Familienheimfahrten eines ungarischen Arbeiters
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet, zu entnehmen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. Der aus Ungarn stammende Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf) ist seit 2006 bei einem Betrieb in ***Beschäftigungsort***/Niederösterreich als Arbeiter beschäftigt.
2. In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 machte er nur den Alleinverdienerabsetzbetrag, aber keine Werbungskosten geltend. Die Veranlagung erfolgte mit Einkommensteuerbescheid 2017 vom erklärungsgemäß.
3. Mit Schriftsatz vom erhob der Bf gegen diesen Bescheid Beschwerde und ersuchte um "Berücksichtigung der Pendlerpauschale in der Höhe von € 3.672,-- für Familienheimfahrten so wie in den Vorjahren". Tatsächlich hatte er auch in den Vorjahren diesen Betrag geltend gemacht und waren diese Aufwendungen als Werbungskosten anerkannt worden.
4.a.Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt den Bf zur Beantwortung folgender Fragen bzw. Vorlage folgender Unterlagen auf:
"- Aus welchen Gründen werden Familienheimfahrten beantragt?
- Wer wohnt außer Ihnen noch am Familienwohnsitz? Bitte um Vorlage der entsprechenden Meldebestätigungen.
- Einkommensnachweis der Gattin: Formular E9 der ausländischen Steuerbehörde
- Geburtsurkunde + Schulbesuchsbestätigung Kind"
4.b.In seiner Antwort vom nannte der Bf als Grund für die Familienheimfahrten den Umstand, dass seine Familie in Ungarn wohne. Er selbst bewohne von Montag bis Freitag am Beschäftigungsort in ***Beschäftigungsort*** ein Zimmer und fahre am Wochenende nach Hause. Am Familienwohnsitz wohnten seine Lebensgefährtin und die gemeinsamen Kinder.
Beigelegt waren die Meldebestätigung der Stadtgemeinde ***Beschäftigungsort*** vom betreffend den Bf über seinen do. Nebenwohnsitz und die ungarischen Personalausweise des Bf's, seiner Lebensgefährtin und der beiden Töchter mit der Adresse ***PLZUngarn*** ***OrtFamilienwohnsitz***, ***Straße***. Weiters waren angefügt die Schulbesuchsbestätigung für die jüngere Tochter für das Schuljahr 2018/2019 sowie deren Geburtsurkunde, geboren am ***Dezember2000***.
Am 15.04.4019 reichte der Bf ein Formular E9 der ausländischen Steuerbehörde vom vor, wonach die Lebensgefährtin des Bf's ***LG*** im Jahr 2018 keine Einkünfte gehabt hatte.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die gegenständliche Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, dass die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich nicht nachgewiesen worden sei.
6. Am brachte der Bf einen Vorlageantrag ein. Darin gab er an, seine Familie nicht nach Österreich holen zu können, weil
- seine Mutter nicht mobil sei und nur mehr schlecht gehen könne. Sie brauche ständig Pflege und es wäre für sie unzumutbar, jetzt nach Österreich zu ziehen.
- Seine Lebensgefährtin pflege und betreue seine Mutter. Die Pflege sei sehr zeitintensiv und sie könne deshalb keine Arbeit annehmen. Würde Sie nach Österreich ziehen, hätte seine Mutter niemanden mehr, der sich um sie kümmere. Zusätzlich sei ihre eigene Mutter in einem Pflegeheim untergebracht und werde zweimal wöchentlich von ihr besucht. Die Besuche wären auch nicht mehr zumutbar, wenn sie in einem anderen Land wohnen würde.
- Seine Tochter habe noch kein Einkommen. Sie besuche noch die Schule und werde diese 2020 abschließen. Es sei für sie unzumutbar, so kurze Zeit vor dem Abschluss das Land zu verlassen und an einer neuen Schule in einer ihr fremden Sprache den Abschluss zu machen.
7.a.Mit Ergänzungsersuchen vom ersuchte das Finanzamt den Bf
- um Bekanntgabe, ob seine Mutter im selben Haushalt wie er und seine Gattin lebte;
- um Vorlage einer Meldebestätigung samt Angabe, wer noch im Haushalt der Mutter wohne;
- um Vorlage entsprechender Unterlagen (in deutscher Übersetzung), die die Pflegebedürftigkeit der Mutter nachweisen (Pflegegeldbezug, …);
- um Vorlage allfälliger Unterlagen in deutscher Übersetzung, die die Betreuungstätigkeit durch die Gattin nachweisen würden (zB Zuerkennung einer finanziellen Unterstützung für pflegende Angehörige).
7.b.In seiner Antwort vom gab der Bf hierzu Folgendes an:
- Seine Mutter wohne nicht im selben Haushalt. Ihre Adresse sei ***AdresseMutter***;
- sie wohne alleine im Haushalt, nachdem der Vater des Bf's schon verstorben sei:
Beigelegt war eine Meldekarte bzw. Meldebestätigung der Mutter.
