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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.07.2020, RV/7104338/2017

Strittige berufliche Veranlassung von Ausgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Unger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Einkommensteuer 2015, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert, die einen Spruchbestandteil dieses Erkenntnisses bildet.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem hier angefochtenen Einkommensteuerbescheid des Jahres 2015 vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer infolge Nichtabgabe der Steuererklärung unter schätzungsweiser Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO , fest und errechnete eine Abgabennachforderung iHv 4.666 €.

In der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Beschwerdeführer an, er habe aus gesundheitlichen Gründen bislang noch keine Steuererklärung einreichen können, werde dies jedoch zeitnah nachholen.

Mit nachgereichter Steuererklärung für das Jahr 2015 samt einer Auflistung diversester Ausgaben ergänzte der Beschwerdeführer sein Beschwerdevorbringen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte die belangte Behörde den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahingehend ab, dass aus der Veranlagung der Einkommensteuer 2015 nunmehr eine Abgabengutschrift iHv 1.066 € resultierte. Neben der Erklärung, dass die beantragten außergewöhnlichen Belastungen im vorliegenden Fall nicht den Selbstbehalt übersteigen würden und ab einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 60.000 € nur mehr ein Sonderausgabenpauschale iHv 60 € zustehe, gab die belangte Behörde folgendes als Begründung an:

"Im Begleitschreiben zu Ihrer Beschwerde wurde angegeben, dass Sie die Kosten für den Arbeitsraum gemäß der BP um 50 % reduziert hätten. Ein Vergleich ergab, dass dies nicht der Fall war. Die Kosten wurden daher von amtswegen um den durch die BP festgestellten Wert verkürzt.

Dem Schreiben war eine ,Ausgabenliste' beigefügt, in der Sie Arbeitsmaterial und Fachliteratur anführen, welche als Aufwendungen für die private Lebensführung beurteilt werden müssen (vgl. UFS GZ RV/0109-G/06 ).

Die von Ihnen angegebenen Termine für Fortbildung wurden stichprobenweise überprüft. Die Überprüfung ergab, dass zu den von Ihnen angeführten Terminen keine Tagungen stattgefunden haben. Somit werden Ausgaben für Fortbildung sowie die damit verbundenen Reisekosten zur Gänze nicht anerkannt."

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer ua den hier gegenständlichen Vorlagenantrag und wendete sich hierin gegen die (teilweise) Nichtanerkennung von Ausgaben betreffend sein Arbeitszimmer, die in einer Ausgabenliste zusammengestellte Fachliteratur und seine Fortbildungstermine.

Mit Vorhalt vom forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer in Einräumung des Parteiengehörs zur Nachreichung folgender Unterlagen bzw Informationen auf:

"Sie werden ersucht eine genaue Auflistung sowie Zahlungsnachweise der Arbeitsmittel nachzubringen (genauer Titel und ISBN der Literatur, DVDs, Medien fur den Unterricht, Unterrichtsmaterial, Fachzeitschriften). Weiters wird ersucht, die Fortbildungstermine exakter aufzuzeigen (Titel der Veranstaltung, Ort, Dauer, Teilnahmebestatigung). Bei einigen Fortbildungsterminen findet sich kein Eintrag in der Reisekostenabrechnung, wie sind Sie zu diesen Terminen gelangt? Welches Verkehrsmittel wurde benutzt?"

In seiner Vorhaltsbeantwortung vom legte der Beschwerdeführer diverse Unterlagen vor, die jedoch allesamt das Jahr 2016 betrafen.

