Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.05.2020, RV/7101734/2018

Einbehaltenes Rehabilitationsgeld als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 entschieden:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1 . Im Zeitraum vom bis zum hatte der Beschwerdeführer (Bf.) den Rechtsanspruch auf befristete Invaliditätspension. Die von der Pensionsversicherungsanstalt für diesen Zeitraum gemeldete steuerpflichtige Invaliditätspension und die von der Wiener Gebietskrankenkasse als "Krankengeld" gemeldeten steuerpflichtigen Rehabilitationsgelder wurden im nicht angefochtenen Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 vom veranlagt.

2 . Im Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vom wurde festgestellt, dass der Anspruch auf die Invaliditätspension nach dem gerichtlichen Vergleich vom ab weiter bestand und dass die monatliche Invaliditätspension inklusive Kinderzuschuss für 2 Kinder ab bis EUR 1.469,30 betrug.

Dem PVA-Bescheid war folgende Information über die Anweisung der nachgezahlten Invaliditätspension angefügt: "Die Nachzahlung für die Zeit vom bis beträgt EUR 31.192,32 abzüglich Krankenversicherungsbeitrag EUR 1.585,71 und Lohnsteuer EUR 2.117,24 abzüglich des zur Verrechnung einbehaltenen Betrages für die Wiener Gebietskrankenkasse von EUR 27.389,37. Die Nachzahlung beträgt daher EUR 100,00 und wird überwiesen. Über die Verwendung des einbehaltenen Betrages erhalten Sie noch eine Verständigung".

3 . Das Finanzamt nahm das Einkommensteuerverfahren 2015 wieder auf, erließ den Einkommensteuerbescheid(Arbeitnehmerveranlagung) 2015 vom und änderte den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 vom dahin gehend ab, dass statt der steuerpflichtigen Invaliditätspension für den Zeitraum vom bis zum die steuerpflichtige Invaliditätspension für den Zeitraum vom bis zum besteuert wurde.

Dieser Bescheid war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar und wurde mit der Beschwerde vom angefochten.

4 . In der Beschwerde vom brachte der Bf. sinngemäß vor, dass seine Einkünfte "nur" EUR 17.801,00 betrugen und beantragte, den angefochtenen Bescheid neu zu berechnen.

Den beigelegten Girokontoauszügen ist zu entnehmen, dass die Wiener Gebietskrankenkasse im 2. Halbjahr 2015 Rehabilitationsgeld an den Bf. ausgezahlt hat.

5 . In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit folgender Begründung abgewiesen:

"Der Aktenlage ist zu entnehmen, dass Sie im Zeitraum bis eine Pension von der Pensionsversicherungsanstalt bezogen haben. Für den Zeitraum bis wurden Lohnzettelmeldungen nach § 69 Abs 2 EStG 1988 von der Wiener Gebietskrankenkasse übermittelt.

Mit Bescheid vom der Pensionsversicherungsanstalt (Landesstelle Wien) wurde Ihnen die bis befristet zuerkannte Invaliditätspension für die weitere Dauer der Invalidität weitergewährt. Dem Bescheid ist weiter zu entnehmen, dass Ihnen die Bezüge für die Zeit von bis nachgezahlt werden. Entsprechend dieses Bescheides wurde vom Pensionsträger ein korrigierter Jahreslohnzettel für den Zeitraum bis an die ho. Behörde übermittelt".

Nach Zitieren der Gesetzestexte von § 19 Abs 1 EStG 1988 idF 2015 und § 19 Abs 2 EStG 1988 idF 2015 stellte das Finanzamt fest:

"Der Grundsatz des Zu- und Abflussprinzips wird nur bei Nachzahlung von Pension, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, und Nachzahlungen im Insolvenzverfahren durchbrochen. Dem entsprechend gelten die Pensionsbezüge für den Zeitraum bis im Kalenderjahr 2015 als zugeflossen … Der Aktenlage (Datenübermittlung der WGKK) sowie den übermittelten Unterlagen (Kontoauszüge) ist zu entnehmen, dass Ihnen im Zeitraum bis entsprechende Bezüge (Reha-Geld) zugeflossen sind. Diese waren nach dem Grundsatz des Zu- und Abflussprinzips iSd § 19 Abs 1 EStG 1988 gleichfalls im Kalenderjahr 2015 in Ansatz zu bringen."

Die Beschwerdevorentscheidung war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Vorlageantrag anfechtbar und wurde mit dem Vorlageantrag vom angefochten.