- Seine Mutter beziehe kein Pflegegeld. Sie sei 1935 geboren und werde im Oktober 84 Jahre alt. Sie sehe nicht mehr gut und sei auch nicht mehr so mobil und benötige Hilfe im Haushalt und bei der täglichen Körperpflege. Dadurch habe sie noch eine Aufgabe im Leben und die kognitiven Fähigkeiten würden gefördert. Deshalb kümmere sich seine Gattin um sie, damit sie nicht in ein Pflegeheim/-anstalt übersiedeln müsse.
- Es gebe keine finanzielle Unterstützung für die Betreuungstätigkeit seiner Gattin, somit auch keine Nachweise.
8. Mit Ergänzungsersuchen vom wurden vom Finanzamt nochmals das Formular E9 der Lebensgefährtin für das Jahr 2017 sowie die Meldekarte der Mutter (übermittelte Kopie unleserlich) angefordert.
Die angeforderten Dokumente langten am ein. Mit dem Formular E9 war bestätigt worden, dass die Lebensgefährtin des Bf's im Jahr 2017 in Ungarn keine Einkünfte bezogen hatte. Laut vorgelegtem Personalausweis der Mutter des Bf's war diese seit 04.12.193 an ihrer derzeitigen Adresse gemeldet.
9. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit dem Antrag auf Abweisung zur Entscheidung vor, da keine Umstände aufgezeigt worden seien, die eine Wohnsitzverlegung unzumutbar erscheinen hätten lassen.
10. Über Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom teilte der Bf mit Antwortschreiben vom Folgendes mit bzw. legte folgende Unterlagen vor:
1) Zur Pflegebedürftigkeit der Mutter:
Die Mutter des Bf's werde von seiner Lebensgefährtin unentgeltlich betreut.
Eine von einem Übersetzungsbüro ins Deutsche übersetzte Bescheinigung der Hausärztin der Mutter vom , wonach die Patientin (Mutter des Bf's) infolge ihres Alters und gesundheitlichen Zustandes seit dem Jahr 2017 ständiger Aufsicht bedürfe, wurde vorgelegt.
2) Zu den Deutschkenntnissen der Tochter:
Die Tochter habe keinen Deutschunterricht in der Schule gehabt und spreche auch kein Deutsch.
3) Zur Unterkunft in Österreich:
a) Das Zimmer sei 15 m 2 groß.
b) Es werde dem Bf kostenlos zur Verfügung gestellt. Es werde immer abwechselnd Montag bis Donnerstag und Montag bis Freitag gearbeitet. Der Bf fahre abwechselnd Donnerstag bzw. Freitag nach Hause. Das Zimmer stehe dem Bf am Wochenende nicht zur Verfügung und werde mit der Werkstatt versperrt.
4) Zu den Familienheimfahrten:
a) Zum Nachweis der Familienheimfahrten wurde - wie angefordert - eine Aufstellung vorgelegt, aus der Datum, Beginn und Ende der jeweiligen Fahrten und die jeweilige Anzahl der zurückgelegten Kilometer hervorgehen. Außerdem wurde eine Jahresübersicht aus dem Zeiterfassungsprogramm des Arbeitgebers beigelegt.
Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass der Bf im Jahr 2017 insgesamt 46-mal zur Arbeitsstätte in ***AdresseBeschäftigungsort*** - Abfahrt 04:30 Uhr) und 46-mal nach Hause ( ***PLZUngarn*** ***OrtFamilienwohnsitz***, Ungarn- Abfahrt 17:00 Uhr) gefahren war.
Die einfache Wegstrecke von der Arbeitsstätte in ***Beschäftigungsort*** zum Wohnsitz Ungarn betrage - so erläuternd im Antwortschreiben - cirka 317 km (122 km bis zur Grenze in Ungarn, 195 km noch bis zum Wohnsitz).
Die Fahrt vom Wohnsitz zur Arbeitsstätte betrage reine Fahrzeit 03h30min. Der Bf habe Arbeitsbeginn um 07:00 Uhr und Arbeitsende um 17:00 Uhr.
Er besitze eine private Tankkarte und man könne die Tankbelege von 2017 nachreichen, falls erforderlich. Für die Heimfahrten erhalte er keine Zuwendungen (Tank- oder Kilometergeld, Vignette) von der Firma und er bezahle alles selbst.
b) Er habe die Fahrten jeweils alleine mit dem eigenen PKW zurückgelegt.
Die Antwort des Bf's wurde im Vorfeld der postalischen Übermittlung am bereits per Mail durch den Arbeitgeber des Bf's übersandt, wobei darin hingewiesen wurde, dass der Bf als sehr guter Mitarbeiter unterstützt werde und bei Bedarf noch weitere benötigte Unterlagen jederzeit nachgereicht werden könnten.
