Das Erstellen von klinisch-psychologischen Verlässlichkeitsprüfungen im Zusammenhang mit der Erteilung einer Waffenbesitzkarte oder eines Waffenpasses stellt keine umsatzsteuerbefreite ärztliche Leistung gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 dar
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger sowie die fachkundigen Laienrichter Hermann Greylinger und Mag. Andrea Prozek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Erich Wolf, Biberstraße 10 Tür 6, 1010 Wien, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2015 bis 2017, Umsatzsteuerfestsetzung 06.2019 und Umsatzsteuerfestsetzung 10.2018-12.2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, in der Sitzung am in Anwesenheit der Schriftführerin Andrea Moravec zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles:
Die Beschwerdeführerin (Bf) führt eine klinisch-psychologische und psychotherapeutische Praxis. Im Zuge einer die Jahre 2010 bis 2014 umfassenden Außenprüfung wurde u.a. festgestellt, sie habe für die von ihr an Bewerbern um eine Waffenbesitzkarte oder einen Waffenpass durchgeführten Verlässlichkeitsprüfungen und für die darüber ausgestellten Gutachten die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 in Anspruch genommen. Dies sei zu Unrecht geschehen, weil solche Begutachtungen nicht der Betreuung der betreffenden Personen dienten.
Den gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2014 eingebrachten Beschwerden, in der sich die Bf vor allem auf eine Verwaltungsmeinung zu im Zusammenhang mit Lenkerberechtigungen erstellten verkehrspsychologischen Untersuchungen stützte, wurde mit Erkenntnis vom , RV/7101547/2017, Folge gegeben.
Mit Erkenntnis vom , Ra 2018/13/0055, hob der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf und führte nach Zitat des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH aus, bei den waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfungen handle es sich um keine Heilbehandlung.
Im fortgesetzten Verfahren erließ das Bundesfinanzgericht eine diesem Erkenntnis Rechnung tragende Entscheidung ().
Streitgegenständliches Verfahren:
Die belangte Behörde hatte die Umsatzsteuer für die Jahre 2015 bis 2017 mit vorläufigen Bescheiden erklärungsgemäß festgesetzt und in der Begründung ausgeführt, der Umfang der Abgabepflicht sei von den Ergebnissen eines noch nicht beendeten Rechtmittelverfahrens abhängig.
Mit Bescheiden vom wurde die Umsatzsteuer für die Jahre 2015 bis 2017 endgültig festgesetzt und die für die Erstellung der waffenpsychologischen Gutachten vereinnahmten Beträge der 20%-igen Umsatzsteuer unterzogen.
In den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheiden 10-12/2018 und 6/2019 setzte das Finanzamt ebenfalls Umsatzsteuer für die für die Erstellung von waffenpsychologischen Verlässlichkeitgutachten vereinnahmten Umsätze fest.
Fristgerecht erhob der steuerliche Vertreter der Bf gegen
• die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2015 bis 2017 vom und
• die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide 10-12/2018 und 6/2019 vom
Beschwerden und führte aus:
Betreffend die Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der erbrachten Dienstleistungen im Zusammenhang mit waffenpsychologischen Verlässlichkeitsgutachten gebe es einen lang anhaltenden Rechtsstreit und bedeutende umsatzsteuerrechtliche Unsicherheiten und Risiken - sowohl aus Sicht der Abgabenbehörden als auch aus Sicht der Normunterworfenen. Beispielsweise würden die Verwaltungspraxis (UStR 2000, Rz 946) und maßgebliche Vertreter der österreichischen Finanzverwaltung (Rößler, ÖStZ 2005, 537) die Umsatzsteuerfreiheit für die Dienstleistungen im Zusammenhang mit "verkehrspsychologischen Untersuchungen betreffend Lenkerberechtigungen" bejahen. Das Höchstgericht habe zudem bestätigt, dass das Gleiche für "waffenrechtliche Verlässlichkeitsprüfungen" gelten müsse (). Dennoch würden diese Gutachten umsatzsteuerlich nach der Verwaltungspraxis unterschiedlich behandelt.
Diese Ungleichbehandlung sei nach der Rechtsprechung sachlich nicht gerechtfertigt.
Unstrittig sei, dass zunächst umsatzsteuerbare Leistungen eines Steuerpflichtigen im Sinne von Artikel 4 Absätze 1 und 2 der "Mehrwertsteuer- Systemrichtlinie, RL 77/388 EWG idF 2006/112 des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem" vorlägen.
