Arbeitszimmer und Fahrtkosten eines Musikschullehrers
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch MITTEREGGER Steuerberatungs GmbH, Opfergasse 12, 2630 Ternitz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Einkommensteuer 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert. Das Einkommen beträgt 37.060,70 Euro, die Einkommensteuer beträgt nach Anrechnung von Lohnsteuer und Rundung (§ 39 Abs 3 EStG) 4.744 Euro.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf) ist Musiklehrer und machte in seiner Arbeitnehmerveranlagung unter anderem Kosten für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und einen Teil des Wohnzimmers, in dem sich ein Flügel befindet, geltend. Diese Kosten wurden von der belangten Behörde nicht anerkannt, weil einerseits der Schwerpunkt der Tätigkeit nicht im Arbeitszimmer liege und andererseits das Wohnzimmer der privaten Lebensführung zuzurechnen und daher keiner Aufteilung zugänglich sei.
Weiters machte der Bf neben beruflich veranlassten Fahrten zwischen den Musikschulstandorten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten geltend (in der Differenz zwischen Monatskarte und Kilometergeld), weil ihm zwar nur das kleine Pendlerpauschale zustehe, er aber auf das Auto angewiesen sei, weil er mehrere Musikschulstandorte an einem Tag aufsuchen müsse. Auch diese Kosten wurden von der belangten Behörde nicht anerkannt. Im übrigen ging er bei den Fahrtkosten von 0,42 Euro pro Kilometer aus.
Telefonkosten sind von der belangten Behörde zunächst nur zur Hälfte und in der Beschwerdevorentscheidung antragsgemäß anerkannt worden [wegen überzeugender Darlegung der beruflichen Gründe], ebenso wurden in der Beschwerdevorentscheidung Kosten für ein E-Piano zugestanden.
Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes wurde dem steuerlich vertretenen Bf mitgeteilt, dass für beruflich veranlasste Fahrten nur die tatsächlichen Ausgaben als Werbungskosten berücksichtigt werden können und nach der Aktenlage mit einer Verböserung zu rechnen wäre. Der Schätzung des Gerichtes mit 0,13 Euro pro Kilometer stellte der Bf eine eigene Berechnung gegenüber, die auf 0,28 Euro pro Kilometer als Basis für die Fahrtkosten kommt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf ist Musiklehrer in zwei Musikschulverbänden im Waldviertel und erzielt mit diesen Tätigkeiten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Bis Ende Oktober 2017 wohnte er in Wien und fuhr mit seinem Pkw in die Musikschulstandorte im Waldviertel. Im Oktober übersiedelte er ins Waldviertel. Weiters ist er selbständig tätig als Instrumentalpädagoge und Chorleiter.
Für die Fahrten stand dem Bf ein im Jahr 2006 angeschaffter Pkw zur Verfügung, für den im Streitjahr steuerlich Kosten von 9.008,03 Euro angefallen sind, mit dem rund 44.500 km zurückgelegt wurden, somit 0,20 Euro pro Kilometer. Davon entfielen 11.771 km auf die selbständige Tätigkeit, 10.434 km auf Fahrten im Rahmen der nichtselbständigen Tätigkeit zwischen den Musikschulstandorten und 13.487 km auf die Fahrten vom Wohnort zu einer Arbeitsstätte bzw wieder zurück sowie die verbleibenden Kilometer für Privatfahrten.
In seiner Wiener Wohnung war aufgrund der räumlichen Gegebenheiten eine Trennung von betrieblicher/beruflicher und privater Sphäre nicht möglich.
In seinem Haus im Waldviertel hat der Bf ein Arbeitszimmer eingerichtet. In diesem befinden sich Büromöbel mit Aktenordnern (Notenmaterial), ein beruflich genutzter Computer und Drucker, ein E-Piano und eine Couch. Das Arbeitszimmer wird verwendet zur Vorbereitung der Musikstunden, Download von Noten, Schreiben von Noten und zum Üben auf dem E-Piano, vor allem wenn der späten Uhrzeit wegen ein Spielen auf dem Flügel nicht mehr möglich ist.
In einem als Wohnzimmer eingerichteten Raum (Vitrine mit Kristallgläsern, Esstisch, Kredenzen, Schaukelstuhl, Kamin) steht ein Flügel, der betrieblich bzw beruflich genutzt wird für Chorproben und Gesangsunterricht sowie zum Üben von Korrepetitionsstücken. Das Musizieren erfolgt der besseren Akustik wegen überwiegend im Wohnzimmer.
Beweiswürdigung
Die Feststellungen zur Tätigkeit des Bf ergeben sich aus seinen schlüssigen Vorbringen, jene zum Arbeitszimmer aus dem Protokoll des Lokalaugenscheins samt beigelegten Bildern.