11. Nach Übermittlung der Ergebnisse des beim Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungsverfahrens nahm die Vertreterin der belangten Behörde hierzu mit Eingabe vom zusammenfassend, wie folgt, Stellung:
Zum Sachverhalt:
Der Bf sei von bis bei ***Arbeitgeber***, ***AdresseAG*** beschäftigt gewesen.Am Familienwohnsitz des Bf's in Ungarn habe er im Jahr 2017 mit seiner Lebensgefährtin und den beiden Kindern gelebt. Eines der Kinder sei 2017 noch nicht volljährig und somit unterhaltsberechtigt gewesen. Pflegebedürftige Angehörige hätten im Jahr 2017 nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Bf gewohnt.Die Lebensgefährtin habe 2017 in Ungarn über kein aktives Erwerbseinkommen verfügt und der Bf selbst sei in Österreich vollbeschäftigt gewesen (Lohnzettel).
Zur Stellungnahme:
Im Jahr 2017 habe das Arbeitsverhältnis des Bf's bei ***Arbeitgeber*** bereits seit über einem Jahrzehnt bestanden und liege keine ständig wechselnde Arbeitsstätte vor.
Die Mutter des Bf's bedürfe laut ärztlicher Bescheinigung vom zwar "infolge ihres Alters und gesundheitlichen Zustandes seit 2017 ständiger Aufsicht", habe jedoch in einem eigenen Haushalt gewohnt.
Am Familienwohnsitz habe 2017 zwar ein noch nicht volljähriges, unterhaltsberechtigtes Kind gewohnt. Wirtschaftliche Gründe, welche die (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie unzumutbar gemacht hätten, seien in diesem Zusammenhang aber nicht behauptet worden.
Wirtschaftlich bedeutende Einkünfte der Gattin bzw. ortsgebundene wirtschaftlich bedeutende Einkünfte des Bf's beim Familienwohnsitz hätten 2017 nicht vorgelegen.
Aus Sicht des Finanzamtes liege somit keine doppelte Haushaltsführung vor, weshalb die Aufwendungen des Bf's für Familienheimfahrten im Jahr 2017 nicht anzuerkennen seien.
Ad Schlafstelle:
Eine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Schlafstelle könne nur bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Anerkennung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und/oder Familienheimfahrten führen. Diese Voraussetzungen seien jedoch, wie oben ausgeführt, im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Ad Pendlerpauschale:
Ein Vergleich mit einem in Österreich lebenden Arbeitnehmer, dem das große Pendlerpauschale ab einer Entfernung von mehr als 60 km ab 11 Fahrten pro Monat zustehe, (Anmerkung: Die diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen wurden näher dargelegt) könne nicht greifen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf ist ungarischer Staatsbürger. Bereits seit 2006 arbeitete er in Österreich für eine Firma in ***Beschäftigungsort***/Niederösterreich und bezog aus dieser Tätigkeit auch 2017 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (steuerpflichtige Bezüge laut Lohnzettel 18.476,78 €).
Seinen Familienwohnsitz hatte er durchgehend im 317 km entfernten ***OrtFamilienwohnsitz***/Ungarn. Dort lebte er mit seiner Lebensgefährtin und seinen beiden Töchtern, von denen eine mit 16 Jahren (geboren am ***Dezember2000***) im Jahr 2017 noch minderjährig war.
Am Beschäftigungsort wurde dem Bf von seinem Arbeitgeber während der Arbeitswoche ein kleines Zimmer (15 m 2) am Ort der Werkstätte kostenlos zur Verfügung gestellt. Dort nächtigte er während der Arbeitswoche jeweils abwechselnd von Montag bis Donnerstag bzw. von Montag bis Freitag. Der Bf kehrte wöchentlich am Abend des letzten Arbeitstages der Woche zu seinem Familienwohnsitz in Ungarn zurück und reiste am Morgen des ersten Arbeitstages der Woche wieder aus Ungarn an.
Als Werbungskosten machte er aus diesem Titel bereits seit Jahren die Aufwendungen für die Familienheimfahrten in Höhe des Maximalbetrages von 3.672 € geltend und wurden diese vom Finanzamt auch gewährt. Nachdem er deren Geltendmachung für 2017 zunächst übersehen hatte, beantragte er deren Anerkennung in seiner Beschwerde.
Als Grund für die Familienheimfahrten gab der unvertretene Bf an, dass seine Lebensgefährtin und seine Kinder in Ungarn wohnten. Seine Lebensgefährtin hatte laut vorgelegter Bescheinigung in Ungarn keine Einkünfte.
Im Vorlageantrag gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung wies der Bf auf die Pflegebedürftigkeit seiner 1935 geborenen Mutter durch die Lebensgefährtin hin, weshalb diese wegen der zeitlichen Intensität der Pflege auch keine Arbeit annehmen habe können. Eine Übersiedlung nach Österreich wäre für die Mutter unzumutbar gewesen. Die Mutter des Bf's wohnte allerdings nicht im Haushalt der Familie des Bf's, sondern allein in einem eigenen Haushalt.
