Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 Abs.1a EStG - Zeitpunkt der Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen aus den USA nach Österreich
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache Bf., gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen, GZ. BMF-010203/0061-IV/8/2018, vom , betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988, zu Recht erkannt:
1.) Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.) Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
3.) Die Revision gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I) Sachverhalt und Verfahrensgang:
Mit Eingabe vom beantragte der Bf. (Bf.) die Zuerkennung der Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 Abs. 1 EStG 1988 (Beseitigung steuerlicher Mehrbelastungen) sowie die Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988.
Der Bf. sei mit bei der Firma **** GmbH Nfg. KG mit einer Probezeit von 6 Monaten angestellt worden. Er sei am aus den Vereinigten Staaten nach Österreich zugezogen (im Verzeichnis gemäß § 7 Abs. 1 ZBV 2016 wurde als Zuzugszeitpunkt der angeführt), wobei er den Wohnsitz in den USA beibehalten und erst nach Ablauf seiner Probezeit und erfolgter positiver Eingewöhnung der Familie in Österreich im Oktober 2017 entschieden habe, das Haus in den USA zu verkaufen und den Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Österreich zu verlagern.
Mit Schreiben vom ersuchte der Bundesminister für Finanzen im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben hinsichtlich des Zuzugszeitpunktes des Bf. um Vorlage eines korrigierten Verzeichnisses. Des Weiteren wurde um Information darüber, ab welchem Zeitpunkt sich die Familie des Bf. in Österreich befunden habe, sowie um Vorlage von diesbezüglichen Nachweisen (Flugtickets, Spedition, Schulbesuch der Kinder, Berufstätigkeit der Gattin, etc.) ersucht.
Mit Eingabe vom teilte die steuerliche Vertretung des Bf. mit, dass die Gattin des Bf. in Österreich nicht berufstätig sei, weswegen es auch keine Bestätigung ihrer Berufstätigkeit gäbe. Die Flugtickets seien vom Arbeitgeber des Bf. übernommen worden, weswegen keine entsprechenden Rechnungen vorgelegt werden könnten. Die ebenfalls auf den Arbeitgeber des Bf. ausgestellten Rechnungen der Schule über den Schulbesuch der drei Kinder des Bf. ab Juni 2017 wurden hingegen vorgelegt.
Laut Auskunft der Familienbeihilfestelle des Wohnsitzfinanzamtes des Bf. vom bezog der Bf. ab Mai 2017 Familienbeihilfe für seine drei Kinder.
Mit Eingabe vom brachte die steuerliche Vertretung des Bf. ergänzend vor, dass die Familie des Bf. zwar bereits im Juni 2017 nach Österreich gezogen sei, die für den Antrag auf Zuzugsbegünstigung relevante Verlagerung des Mittelpunktes des Lebensinteresses habe jedoch erst im November 2017 stattgefunden. Erst zu diesem Zeitpunkt sei klar gewesen, dass der Arbeitsplatz in Österreich in Ordnung sei und die Familie sich hier wohlfühle und nicht zurück in die USA kehre. Dementsprechend habe die Familie auch entschieden, den Wohnsitz in den USA zu veräußern und einen Makler mit dem Verkauf des Hauses zu beauftragen. Da es somit vollkommen belanglos sei, ob der Flug aus den USA nach Österreich am 31. Mai, 5. Juni, oder wann immer gewesen sei, ersuche die steuerliche Vertretung, keine weiteren Belege mehr abzuverlangen.
Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Bf. mit, dass im Hinblick darauf, dass bereits ab Mai 2017 Familienbeihilfe für die Kinder bezogen wurde und der Familiennachzug im Juni 2017 erfolgt sei, davon ausgegangen werde, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Bf. stattgefunden habe.
Der Bf. teilte daraufhin mit, dass der Bezug der Familienbeihilfe lediglich den Aufenthalt in Österreich, nicht aber den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich erfordere, welcher sich 2017 noch in den USA befunden habe. Die Familie des Bf. sei nach Österreich mitgekommen, da sie bereits während des Einsatzes des Bf. in Indien von ihrem Vater und Ehemann getrennt gewesen sei. Wäre es von vornherein fix gewesen, dass die Familie in Österreich verbleiben würde, hätte der Verkauf des Hauses in den USA sofort in Auftrag gegeben werden können.
