Tatsächliche Werbungskosten statt Berufsgruppenpauschale (Hausbesorger)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Unger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, ([Steuernummer]) über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer 2016, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
In ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 beantragte die Beschwerdeführerin ua die Berücksichtigung von Urlaubs- und Krankenstandsvertreterentschädigungen iHv 14.983,40 € als sonstige Werbungskosten (KZ 724). Gleichzeitig beantragte sie das Berufsgruppenpauschale für Hausbesorger.
Im hier angefochtenen Einkommensteuerbescheid des Jahres 2016 berücksichtigte die belangte Behörde erklärungskonform das Berufsgruppenpauschale für Hausbesorger iHv 3.504 €, die beantragten sonstigen Werbungskosten iHv 14.983,40 € wurden jedoch nicht berücksichtigt und dies wie folgt begründet:
"Mit dem Pauschbetrag sind sämtliche Aufwendungen abgegolten. Zusätzliche Werbungskosten können auf Grund der Verordnung zu den Bestimmungen des § 17 Abs.6 EStG 1988 nicht berücksichtigt werden."
Im Zuge ihrer Beschwerde erklärte die Beschwerdeführerin, die tatsächlichen Werbungskosten anstelle des Berufsgruppenpauschales für Hausbesorger geltend machen zu wollen und legte hierzu diverse Bestätigungen der jeweiligen Vertreter über den Erhalt von Zahlungen bei.
Die belangte Behörde trug der Beschwerdeführerin mittels Ergänzungsersuchen die Vorlage einer vollständigen und leserlichen Aufstellung der Namen ihrer Hausbesorgervertreter samt Versicherungsnummer, vollständigen Adresse sowie des genauen Zeitraumes, in dem die jeweilige Vertretungsperson für die Beschwerdeführerin tätig war, auf. Weiters wurde zum Nachweis des Zahlungsflusses die lückenlose Vorlage von Kontoauszügen abverlangt, um die Voraussetzungen für die Anerkennung als Werbungskosten überprüfen zu können. Die belangte Behörde wies ausdrücklich darauf hin, dass im vorliegenden Fall gemäß § 115 BAO eine erhöhte Mitwirkungs-, sowie Beweismittelbeschaffungspflicht des Steuerpflichtigen bestehe und die Beschwerde abzuweisen wäre, sollten die oben angeführten Unterlagen nicht oder nur teilweise beigebracht werden.
Die Beschwerdeführerin antwortete fristgerecht auf das Ergänzungsersuchen. Sie legte jedoch keine neuen Beweismittel vor, sondern legte die im Zuge der Beschwerde bereits vorgelegten Unterlagen neuerlich bei.
In Folge erließ die belangte Behörde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und begründete diese wie folgt:
"Gemäß § 115 BAO besteht eine erhöhte Mitwirkungs-, sowie Beweismittelbeschaffungspflicht des Steuerpflichtigen. Da die Behörde für die Erledigung des Beschwerdeverfahrens auf Ihre Mithilfe angewiesen ist, erging am ein Ergänzungsersuchen an Sie. Da Sie diesem Vorhalt bis zur Beantwortungsfrist () nicht entsprochen haben (ledigliche Vorlage der bereits bei Einreichung der Beschwerde beigelegte Urlaubs-/Krankenstandsvertretungen), der belegsmäßige Nachweis jedoch für die Klärung des Sachverhalts von großer Wichtigkeit gewesen wäre, war Ihre Beschwerde wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht abzuweisen."
Mit als Vorlageantrag erkennbaren "Ansuchen um neuerliche Prüfung des Einkommensteuerbescheides 2016" gab die Beschwerdeführerin an, alle ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen der belangten Behörde bereits übermittelt zu haben.
Mit Vorlagebericht vom nahm die belangte Behörde die Beschwerde- und Aktenvorlage gemäß § 265 BAO vor und führte hierin als Stellungnahme ua aus:
"Die Bf. begehrt (nach den eingereichten Bestätigungen) insgesamt € 13.266,54, wovon € 3.913,36 auf Familienangehörige ([Tochter der Bf] und [Sohn der Bf]) der Bf. entfallen.