Außerdem wies der Bf auch darauf hin, dass seine noch minderjährige Tochter eine Schule besuche, die sie erst 2020 abschließen werde. Der Wechsel in ein anderes Land kurz vor Abschluss der Schule und ein Abschluss in einer fremden Sprache wären ebenfalls unzumutbar. Die Tochter war der deutschen Sprache nicht mächtig. Bei der Schule handelte es sich um eine fünfjährige Handels- und Catering-Berufsschule mit Maturaabschluss, vergleichbar mit einer österreichischen Tourismusschule.
Im weiteren Beschwerdeverfahren erläuterte der Bf über Rückfrage des Bundesfinanzgerichtes wegen Adressenidentität von Zimmer und Betriebsstandort des Arbeitgebers Ort und Größe des Zimmers näher sowie den Umstand, dass ihm dieses, wie beschrieben, während der Arbeitswoche kostenlos zur Verfügung gestanden hatte.
Der Bf legte im Rahmen seiner wöchentlichen Heimfahrten zum 317 km entfernten Familienwohnsitz im Jahr 2017 mit dem eigenen Auto insgesamt 29.164 km zurück und erhielt hierfür keinen Ersatz vom Arbeitgeber.
Beweiswürdigung
Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich zunächst aus den vom Finanzamt elektronisch übermittelten und den unter dem Punkt I. "Verfahrensgang" beschriebenen Aktenteilen, darunter vor allem der angefochtene Einkommensteuerbescheid, der Beschwerdeschriftsatz sowie der Vorlageantrag.
Dass der Familienwohnsitz des Bf's in Ungarn bei seiner Lebensgefährtin und den beiden Töchtern war, ist unbestritten. Dessen Adresse in ***PLZUngarn*** ***OrtFamilienwohnsitz***, ***Straße*** ergab sich aus den mit Schreiben vom vorgelegten Meldebestätigungen.
Die Daten zum Nebenwohnsitz in ***Beschäftigungsort*** bzw. zum dortigen Zimmer waren der dem Antwortschreiben auf das Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom beigelegten Meldebestätigung zu entnehmen sowie dem Antwortschreiben vom selbst, wo auf "ein Zimmer" am Beschäftigungsort Bezug genommen worden war. Aufgrund des Umstandes, dass der Bf keine Aufwendungen dafür geltend machte und die Adresse des Standortes des Arbeitgebers mit jener des Nebenwohnsitzes ident war, drängte sich die Frage nach dessen Qualität und allfällige kostenlose Überlassung durch den Arbeitgeber auf. In seiner Antwort vom auf das Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom gab der Bf die Größe mit 15 m 2 bzw. dessen Lage bei der Werkstatt des Arbeitgebers an und bestätigte, dass ihm das Zimmer während der Arbeitstage von seinem Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung gestellt worden war. Ansonsten sei es jeweils mit der Werkstätte versperrt worden.
Das Geburtsdatum der noch minderjährigen Tochter ( ***Dezember2000***) ergibt sich aus der Geburtsurkunde, deren besuchte Schule aus der Bescheinigung vom . Laut Antwortschreiben des Bf's an das Bundesfinanzgericht vom war die Tochter der deutschen Sprache nicht mächtig. Bei der von ihr besuchten Schule handelte es sich laut deren Homepage im Internet um eine fünfjährige Handels- und Catering-Berufsschule zur Ausbildung von Fachkräften in Handel und Gastgewerbe, die mit Matura abgeschlossen wird und mit österreichischen Schulen für Tourismus und wirtschaftliche Berufe, die ebenfalls nach fünf Jahren mit Matura abgeschlossen werden können, vergleichbar ist.
Die Einkunftslosigkeit der Lebensgefährtin in Ungarn im Jahr 2017 ergibt sich aus der im Beschwerdeverfahren nachgereichten Bescheinigung (Formular E 9) vom .
Dass die Mutter des Bf's nicht im selben Haushalt wie der Bf und seine Familie lebte, ist den Ausführungen des Bf's sowie der vorgelegten Meldekarte zu entnehmen, wonach die Mutter in ***AdresseMutter*** lebte (Entfernung laut Routenplaner Google Maps cirka sieben Minuten Fußweg). Dem Schreiben an das Bundesfinanzgericht vom wurde eine von einem Übersetzungsbüro ins Deutsche übersetzte ärztliche Bescheinigung, wonach die Mutter des Bf's, geboren 1935, seit 2017 infolge ihres Alters und ihres gesundheitlichen Zustandes ständiger Aufsicht bedürfe, beigelegt. Nachweise über den Bezug von Pflegegeld und die Betreuung durch die Lebensgefährtin konnten nicht vorgelegt werden.
Zu den Familienheimfahrten:
Dass der Bf wöchentlich seine Familie am Familienwohnsitz in Ungarn aufgesucht hat, erscheint glaubhaft, zumal er in Österreich nur über ein kleines Zimmer am Ort der Werkstätte seines Arbeitgebers verfügt hat, das ihm kostenlos während der Arbeitswoche zur Verfügung stand.
