Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.07.2020, RV/7102947/2020

Nennung des Wiederaufnahmegrundes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Sedelmayer & Klier Steuerberater und Wirtschaftsprüfer GmbH, Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2013 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der beschwerdegegenständliche Bescheid wurde wie folgt erlassen:
Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens
betreffend Einkommensteuer 2013

Das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2013 (Bescheid vom ) wird gem. § 303 (1) BAO wieder aufgenommen.
Begründung:
Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung. Das Interesse auf Rechtsbeständigkeit (offensichtlich gemeint: Rechtsrichtigkeit und die Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden.

Der (neue) Einkommensteuerbescheid 2013 vom wurde erlassen wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"Einkünfte aus selbständiger Arbeit
-260,00 €
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Übermittelte Lohnzettel laut Anhang
Bezugsauszahlende Stelle / stpfl. Bezüge (245)
PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT/ 31.031,28 €
Bundeskammer … / 8.485,44 €




39.516,72 €
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
23.134,99 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
62.391,71 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Kirchenbeitrag
-269,23 €
Kinderfreibeträge für haushaltszugehörige Kinder gem. § 106a Abs 1 EStG 1988

-440,00 €
Einkommen
61.622,48 €
Die Einkommensteuer wird unter Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte wie folgt ermittelt:
Einkommen
61.622,48 €
ausländische Einkünfte
3.498,00 €
Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz
65.120,48 €
(65.120,48 - 60.000,00) x 0,5 + 20.235,00
22.795,24 €
Durchschnittssteuersatz (22.795,24 / 65.120,48 x 100)
35,00 %
Durchschnittssteuersatz 35,00 % von 61.622,48
21.567,87 €
Alleinverdienerabsetzbetrag
-669,00 €
Pensionistenabsetzbetrag
0,00 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
20.898,87 €
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:
0% für die ersten 620,00
0,00 €
6% für die restlichen 5.996,74
359,80 €
Steuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen (besonderer Steuersatz von 25%)
9.422,46 €
Einkommensteuer
30.681,13 €
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
-7.963,56 €
Kapitalertragsteuer
-10.150,74 €
0,17 €
Festgesetzte Einkommensteuer
12.567,00 €

Hinweise:
Sie haben während des Jahres …
Begründung:
Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte ...
Die Veranlagung erfolgte unter Zugrundelegung der mit Ihnen bzw. Ihrem Vertreter aufgenommenen Niederschrift bzw. unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Vorhalteverfahrens.
Die Tatsache, dass für Zwecke der deutschen Besteuerung ein steuerfreier Betrag
der deutschen Alterspension ermittelt wird, ist für Zwecke des österreichischen
Progressionsvorbehalts unerheblich, da dieser nach österreichischem Recht
ermittelt wird (siehe Info auf BMF-Homepage unter https_//www.bmf.gv.at/steuern
/selbststaendige-unternehmer/einkommensteuer/est-faq-deutsche-pension.html)
Die ausländischen Pensionseinkünfte sind daher zur Gänze, also in Höhe von € 3.532,02 im Rahmen der Veranlagung progressionserhöhend zu berücksichtigen
(vgl. Art 23 Abs. 2 lit. d DBA Österreich-Deutschland).
Vergleiche auch die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes zu einem ähnlich
gelagerten Sachverhalt im Erkenntnis vom , RV/6100700/2014. Bei
ausländischen Einkünften sind immer die Vorschriften des österreichischen EStG
maßgebend. DBAs entfalten eine Schrankenwirkung bloß insofern, als sie eine
sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob
und in welcher Höhe überhaupt Steuerpflicht besteht, ist zunächst stets nach
innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen."

