Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.09.2020, RV/6100350/2020

Wiedereinsetzung in das Verfahren - Dispositionsunfähigkeit des Parteienvertreters nach Fahrradunfall

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***N***, ***N-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO vom zu Recht:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde Grunderwerbsteuer fest. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am Beschwerde.
Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde am ein Vorlageantrag eingebracht, der vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom als verspätet zurückgewiesen wurde (RV/6100495/2016).

Mit Eingabe vom (eingelangt am ) beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO. Begründend wurde ausgeführt, dass der mit der Einbringung des Vorlageantrages beauftragte Parteienvertreter im Zeitraum der offenen Vorlagefrist unfallbedingt verhindert war, den Vorlageantrag fristgerecht einzubringen.

Nach erfolgtem Mängelbehebungsverfahren wies die belangte Behörde den Antrag wies mit Bescheid vom ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abwiesen.

Am wurde ein Vorlageantrag eingebracht. Die belangte Behörde legte den Akt dem Bundesfinanzgericht am zu weiteren Bearbeitung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Festgestellter Sachverhalt

Die von der belangten Behörde erlassene Beschwerdevorentscheidung vom wurde am zugestellt.

Die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages ist am (Mittwoch) abgelaufen.

Der Vorlagenantrag wurde verspätet mit Schreiben vom eingebracht.

Am erlitt der Parteienvertreter einen Fahrradunfall. In Folge des Unfalles kam es Anfang Mai zu einer Schleimbeutelentzündung im linken Knie.

Der Parteienvertreter musste sich diesbezüglich mehrerer Operationen am 7.6.216, , und am Knie unterziehen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom langte am bei der belangten Behörde ein.

Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörden und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und ergeben sich insbesondere aus der Bescheiden der belangten Behörde bzw. aus den Schreiben und vorgelegten Unterlagen des Parteienvertreters und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Am wurde die Beschwerdevorentscheidung dem Parteienvertreter übermittelt. Die Frist zur Stellung eines Vorlageantrages beträgt gemäß § 264 BAO einen Monat ab Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung.

Die Frist zur Stellung des Vorlageantrages ist demzufolge am (Mittwoch) abgelaufen.

Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss nach § 308 Abs. 3 BAO binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 276 Abs. 2) bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen (vgl. Ritz, BAO6, § 308 Tz 17 mwN).

Am hatte der Parteienvertreter einen Radunfall des Vertreters und wurde infolge dessen nach eigenen Angaben bettlägerig. In Folge dessen bekam der Parteienvertreter eine Schleimbeutelentzündung im linken Knie. Er musste sich mehrerer Operationen am Knie unterziehen.

Krankheiten oder Verletzungen kommen jedoch nur dann als Wiedereinsetzungsgründe in Betracht kommen, wenn sie zur Dispositionsunfähigkeit führten und so plötzlich und so schwer auftreten, dass der Erkrankte nicht mehr in der Lage ist, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen. Eine die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließende Krankheit liegt dann vor, wenn jemand außer Stande ist, als notwendig erkannte Handlungen fristgerecht zu setzen (vgl. Ritz, BAO6, § 308 Tz 11, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Wenn auch der Unfall des Vertreters sicherlich insoweit Folgen nach sich gezogen hat, dass sich der Vertreter in ärztliche Behandlung begeben hat müssen, hätte er doch zumindest für seine Kanzlei und die diesbezügliche Fristwahrung (es ist davon auszugehen, dass die Frist zur Einbringung dieses Vorlageantrages nicht die einzige Frist gewesen ist), Vorsorge treffen müssen. Die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages betrug nach dem Unfall noch mehr als drei Wochen.

Es ist davon auszugehen, dass der Vertreter Kontakt mit seiner Kanzlei nach seinem Unfall aufgenommen hat (wenn nicht am selben Tag, dann zumindest kurz darauf) um Vorsorge für seine Klienten zu treffen und etwaige Fristversäumnisse hintan zu halten. Ein sorgfältig handelnder Vertreter hätte zumindest kurz Rücksprache halten müssen (wenn schon keine diesbezüglichen Anordnungen im Falle eines etwaig eintretenden Notfalles im Sinne eines Notfallplanes vorhanden sind), um ein Weiterarbeiten zu ermöglichen. Darüber hinaus wurden keinerlei Vorbringen oder Behauptungen erstattet, welche kanzleiinternen Maßnahmen der Parteienvertreter getroffen hat, um die Wahrung der Fristen zu gewährleisten.

Widersprüchlich ist in diesem Zusammenhang auch die Angabe, der Parteienvertreter hätte aufgrund seiner Krankengeschichte nicht tätig werden können, wurde doch die erste Operation am am selben Tag durchgeführt, an dem die Vorlage (unterfertigt durch den Substituten der Kanzlei) der belangten Behörde übermittelt wurde. Vielmehr deutet es darauf hin, dass die Frist offenbar auf Grund eines Kanzleifehlers übersehen und das Schriftstück erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist übermittelt wurde.

Diesbezüglich ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein Parteienvertreter die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten hat, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die Wahrnehmung von Fristen sichergestellt ist ( ua). Zur Kanzleiorganisation gehört die Führung eines Fristenvormerks. Hinsichtlich des Fristenvormerks besteht eine besondere Überwachungspflicht (). Diesbezüglich wird auch auf die ausführlichen Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung hingewiesen, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltscharakter zukommt (, mwN). Einwendungen dagegen hat der Parteienvertreter im Vorlageantrag nicht vorgenommen.

Eine Dispositionsunfähigkeit, die so plötzlich und so schwer aufgetreten, dass der Erkrankte - in diesem Fall der Parteienvertreter - nicht mehr in der Lage ist, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen konnte demzufolge nicht festgestellt werden. Es handelt sich somit beim Verschulden an der Versäumung der Frist nicht um einen minderen Grad des Versehens, weshalb die Wiedereinsetzung des Verfahrens nicht zu bewilligen war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist im Beschwerdefall von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Eine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher nicht zu lösen. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


Zitiert/besprochen in
Fiala in AVR 2020, 193
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100350.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at