Erhöhte Glaubwürdigkeit kam seinen Ausführungen auch insofern zu, als der steuerlich unvertretene Bf bei der Beantwortung der Fragen laut Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom von seinem Arbeitgeber unterstützt wurde und die Unterlagen wie Antwortschreiben, Bestätigung über die Arbeitstage und Fahrtenaufstellung vorweg zur postalischen Übermittlung mit E-Mail vom direkt vom Büro des Arbeitgebers übermittelt wurden. Damit bestätigte der Arbeitgeber auch deren Wahrheitsgehalt.
Angesichts dessen und aufgrund der Entfernung zwischen ***Beschäftigungsort***/Österreich und ***OrtFamilienwohnsitz***/Ungarn konnten auch die Angaben des Bf's zur Anzahl seiner Fahrten und den zurückgelegten Kilometern als glaubhaft angesehen werden. Ebenso erschien es nachvollziehbar, dass er diese Fahrten allein mit seinem PKW und ohne Fahrtkostenersatz durch den Arbeitgeber durchgeführt hatte. Dass wöchentliche Familienheimfahrten bei einem verheirateten bzw. in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen anzunehmen und gerechtfertigt sind, entspricht Judikatur, Lehre und Verwaltungspraxis (siehe zB Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 21, § 16 Tz 202/25 unter Verweis auf ). Die vom Bf mit 317 km angegebene Entfernung zwischen ***Beschäftigungsort*** und ***OrtFamilienwohnsitz*** stimmt auch mit dem Routenplaner Google Maps überein.
Die mit Schreiben vom vorgelegte Aufstellung des Bf's über die Fahrten weist jeweils das Datum der An- und Abreise, Angaben zur jeweiligen Abfahrtszeit sowie Kilometerangaben aus. Sie konnte daher insgesamt als ausreichender Nachweis gewertet und somit die sich daraus ergebende gesamte Kilometerzahl als glaubhaft angesehen werden.
Bezüglich weiterer Ausführungen zur Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen unter Punkt 3.1.2. dieses Erkenntnisses, die verständnishalber im Kontext mit der rechtlichen Beurteilung zu tätigen waren, verwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
3.1.1. Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach § 20 Abs. 1 EStG 1988dürfen bei den einzelnen Einkünften unter anderem nicht abgezogen werden
1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge;
2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs. 1 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.
Anmerkung: Dieser Betrag belief sich im beschwerdegegenständlichen Jahr auf 3.672 € (= bei einfacher Fahrtstrecke von über 60 km).
3.1.2. Erwägungen:
Im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland, wo die Abzugsfähigkeit von Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten im Einkommensteuergesetz konkret definiert ist, ergibt sich die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit nicht täglich zum Familienwohnsitz zurückkehren kann, nach österreichischer Rechtslage aus den oben zitierten allgemeinen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes.
Es ist daher jeweils zu prüfen, ob "Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen" gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen; dies allerdings unter Berücksichtigung der im vorliegenden Zusammenhang zu beachtenden Abzugsverbote des § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a und e EStG 1988 ().
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahbereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ().
Nach übereinstimmender Rechtsprechung, Lehre und Verwaltungspraxis ist die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes (doppelte Haushaltsführung) dann beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen
- von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder
- die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist, weil der Ehepartner dort mit relevanten Einkünften erwerbstätig ist, oder
- die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus verschiedensten privaten Gründen, denen erhebliches Gewicht zukommt, nicht zugemutet werden kann (, unter Verweis auf Schubert in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 16 Anm. 25 [Stand: , rdb.at]; Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG, Kommentar § 16 Abs. 1 Z 6 Tz 72, 75, und die dort zit. Rspr.; Jakom/Lenneis EStG, 2015, § 16 Rz 56 "Doppelte Haushaltsführung").
Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 km entfernt ist und die Fahrtzeit mehr als eine Stunde beträgt ().
Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes kann unterschiedliche Ursachen haben. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (; ).
Als Ursachen, die von einem solchen erheblichen objektiven Gewicht sind, dass sie eine Wohnsitzverlegung zum Beschäftigungsort unzumutbar erscheinen lassen, haben sich in Rechtsprechung, Lehre und Verwaltungspraxis unter anderem folgende Umstände herauskristallisiert:
Berufstätigkeit der Ehegattin/des Ehegatten am Familienwohnsitz
Ständig wechselnde Arbeitsstätten
Befristete Tätigkeiten bzw. bevorstehende Pensionierung
(Mit)Übersiedlung pflegebedürftiger Angehöriger
Unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz im Verein mit Unzumutbarkeit der Übersiedlung aus wirtschaftlichen Gründen (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 202/1)
Wirtschaftliche Gründe wie zum Beispiel, dass der Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen eine kostenlose bzw. verbilligte Wohnmöglichkeit zur Verfügung stellt, die aufgrund der Größe und Ausstattung nicht den Familienbedürfnissen entspricht, oder die erheblich höheren Lebenshaltungskosten in Österreich (siehe Jakom/Lenneis, EStG, 2020, § 16 Rz 56; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 202/2; so auch Verwaltungspraxis - siehe LStR Rz 345).
