsätze seien nicht erzielt worden, da während dieses Zeitraumes keine operative Geschäftstätigkeit von der ***7*** mehr ausgeübt worden sei.

Zum Vorbringen des Bf, dass die Umsatzsteuerbescheide vom (richtig wohl: ) für das Jahr 2007 sowie der Umsatzsteuerbescheid vom für das Jahr 2008 ihm nicht zugestellt worden seien, ist vorerst zu bemerken, dass dies eine Folge der Beendigung der Geschäftsführungsfunktion mit war. Allerdings erlangte der Bf durch Beifügung der Bescheide dem Haftungsbescheid Kenntnis vom Abgabenanspruch, sodass er auch in die Lage gesetzt wurde, dagegen gemäß § 248 BAO eine Beschwerde einzubringen.

Entgegen den Begründungen von Haftungsbescheid und Beschwerdevorentscheidung wurden die Umsatzsteuer 2007 am und nicht am und die Umsatzsteuer 2008 am und nicht am fällig. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuer 2008 traf somit infolge des Ausscheidens des Bf als Geschäftsführer am den nachfolgenden Geschäftsführer ***6***. Dem Bf kann daher eine Pflichtverletzung durch Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 2008 nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Die Haftung für die Umsatzsteuer 2008 in Höhe von € 7.142,85 war daher aufzuheben.

Die Umsatzsteuer 2007 in Höhe von € 1.963,38 wurde mit Bescheid vom festgesetzt und haftet laut Rückstandsaufgliederung nach wie vor mit diesem Betrag unberichtigt aus.

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ohnehin ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. (vgl. z.B. ).

Da dem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid vorangegangen ist, mit welchem die dem Haftungsbescheid zugrundeliegende Umsatzsteuer festgesetzt wurde, ist es dem Bundesfinanzgericht somit verwehrt, im Verfahren über die Heranziehung des Bf zur Haftung die Richtigkeit dieser Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen, sondern hat es vielmehr von der Richtigkeit dieser Abgabenfestsetzung auszugehen.

Der Einwand, die dem Umsatzsteuerbescheid 2007 zugrunde gelegten Umsätze seien nicht erzielt worden, richtet sich gegen den Abgabenanspruch. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch allein die Entscheidung über die Haftung gemäß § 9 BAO. In diesem Verfahren können Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben nicht mit Erfolg vorgetragen werden (vgl. ).

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 2007 in Höhe von € 1.963,38 zum Fälligkeitszeitpunkt durch den Bf konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***2*** im Ausmaß von € 1.963,38 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101284.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at