Der steuerliche Vertreter des Bf. erhob Beschwerde mit folgender Begründung:
Wir erheben Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013 mit der Begründung, dass dem Bescheid kein Wiederaufnahmegrund zu entnehmen ist.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung:
Der erfolgten Wiederaufnahme der Einkommensteuer 2013 vorgelagert war ein Vorhalt der Abgabenbehörde vom mit nachstehendem Inhalt:
"In der Beschwerde betreffend das Veranlagungsjahr 2014 haben Sie dem Finanzamt bekanntgegeben, dass nur die Hälfte der deutschen Pensionseinkünfte für den Progressionsvorbehalterklärt wurden. Die(s) stellt eine neue Tatsache bzw. ein neues Beweismittel iSd § 303 BAO dar, dasdem Finanzamt im Rahmen der Bescheiderlassung nicht bekannt war. Sie werden ersucht, dengenauen Betrag der deutschen Pensionseinkünfte für das Jahr 2013 bekanntzugeben."
Im Zuge der Vorhaltsbeantwortung vom wurde vom Beschwerdeführer (Bf.) der Einkommensteuerbescheid 2013 aus Deutschland vorgelegt. Aus diesem war ersichtlich, dass die deutsche Rente im Jahr 2013 € 3.498,-- betrug. Ein Betrag iHv € 1.566 ,-- war nach deutschem Recht steuerfrei, ergänzend wurde nach deutschem Recht ein Pauschbetrag für Werbungskosten iHv € 102 abgezogen. Im Ergebnis wurde ein Einkommen iHv € 1.830 festgesetzt (wurde). Dieser Betrag wurde im Rahmen der österreichischen Einkommensteuererklärung vom Bf. als Progressionseinkünfte erklärt.
Auf Grund dieser neuen Tatsache (Nichterklärung der gesamten deutschen Rente) bzw. des neuen Beweismittels (Einkommensteuerbescheid 2013 aus Deutschland) wurde das Einkommensteuerverfahren 2013 von der Abgabenbehörde wiederaufgenommen, da diese Tatsache bzw. dieses Beweismittel der Abgabenbehörde bei der am erfolgten Erstveranlagung nicht bekannt war und bei Kenntnis einen im Spruch anderslautenden Bescheid zur Folge gehabt hätte.
Im nun bekämpften Wiederaufnahmebescheid vom wurde hinsichtlich des Wiederaufnahmegrundes auf den Sachbescheid (neu erlassener Einkommensteuerbescheid 2013 vom ) verwiesen. In der Begründung des Sachbescheides ist ersichtlich, dass die Wiederaufnahme auf Grund der Nichterklärung der gesamten deutschen Rente erfolgte. Im Bescheid wurde ausgeführt, dass der Umstand, dass für Zwecke der deutschen Besteuerung einsteuerfreier Betrag der deutschen Alterspension ermittelt wird, für Zwecke des österreichischenProgressionsvorbehalts unerheblich ist, da dieser nach österreichischem Recht ermittelt wird".
Der Wiederaufnahmebescheid wird vom Bf. nun mit der Begründung bekämpft, dass von der Abgabenbehörde kein Wiederaufnahmegrund genannt worden sei.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Im Falle von bloß mangelhaften Bescheidausführungen ist ein vom Finanzamt (erkennbar) herangezogener Wiederaufnahmegrund im Rechtsmittelverfahren zu prüfen und zu würdigen und sind gegebenenfalls auch die dazu erforderlichen Ergänzungen vorzunehmen (vgl. ). Eine solche Ergänzung einer mangelhaften Begründung der vom Finanzamt tatsächlich herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt daher auch kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. ). Sinn und Zweck der Nennung des Wiederaufnahmegrundes ist u.a. auch das Rechtsschutzinteresse der Partei (vgl. ).
Die Begründung muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für die Partei, als auch für die Höchstgerichte nachvollziehbar ist (Ritz, BAO6, § 3 Tz 15 unter Verweis auf VwGH-Judikatur).