Die Frage der Unzumutbarkeit ist für jedes Veranlagungsjahr gesondert zu beurteilen. Auf die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung in einem früheren Zeitraum kommt es somit nicht an. So lässt sich etwa die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung im jeweiligen Streitjahr mit der jahrelangen Beibehaltung des Familienwohnsitzes und der ohnehin durch die Behörde erfolgten Anerkennung einer jahrelangen Übergangszeit nicht begründen (, mwN; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 21, § 16 Tz 202).
Bezogen auf den gegenständlichen Fall ergibt sich aus obigen AusführungenFolgendes:
Der Bf, ein ungarischer Staatsbürger, der seinen Familienwohnsitz (Lebensgefährtin, zwei Kinder) in Ungarn hat, war bereits seit Jahren bei seinem Arbeitgeber in Österreich beschäftigt. Dort nächtigte er während der Arbeitswoche in einem kleinen Zimmer mit einer Fläche von 15 m 2 am Betriebsort des Arbeitgebers, das ihm dieser kostenlos zur Verfügung stellte.
Der Bf machte aus dem Titel der doppelten Haushaltsführung bereits seit Jahren die Aufwendungen für seine wöchentlichen Familienheimfahrten nach Ungarn im Ausmaß des Höchstbetrages von 3.672,00 € gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 geltend und waren diese vom Finanzamt auch anerkannt worden. Erst anlässlich der im Beschwerdeverfahren betreffend 2017 nachträglich geltend gemachten Fahrtkosten wurden diese nicht mehr berücksichtigt.
Der unvertretene, von seinem Arbeitgeber bei seinen Eingaben unterstützte Bf machte als Gründe, die gegen eine Übersiedlung der Familie an den Beschäftigungsort gesprochen hätten, geltend, dass am Familienwohnsitz neben seiner Lebensgefährtin noch eine minderjährige Tochter (geboren am ***Dezember2000***), die noch eine Schule - vergleichbar mit einer österreichischen Schule für Tourismus und wirtschaftliche Berufe - besuche. Außerdem hätte seine Lebensgefährtin, die selbst keine Einkünfte hatte, auch seine in der Nähe wohnende Mutter betreut.
Nach Ansicht des Finanzamtes sprach keiner der vom Bf angeführten Gründe gegen die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung; ein wirtschaftlicher Grund für die Unzumutbarkeit sei nicht geltend gemacht worden.
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ergab sich jedoch aus den im Jahr 2017 vorliegenden Umständen, auf die sich die Prüfung zu beziehen hatte, aus folgenden Gründen eine Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie:
Unstrittig ist, dass aufgrund der Entfernung des Familienwohnsitzes vom Beschäftigungsort - die einfache Wegstrecke beträgt 317 km - eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar ist.
Wie oben dargelegt, ist die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung jeweils im Einzelfall unter Würdigung der konkret vorliegenden Umstände zu prüfen.
Wie ebenfalls ausgeführt, ergeben sich aus Rechtsprechung, Literatur und Verwaltungspraxis schon umfangreiche Aussagen dazu, welche Sachverhalte die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung rechtfertigen und welche nicht.
Wenngleich etwa aus Aussagen in der Literatur und Verwaltungspraxis (siehe im vorliegenden Zusammenhang LStR Rz 345) keine Rechte und Pflichten abgeleitet werden können, und diese für das Bundesfinanzgericht nicht bindend sind, so spiegelt sich darin dennoch die Sichtweise wider, die der Beurteilung der Zumutbarkeit nach der Verkehrsauffassung und dem Urteil eines objektiv und gerecht denkenden Betrachters entspricht. Insofern kommt deren Berücksichtigung jedenfalls Berechtigung zu.
Im gegenständlichen Fall steht fest, dass die Lebensgefährtin des Bf's am Familienwohnsitz in Ungarn keine eigenen Einkünfte bezogen hat und somit dieser Umstand nicht gegen eine Übersiedlung nach Österreich gesprochen hätte.
Zur Pflegebedürftigkeit der Mutter:
Als Grund für die Unzumutbarkeit der Übersiedlung seiner Familie nach Österreich führte der Bf zunächst die Pflegebedürftigkeit seiner Mutter an. Diesbezüglich legte er im weiteren Beschwerdeverfahren auch eine ärztliche Bestätigung vor, wonach sie ab 2017 ständiger Aufsicht bedürfe. Einen Nachweis über die tatsächliche ständige Betreuung durch die Lebensgefährtin oder den Bezug von Pflegegeld konnte er allerdings nicht vorlegen. Grundsätzlich kann die Pflegebedürftigkeit von Angehörigen einen Grund für die Unzumutbarkeit darstellen (). Der belangten Behörde ist allerdings angesichts des Umstandes, dass die Mutter des Bf's zwar nicht weit entfernt, aber doch in einem eigenen Haushalt lebte, zuzustimmen, dass die Zweifel am Vorliegen eines derart intensiven Betreuungsbedarfes, der einen Wegzug nach Österreich unzumutbar gemacht hätte, durch die vorgelegten Nachweise nicht ausgeräumt werden konnten.