Mit Vorlagebericht vom nahm die belangte Behörde die Beschwerde- und Aktenvorlage gemäß § 265 BAO vor und führte hierin ua aus:

"Sachverhalt:

Der Einkommenssteuerbescheid 2015 wurde aufgrund einer Schätzung erlassen, da keine Erklärungen vom Pflichtigen eingelangt sind. Es wurde daraufhin Beschwerde erhoben. Der Pflichtige hat Ausgabenlisten sowie Reisekostenabrechnungen vorgelegt. Es wurden jedoch nicht alle geltend gemachten Ausgaben anerkannt, da eine Vielzahl zum Beispiel der angeführten Literatur keine ausschließlichen beruflichen Bedürfnisse befriedigt. Es wurden stichprobenartig zwei Fortbildungstermine überprüft und konnte zum angegebenen Datum keine Veranstaltung gefunden werden. Auch die Kosten des Arbeitszimmers wurden um 50% gekürzt. Es erging eine Beschwerdevorentscheidung. Es wurde dann ein Vorlageantrag eingebracht. Der Pflichtige wurde im Rahmen eines Vorhaltes ersucht sämtliche Arbeitsmittel und Fortbildungstermine genau auszuschlüsseln und nachzuweisen, um beurteilen zu können, welche Posten Anerkennung finden sollen.

[…]

Stellungnahme:

[…]

Das Parteiengehör wurde mit dem Vorhaltsersuchen gewahrt. Eine Anerkennung von Arbeitsmitteln als Werbungskosten konnte nicht erfolgen, da keine Vorhaltsbeantwortung für das Jahr 2015 erfolgte. […]"

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Für die vom Beschwerdeführer zur steuerlichen Berücksichtigung beantragten Ausgaben konnte im Verfahren nicht in vollem Umfang die berufliche Veranlassung nachgewiesen bzw ausreichend glaubhaft gemacht werden.

Beweiswürdigung

Zu dieser Sachverhaltsfeststellung gelangt das Bundesfinanzgericht aufgrund folgender Beweiswürdigung:

Die nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung hinsichtlich aller vom Beschwerdeführer beantragten Abzugsposten konnte aus den folgenden Gründen nicht nachgewiesen werden:

Gemäß § 115 Abs 1 zweiter Satz BAO wird die Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen eingeschränkt.

Die parlamentarischen Materialien führen hierzu ua aus (vgl ErläutRV 1660 BlgNR XXV. GP, 24):

Im Abgabenverfahren gilt grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz, demzufolge die materielle Wahrheit zu erforschen ist. Ungeachtet der im § 115 Abs. 1 erster Satz BAO umschriebenen amtswegigen Ermittlungspflicht haben auch die Abgabepflichtigen an der Wahrheitsfindung und Sachaufklärung mitzuwirken; ohne eine solche Mitwirkung der Abgabepflichtigen wäre die Erforschung der materiellen Wahrheit vielfach nicht möglich oder mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen im Wesentlichen in folgenden Fällen:

- wenn durch faktische Gegebenheiten oder rechtliche Schranken die amtswegige Ermittlung des Sachverhaltes eingeschränkt oder verhindert ist. Dies gilt

[…]

- wenn nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen kann.

- wenn der Abgabepflichtige zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt.

[…]

- wenn der Abgabepflichtige Begünstigungen oder Befreiungen in Anspruch nehmen möchte.

- wenn die Abgabenbehörde auf Antrag des Abgabepflichtigen tätig wird.

Die erhöhte Mitwirkungspflicht wird in allen von der Judikatur entwickelten Aspekten durch das Anfügen eines zweiten Satzes in § 115 Abs. 1 BAO in das Gesetz übernommen. Durch das Wort ,beispielsweise' wird klargestellt, dass nicht nur bei Auslandssachverhalten eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen besteht.

Die erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat beispielsweise zur Folge, dass es am Abgabepflichtigen liegt,

[…]

- bereits während der Geschäftstätigkeit dafür Vorsorge zu treffen, dass für das Abgabeverfahren erforderliche Urkunden und Dokumente verfügbar sind.

- alle relevanten Sachverhaltselemente so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind.

Eine Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat beispielsweise zur Folge, dass

- die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf.

- insoweit ein Anlass zur Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung vorliegt, als diese wegen der Pflichtverletzung nicht exakt ermittelt oder berechnet werden können.

- die Abgabenbehörde eine Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO verhängen kann.

- nur auf Antrag zustehende Begünstigungen nicht zuzuerkennen sind."