6 . Im Vorlageantrag vom brachte der Bf. vor:

"… Ich bezog von 1.1. bis befristete I-Pension, von 1.7. bis bezog ich Rehageld. Mit Bescheid vom der Pensionsversicherungsanstalt wurde mir rückwirkend ab bis die I-Pension zuerkannt. Das Rehageld für 1.7. bis wurde zur Gänze von der PVA an die WGKK rücküberwiesen. Dieser Betrag ist mir gemäß § 19 EStG nie zugeflossen. Das Rehabilitationsgeld wird von der PVA zuerkannt und ersetzt seit die Invaliditätspension. Selbst wenn man einen Zufluss gemäß § 19 Abs 1 EStG annehmen sollte, läge eine Ausnahme gemäß Z 2 (Nachzahlungen von Pensionen) vor (s BFG RV/5100196/2017). Ich beantrage somit die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Erlassung eines neuen Bescheides, mit dem das Rehabilitationsgeld für 2015 (€ 8.612,78) gestrichen wird."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Der Vorlageantrag ist frist- und formgerecht eingebracht worden. Deshalb gilt die Beschwerde als unerledigt. Da die Beschwerde auch frist- und formgerecht eingebracht worden ist, ist über die Beschwerde "in der Sache" zu entscheiden.

Beschwerdepunkt/e

In der Sache ist strittig, ob die von der Pensionsversicherungsanstalt für die Wiener Gebietskrankenkasse zwecks Verrechnung einbehaltenen EUR 8.612,78 im Kalenderjahr 2015 zu besteuern sind oder nicht. Der Bf. beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Sach- und Beweislage

Der Entscheidung wird die Sach- und Beweislage zugrunde gelegt, dass der Bf. im Kalenderjahr 2015 einen Rechtsanspruch auf Rehabilitationsgeld und nachdem der PVA-Bescheid vom erlassen war, auch einen Rechtsanspruch auf Invaliditätspension für den Zeitraum vom bis zum hat.

Zur entscheidungsrelevanten Sachlage gehört auch, dass die mit PVA-Bescheid vom festgesetzte Invaliditätspension abzüglich des Betrages, den die PVA für die Wiener Gebietskrankenkasse zwecks Verrechnung einbehalten hat, an den Bf. ausbezahlt worden ist.

Rechtslage

Die im Vorlageantrag zitierte Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof in , aufgehoben und hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Gemäß § 19 Abs 1 Einkommensteuergesetz - EStG 1988 idF 2015 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie zugeflossen sind.

Gemäß § 19 Abs 1 Z 2 Einkommensteuergesetz - EStG 1988 idF Budgetbegleitgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2011, gelten Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden.

Gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit c Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG idF ab 2014 sind Bezieher von Rehabilitationsgeld im Sinne des § 143a ASVG in der Pensionsversicherung zwar teilversichert, jedoch hat der Steuergesetzgeber das Rehabilitationsgeld in § 69 Abs 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 13/2014 dem Krankengeld gleichgestellt (vgl. AA 14 XXV. GP- Abänderungsantrag). Deshalb sind Rehabilitationsgelder im Sinne des § 143a ASVG Einnahmen im Sinne des § 25 Abs 1 Z 1 lit c EStG 1988 und nicht Einnahmen im Sinne des § 25 Abs 1 Z 3 lit a EStG 1988.

Wird Rehabilitationsgeld zuerkannt, ist die Leistung des Arbeitsmarktservice gemäß § 23 Abs 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz - AlVG 1977 als steuerpflichtiger Vorschuss auf die beantragte Leistung zu beurteilen. Dessen Rückzahlung (im Wege der Legalzession nach § 23 Abs 6 AlVG 1977) ist gemäß § 16 Abs 2 EStG 1988 zu berücksichtigen.

Rechtliche Würdigung und Entscheidung

Im Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof die 2015 geltende Rechtslage angewendet und hat sich u.a. dazu geäußert, wie Rehabilitationsgelder im Sinne des § 143a ASVG im Kalenderjahr 2015 steuerrechtlich zu behandeln sind, wenn sie von (Invaliditäts-)Pensionsnachzahlungen abgezogen und damit einbehalten werden.

Im Kalenderjahr 2015 besteuerte und im Kalenderjahr 2016 einbehaltene Rehabilitationsgelder sind auch in dieser Beschwerdesache strittig. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher im Erkenntnis , die Rechtsfrage beantwortet, die das Bundesfinanzgericht jetzt zu beantworten hat. Die Rechtsprechung in , wird daher in dieser Beschwerdesache angewendet.