Strittig sei, ob die umsatzsteuerbaren Leistungen iSd Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der zitierten Richtlinie (unecht) umsatzsteuerfrei seien. Fraglich sei somit, ob die unechte Umsatzsteuerfreiheit gemäß der innerstaatlichen Umsetzung in § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 auf Leistungen im Zusammenhang mit waffenpsychologischen Verlässlichkeitsgutachten anwendbar sei oder nicht.
Die fragliche Steuerfreiheit basiere nämlich auf der zitierten Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie der Europäischen Union und diese verlange eine ärztliche oder eine sonstige Heilbehandlung. Die Heilbehandlung müsse nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar dem Schutz des Betroffenen dienlich sein (vgl. Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom in der Rechtssache C-307/01, Peter D'Ambrumenil, Dispute Resolution Services Ltd.).
Eingangs solle klargestellt werden, dass der Europäische Gerichtshof diese strittige Frage aus Sicht des steuerlichen Vertreters noch nicht endgültig und widerspruchsfrei geklärt habe. Zudem sei zu betonen, dass die Frage der waffenpsychologischen Zuverlässigkeit von Personen mit Bewilligungen im Zusammenhang mit Waffen für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung eine sehr hohe Bedeutung habe. Immer wieder komme es vor allem in den USA - aber auch in Österreich - zu Amokläufen mit Mord und Totschlag von unzuverlässigen Waffenbesitzern.
Die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen von ausgebildeten klinischen Psychologen für waffenpsychologische Zuverlässigkeitsgutachten und für sehr ähnliche Gutachten (zB verkehrspsychologische Gutachten zwecks Feststellung der Verkehrstauglichkeit der Probanden) sei ein jahrzehntelanger Streitpunkt zwischen Finanzverwaltung und Normunterworfenen. Die in den Umsatzsteuerrichtlinien dokumentierte Finanzverwaltungspraxis habe sich dabei mehrfach geändert. Gemäß der Randziffer 946 der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 (AÖF 2000/233, GZ 09 4501/58-IV/9/00 idF vor Wartungserlass 2016, GZ BMF 010219/0440-VI/4/2016 vom ) gehe die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 nicht dadurch verloren, dass der Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens von einem Dritten (zB Gutachten über den Gesundheitszustand im Zusammenhang mit einer Versicherungsleistung) erteilt werde. Im Wartungserlass 2016 sei eine Änderung erfolgt: Laut Rz 946 des Wartungserlasses fielen die Gutachtenstätigkeiten für ... "psychologische Persönlichkeitstests sowie die diesbezügliche Begutachtung im Zusammenhang mit dem Erwerb bzw. der Beibehaltung waffenrechtlicher Bewilligungen gem. § 8 Waffengesetz 1996, BGBl Nr. 12/1997 idgF iVm § 2 der 1. Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II. Nr. 164/1997" nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung.
Dessen ungeachtet habe das Bundesfinanzgericht in seinem (erg. die Bf betreffenden) Erkenntnis vom , ZI. RV/7101547/2017, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2014 festgestellt, dass diese Leistungen umsatzsteuerfrei seien, da diese psychologischen Untersuchungen zweifellos der Krankheitserkennung und letztlich dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen sowie auch der Gesundheit und Sicherheit der Allgemeinheit dienen würden.
Dieser Rechtsansicht habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/13/0055-6, widersprochen. Der Verwaltungsgerichthof habe darin die Umsatzsteuerpflicht festgestellt, da es in den vorliegenden Fällen um eine "Eignungsbescheinigung" gehe und nicht primär um eine Heilbehandlung der betroffenen Probanden (Rn 61 und Rn 64 des EuGH-Urteils). Wenn der Hauptzweck des Gutachtens die Entscheidungsfindung des Dritten (Auftraggeber des Gutachtens) sei, dann sei die Steuerbefreiung mangels Heilbehandlung nicht anwendbar. Eine Heilbehandlung für dritte Personen oder für den Schutz der Allgemeinheit sei für die unechte Steuerbefreiung nach dem Urteil des EuGH nicht ausreichend, der Schutz oder die Heilbehandlung müsse direkt der betroffenen und untersuchten Person zu Gute kommen.