Die Fahrtkosten ergeben sich aus dem penibel geführten Fahrtenbuch sowie der Vorhaltsbeantwortung vom .
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Zum Arbeitszimmer:
Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer sind nur dann abzugsfähig, wenn es den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bildet (§ 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG). Für den Haushalt aufgewendete Beträge sind hingegen nicht abziehbar (§ 20 Abs 1 Z 1 EStG). Aufwendungen für die Lebensführung sind auch dann nicht abzugsfähig, wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt (§ 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG).
§ 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG enthält als wesentliche Aussage ein Verbot des Abzuges gemischt veranlasster Aufwendungen (so genanntes Aufteilungs- und Abzugsverbot), dem der Gedanke der Steuergerechtigkeit insoweit zu Grunde liegt, als vermieden werden soll, dass ein Steuerpflichtiger auf Grund der Eigenschaft seines Berufes eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und dadurch Aufwendungen der Lebensführung steuerlich abzugsfähig machen kann, was unsachlich gegenüber jenen Steuerpflichtigen wäre, die eine Tätigkeit ausüben, die eine solche Verbindung zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten nicht ermöglicht, und die derartige Aufwendungen aus ihrem bereits versteuerten Einkommen tragen müssen. Bei der Abgrenzung beruflich bedingter Aufwendungen von den Kosten der Lebensführung gilt die typisierende Betrachtungsweise ( mwN).
Ein Raum, der als Wohnzimmer eingerichtet ist, ist dem Haushalt und der privaten Lebensführung zuzurechnen. Befindet sich darin ein Flügel, welcher der Einkünfteerzielung dient, kann diese Tatsache nicht dazu führen, dass ein Teil des Raumes der betrieblichen oder beruflichen Sphäre zugerechnet wird. Das Aufteilungsverbot steht dem entgegen, zumal im Wohnungsverband nur dann anteilige Kosten geltend gemacht werden können, wenn ein Arbeitszimmer vorliegt, der Raum somit nahezu ausschließlich der Einkünfteerzielung dient (dazu ).
Der Bf besitzt zwar neben dem Wohnzimmer auch ein Arbeitszimmer, doch bildet es nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit. Dieser liegt bei einem (selbständigen wie nichtselbständigen) Musiklehrer im Unterricht, der großteils in der Musikschule erfolgt. Soweit eine unterrichtende Tätigkeit zu Hause stattfindet, wird weitaus überwiegend das Wohnzimmer benutzt und nicht das Arbeitszimmer. Dessen Funktion beschränkt sich somit auf Vorbereitungshandlungen. Gleiches gilt für die Tätigkeit als Chorleiter. Auch das Üben anspruchsvoller Korrepetitionsstücke findet großteils im Wohnzimmer und nicht im Arbeitszimmer statt. Nach den Maßstäben der ständigen Rechtsprechung (vgl zB ) stellt das Arbeitszimmer somit für keine der vom Bf ausgeübten Tätigkeiten den Mittelpunkt dar.
Zum Reiseaufwand:
Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen (§ 16 Abs 1 EStG). Betreffend Reisekosten sind zwei Tatbestände explizit geregelt: Gemäß Z 6 leg. cit. sind die Ausgaben für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte durch Verkehrsabsetzbetrag und Pendlerpauschale abgegolten. Gemäß Z 9 leg. cit. können Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen ohne Nachweis ihrer Höhe mit den Beträgen des § 26 Z 4 EStG als Werbungskosten anerkannt werden.
Fahrtkosten im Zusammenhang mit beruflich veranlassten Reisen sind vom Werbungskostenbegriff des § 16 Abs 1 EStG erfasst. Der Ausschluss der Z 6 leg. cit. gilt für sie nicht, aber auch nicht die Pauschalierungsmöglichkeit der Z 9 leg. cit., weil sich diese nur auf Verpflegung und Unterkunft bezieht, nicht auch auf Fahrtkosten.
Fahrtaufwendungen sind daher in der tatsächlich angefallenen Höhe als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zu berücksichtigen. Ein Wahlrecht auf Berücksichtigung der Fahrtkosten durch den Ansatz der amtlichen Kilometergelder an Stelle der tatsächlichen Aufwendungen besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (; , 2005/15/0074; , 97/15/0073).
Das vom Bf angesetzte Kilometergeld wäre im Rahmen einer Schätzung der Kfz-Kosten nur dann tauglich, wenn es realitätsnahe ist. Die tatsächlichen Kosten sind jedoch - wie die Ermittlungen ergeben haben - deutlich niedriger, als die vom Bf geltend gemachten Kosten. Sie wurden vom Bf mit 12.286,72 Euro angegeben, nachdem ihm vom Verwaltungsgericht vorgehalten wurde, ohne weiteren Nachweis der tatsächlichen Kosten würden diese mit 0,13 Euro pro Kilometer geschätzt.
