Ohne Prüfungsantritte kein ernsthaft betriebenes Studium
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend Rückforderungvon Familienbeihilfe für den Zeitraum September 2016 August 2017 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum September 2016 bis August 2017 mit der Begründung zurückgefordert, dass das Studium offenbar nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben worden sei, da für diesen Zeitraum keine Prüfungsantritte nachgewiesen worden seien.
In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin (Bf.) vor, dass die
die Familienbeihilfe für diesen Zeitraum nachbezahlt worden sei, weil sie den Studienerfolgsnachweis erbracht habe.
Mit Vorhalten vom und wurde die Bf. aufgefordert, Bestätigungne über im Jahr 2016/2017 abgelegte Prüfungen vorzulegen.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte die belangte Behörde begründend folgendes aus:
"Bei Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305/1992, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die
vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die
vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.
Die Aufnahme als ordentliche Hörerin oder ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr.
Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig
betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der
Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen
innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.
Sie haben 09/2015 das Bachelorstudium Informatik an der FH Wiener Neustadt begonnen. Die
Exmatrikulation erfolgte am . Gemäß den vorgelegten Unterlagen erfolgten keine
Prüfungen im Wintersemester 2016/17 und Sommersemester 2017.
Die bloße Inskription eines Studiums ist für den Bezug von Familienbeihilfe nicht ausreichend, das Ablegen von Prüfungen ist wesentlicher Bestandteil der Berufsausbildung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem die Bf, vorbrachte, sie sei in diesem Zeitraum noch immer ordentliche Studentin gewesen und dass sie allen erforderlichen Beweisen nachgekommen sei. Weiters werde bis zum der erforderliche Studiennachweis für die Jahre 2016 sowie 2017 erbracht.
Per E-Mail des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Bf. nochmals ersucht, Prüfungsantritte im Studienjahr 2016/2017 bis zum nachzuweisen und wurde darauf hingewiesen, dass diese Frist auf Grund des bereits mehrmaligen erfolglosen Ersuchens durch die belangte Behörde nicht verlängerbar sei.
Eine Antwort erfolgte bis dato nicht.
Von der belangten Behörde wurde per E-Mail vom ein Studienerfolgsnachweis der FH Wiener Neustadt betreffend das 5. Semester übermittelt, in dem die Bf. 16 ECTS Punkte erreicht hat, sowie ein Nachweis der Exmatrikulation per
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf.) begann im Wintersemester 2015 das Studium der Informatik an der FH Wiener Neustadt.
Im Wintersemester 2016 und im Sommersemester 2017 befand sie sich somit im dritten und vierten Semester des Studiums. In diesem Zeitraum wurden keine Prüfungen abgelegt.
Am endete das Studium durch Exmatrikulation.
Der Eigenanspruch der Bf. steht außer Streit.
Beweiswürdigung
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten.
Ein weiterer Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes, Prüfungsantritte für das Studienjahr 2016/2017 nachzuweisen, nachdem bereits zweimal ein entsprechender Vorhalt durch die belangte Behörde ergangen war, blieb unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 in der für den Streitzeitraum gültigen Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.
Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
Gemäß 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG 1967 FB gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der FB ein KAB von monatlich € 58,40 für jedes Kind zu. Wurden KAB-e zu Unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden.
Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Bei einer Berufsausbildung im Rahmen eines Studiums, d.h. bei Besuch einer in § 3 Studienförderungsgesetz (StudFG) 1992 genannten Einrichtung, sind die Anspruchsvoraussetzungen nur dann erfüllt, wenn die im zweiten bis letzten Satz des § 2 Abs. 1 lit b FLAG näher festgelegten Voraussetzungen vorliegen. Nach dieser Bestimmung gelten die im StudFG 1992 angeführten Regelungen auch für die Gewährung der FB. Anspruch auf FB besteht daher nur dann, wenn nach § 16 StudFG 1992 ein günstiger Studienerfolg vorliegt. Ein günstiger Studienerfolg liegt vor, wenn der Studierende
1. sein Studium zielstrebig betreibt,
2. die vorgesehene Studienzeit nicht wesentlich überschreitet und
3. Nachweise über die erfolgreiche Absolvierung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen vorlegt (§§ 20 bis 25 StudFG).