Es werde in diesem Zusammenhang allerdings auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die umsatzsteuerrechtlich relevante Situation in der Rs. Peter D'Ambrumenil, Dispute Resolution Services Ltd., eine völlig andere als in dem gegenständlichen Sachverhalt sei. Im Urteil in der Rs. Peter D'Ambrumenil, Dispute Resolution Services Ltd. gehe es um einen praktischen Arzt, der Gutachten betreffend Kunstfehler, Körperverletzungen und Disziplinarverfahren erstelle (vgl Rn 9 des beigelegten Urteils).
Im beschwerdegegenständlichen Fall liege allerdings eine andere Situation vor. In den von der Bf erstellten Gutachten über die Verlässlichkeit für den Waffenbesitz sei die Diagnose und die klinische Therapie untrennbar mit der "Eignungs- und Nichteignungsbescheinigung" verbunden, die psychologisch-klinische Diagnose bzw. Therapie bilde daher mit den Eignungsprüfungen eine untrennbare Einheit im Rahmen eines einzigen Gutachtens. Eine Trennung der Dienstleistungen der Beschwerdeführerin in (umsatzsteuerfreie) Diagnose und Therapie und (umsatzsteuerpflichtige) Zertifizierungsleistungen sei in den vorliegenden Fällen nicht möglich. Der Europäische Gerichtshof sage in diesen Fällen - in welchen es um die Grenzziehung von Tätigkeiten einer bestimmten Person oder wenn es um die Beschränkungen der Tätigkeiten der bestimmten Person (der Besitz und/oder die Benützung von Waffen) gehe - dass die unechten Steuerbefreiungen des Art 13 Teil A Abs 1 Buchstabe c der Mehrwertsteuerrichtlinie Anwendung finden würden (vgl Rn 65 des zitierten Urteil des Gerichtshofes). Art 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie sei umgesetzt durch § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994.
Im gegenständlichen Fall sei die unechte Steuerbefreiung für Heilbehandlungen im Sinne des Art 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie und des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG daher inhaltlich und formell und uneingeschränkt anwendbar. Die rechtliche Subsumtion in den bekämpften Bescheiden sei daher unrichtig.
Der EuGH judiziere in aller Klarheit, dass das "Bescheinigen einer gesundheitlichen Eignung", wie zB der Reisefähigkeit, eine steuerbefreite Leistung im Rahmen der Heilbehandlung sei. Im gegenständlichen Fall gehe es um die gesundheitliche Eignung für den Besitz und die Benützung von Waffen. Gleiches müsse umsatzsteuerrechtlich auch gleich behandelt werden.
Es werde explizit festgehalten, dass die Erbringung von Dienstleistungen für die waffenpsychologischen Gutachten ausschließlich von Psychologen mit einer Zusatzausbildung (klinische Psychologen) zulässig sei und diese Gutachten jedenfalls direkt und unmittelbar auch der Heilbehandlung für die Patienten dienlich seien.
Darüber hinaus lägen Verfahrensfehler vor, da der für die zu lösende Frage zu beurteilende Sachverhalt - nämlich ob auch eine klinische Diagnose und/oder Therapie des Betroffenen mit dem Gutachten verbunden sei - gar nicht untersucht worden sei. Dieser Sachverhalt sei aber von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der umsatzsteuerlichen Frage. Da dieser entscheidungsrelevante Sachverhalt jedoch nicht ermittelt worden sei, lägen bedeutende Verfahrensfehler vor.
Die Abgabenbehörde zweiter Instanz sei jedenfalls auch für die Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes zuständig und habe in der Sache selbst zu entscheiden (§ 289 BAO). Die Tatsache, dass andere Behörden und Gerichte diese Frage schon beurteilt hätten, präjudiziere das Bundesfinanzgericht in keiner Weise.
Das Parteiengehör gemäß § 115 BAO sei ein umfassendes Recht des Steuerpflichtigen und dürfe nicht aus verwaltungsökonomischen Gründen eingeschränkt werden. Aus diesem Grund werde beantragt, zusätzliche Ermittlungsschritte für die Frage einzuleiten, ob und in welchem Ausmaß bei den waffenpsychologischen Zuverlässigkeitsprüfungen auch eine therapeutische Zielsetzung der Betroffenen im Sinne einer Heilbehandlung unmittelbar mit der Bescheinigung verbunden sei.