Beleuchtet man den dargestellten Sachverhalt unter dem Blickwinkel der zitierten Judikatur so kommt die Abgabenbehörde zu nachstehender rechtlichen Würdigung:
Im Zuge des im Vorfeld durchgeführten Vorhalteverfahrens wurde von der Abgabenbehörde bereits auf den Wiederaufnahmegrund hingewiesen. Der Wiederaufnahmegrund ist die Tatsache, dass der Abgabenbehörde im Zuge der Erstveranlagung nicht bekannt war, dass der Bf. nicht die gesamte deutsche Rente als Progressionseinkünfte erklärt hat. Ergänzend wurde der Einkommensteuerbescheid 2013 aus Deutschland vorgelegt. Dies stellt ein neues Beweismittel dar iSd § 303 Abs. 1 lit b BAO (dar).
Der ergangene Wiederaufnahmebescheid verweist auf die Begründung des Sachbescheides. Im Sachbescheid wird ausgeführt, dass die Wiederaufnahme erfolgte, weil das Ausscheiden eines steuerfreien Betrages nach österreichischem Steuerrecht nicht zulässig ist. Es ist die gesamte deutsche Rente zu erklären und ist diese im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen.
Das Rechtsschutzinteresse des Bf. war zu jeder Zeit gewahrt, da er bereits im Vorfeld wusste, welcher Wiederaufnahmegrund von der Abgabenbehörde herangezogen werden wird (siehe Vorhalt vom ). Weiters ist der Wiederaufnahmegrund aus der Begründung des Sachbescheides erkennbar. Nach der zitierten Rechtsprechung ist eine mangelhafte Begründung im Beschwerdeverfahren sanierbar. Diese Sanierung erfolgte mit gegenständlicher Begründung.
Der Wiederaufnahmegrund iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist die im Zeitpunkt der Erstveranlagung nicht bekannte Tatsache, dass vom Bf. nicht die gesamte deutsche Rente aus dem Jahr 2013 iHv € 3.498 erklärt wurde. Ergänzend stellt der übermittelte Einkommensteuerbescheid 2013 aus Deutschland ein neues Beweismittel iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar. Diese Wiederaufnahmegründe waren der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erstveranlagung nicht bekannt und hätten zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt.
Mit gegenständlicher Beschwerdevorentscheidung erfolgt auch kein Auswechseln von Wiederaufnahmegründen, da in der Begründung des Einkommensteuerbescheides 2013 unzweifelhaft ersichtlich ist, dass der Wiederaufnahmegrund die Tatsache der Nichterklärung der gesamten deutschen Rente war. Mit gegenständlicher Begründung werden die Wiederaufnahmegründe bloß präzisiert und ein etwaiger Begründungsmangel zulässigerweise saniert. Der Denkprozess der behördlichen Erledigung ist für den Bf. unstrittig nachvollziehbar. Dies ergibt sich ergänzend auch aus der Tatsache, dass im Jahr 2014 ebenso ein Beschwerdeverfahren zur selben Rechtsfrage anhängig war und die Rechtsansicht der Abgabenbehörde vom Bf. anerkannt wurde.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die genaue Nennung des Wiederaufnahmegrundes nicht notwendig ist, wenn sich der Wiederaufnahmegrund aus der Auslegung der Begründung ergibt. Im Übrigen darf an die Nennung des Wiederaufnahmegrundes nicht der vom Bf. geforderte strenge(r) Maßstab gestellt werden, sondern kommt es im darauf an, ob der Grund in der Begründung nachvollziehbar dargestellt wurde und das Rechtschutzinteresse der Partei gewahrt wird. Diese Voraussetzungen liegen vor und (wurde) erfolgte zudem eine zulässige Begründungssanierung im Zuge der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung.
Insgesamt war sohin spruchgemäß mit Abweisung der Beschwerde zu entscheiden.