Mit Bescheid vom wies der Bundesminister für Finanzen den Antrag auf Zuerkennung der Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 Abs. 1 und Abs. 1a EStG 1988 zurück, weil die Antragstellung gemäß § 1 Abs. 2 iVm. § 10 ZBV 2016 verspätet erfolgte.
Nach mehrmaliger Fristverlängerung übermittelte die steuerliche Vertretung mit Eingabe vom eine Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid und brachte dazu begründend vor, dass der Antrag - im Hinblick auf die erfolgte Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Österreich frühestens im Oktober 2017 - jedenfalls nicht verspätet eingebracht worden sei. Bei befristeter Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis und bloß berufsbedingter Übersiedlung könne nicht von einer sofortigen Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ausgegangen werden. Der Umstand, dass der im Eigentum stehende Wohnsitz in den USA erst im Oktober/November 2018 zum Verkauf angeboten worden sei, beweise eindeutig, dass noch keine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen von den USA nach Österreich erfolgt sei.
Da die Berechnung des ausländischen Durchschnittsteuersatzes der letzten drei Jahre nicht möglich sei, werde der Antrag gemäß § 103 Abs. 1 EStG zurückgezogen.
Am legte der Bundesminister für Finanzen die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
In seiner Stellungnahme zum Vorlagebericht wandte der steuerliche Vertreter des Bf. ein, dass es unstrittig sei, dass der Bf. und seine Familienangehörigen nach Österreich geflogen seien und auch hier einen Wohnsitz begründet hätten. Da die Vorlage der Flugtickets nicht entscheidungsrelevant sei, seien diese nicht vorgelegt worden. Eine österreichische Hauptwohnsitzmeldung führe noch nicht dazu, dass gleichzeitig der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens verlagert werde. Wie bereits vorgebracht, könne eine US-Ansässigkeitsbescheinigung nachgereicht werden.
Obwohl es Unsicherheiten betreffend eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen gebe, knüpfe der Bundesminister für Finanzen diesen dennoch an die Hauptwohnsitzmeldung an. Damit werde verkannt, dass eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen erst dann eintrete, wenn eine endgültige Entscheidung zum längeren Verbleib getroffen worden sei und diese durch Ablauf des befristeten Dienstverhältnisses und eine positive Eingewöhnungsphase stattgefunden habe. Da es keinen Anspruch gegeben habe, dass das befristete Dienstverhältnis in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergehe, sei logisch, dass davor keine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen eingetreten sei.
Im Verständigungsprotokoll zu Artikel 4 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-USA sei festgelegt, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht allein anhand der Umstände, die in einem einzigen Jahr vorherrschten, feststellbar sei, sondern die Berücksichtigung eines längeren Zeitraumes erforderlich sei. Erst mit der nach ca. 7 Monaten getroffenen Entscheidung im Oktober 2017, dass der bisherige und im Eigentum befindliche Familienwohnsitz in den USA verkauft werden solle, sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen verlagert worden. In diesem Zusammenhang verwies der Bf. auf , sowie auf ).
II) Über die Beschwerde wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Bf. ist amerikanischer Staatsangehöriger, welcher laut Verzeichnis gemäß § 7 Abs. 1 ZBV 2016 am aus den USA nach Österreich zugezogen ist und hier einen Wohnsitz begründet hat. Am beginnt sein, zunächst auf 6 Monate befristetes, Dienstverhältnis mit der **** GmbH Nfg. KG.
Die Ehefrau und die drei Kinder des Bf., für welche er seit Mai 2017 Familienbeihilfe bezieht, begründen zunächst (am ) an der Wohnungsadresse des Bf. in *** einen Wohnsitz. Im Juni 2017 übersiedelte die gesamte Familie in ein Haus in ** und begründete dort am ihren gemeinsamen Familienwohnsitz. Ab Juni 2017 besuchen die Kinder des Bf. die Schule.
Der Bf. gibt an, dass seine Familienmitglieder im Juni 2017 nach Österreich zugezogen seien. Nachweise zur Übersiedlung (Speditionsunterlagen), zum Einreisezeitpunkt der Familie des Bf. (Flugtickets, Einreiseunterlagen) sowie zur Lebensgestaltung (Konto- bzw. Kreditkartenabrechnungen) wurden nicht vorgelegt.