Die Beschwerdeführerin stelle im Falle einer für sie negativen Beurteilung der Umsatzsteuerpflichten für die Erbringung von Gutachten zur Feststellung der waffenrechtlichen Zulässigkeit den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge einen Antrag auf Vorabentscheidungsersuchen durch den Europäischen Gerichthof nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stellen. Das Ansuchen um Vorabentscheidung laute wie folgt:
"Ist die Steuerbefreiung des Art 13 Teil A Absatz 1 lit c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG vom in der aktuellen Fassung 2006/112 des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer für folgende Dienstleistungen anwendbar:
Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen von waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfungen eines speziell dafür ausgebildeten klinischen Psychologen oder einer klinischen Psychologin (psychologische Persönlichkeitstests sowie die diesbezügliche Begutachtung im Zusammenhang mit dem Erwerb bzw. der Beibehaltung waffenrechtlicher Bewilligungen gem § 8 Waffengesetz 1996, BGBl Nr. 12/1997 iVm § 2 der 1. Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl II Nr. 164/1997)?"
Es werde der Beschwerdeantrag gestellt, die festgesetzten Umsatzsteuerpflichten für die Jahre 2015 bis 2019 für die Erbringung von Dienstleistungen betreffend die waffenpsychologischen Gutachten in gesamter Höhe von EUR 50.840,62 zuzüglich Nebenabgaben (Säumniszuschläge) als gegenstandslos zu erklären.
Die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide 10-12/2018 und 6/2019 wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, die im Zusammenhang mit den waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfungen erstellten Gutachten seien nicht von der Umsatzsteuerbefreiung für Ärzte erfasst. Im Erkenntnis vom , Ra 2018/13/0055, führe der Gerichtshof aus, das vom Antragsteller beizubringende Gutachten sei Voraussetzung für die Erlangung oder das Behalten der Berechtigung und Grundlage für die behördliche Entscheidung darüber. Es werde nur erstellt, weil der Antragsteller oder Inhaber der waffenrechtlichen Urkunde eine Waffe besitzen oder allenfalls führen wolle und diene zweifellos dem Hauptzweck, ihm den vorgeschriebenen Nachweis der dafür erforderlichen Verlässlichkeit zu ermöglichen.
In dem höchstgerichtlichen Erkenntnis sei ersichtlich, dass ein Betroffener/Antragsteller vorrangig eine waffenrechtliche Berechtigung anstrebe oder nicht verlieren wolle. Dass der Zweck der gesetzlichen Voraussetzungen die Vermeidung von Selbst- und Fremdgefährdungen sei und die Gutachten damit "letztendlich" dem Schutz der Gesundheit dienten, löse sie nicht aus dem vorrangigen "Kontext".
Der VwGH beziehe sich dabei auf das D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services, C- 307/01, Rn 61 und 64.
Dass ein Verfahrensfehler bei der Beurteilung des Sachverhalts vorliege, könne nicht nachvollzogen werden. Nach den Aussagen des VwGH, der sich in seinem Erkenntnis auf das D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services, C-307/01, Rn 61, beziehe, sei, wenn die Leistung in der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens bestehe, das Hauptziel nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit der antragstellenden Person, auch wenn die Erbringung der Leistung Anforderungen an die medizinische Kompetenz stelle und für den Arztberuf typische Tätigkeiten wie die körperliche Untersuchung des Patienten oder die Prüfung seiner Krankheitsgeschichte umfasse. Hauptzweck jeder derartigen Leistung bleibe - so der Gerichtshof weiter - eine gesetzlich oder vertraglich vorgesehene Bedingung für die Entscheidungsfindung eines anderen zu erfüllen.
Dem Vorbringen, eine Trennung der Dienstleistungen (Diagnose bzw Therapie iVm Zertifizierungsleistungen) iSd oa EuGH-Urteil Rn 65 sei nicht möglich, sei entgegenzuhalten, dass aus der Rn 65 iVm oa VwGH-Erkenntnis Rn 4 klar ersichtlich sei, dass die Rn 65 darauf abziele, lediglich einer Bescheinigung über die körperliche Eignung gegenüber einem Dritten bzw. die Ermittlung des Gesundheitszustandes einer Person festzustellen.
Dass der Hauptzweck der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfungen dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen gelte, habe der VwGH in seinem og Erkenntnis in Rn 19 klar verneint.