An den von der Bf. vorgelegten Bestätigungen der Vertreter ist Folgendes auffällig:
Im Zeitraum vom bis zum waren sieben verschiedene Vertreter gleichzeitig im Objekt [Nummer] tätig. Dies erscheint absolut überzogen, weshalb davon ausgegangen wird, dass der auf den Bestätigungen aufscheinende Zeitraum nicht den Zeitraum darstellt in dem der jeweilige Vertreter tätig war, sondern den Zeitraum wiedergibt in dem die Bf. ihre Tätigkeit nicht verrichtete. Daraus würde aber folgen, dass nicht nachvollziehbar ist welcher Vertreter wie lange als Vertreter tätig war. Dies macht eine Plausibilitätskontrolle der Höhe der angeblich geleisteten Zahlungen aber unmöglich. Geht man im Gegensatz dazu weiter davon aus, dass der auf den Bestätigungen aufscheinende Zeitraum den Zeitraum wiedergibt in dem der jeweilige Vertreter tätig war, stellt sich ebenfalls die Frage nach der Höhe der Zahlungen. So hätte beispielsweise die Tochter der Bf., [Tochter der Bf], für einen Tag () als Vertreterin € 730,00 erhalten, während andere Vertreter, wie beispielsweise [V1] für eine fast zwei monatige Tätigkeit, ebenfalls € 730,00, erhalten haben. Einem Fremdvergleich würde die Zahlung an die Tochter also nicht standhalten. Selbiges gilt für die Zahlung an [Sohn der Bf], der für den Zeitraum - mit € 2.234,06 wesentlich mehr ausbezahlt bekam als andere Vertreter die im selben Zeitraum tätig waren. Die vorgelegten Bestätigungen sind somit nicht nachvollziehbar und der Bf. gelang es damit nicht, die von ihr begehrten Aufwendungen glaubhaft zu machen.
Allerdings ist auch nicht davon auszugehen, dass die Bf. im Jahr 2016 überhaupt keine Zahlungen an Vertreter leistete. Die Werbungskosten sind deshalb im Schätzungsweg nach § 184 BAO mit € 3.504,00 (Höhe der Hausbesorgerpauschale) festzusetzen (siehe zu dieser Vorgehensweise )."
Eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu den Ausführungen der belangten Behörde im Vorlagebericht erfolgte bis dato nicht.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Beschwerdeführerin bezog im Beschwerdejahr 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Hausbesorgerin.
Die als tatsächliche Werbungskosten beantragten Entschädigungen für Urlaubs- und Krankenstandsvertretungen konnten von der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht nachgewiesen oder ausreichend glaubhaft gemacht werden.
Beweiswürdigung
Zu dieser Sachverhaltsfeststellung gelangt das Bundesfinanzgericht aufgrund folgender Beweiswürdigung:
Die als tatsächliche Werbungskosten beantragten Entschädigungen für Urlaubs- und Krankenstandsvertretungen konnten von der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht nachgewiesen werden:
Gemäß § 115 Abs 1 zweiter Satz BAO wird die Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen eingeschränkt.
Die parlamentarischen Materialien führen hierzu ua aus (vgl ErläutRV 1660 BlgNR XXV. GP, 24):
"Im Abgabenverfahren gilt grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz, demzufolge die materielle Wahrheit zu erforschen ist. Ungeachtet der im § 115 Abs. 1 erster Satz BAO umschriebenen amtswegigen Ermittlungspflicht haben auch die Abgabepflichtigen an der Wahrheitsfindung und Sachaufklärung mitzuwirken; ohne eine solche Mitwirkung der Abgabepflichtigen wäre die Erforschung der materiellen Wahrheit vielfach nicht möglich oder mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen im Wesentlichen in folgenden Fällen:
- wenn durch faktische Gegebenheiten oder rechtliche Schranken die amtswegige Ermittlung des Sachverhaltes eingeschränkt oder verhindert ist. Dies gilt
[...]
- wenn nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen kann.
- wenn der Abgabepflichtige zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt.
[...]
- wenn der Abgabepflichtige Begünstigungen oder Befreiungen in Anspruch nehmen möchte.
[…]
Die erhöhte Mitwirkungspflicht wird in allen von der Judikatur entwickelten Aspekten durch das Anfügen eines zweiten Satzes in § 115 Abs. 1 BAO in das Gesetz übernommen. Durch das Wort 'beispielsweise' wird klargestellt, dass nicht nur bei Auslandssachverhalten eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen besteht.