Der Beschwerdeführer hat es trotz mehrmaligen Vorhalts der belangten Behörde unterlassen, die allein in seiner Sphäre gelegenen, angeforderten Informationen und Unterlagen bereitzustellen. So wurde bereits den behördlichen Feststellungen in der Beschwerdevorentscheidung nur allgemein widersprochen, ohne jedoch detaillierte und konkrete Beweismittel vorzulegen. Im anschließenden Vorhalteverfahren wurden keinerlei Unterlagen vorgelegt, die das hier verfahrensgegenständliche Jahr 2015 betrafen und schließlich wurde auch gegen die abschließenden behördlichen Angaben im Vorlagebericht nicht von der damit eingeräumten Möglichkeit des Parteiengehörs Gebrauch gemacht und den klaren Ausführungen der belangten Behörde durch entsprechende nachgeholte Beweismittel entgegengetreten. Da somit der Beschwerdeführer jedenfalls drei Möglichkeiten der nach § 115 Abs 1 zweiter Satz BAO ihm obliegenden Beweisführung betreffend die berufliche Veranlassung der von ihm beantragten Abzugsposten ungenützt verstreichen ließ, war keine weitere Fortführung des Ermittlungsverfahrens mehr vonnöten.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsstellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Es muss ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der auf Einnahmenerzielung gerichteten außerbetrieblichen Tätigkeit und den Aufwendungen gegeben sein (vgl zB ).

Demgegenüber sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung selbst dann nicht abzugsfähig, wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Auf Grund der Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 sind Aufwendungen für typischerweise der Lebensführung dienende Wirtschaftsgüter, wenn sie gemischt, also zum Teil privat, zum Teil beruflich veranlasst sind, zur Gänze nicht abzugsfähig. Anderes gilt nur wenn fest steht, dass das betreffende Wirtschaftsgut (nahezu) ausschließlich beruflich genutzt wird (vgl zB , mwN).

Bei der Abgrenzung beruflich bedingter Aufwendungen von den Kosten der Lebensführung ist eine typisierende Betrachtungsweise derart anzuwenden, dass nicht die konkrete tatsächliche Nutzung, sondern die typischerweise zu vermutende Nutzung als allein erheblich angesehen werden muss. Als Ergebnis dieser gebotenen typisierenden Betrachtungsweise hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, dass zB die Anschaffung von Werken der Literatur oder Zeitschriften, die von allgemeinem Interesse oder für einen nicht fest abgrenzbaren Teil der Allgemeinheit mit höherem Bildungsgrad bestimmt sind, nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung begründen (vgl zB ).

Tonträger und andere Medien (hier insbesondere DVDs) betreffen in nicht untergeordnetem Ausmaß auch die private Lebensführung, da sie eine Teilnahme am Kulturleben vermitteln und eben diese Anteilnahme am Kulturleben dem Bereich der Lebensführung zuzuordnen ist, auch wenn sie Inspiration für die Berufstätigkeit erbringen (vgl. ; 94/13/0145; ). So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2002/13/0035 ua festgestellt, dass auch ein konkreter Einsatz eines Tonträgers zu beruflichen Zwecken diesem nicht die Eignung nimmt, seinem Eigentümer nach dessen Wahl in beliebiger Weise für den privaten Gebrauch zur Verfügung zu stehen. Für die im Beschwerdefall strittigen DVDs kann nichts anderes gelten.

Da im Beschwerdefall nicht für sämtliche der beantragten Ausgaben die vom Gesetz und der Rechtsprechung geforderte eindeutige und nahe ausschließliche berufliche Veranlassung durch den Beschwerdeführer nachgewiesen bzw ausreichend glaubhaft gemacht werden konnte, war die steuerliche Anerkennung der beantragten Werbungskosten nur in dem auch von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung zuerkannten Umfang vorzunehmen.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2015 war daher gemäß § 279 BAO zu Gunsten des Beschwerdeführers im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abzuändern.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (berufliche Veranlassung von Ausgaben) war, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht vor (vgl ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104338.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at