Die Bf stellte fristgerecht einen Vorlageantrag betreffend Umsatzsteuerfestsetzung 10-12/2018 und 6/2019. Darin führte sie nach Wiederholung ihres Beschwerdevorbringens aus, dem Erkenntnis des , liege ein Missverständnis zu Grunde. Zutreffend und unstrittig sei, dass die Umsatzsteuerfreiheit der Heilbehandlung im Sinne der Mehrwertsteuer-Systemrichtline nicht nur eine indirekte Unterstützung für die Volksgesundheit der Allgemeinheit als Heilbehandlung im Sinne der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie erfordere, sondern dass dem Betroffenen faktisch mit dem Gutachten eine Heilbehandlung ermöglicht werde. Ob eine Diagnose oder Therapie nur auf Verlangen des Antragstellers gemäß § 3 Abs. 4 Waffengesetz-Durchführungsverordnung (BGBl II Nr. 164/1997) erfolge, sei für die betreffende umsatzsteuerliche Frage irrelevant.
Wenn die Bescheinigung über die körperliche Eignung darauf abziele, gegenüber einem Dritten (im gegenständlichen Fall der Behörde) geltend zu machen, dass der Gesundheitszustand einer Person bestimmten Tätigkeiten (im gegenständlichen Fall dem Erwerb und dem Besitz von Waffen) Grenzen setze oder diese nur unter bestimmten Umständen erlaube, so sei der Hauptzweck dieser Leistung der Schutz der Gesundheit des Betroffenen. Daher könne die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie auf eine solche Leistung durchaus Anwendung finden.
Eine Trennung der Dienstleistungen in eine steuerbefreite klinisch-therapeutische Diagnose bzw. Therapie und eine steuerpflichtige Bescheinigung sei nicht möglich. Sei eine Trennung nicht möglich und eine Heilbehandlung des Probanden Ziel der Bescheinigung, dann sei die Steuerfreiheit anzuwenden.
Darüber hinaus lägen auch Verfahrensfehler vor, da nicht untersucht worden sei, ob auch eine klinische Diagnose und/oder Therapie des Betroffenen mit dem Gutachten verbunden sei. Dies sei aber von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der umsatzsteuerlichen Frage.
Der Vorlageantrag sei auch deshalb erforderlich, weil es über diesen konkreten Sachverhalt noch keine Entscheidung des EuGH gebe. Die Bf, der Verwaltungsgerichtshof und das Finanzamt würden das schon mehrfach zitierte EuGH-Urteil in der Rs Ambrumenil und Dispute Services, welches allerdings nicht vergleichbar sei mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt, interpretieren.
Das Bundesfinanzgericht möge daher einen Antrag auf Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichthof nach Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stellen.
In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung wies die Bf darauf hin, dass jeder Begutachtung auch ein Therapievorschlag angehängt werde, an dem sich der Betroffene orientieren könne. Außerdem werde auf die Vergleichbarkeit der Gutachten betreffend Waffenberechtigung und Verkehrssicherheit hingewiesen. Es handle sich bei diesen Gutachten ausschließlich um klinisch-psychologische Gutachten; die durchgeführten Tests seien gleichartig.
Der Vertreter der Amtspartei führte aus, bei einer Heilbehandlung seien bereits Anhaltspunkte für eine Erkrankung gegeben, während die Untersuchung für den Bezug einer Waffenbesitzkarte ohne derartige Anhaltspunkte vorgesehen sei.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf führt eine klinisch-psychologische und psychotherapeutische Praxis. Sie führt ua waffenpsychologische Verlässlichkeitsprüfungen durch und erstellt Gutachten, die für die Erlangung bzw. das Behalten von waffenrechtlichen Berechtigungen nach dem Waffengesetz 1996 erforderlich sind.
Sie erklärte daraus die folgenden Erlöse:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
2015 | 2016 | 2017 | 10-12/2018 | 6/2019 |
125.805,40 € | 132.847,20 € | 45.309,00 € | 16.018,00 € | 9.045,83 € |
Die Umsatzsteuerveranlagung der Jahre 2015 bis 2017 erfolgte mit Bescheiden vom bzw. vorläufig, die strittigen Umsätze wurden erklärungsgemäß als steuerfrei behandelt.
Mit Bescheiden vom setzte die belangte Behörde die Umsatzsteuer für die Jahre 2015 bis 2017 endgültig fest und unterzog die für die Erstellung der waffenrechtlichen Gutachten vereinnahmten Beträge der 20%-igen Umsatzsteuer.
Beweiswürdigung
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die aktenkundigen Unterlagen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 in der Fassung AbgÄG 2012 sind die Umsätze aus Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Dentist, Psychotherapeut (...) durchgeführt werden, steuerfrei.
Nach Art. 132 Abs. 1 lit. c der am in Kraft getretenen Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem erfasst diese Steuerbefreiung "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden".