Zur minderjährigen Tochter:
Als weiteren Grund für die Unzumutbarkeit der (Familien-)Wohnsitzverlegung brachte der Bf vor, dass am Familienwohnsitz neben seiner Lebensgefährtin seine nochminderjährige und damit betreuungsbedürftige sechzehnjährige Tochtereine Schule in Ungarn besuche. Dem Finanzamt ist zwar darin zuzustimmen, dass die Tochter im Jahr 2017 tatsächlich noch nicht, wie vom Bf eingewendet, kurz vor dem Abschluss der Schule im Jahr 2020 stand. Andererseits ist dem Bf aber zuzugestehen, dass ein Schulwechsel in eine ähnliche österreichische Schule für die Tochter, die nicht Deutsch spricht, eine große Belastung dargestellt und jedenfalls einen erheblichen Zeitverlust in deren schulischer Laufbahn bedeutet hätte.
Dem allfälligen Einwand, dass es am Bf gelegen wäre, den Wohnsitzwechsel beim Übertritt der Tochter in die Schule bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu vollziehen, kann nach der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () insofern keine Berechtigung zukommen, als die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung jeweils für jedes Veranlagungsjahr gesondert zu prüfen ist. Nicht relevant ist, ob eine Wohnsitzverlegung eventuell zu einem früheren Zeitpunkt zumutbar gewesen wäre.
Aus diesem Grund konnte für das hier gegenständliche Jahr 2017 auch dem Umstand keine Bedeutung beigemessen werden, dass der Bf bereits seit 2006 in Österreich beim selben Arbeitgeber tätig gewesen ist.
Zum wirtschaftlichen Grund:
Wie in Aussagen von Lehre und Verwaltungspraxis zum Ausdruck gebracht wurde, erscheint bei noch im Haushalt lebenden betreuungspflichtigen Kindern wie im gegenständlichen Fall eine Wohnsitzverlegung dann unzumutbar, wenn noch ein wirtschaftlicher Grund hinzutritt.
Im gegenständlichen Fall drängte sich aufgrund der Ausführungen des Bf's, dass er ein Zimmer am Betriebsstandort des Arbeitgebers bewohne, für das er keine Aufwendungen geltend gemacht hatte, die Frage auf, ob es sich hierbei um ein vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung gestelltes Zimmer handle. Der Bf bestätigte, dass ihm dieses tatsächlich während der Arbeitswoche vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung gestellt worden war. Es hatte eine Fläche von lediglich 15 m 2 und befand sich am Ort der Werkstätte.
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass auch ein angemietetes Hotelzimmer oder eine kostenlos zur Verfügung gestellte Schlafstelle einen eigenen Hausstand am Beschäftigungsort und somit eine doppelte Haushaltsführung zu begründen vermögen (Schubert in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 16 [Stand , rdb.at] Anm. 25 zu § 16 unter Verweis auf ; in diesem Sinne auch die Verwaltungspraxis - siehe LStR Rz 354).
Der Umstand, dass vom Arbeitgeber ein kostenloses oder verbilligtes Zimmer zur Nächtigung zur Verfügung gestellt wird, das aufgrund der Größe und Ausstattung nicht den Familienbedürfnissen entspricht, kann grundsätzlich als wirtschaftlicher Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung anerkannt werden (in diesem Sinne siehe Jakom/Lenneis, EStG, 2020, § 16 Rz 56; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/ Zorn, EStG 21, § 16 Tz 202/2; so auch Verwaltungspraxis - siehe LStR Rz 345; ).
Wie der vorliegende Fall zeigt, ist diese Ansicht auch logisch nachvollziehbar: Es liegt auf der Hand, dass ein Zimmer mit einer Fläche von 15 m2 nicht den Wohnbedürfnissen einer dreiköpfigen Familie (Bf, Lebensgefährtin, sechzehnjährige Tochter) entsprechen kann. Bei Übersiedlung der gesamten Familie wäre am Beschäftigungsort der Bezug einer größeren Wohnung notwendig geworden, was wiederum zu unverhältnismäßig hohen Kosten geführt hätte, wenn man zudem das Einkommen des Bf's (steuerpflichtige Bezüge 2017 laut Lohnzettel cirka 18.500,00 €) und die höheren Lebenshaltungskosten in Österreich gegenüber Ungarn in Betracht zieht.