Der Bf. gibt des Weiteren an, im Oktober 2017 die Entscheidung zum Verkauf des bisherigen Familienwohnsitzes in den USA getroffen zu haben. Entsprechende Unterlagen (Beauftragung eines Maklers) wurden nicht vorgelegt.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Zuerkennung der Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 Abs. 1 sowie Abs. 1a EStG 1988. Diesen Antrag hat der Bundesminister für Finanzen wegen Verspätung zurückgewiesen.
In seiner Beschwerde gegen diesen Zurückweisungsbescheid zog der Bf. seinen Antrag auf Beseitigung steuerlicher Mehrbelastungen gemäß § 103 Abs. 1 EStG 1988 zurück.
Beweiswürdigung:
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
Strittig ist im gegenständlichen Fall einzig, zu welchem Zeitpunkt sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. nach Österreich verlagert hat und damit, zu welchem Zeitpunkt der Zuzug des Bf. nach Österreich tatsächlich stattgefunden hat.
Gesetzesgrundlage
§ 103 EStG 1988 lautete vor dem Steuerreformgesetz 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015 (StRefG 2015/2016):
"Zuzugsbegünstigung
§ 103. (1) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens dieser Personen steuerliche Mehrbelastungen bei nicht unter § 98 fallenden Einkünften beseitigen, die durch die Begründung eines inländischen Wohnsitzes eintreten. Dabei kann auch die für eine Begünstigung in Betracht kommende Besteuerungsgrundlage oder die darauf entfallende Steuer mit einem Pauschbetrag festgesetzt werden.
(2) Abs. 1 ist auf Personen, die den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen aus Österreich wegverlegt haben, nur dann anzuwenden, wenn zwischen diesem Wegzug und dem Zuzug mehr als zehn Jahre verstrichen sind.
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, mit Verordnung näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde in öffentlichem Interesse gelegen ist."
Das StRefG 2015/2016 fügte in § 103 EStG 1988 folgenden Abs. 1a ein:
"(1 a) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft oder Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen, unabhängig von der Gewährung einer Begünstigung gemäß Abs. 1 aufgrund des Zuzugs für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Zuzugs einen Freibetrag in Höhe von 30% der zum Tarif besteuerten Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit festsetzen. Wird der Freibetrag gewährt, können daneben keine weiteren Betriebsausgaben, Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Zuzug stehen, geltend gemacht werden."
Zugleich wurde Abs. 2 auf die Fälle des Abs. 1 a ausgedehnt und Abs. 3 wie folgt neu gefasst:
"(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren betreffend die Erteilung der Zuzugsbegünstigung im Sinne des Abs. 1 und des Abs. 1 a mit Verordnung zu regeln. Dabei ist auch näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ebenso kann die Verordnung den sachlichen Umfang und die Dauer von Zuzugsbegünstigungen im Sinne des Abs. 1 regeln. In dieser Verordnung kann festgelegt werden, dass die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung im Sinne des Abs. 1 in Form der Anwendung eines Durchschnittssteuersatzes, der sich aus der tatsächlichen Steuerbelastung vor dem Zuzug ergibt, erfolgt. Dieser Steuersatz darf 15 % nicht unterschreiten."
Zuzugsbegünstigungsverordnung
Auf Basis der Bestimmung des § 103 Abs. 3 EStG 1988, BGBl I Nr. 118/2015, idF des StRefG 2015/2016 wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Zuzugsbegünstigungen (Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016 - ZBV 2016), BGBl. II Nr. 261/2016, erlassen.
Die am in Kraft getretene ZBV 2016 lautet auszugsweise:
"Antragstellung und Bescheid
§ 1 (1) Der Bundesminister für Finanzen kann auf Antrag der zuziehenden Person die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastungen (§ 103 Abs. 1 EStG 1988) und einen Zuzugsfreibetrag (§ 103 Abs. 1a EStG 1988) zuerkennen. Dem Antrag ist ein Verzeichnis im Sinne des § 7 Abs. 1 samt den dazugehörigen Nachweisen beizulegen.
(2) Der Antrag ist spätestens sechs Monate nach dem Zuzug einzubringen.
(3) Ist es dem Antragsteller nicht möglich, bei der Antragstellung alle erforderlichen Unterlagen (§ 7 Abs. 1) vorzulegen, kann der Bundesminister für Finanzen auf Antrag eine Frist zur Nachreichung der Unterlagen gewähren.