Streitentscheidend ist die Frage, ob die waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH unter den Begriff "Heilbehandlung" zu subsumieren sind.
Im Erkenntnis vom , 2018/13/0055, führte der Verwaltungsgerichtshof wie folgt aus:
"Zu Begutachtungen der strittigen Art kommt es, wenn Personen, die nicht Inhaber einer Jagdkarte sind, eine Waffenbesitzkarte oder einen Waffenpass beantragen (§ 8 Abs. 7 Waffengesetz 1996) oder später Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Inhaber einer waffenrechtlichen Urkunde nicht mehr verlässlich ist (§ 25 Abs. 2 Waffengesetz 1996). Das vom Antragsteller beizubringende Gutachten ist Voraussetzung für die Erlangung oder das Behalten der Berechtigung und Grundlage für die behördliche Entscheidung darüber. Es wird nur erstellt, weil der Antragsteller oder Inhaber der waffenrechtlichen Urkunde eine Waffe besitzen und allenfalls führen will, und dient zweifellos dem Hauptzweck, ihm den vorgeschriebenen Nachweis der dafür erforderlichen Verlässlichkeit zu ermöglichen."
Der EuGH traf im Urteil vom , D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services, C- 307/01, folgende Aussagen:
"Rn 61 Besteht nämlich die Leistung in der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens, ist das Hauptziel, auch wenn die Erbringung der Leistung Anforderungen an die medizinische Kompetenz des Erbringers stellt und für den Arztberuf typische Tätigkeiten wie die körperliche Untersuchung des Patienten oder die Prüfung seiner Krankheitsgeschichte umfassen kann, nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit der Person, über die das Gutachten erstellt wird. Eine solche Leistung, die die im Gutachtenauftrag gestellten Fragen beantworten soll, soll vielmehr einem Dritten den Erlass einer Entscheidung ermöglichen, die gegenüber dem Betroffenen oder anderen Personen Rechtswirkungen erzeugt. Zwar kann der Betroffene ein ärztliches Gutachten auch selbst veranlassen, und es kann Gleichwohl bleibt es der Hauptzweck jeder derartigen Leistung, eine gesetzlich oder vertraglich vorgesehene Bedingung für die Entscheidungsfindung eines anderen zu erfüllen, indem ein neues gesundheitliches Problem entdeckt oder eine frühere Diagnose berichtigt wird. Gleichwohl bleibt es der Hauptzweck jeder derartigen Leistung, eine gesetzlich oder vertraglich vorgesehene Bedingung für die Entscheidungsfindung eines anderen zu erfüllen. Für eine solche Leistung kann die Steuerbefreiungsregelung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie daher nicht gelten.
Rn 62 Demnach stellen Leistungen der in der Vorlagefrage Buchstaben d bis h beschriebenen Art auch dann keine "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" im Sinne des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie dar, wenn sie im Rahmen der Ausübung des Arztberufes erbracht werden. Der Zweck dieser Leistungen besteht nämlich in der Erstellung von Gutachten zum Gesundheitszustand einer Person, insbesondere zu Verletzungen oder Behinderungen, im Hinblick auf Verwaltungsverfahren, etwa über die Gewährung einer Kriegsrente, oder auf Schadensersatzklagen, etwa wegen ärztlicher Kunstfehler.
Rn 63 Besteht die Leistung in der Erstellung einer ärztlichen Eignungsbescheinigung wie beispielsweise der in der Vorlagefrage Buchstabe c genannten Bescheinigung über die Reisefähigkeit, ist für die Bestimmung des Hauptzwecks der Leistung der Kontext zu berücksichtigen, in dem sie erbracht wird.
Rn 64 Handelt es sich um eine Eignungsbescheinigung, deren Vorlage an einen Dritten Voraussetzung dafür ist, dass der Betroffene eine besondere berufliche Tätigkeit oder bestimmte Tätigkeiten ausüben kann, die eine gute körperliche Verfassung erfordern, so besteht der Hauptzweck der vom Arzt erbrachten Leistung darin, dem Dritten die Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Eine solche ärztliche Leistung zielt nicht in erster Linie auf den Schutz der Gesundheit der Person ab, die eine bestimmte Tätigkeit ausüben möchte, und ist daher nicht nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreit.