Als Anspruchsvoraussetzung für den Studienbeginn bzw. das erste Studienjahr gilt die Aufnahme als ordentlicher Hörer.
Erst ab dem zweiten Studienjahr ist als Anspruchsvoraussetzung die Ablegung bestimmter Prüfungen für das vorhergehende Studienjahr nachzuweisen.
Als Zeiten der "Berufsausbildung" im Sinne des FLAG können aber nur solche Zeiten gelten, in denen aus den objektiv erkennbaren Umständen darauf geschlossen werden kann, dass eine Ausbildung für den Beruf auch tatsächlich erfolgt ist. Das Vorliegen rein formaler Erfordernisse ist nicht ausreichend. Die Zulassung an einer Hochschule bzw. die Bestätigung über die Meldung zu einem Studium (vormals: Inskription) ist als reiner Formalakt nicht geeignet, eine Berufsausbildung im genannten Sinne nachzuweisen und somit den Anspruch auf die Familienbeihilfe zu begründen (, , sowie -I/13).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach judiziert, dass der Familienbeihilfenanspruch für volljährige Kinder zur Voraussetzung hat, dass das volljährige Kind in Berufsausbildung steht. Eine Berufsausbildung liegt dann vor, wenn der Studierende sich nach außen erkennbar ernstlich und zielstrebig um den Studienfortgang und den Studienabschluss bemüht. Ein derartiges Bemühen manifestiert sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur im laufenden Besuch der angebotenen Lehrveranstaltungen, sondern und insbesondere auch dadurch, dass die Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, abgelegt werden () bzw zu diesen zumindest angetreten wird ().
Alleine der laufende Besuch von Lehrveranstaltungen reicht somit nicht aus, um eine Berufsausbildung annehmen zu können (zB ). Das Ablegen von Prüfungen, die in einem Hochschulstudium nach der jeweiligen Studienordnung vorgesehen sind, stellt einen essentiellen Bestandteil des Studiums und somit der Berufsausbildung selbst dar ().
Studierenden wird im ersten Studienjahr eine Eingewöhnungsphase zugestanden, in der einerseits die Eignung für das gewählte Studium erforscht werden und andererseits eine Gewöhnung an den Studien- und Prüfungsbetrieb erfolgen kann.
Aus diesem Grund ist für die Beihilfengewährung ab dem zweiten Studienjahr auch nur der Nachweis eines minimal zu bezeichnenden Studienerfolges erforderlich. Daraus ergibt sich aber auch, dass das Studium selbst überhaupt betrieben werden muss. Wird das Studium überhaupt nicht (wenigstens ernsthaft) betrieben, sondern liegt nur eine rein formelle Fortsetzungsbestätigung vor, kann von einer Berufsausbildung nicht gesprochen werden(siehe auch ).
Entgegen der Ansicht der Bf. genügt es daher nicht, "ordentliche Studentin" zu sein, wenn nicht durch Prüfungsantritte nachgewiesen wird, dass das Studium tatsächlich betrieben wird.
Da für den Zeitraum September 2016 bis August 2017 keine Prüfungsantritte nachgewiesen wurden, erfolgte die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen zu recht.
Wenn die Bf. auf ihre schwierige finanzielle Lage verweist, so gibt es grundsätzlich die Möglichkeit beim Finanzamt einen Antrag auf Nachsicht gem. § 236 BAO zustellen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Was unter Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zu verstehen ist, war bereits mehrfach Gegenstand von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes, sodass die ordentliche Revision auszuschließen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102520.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at