(4) Der Bundesminister für Finanzen hat über einen Antrag für die gesamte Dauer der Zuzugsbegünstigung (§ 6) abzusprechen. Im Fall der Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung durch Anwendung eines pauschalen Durchschnittssatzes ist auch die Höhe des Durchschnittssteuersatzes im Sinne des § 5 Abs. 1 festzusetzen.
[…]
Schluss und Übergangsbestimmungen
§ 10 (1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
(2) Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Zuzugsbegünstigungsverordnung, BGBl. II Nr. 102/2005, außer Kraft.
(3) Erfolgte der Zuzug vor dem , gelten folgende Übergangsbestimmungen:
1. Die gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 erforderliche Mindestvergütung gilt nicht.
2. Abweichend von § 5 erfolgt die Beseitigung der durch den Zuzug eintretenden steuerlichen Mehrbelastungen bei Personen, denen bereits eine Zuzugsbegünstigung gewährt wurde, durch Anwendung der im zuletzt ergangenen Bescheid vorgesehenen Entlastungsmethode.
3. Die Zuzugsbegünstigung ist für Zeiträume nach dem nicht zuzuerkennen, wenn die gesamte Dauer der Begünstigung 20 Jahre überschreiten würde.
4. § 6 Abs. 1 ist nicht anzuwenden."
Rechtzeitigkeit des Antrages auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988
Da der Bf. laut Verzeichnis gemäß § 7 Abs. 1 ZBV 2016 am - und somit nach dem - nach Österreich zugezogen ist, kommen die Übergangsbestimmungen des § 10 ZBV 2016 hier nicht zur Anwendung.
Die in § 1 Abs. 2 ZBV 2016 festgelegte Frist schließt Personen, die nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Zuzug den Antrag auf Zuzugsbegünstigung stellen, von der Zuerkennung der Begünstigung aus.
Der Bf. hat seinen Antrag auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 mit Eingabe vom gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die ZBV 2016 bereits in Kraft.
§ 1 Abs. 2 iVm § 10 ZBV 2016 ist verfassungs- und gesetzeskonform dahingehend auszulegen, dass Anträge betreffend Zuzüge vor dem innerhalb von sechs Monaten ab dem und Anträge für Zuzüge nach dem innerhalb von sechs Monaten ab Zuzug zu stellen sind.
Ausgehend von einem Zuzugszeitpunkt am wäre der Antrag im gegenständlichen Fall bis spätestens zu stellen gewesen. Da er erst am eingebracht wurde, hat ihn der Bundesminister für Finanzen als verspätet zurückgewiesen.
Zu prüfen ist in der Folge das Vorbringen des Bf., wonach er erst nach Ablauf des befristeten Dienstverhältnisses und positiver Eingewöhnung der Familie in Österreich im Oktober 2017 entschieden habe, den bisherigen Familienwohnsitz in den USA zu verkaufen und den Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Österreich zu verlagern, sodass von einem späteren Zuzugszeitpunkt auszugehen sei.
Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen
Laut Auskunft des Zentralen Melderegisters des Bundesministeriums für Inneres hat der Bf. am seinen Hauptwohnsitz an der Adresse Adresse, begründet.
Neben der Begründung eines inländischen Wohnsitzes bedingt der Zuzug im Sinne des § 103 EStG 1988 aber auch die Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Österreich (vgl. ). Im Hinblick auf den Zuzugszeitpunkt kommt es daher darauf an, wann sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. von den USA nach Österreich verlagert hat.
Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Bf. die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt.
Wirtschaftlichen Beziehungen, welche vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen ausgehen, kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen (vgl. ). Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt (vgl. Hofstätter - Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 1 Tz 9; ; ).
Begründet eine Person in einem Staat eine Wohnstätte, ohne ihre im anderen Staat schon bestehende Wohnstätte aufzugeben, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte beibehält, wo sie bisher gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten dafür sprechen, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat (vgl. , VwGH 16, 2013/15/0117).
Die Problematik des Beschwerdefalles besteht darin, dass es der Bf. verabsäumt hat, zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen - und damit zum maßgeblichen Sachverhalt als Beurteilungsgrundlage des Mittelpunktes der Lebensinteressen - ein substantiiertes Vorbringen zu erstatten.