Rn 65 Zielt jedoch das Ausstellen einer Bescheinigung über die körperliche Eignung darauf ab, gegenüber einem Dritten geltend zu machen, dass der Gesundheitszustand einer Person bestimmten Tätigkeiten Grenzen setzt oder diese nur unter besonderen Bedingungen erlaubt, so ist Hauptzweck dieser Leistung der Schutz der Gesundheit des Betroffenen. Daher kann die Steuerbefreiungsregelung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie auf eine solche Leistung Anwendung finden."
Nach der Rechtsprechung des EuGH erfasst die Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 lit c MwST-RL nicht alle Leistungen, die im Rahmen der Ausübung ärztlicher oder arztähnlicher Berufe erbracht werden können, sondern nur die Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin. Darunter versteht der EuGH die Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung. Im Wesentlichen wird der Begriff "Heilbehandlung" mit "Schutz einschließlich Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit" gleichgesetzt (siehe Ruppe/Achatz, UStG5, § 6 Tz 417/10).
Das Beschwerdevorbringen, dass die Verwaltungspraxis (UStR 2000, Rz 946) und maßgebliche Vertreter der österreichischen Finanzverwaltung (Rößler, ÖStZ 2005, 537) die Umsatzsteuerfreiheit für die Dienstleistungen im Zusammenhang mit "verkehrspsychologischen Untersuchungen betreffend Lenkerberechtigungen" bejahen würden und der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/13/0055, ausgesprochen habe, dass das Gleiche für "waffenrechtliche Verlässlichkeitsprüfungen" gelten müsse, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. In dem angesprochenen Erkenntnis führte der Gerichtshof vielmehr wörtlich aus: "Eine Verwaltungsmeinung zu verkehrspsychologischen Untersuchungen, über die sich wohl Ähnliches sagen ließe, kann daran nichts ändern." Die streitgegenständlichen Gutachten dienen zweifellos dem Hauptzweck, dem Antragsteller den vorgeschriebenen Nachweis der für die Erlangung bzw. das Behalten einer waffenrechtlichen Berechtigung erforderlichen Verlässlichkeit zu ermöglichen.
Der Bf ist zuzustimmen, dass die Frage der waffenpsychologischen Zuverlässigkeit von Personen mit Bewilligungen im Zusammenhang mit Waffen für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung eine sehr hohe Bedeutung hat. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Eignungsprüfung eine Heilbehandlung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH darstellt. Den streitgegenständlichen Gutachten liegt ein Antrag zugrunde, weil der Antragsteller oder Inhaber der waffenrechtlichen Urkunde eine Waffe besitzen und allenfalls führen will. Die antragstellende Person zielt vorrangig darauf ab, den vorgeschriebenen Nachweis der dafür erforderlichen Verlässlichkeit zu erbringen. Der Verwaltungsgerichtshof spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Vermeidung von Selbst- und Fremdgefährdungen die Gutachten nicht aus dem vorrangigen "Kontext" einer waffenrechtlichen Berechtigung, die der Betroffene anstrebt oder nicht verlieren will, löst.
Wenn die Bf vorbringt, dass die Gutachten über die Verlässlichkeit für den Waffenbesitz die Diagnose und die klinische Therapie verbinden, die psychologisch-klinische Diagnose bzw. Therapie mit den Eignungsprüfungen eine untrennbare Einheit darstellten, so ist ihr entgegenzuhalten, dass der EuGH seine Beurteilung auf den primären Zweck der ärztlichen Tätigkeit stützt. Dass der Hauptzweck der vorliegenden Gutachten nicht in der Diagnose und der klinischen Therapie besteht, wurde bereits dargestellt. Auch der Hinweis auf die Rn 65 des zitierten EuGH-Erkenntnisses ist nicht zielführend, weil auch in dieser Randnummer auf den Hauptzweck der ärztlichen Tätigkeit abgestellt und nur für den Fall, dass der Hauptzweck der Schutz der Gesundheit des Betroffenen ist, die Steuerfreiheit bejaht wird. Im vorliegenden Fall wurde jedoch wiederholt ausgeführt und auch vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass der Hauptzweck darin besteht, dem Antragsteller oder Inhaber der waffenrechtlichen Urkunde den Besitz einer Waffe zu ermöglichen. Das Interesse der antragstellenden Person zielt vorrangig darauf ab, den vorgeschriebenen Nachweis der dafür erforderlichen Verlässlichkeit erbringen zu können.