Im vom steuerlichen Vertreter des Bf. eingebrachten Vorlageantrag wurde darauf hingewiesen, ,dass im bekämpften Bescheid keinerlei Hinweise auf den konkreten Wiederaufnahmegrund angeführt sind. Der Wiederaufnahmebescheid verweist auch nicht auf die Begründung des neuen Sachbescheides, so dass wir weiterhin die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides vom begehren.'

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Strittig ist, ob die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2013 zu Recht erfolgt ist.
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung der belangten Behörde nicht den gesamten Betrag seiner deutschen Rente als Progressionseinkünfte offengelegt, sondern wurde ein steuerfreier Betrag nach deutschem Recht ausgeschieden. Vom Bf. wurden demnach Progressionseinkünfte iHv 1.830 anstatt 3.498 erklärt. Diese neue Tatsache wurde der belangten Behörde auf Grund einer Kontrollmitteilung der ausländischen Steuerbehörde für das Jahr 2014 und einem daraufhin durchgeführten Vorhalteverfahren für das Jahr 2013 bekannt. Vom Bf. wurde im Zuge des Vorhalteverfahrens der deutsche Einkommensteuerbescheid 2013 übermittelt.
Von der belangten Behörde wurde das Einkommensteuerverfahren in weiterer Folge wiederaufgenommen und Progressionseinkünfte in Höhe von 3.498 berücksichtigt.
Nach Ansicht der belangten Behörde wurde der Wiederaufnahmegrund im ausreichenden Maß benannt. Der Bf. vertritt die Rechtsansicht, dass von der belangten Behörde kein Wiederaufnahmegrund genannt worden sei.
Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die entsprechenden Bescheide (Wiederaufnahmebescheid sowie Sachbescheid) verwiesen.
Beweismittel:
Auf das Inhaltsverzeichnis wird verwiesen.
Stellungnahme:
Nach Ansicht der belangten Behörde wurde der Wiederaufnahmegrund (neue Tatsache) im Bescheid ausreichend benannt. Der Wiederaufnahmebescheid verweist auf den (neuen) Sachbescheid. Im neuen Sachbescheid wurde die neue Tatsache bezeichnet. Im Übrigen darf an dieser Stelle auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen werden.
Das Vorbringen des Bf. im Vorlageantrag, dass der Wiederaufnahmebescheid nicht auf den Sachbescheid verweise, ist nicht richtig. Die Begründung des Wiederaufnahmebescheides enthält ausdrücklich die Formulierung, dass die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind. Unter dem Blickwinkel des vorab durchgeführten Vorhalteverfahrens in Zusammenschau mit der Begründung im neu ergangenen Einkommensteuerbescheid sowie der Beschwerdevorentscheidung, ergibt sich nach Ansicht der belangten Behörde die neue Tatsache, nämlich dass vom Bf. nicht die gesamte Höhe der deutschen Rente offengelegt und zu Unrecht ein steuerfreier Betrag ausgeschieden wurde.
Ordnungshalber wird festgehalten, dass die materiellrechtliche Beurteilung der belangten Behörde nicht weiter bekämpft wurde und vom Bf. in den Nachjahren auch akzeptiert wurde. Weiters wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt und abgefertigt wurde und im Original mit einer elektronischen Signatur versehen ist.
Von der belangten Behörde wird sohin beantragt, das Bundesfinanzgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Am richtete das Finanzamt folgendes Schreiben an den steuerlichen Vertreter des Bf.:
In der Beschwerde betreffend das Veranlagungsjahr 2014 haben Sie dem Finanzamt
bekannt gegeben, dass nur die Hälfte der deutschen Pensionseinkünfte für den
Progressionsvorbehalt erklärt wurden. Die(s) stellt eine neue Tatsache bzw. ein
neues Beweismittel iSd § 303 BA0 dar, das dem Finanzamt im Rahmen der
Bescheiderlassung nicht bekannt war. Sie werden ersucht, den genauen Betrag
der deutschen Pensionseinkünfte für das Jahr 2013 bekanntzugeben.

In Beantwortung dieses Schreibens wurde der deutsche Einkommensteuerbescheid 2013 vom betreffend den Bf. vorgelegt.
In diesem ist unter der Bezeichnung ,Sonstige Einkünfte Leibrente/n Jahresbetrag der Rente' ein Betrag iHv € 3.498,00 ausgewiesen.