Es ist zwar richtig, wie von der belangten Behörde festgestellt, dass dieser wirtschaftliche Grund vom Bf nicht selbst vorgebracht wurde. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () ist es Sache des Steuerpflichtigen, jene Gründe zu nennen, aus denen er die Aufgabe des Familienwohnsitzes als unzumutbar angesehen hat, und ist die Behörde nicht verpflichtet, nach anderen Gründen für die Unzumutbarkeit zu suchen. Diese Aussage ist aber, wie aus den Erkenntnissen , und , eindeutig abzuleiten ist, so zu verstehen, dass der Steuerpflichtige der Behörde eine Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht nicht vorwerfen kann, wenn sie die Prüfung auf die von ihm vorgetragenen Umstände beschränkt. Stellt sich aber - wie im gegenständlichen Fall - im Laufe des Verfahrens ein weiterer Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung heraus, so ist dieser im Sinne einer umfassenden Würdigung sämtlicher für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhaltselemente auf jeden Fall in die Betrachtung miteinzubeziehen. Vor allem schiene es auch nicht gerechtfertigt, wenn dem Bf aus dem Umstand, dass er steuerlich nicht vertreten ist und daher zunächst die berücksichtigungswürdigenden Gründe nur unvollständig anführte, ein Nachteil erwüchse.
Ergebnis:
Im Ergebnis musste das Bundesfinanzgericht aufgrund obiger Erwägungen insgesamt zu folgendem Schluss kommen:
Zwar vermochte die vom Bf ins Treffen geführte Pflegebedürftigkeit der Mutter eine Unzumutbarkeit der Übersiedlung an den Beschäftigungsort aus den oben erwähnten Gründen nicht zu stützen. Der Umstand aber, dass der Bf - wie sich herausstellte - am Beschäftigungsort während der Arbeitswoche nur über ein kleines, vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung gestelltes Zimmer verfügte, ließ im Verein damit, dass am Familienwohnsitz mit der Lebensgefährtin noch eine minderjährige und somit betreuungsbedürftige Tochter lebte, die dort zur Schule ging, eine Übersiedlung im Jahr 2017 nicht zumutbar erscheinen.
Da die Kriterien für die doppelte Haushaltsführung somit erfüllt waren, konnte auch der damit zusammenhängende Mehraufwand als Werbungkosten berücksichtigt werden. Dieser bestand im vorliegenden Fall nur aus Aufwendungen für Familienheimfahrten, da das Quartier am Beschäftigungsort - wie erörtert - vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.
Was die Anmerkungen der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom zum Pendlerpauschale anlangt, so kann ihr darin beigepflichtet werden, dass die Gewährung eines Pendlerpauschales schon allein wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht kommt. Ein Konnex hierzu besteht im gegenständlichen Fall aber insoweit, als nach der Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 die Kosten für Familienheimfahrten mit dem Betrag gemäß § 16 Abs. 1 lit. d EStG 1988 in Höhe von 3.672 € (= Pendlerpauschale bei Wegstrecken über 60 km bei Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel) begrenzt sind. Dies erscheint insofern nachvollziehbar, als dadurch Steuerpflichtigen ohne Unterkunft am Beschäftigungsort kein Nachteil gegenüber jenen, die eine Unterkunft am Beschäftigungsort nutzen, erwachsen soll. Aber auch umgekehrt muss gelten, dass Steuerpflichtige mit einer Unterkunft am Beschäftigungsort, denen eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zugemutet werden kann, nicht schlechter als täglich pendelnde Arbeitnehmer gestellt sein sollen, soweit ein entsprechender Mehraufwand tatsächlich vorliegt.
Die im Rahmen der Familienheimfahrten mit dem eigenen Auto vom Bf zurückgelegten Kilometer beliefen sich im Jahr 2017, wie vom Bf nachvollziehbar dargestellt, auf 29.164 km. Bis zu einer Fahrleistung von 30.000 km können Fahrtkosten grundsätzlich gemäß § 184 BAO mit dem Kilometergeld geschätzt werden (). Danach würden sich die jährlichen Kosten auf 12.248,88 € belaufen (19.164 km x 0,42 €/km). Aber selbst wenn man bloß einen Mindestaufwand von 0,15 € an tatsächlichen Kosten pro Kilometer in Ansatz brächte, würde sich noch immer ein über dem Höchstbetrag von 3.672,00 € liegender Aufwand (4.374,60 €) ergeben.
Die Kosten für Familienheimfahrten konnten daher unbedenklich mit dem Betrag gemäß § 20 Abs. 2 Z 1 lit. e EStG 1988 in Höhe von 3.672,00 € in Ansatz gebracht und Werbungskosten in dieser Höhe anerkannt werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Ob die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort zumutbar ist, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () jeweils im Einzelfall bezogen auf die konkret vorliegenden tatsächlichen Umstände zu beurteilen. Das gegenständliche Erkenntnis war somit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig.
Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2017)
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101423.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at