Den Ausführungen der Bf, es lägen Verfahrensfehler vor, da der zu beurteilende Sachverhalt - nämlich ob auch eine klinische Diagnose und/oder Therapie des Betroffenen mit dem Gutachten verbunden sei - gar nicht untersucht worden sei, ist entgegenzuhalten, dass dahingehende Ermittlungen nichts am Hauptzweck der waffenpsychologischen Gutachten zu ändern vermögen. Dieser liegt - wie dies der Verwaltungsgerichtshof unmissverständlich in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/13/0055, ausgeführt hat - darin, einem Antragsteller oder Inhaber der waffenrechtlichen Urkunde, der eine Waffen besitzen und allenfalls führen will, den gesetzlich vorgeschriebenen Nachweis der dafür erforderlichen Verlässlichkeit zu ermöglichen. Der Hauptzweck der Gutachtenserstellung besteht somit in der Erfüllung einer gesetzlich oder vertraglich vorgesehenen Bedingung für die Entscheidungsfindung eines anderen, selbst wenn im Zuge der Eignungsprüfung ein gesundheitliches Problem entdeckt oder eine frühere Diagnose berichtigt wird. Ob und in welchem Ausmaß bei den waffenpsychologischen Zuverlässigkeitsprüfungen auch eine therapeutische Zielsetzung der Betroffenen im Sinne einer Heilbehandlung unmittelbar mit der Bescheinigung verbunden ist, ist nicht streitentscheidend, weil das Hauptziel der Gutachtenserstellung nicht der Schutz und die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit des Antragstellers, sondern vorrangig die Erlangung bzw. das Behalten einer waffenrechtlichen Berechtigung ist.
Durch Art 234 EGV wird dem Europäischen Gerichtshof die Zuständigkeit für die Auslegung des gesamten EG-Primär- und Sekundärrecht eingeräumt. Alle mitgliedstaatlichen Gerichte - die zur direkten Anwendung des EU-Rechts verpflichtet sind - können, wenn sie Zweifel im Hinblick auf die Auslegung einer Vorschrift des EU-Rechts haben, die sie in einem anhängigen Verfahren anzuwenden haben, den Europäischen Gerichtshof ersuchen, eine verbindliche Auslegung vorzunehmen (Vorlage an den Europäischen Gerichtshof). Mitgliedstaatliche Gerichte, die in dem konkreten Verfahren als letzte Instanz fungieren, sind verpflichtet, solche Auslegungsfragen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Der Europäische Gerichtshof trifft seine Auslegungsentscheidung als so genannte Vorabentscheidung. Die von ihm gewählte Auslegung der betreffenden EG-rechtlichen Norm wird damit für alle Mitgliedstaaten und damit auch für das vorlegende Gericht verbindlich.
In zahlreichen Urteilen judiziert der Europäische Gerichtshof, dass Ausnahmen eng auszulegen sind. Die enge Auslegung von Ausnahmen ergibt sich regelmäßig aus dem Umstand, dass der EuGH den Grundregeln des Gemeinschaftsrechtes möglichst weiten Anwendungsbereich einräumen will (Achatz/Tumpel, EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, Seite 44).
Die Vorlage einer unionsrechtlichen Rechtsfrage an den EuGH durch ein letztinstanzliches nationales Gericht gemäß Art 267 Abs. 3 AEUV ist nur dann zwingend geboten, wenn sich im Verfahren vor dem Gericht eine Frage der Auslegung einer Handlung der Organe der Union stellt, deren Beantwortung für die Entscheidung in der Sache notwendig ist und kein "acte clair" oder "acte eclaire" vorliegt (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0078); eine derartige Auslegungsfrage ist jedoch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Eine Vorlagepflicht trifft jedes Gericht, gegen dessen Urteil in einem konkreten Verfahren kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig ist. Die Bescheide des Bundesfinanzgerichts können jedoch mit außerordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden, daher liegt lediglich eine Vorlageberechtigung, und keine Vorlageverpflichtung vor.
Für das Bundesfinanzgericht besteht daher aufgrund der vorhin dargelegten Gründe kein Zweifel, dass der VwGH den Begriff "Heilbehandlung" richtlinienkonform ausgelegt hat, und sieht sich daher nicht veranlasst, ein Vorabentscheidungsverfahren zur Klärung dieser Frage durch den Europäischen Gerichtshof anzuregen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, ob die Erstellung von Gutachten im Zusammenhang mit waffenpsychologischen Eignungstests unter den Begriff der Heilbehandlung zu subsumieren ist, gibt es einheitliche Judikatur des EuGH und des VwGH. Das gegenständliche Erkenntnis weicht von dieser Judikatur nicht ab, eine Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101306.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
TAAAC-25197