Während es am Bf. gelegen wäre, die objektiv feststellbaren Umstände darzulegen, anhand derer die stärkeren wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen zum einen oder anderen Staat festzustellen wären, wiederholt der Bf. regelmäßig, zu welchem Zeitpunkt er entschieden habe, den Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Österreich zu verlagern. Dieses Vorbringen stellt jedoch kein Sachverhaltselement dar, sondern nimmt bereits die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes vorweg. Daran vermag auch der Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf das Verständigungsprotokoll zu Artikel 4 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-USA nichts ändern, zumal es nicht der Beurteilung des Steuerpflichtigen überlassen ist, welchen Wohnsitz er als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bezeichnet.
Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nicht zwangsläufig mit der Aufgabe des ehemaligen Familienwohnsitzes einhergehen muss (vgl. Bundesfinanzgericht , RV/7100403/2018), wären nachvollziehbare Umstände vorzubringen gewesen, welche gemeinsam mit der Beibehaltung der Familienwohnstätte in den USA dafür sprechen könnten, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht bereits vor Oktober 2017 nach Österreich verlagert wurde.
In diesem Zusammenhang wurde der Bf. im Rahmen des Parteiengehörs seitens der belangten Behörde aufgefordert, konkrete Umstände, die für die Beibehaltung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in den USA sprechen, in seinem Sinne vorzubringen und dementsprechende Nachweise zur Übersiedlung (Speditionsunterlagen) bzw. zum Einreisezeitpunkt der Familie (Flugtickets) vorzulegen, um diese rechtlich würdigen zu können.
Da der Sachverhalt zur Beurteilung des Zeitpunktes der Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen als Voraussetzungen für die Gewährung einer Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 Abs. 1a EStG nur im Zusammenwirken mit dem Bf. geklärt werden kann, kommt der Verpflichtung des Bf., zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen sowie alle objektiv feststellbaren Umstände offenzulegen, besondere Bedeutung zu. Kommt der Bf. seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, so kann es der belangten Behörde nicht zum Vorwurf gereichen, wenn sie sich auf den von ihr in einem eingehenden Ermittlungsverfahren festgestellten Sachverhalt stützt (siehe etwa ).
In seiner Eingabe vom hat der steuerliche Vertreter des Bf. deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Vorlage der Flugtickets für nicht entscheidungswesentlich erachtet und zu einer weitergehenden Mitwirkung nicht bereit ist.
Das Bundesfinanzgericht kann sich daher nur auf die ihm vorliegenden objektiv feststellbaren Umstände stützen und daraus in freier Beweiswürdigung ableiten, ab welchem Zeitpunkt eine ausreichende Bindung des Bf. an Österreich bestand, um eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen aus den USA nach Österreich annehmen zu können. Dabei genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. ; ).
Der Zuzug des Bf. aus den USA nach Österreich erfolgte nach eigenen Ausführungen am . Dieses Vorbringen ist im Hinblick auf die Auskunft des Zentralen Melderegisters, wonach der Bf. am in Österreich einen Hauptwohnsitz begründet hat, als unbestritten anzusehen.
Der wirtschaftliche Anknüpfungspunkt des Bf. zu Österreich bestand mit Beginn seines Dienstverhältnisses mit der **** GmbH Nfg. KG, am .
Für die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensbeziehungen kommt jedoch den persönlichen Beziehungen - und dort wiederum der Gestaltung des Familienlebens - der Vorrang zu (vgl. , mwN), sodass in Ermangelung anderer persönlicher Beziehungen zu den USA mit dem Nachzug der Familie des Bf. von einem Überwiegen der Beziehungen zu Österreich auszugehen ist.
Aus der Hauptwohnsitzmeldung der Ehefrau und der drei Kinder des Bf. am an der Wohnungsadresse des Bf. in *** und dem Bezug der Familienbeihilfe für die Kinder des Bf. ab Mai 2017 ist im Hinblick darauf, dass der Bezug der Familienbeihilfe bei US-amerikanischen Staatsbürgern den Aufenthalt der Kinder in Österreich voraussetzt, zu schließen, dass der Nachzug der Familie des Bf. im Mai 2017 erfolgte.
Aus dem Vorbringen des Bf., wonach der Familiennachzug im Juni 2017 erfolgt sei, und den vorgelegten Schulbesuchsbestätigungen seiner Kinder für Juni 2017, ist von einem Familiennachzug spätestens im Juni 2017 auszugehen.