Der am ergangene (erste) Einkommensteuerbescheid 2013 wurde wie folgt erlassen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkünfte aus selbständiger Arbeit
-260,00 €
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Übermittelte Lohnzettel laut Anhang
Bezugsauszahlende Stelle / stpfl. Bezüge (245)
PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT/ 31.031,28 €
Bundeskammer … / 8.485,44 €




39.516,72 €
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
23.134,99 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
62.391,71 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Kirchenbeitrag
-269,23 €
Kinderfreibeträge für haushaltszugehörige Kinder gem. § 106a Abs 1 EStG 1988

-440,00 €
Einkommen
61.622,48 €
Die Einkommensteuer wird unter Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte wie folgt ermittelt:
Einkommen
61.622,48 €
ausländische Einkünfte
1.830,00 €
Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz
63.452,48 €
(63.452,48 - 60.000,00) x 0,5 + 20.235,00
21.961,24 €
Durchschnittssteuersatz (21.961,24 / 63.452,48 x 100)
34,61 %
Durchschnittssteuersatz 34,61 % von 61.622,48
21.327,54 €
Alleinverdienerabsetzbetrag
-669,00 €
Pensionistenabsetzbetrag
0,00 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
20.658,54 €
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:
0% für die ersten 620,00
0,00 €
6% für die restlichen 5.996,74
359,80 €
Steuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen (besonderer Steuersatz von 25%)
9.422,46 €
Einkommensteuer
30.440,80 €
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
-7.963,56 €
Kapitalertragsteuer
-10.150,74 €
0,50 €
Festgesetzte Einkommensteuer
12.327,00 €

Hinweise:
Sie haben während des Jahres …
Begründung:
Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte …

Im (neuen) Einkommensteuerbescheid 2013 vom blieben
- der Gesamtbetrag der Einkünfte (mit dem Betrag iHv € 62.391,71)
- die Sonderausgaben (mit den Beträgen
-- Pauschbetrag für Sonderausgaben iHv € 60,00,
-- Kirchenbeitrag iHv € 269,23 und
-- Kinderfreibeträge iHv € 440,00) und damit
- das Einkommen (mit dem Betrag iHv € 61.622,48)
unverändert.

Die einzigeÄnderung der Bemessungsgrundlagen - abgesehen von den darauf beruhenden Neuberechnungen - war die Erhöhung der ausländischen Einkünfte (gemäß dem vorangegangenen Vorhalteverfahren), auf Grund deren Berücksichtigung die Einkommensteuer ermittelt wurde:

  1. Im Erstbescheid wurden ausländische Einkünfte iHv € 1.830,00 berücksichtigt.

  2. Im wiederaufgenommenen Verfahren wurden im (neuen) Bescheid ausländische Einkünfte iHv € 3.498,00 berücksichtigt.

§ 303 Abs. 1 BAO in der anzuwendenden Fassung bestimmt:
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Im Wiederaufnahmebescheid wurde die Wiederaufnahme damit begründet, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 (1) BAO erfolgte, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
In der Begründung des Sachbescheides wird zunächst - unter Verwendung eines Standardcodes - darauf verwiesen, dass die Veranlagung unter Zugrundelegung der mit Ihnen bzw. Ihrem Vertreter aufgenommenen Niederschrift bzw. unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Vorhalteverfahrens erfolgte. War der Bescheiderlassung im gegenständlichen Wiederaufnahmeverfahren ein Vorhalteverfahren vorangegangen besteht kein Zweifel, dass die zweite Variante zum Tragen kam.
Die anschließenden oben wiedergegebenen Ausführungen lassen keine Zweifel hinsichtlich der vom Finanzamt für die Wiederaufnahme herangezogenen Tatsache aufkommen.

Diese Ausführungen zeigen in Verbindung mit dem Vergleich des Erstbescheides mit dem im wiederaufgenommenen Verfahren mit der einzigen (und augenfälligen) Änderung der Bemessungsgrundlagen erlassenen Einkommensteuerbescheid, worin der Wiederaufnahmegrund bestand.

Der Vorwurf im Vorlageantrag: "Der Wiederaufnahmebescheid verweist auch nicht auf die Begründung des neuen Sachbescheides" ist, heißt es im Wiederaufnahmebescheid doch:
"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, …" nicht berechtigt.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen auf der Sachverhaltsebene zu lösenden Fall nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102947.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at