Die vom Bf geltend gemachten Ausgaben waren noch wie folgt zu kürzen:
Periodenfremder Aufwand (aliquoter Reparaturaufwand aus einem nicht näher bezeichneten Vorjahr von 296,30 Euro und aliquote Vollkasko der ersten fünf Betriebsjahre 933,33 Euro), der im Rahmen des Zufluss-Abfluss-Prinzips (§ 19 EStG) bereits im jeweiligen Jahr des Anfalles (der Zahlung) zu berücksichtigen war. Eine Aktivierung und Abschreibung auf die Restnutzungsdauer des Fahrzeuges käme nur bei Herstellungsaufwand in Betracht, was auf Reparaturen nicht zutrifft, noch weniger auf Versicherungszahlungen aus den Jahren 2006-2011.
Die geltend gemachte AfA steht nicht mehr zu. Zwar sind Pkw auf mindestens acht Jahre abzuschreiben (§ 8 Abs 6 EStG), womit auch eine längere Abschreibungsdauer zulässig ist (hier 13,5 Jahre). Der Bf ist jedoch auch in den Vorjahren bei Berechnung der Fahrtkosten von 0,42 Euro pro Kilometer ausgegangen. Derart hohe Aufwendungen können bei der jährlichen Laufleistung des Fahrzeuges des Bf nur dann (und nur in jenen Jahren, in denen AfA zusteht) einigermaßen realistisch sein, wenn die kürzestmögliche Abschreibdauer von acht Jahren gewählt wird.
[Vergleichsrechnung: Geht man in den ersten Betriebsjahren von den Kosten aus, die der Bf für das Jahr 2017 anführt und korrigiert die AfA auf 3.100 Euro (AK/8) sowie die Vollkaskoversicherung auf 3.600 Euro), ergibt sich auch bloß ein Kostensatz von 0,36 Euro pro Kilometer.]
Die in den Vorjahren geltend gemachten Reisekosten implizieren somit, dass der Bf steuerlich eine achtjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt hat, womit ein im Jahr 2006 angeschafftes Fahrzeug bereits vor dem Streitjahr 2017 gänzlich abgeschrieben war.Kontoführungskosten des "Autokontos" (93,83 Euro) sind gemäß § 20 Abs 2 TS 2 EStG nicht abziehbar.
Die am getätigte Zahlung für ÖAMTC-Mitgliedschaft und Schutzbrief (93,83 Euro) betrifft das Folgejahr (für das laufende Jahr gab es eine Zahlung am ) und ist gemäß § 19 Abs 2 iVm Abs 1 Z 1 EStG im Jahr 2018 zu berücksichtigen.
Damit ergeben sich die im Sachverhalt bereits festgestellten Autokosten von 0,20 Euro pro Kilometer. Diese können geltend gemacht werden als Betriebsausgaben für 11.771 km bzw als Werbungskosten für 10.434 km.
Zu den Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte: Diese sind durch den Verkehrsabsetzbetrag und das Pendlerpauschale abgegolten (§ 16 Abs 1 Z 6 lit a EStG). Dem Bf steht für die Wegstrecke von seiner Wiener Wohnung zur Arbeitsstätte nach dem Pendlerrechner das "große" Pendlerpauschale lit d leg. cit. in Höhe von 3.672 Euro jährlich (hier anteilig für sieben Monate) zu. Voraussetzung dafür ist, dass dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar ist.
Das dem Bf gewährte Pendlerpauschale berücksichtigt somit bereits die Mehraufwendungen, die bei Benützung privater Beförderungsmittel entstehen. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut bliebe für zusätzliche Werbungskosten im Zusammenhang mit Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte so oder so kein Raum.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Gegenständliche Erkenntnis liegt auf der Linie der ständigen Judikatur.
Rechnerische Zusammenfassung
Die oben genannten Feststellungen münden in folgenden Änderungen gegenüber den - unstrittigen - Beträgen aus der Beschwerdevorentscheidung, von denen zur einfachen Nachvollziehbarkeit ausgegangen wird:
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km | Betrag | |
Einkommen lt. BVE | 32.625,60 | |
Erhöhung Fahrtkosten selbständig | 11771 | 2.589,62 |
Erhöhung Fahrtkosten nichtselbständig | 10434 | 2.295,48 |
Korr. Rechenfehler (lt. FA vom ) | -450,00 | |
Einkommen lt. BFG | 37.060,70 |
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101460.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at