Ein wichtiges Indiz in diesem Zusammenhang ist auch der Umstand, dass der Bf. mit seiner Familie im Juni 2017 von der Wohnungsadresse in *** in ein Haus in ** übersiedelt ist (vgl. Auskunft des Zentralen Melderegisters des Bundesministeriums für Inneres, Hauptwohnsitzmeldung der gesamten Familie vom ) und damit für die Wohnbedürfnisse einer größeren Familie vorgesorgt hat. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes spricht dies dafür, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die vom Bf. ins Treffen geführte positive Eingewöhnung der Familie in Österreich stattgefunden hat und die Entscheidung zum längeren Verbleib in Österreich getroffen wurde.
Persönliche Beziehungen zu den USA wurden seitens des Bf. nicht vorgebracht.
Der einzige ins Treffen geführte Anknüpfungspunkt zu den USA (im Zeitraum von 20. April und ) ist der ehemalige Familienwohnsitz in *****, dessen Verkauf laut Bf. erst nach Ablauf seines befristeten Dienstverhältnisses und positiver Eingewöhnung der Familie in Österreich im Oktober 2017 beschlossen worden sei.
Dazu ist festzustellen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in den USA allerdings nur dann für eine Beibehaltung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in den USA sprechen würde, wenn die Familie des Bf. weiterhin an dieser Adresse gewohnt hätte und auch der Bf. regelmäßig an diese Wohnstätte zurückgekehrt wäre; nur in diesem Fall könnte man von engeren persönlichen Beziehungen und damit von einem Mittelpunkt der Familie in den USA ausgehen. Im Beschwerdefall hingegen hat der Bf. seine Familie nicht in den USA zurückgelassen.
Wie bereits oben ausgeführt, hat der Bf. keinerlei substantiiertes Vorbringen über konkrete persönliche Beziehungen in den USA (die über persönliche Beziehungen in Österreich hinausgingen) erstattet. Dem gegenüber fällt als Anknüpfungspunkt an Österreich ins Gewicht, dass der Bf. hier gemeinsam mit seiner Familie lebt und die stärkste persönliche Beziehung im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt (; ).
Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes zeichnen daher die genannten Umstände ein Sachverhaltsbild, das in seiner Gesamtheit dafür spricht, dass die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Österreich bereits im Mai 2017, jedenfalls aber im Juni 2017 stattgefunden hat. Die Feststellung des konkreten Zuzugszeitpunktes im Mai oder Juni 2017 kann insofern unterbleiben, als sie für den Ausgang der Beschwerde keinen Unterschied macht.
Soweit der Bf. sein befristetes Dienstverhältnis ins Treffen führt, ist festzustellen, dass die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nicht davon abhängt, ob ein Risiko einer baldigen Rückkehr in die USA besteht. Auch wenn es im Hinblick auf die Ungewissheit betreffend die berufliche Zukunft des Bf. nachvollziehbar ist, dass dieser den ehemaligen Familienwohnsitz in den USA erst zu einem späteren Zeitpunkt verkaufte, hat die anfängliche Befristung des Dienstvertrages des Bf., welche eine übliche Unsicherheit im Berufsleben darstellt, keinen Einfluss auf die Beurteilung des Zeitpunktes der Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen, wenn - wie im Beschwerdefall - bei Abwägung der persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Bf. die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Österreich bereits stattgefunden hat. An dieser Beurteilung kann auch die Vorlage einer US-Ansässigkeitsbestätigung nichts ändern.
Mit dem Nachzug der Familie des Bf. nach Österreich spätestens im Juni 2017 erfolgte nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes die Verlagerung des Lebensmittelpunktes. Ab diesem Zeitpunkt ist von einem Überwiegen der Beziehungen des Bf. zu Österreich auszugehen.
Ausgehend von einem Zuzugszeitpunkt Ende Juni 2017 wäre der Antrag auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. EStG 1988 bis spätestens Ende Dezember 2017 zu stellen gewesen. Da er erst am eingebracht wurde, hat ihn der Bundesminister für Finanzen zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
III) Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Betreffend die Rechtsfrage der Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen orientierte sich das Bundesfinanzgericht an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur. Im Übrigen standen Sachverhaltsfragen im Mittelpunkt der vorliegenden Entscheidung, welche im Zuge der freien Beweiswürdigung zu beurteilen waren. Beweiswürdigungsfragen sind als solche einer ordentlichen Revision nicht zugänglich.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 103 Abs. 1a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102992.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at