Die erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat beispielsweise zur Folge, dass es am Abgabepflichtigen liegt,
[…]
- bereits während der Geschäftstätigkeit dafür Vorsorge zu treffen, dass für das Abgabeverfahren erforderliche Urkunden und Dokumente verfügbar sind
- alle relevanten Sachverhaltselemente so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind.
Eine Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat beispielsweise zur Folge, dass
- die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf.
- insoweit ein Anlass zur Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung vorliegt, als diese wegen der Pflichtverletzung nicht exakt ermittelt oder berechnet werden können.
[...]"
Trotz der zweifelsfreien und konkreten Aufforderung der belangten Behörde an die Beschwerdeführerin zur Sachaufklärung und Beischaffung von Beweismitteln, hat die Beschwerdeführerin es unterlassen, ihrer erhöhten Mitwirkungspflicht zu entsprechen und die angeforderten Informationen der belangten Behörde bekannt zu geben.
Erschwerend tritt hinzu, dass sich auch gegen die ausdrücklichen und unmissverständlichen behördlichen Feststellungen der Beschwerdevorentscheidungen und des Vorlageberichtes, denen beiden ebenso Vorhaltscharakter zukommt (vgl bereits Stoll, BAO -Kommentar, 2713 samt Judikaturnachweisen und zB ), keinerlei Entgegnungen der Beschwerdeführerin samt (nachgeholter) Beweismittel finden.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsstellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen (§ 16 Abs 1 EStG 1988). Nach dem dritten Absatz dieser Bestimmung ist für Werbungskosten, die bei nichtselbständigen Einkünften erwachsen, ohne besonderen Nachweis ein Pauschbetrag von 132 € jährlich abzusetzen. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung sind ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag Werbungskosten im Sinne des Abs 1 Z 3, mit Ausnahme der Betriebsratsumlage, Werbungskosten im Sinne des Abs 1 Z 4 und 5, der Pauschbetrag gemäß Abs 1 Z 6, dem Arbeitnehmer für den Werkverkehr erwachsende Kosten (Abs 1 Z 6 letzter Satz) und Werbungskosten im Sinne des Abs 2 abzusetzen.
Nach § 17 Abs 6 EStG 1988 können vom Bundesminister für Finanzen zur Ermittlung von Werbungskosten Durchschnittssätze für Werbungskosten im Verordnungswege für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt werden.
Die Beschwerdeführerin hat zunächst in ihrer Arbeitnehmerveranlagung das für sie geltende besondere Werbungskostenpauschale des § 17 Abs 6 EStG 1988 entsprechend der dazu ergangenen Verordnung beantragt. Diese Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung, BGBl II 2015/382, bestimmt in ihrem § 5, dass dann, wenn die Pauschbeträge in Anspruch genommen werden, daneben keine anderen Werbungskosten aus dieser Tätigkeit geltend gemacht werden können.
Das Werbungskostenpauschale des § 17 Abs 6 iVm der dazu ergangenen Verordnung, tritt an die Stelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs 3 EStG 1988 (vgl Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 219). Werden - wie im vorliegenden Fall - zudem tatsächliche Werbungskosten beantragt und sind sie höher als das Pauschale, dann sind diese anzusetzen, wenn und soweit sie nachgewiesen wurden (vgl , mwN). Das Werbungskostenpauschale ist dann grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen.
Dieser für die Anerkennung der tatsächlichen Werbungskosten anstelle des Pauschbetrages erforderliche Nachweis ist der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren nicht gelungen, weshalb es nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, wenn die belangte Behörde der Beschwerdeführerin anstelle der strittigen tatsächlichen Werbungskosten den zu Verfahrensbeginn beantragten Pauschalbetrag für Hausbesorger (§ 1 Z 11 der VO) iHv 3.504 € zuerkannt hat.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei vor dem Hintergrund der Aktenlage die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte, zumal sich die vorliegende Beschwerdesache nicht im Anwendungsbereich von Art 47 GRC befindet und eine mündliche Verhandlung auch von der Beschwerdeführerin nicht beantragt wurde.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (strittiger Nachweis von Werbungskosten) war, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht vor (vgl ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 17 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Durchschnittssätze für Werbungskosten, BGBl. II Nr. 382/2001 § 16 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389 § 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104970.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at