Von dieser Rechtsprechung ausgehend ist festzustellen und wie folgt zu entscheiden:

A. Nach der Rechtsprechung in , sind Rehabilitationsgelder steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 25 Abs 1 Z 1 lit c EStG 1988 idF 2015. In § 25 Abs 1 Z 1 lit c EStG 1988 idF 2015 bestimmt der Gesetzgeber, welcher Einkunftsart Bezüge aus einer gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind. Rehabilitationsgelder sind daher Bezüge aus einer gesetzlichen Krankenversicherung. Auf Bezüge aus einer gesetzlichen Krankenversicherung ist § 19 Abs 1 Z 2 EStG 1988 idF 2015 nicht anwendbar, weshalb Rehabilitationsgelder in dem Kalenderjahr bezogen (und zu besteuern) sind, in dem sie zugeflossen sind. Die 2015 im Konto des Bf. gutgeschriebenen Rehabilitationsgelder sind dem Bf. im Kalenderjahr 2015 zugeflossen und sind im Kalenderjahr 2015 steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Da das Finanzamt die im Kalenderjahr 2015 zugeflossenen Rehabilitationsgelder im angefochtenen Bescheid besteuert hat, ist der Bescheid in diesem Punkt nicht abzuändern.

B. Unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf Invaliditätspension befristet oder unbefristet ist, gehört die Invaliditätspension zu den (Pensions-)Einkünften im Sinne des § 25 Abs 1 Z 3 lit a EStG 1988 idF 2015. Auf (Invaliditäts-)Pensionsbezüge ist § 19 Abs 1 Z 2 EStG 1988 idF 2015 anzuwenden, weshalb sie in dem Kalenderjahr zu besteuern sind, in dem der Rechtsanspruch auf diese Pensionsbezüge besteht.

Der Rechtsanspruch auf die Invaliditätspension Jänner 2015 bis Juni 2015 besteht im Zeitraum vom bis zum . Die Invaliditätspensionsbezüge des Zeitraums vom bis zum sind daher im Kalenderjahr 2015 zu besteuern.

Der Rechtsanspruch auf die Invaliditätspension für den Zeitraum ab Juli 2015 ist mit dem PVA-Bescheid vom entstanden, weshalb der Bf. im Kalenderjahr 2015 auch einen Rechtsanspruch auf Invaliditätspension für den Zeitraum vom bis zum hat. Die Invaliditätspensionsbezüge des Zeitraums vom bis zum 31.21.2015 sind daher auch im Kalenderjahr 2015 zu besteuern.

Das Finanzamt hat die Invaliditätspensionsbezüge des Zeitraums vom bis zum 31.21.2015 im angefochtenen Bescheid besteuert, weshalb der Bescheid auch in diesem Punkt nicht abzuändern ist.

C. Nach der Rechtsprechung in , sind Rehabilitationsgelder steuerpflichtige Vorschüsse auf beantragte Leistungen und sind daher gemäß § 16 Abs 2 EStG 1988 idF 2015 als Werbungskosten abziehbar.

Gemäß § 16 Abs 2 EStG 1988 idF 2015 gehört zu den Werbungskosten auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt wurde.

Diese gesetzlichen Voraussetzungen sind erfüllt, da Rehabilitationsgelder monatlich ausgezahlt werden und zu erstatten sind, nachdem sie - wie hier geschehen - durch die Invaliditätspension ersetzt worden sind. Die Rehabilitationsgelder sind daher als Werbungskosten abziehbar.

Werbungskosten sind Ausgaben. Gemäß § 19 Abs 2 EStG 1988 idF 2015 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Da die Rehabilitationsgelder mit PVA-Bescheid vom und damit im Kalenderjahr 2016 durch die Invaliditätspension ersetzt worden sind, sind sie im Kalenderjahr 2016 zurück zu zahlen und sind daher im Kalenderjahr 2016 als Werbungskosten abziehbar.

Der angefochtene Bescheid ist nicht für das Kalenderjahr 2016 sondern für das Kalenderjahr 2015 erlassen worden. Im Kalenderjahr 2015 sind die im Kalenderjahr 2016 zurückzuzahlenden Rehabilitationsgelder jedoch nicht als Werbungskosten abziehbar.

Das Beschwerdebegehren - die Rehabilitationsgelder im Kalenderjahr 2015 nicht zu besteuern und den angefochtenen Bescheid aufzuheben - ist daher abzuweisen und wird mit dieser Entscheidung abgewiesen.

Revision

Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsfrage, wie Rehabilitationsgelder steuerrechtlich zu behandeln sind, in , beantwortet hat. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101734.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at