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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.09.2020, RV/1100337/2019

Zurückgezahlte Arbeitslosengelder sind im Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rudolf Guntram Rudari, Felderstraße 5, 6706 Bürs,

betreffend den Bescheid des ***FA*** vom hinsichtlich Einkommensteuer 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Berechnung der festgesetzten Abgabe ist am Ende der Entscheidungsgründe in Zahlen dargestellt und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der angefochtene Bescheid enthielt folgende Begründung: "Die Rückzahlung des Arbeitslosengeldes stellt keine Werbungskosten im Sinne des § 16 EStG dar. Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Dies trifft in Ihrem Fall nicht zu. Weiters handelt es sich bei diesen Kosten gemäß § 20 EStG um nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben. Daher können diese Kosten nicht abgesetzt werden".

Dagegen brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde ein, in welcher er ausführte: Die Rückzahlung des Arbeitslosengeldes sei nicht als Werbungskosten anerkannt worden. Da jedoch das Arbeitslosengeld gemäß § 3 Abs. 1 Z. 5a iVm § 3 Abs. 2 EStG 1988 progressionserhöhend wirke, sei es im Gegenzug bei Rückzahlung progressionsvermindernd zu berücksichtigen.

In der Folge erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der seitens des Finanzamtes erläutert wurde:

"Die Rückzahlung steuerfreien Arbeitslosengeldes, für welches eine Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 vorgenommen wird, führt im Jahr der Rückzahlung weder zu Werbungskosten noch ist eine progressionsmindernde "umgekehrte" Hochrechnung vorzunehmen. Eine solche Rückzahlung stellt vielmehr ein rückwirkendes Ereignis dar, welches gemäß § 295a BAO zu einer Bescheidänderung führt. Somit ist im gegenständlichen Fall der Einkommensteuerbescheid des Jahres 2012, in welchem die Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 in die Hochrechnung einbezogen wurden, gemäß § 295a BAO abzuändern. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen".

Der Beschwerdeführer brachte in der Folge einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein führte aus:

Soweit in der Beschwerdevorentscheidung erklärt worden sei, dass es sich um ein rückwirkendes Ereignis handle und somit der Einkommensteuerbescheid des Jahres 2012 abzuändern wäre, könne er dieser Rechtsauffassung nicht folgen. Die Rückerstattung von Arbeitslosengeld sei im Jahr der Zahlung mit progressionsmindernder Wirkung zu berücksichtigen. Er verweise in diesem Sinne auf das Erkenntnis des UFS RV/0656-S/08 vom hinsichtlich der Rückerstattung von Krankengeld. Der UFS beziehe sich darin auf § 16 Abs. 2 EStG 1988. Dessen Bestimmung sei zur Gänze umlegbar auf die Rückzahlung von Arbeitslosengeld. Er beantrage daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Abänderung im Sinne seines Beschwerdebegehrens.

In weiterer Folge wies der steuerlich vertretene Beschwerdeführer mit schriftlicher Eingabe auf das Erkenntnis des hin, mit welchem nach seiner Rechtsüberzeugung die Streitfrage zu seinen Gunsten geklärt sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommenssteuer befreit.

Erhält der Steuerpflichtige u. a. steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1-3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist es Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

Gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zählt zu den Werbungskosten auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen, sofern weder der Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen noch der Zeitpunkt der Erstattung willkürlich festgesetzt wurde.

Nach § 20 Abs. 2 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte u. a. Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Das seitens des steuerlichen Vertreters zitierte Erkenntnis des besagt:

Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (277 BlgNR 17. GP 6 f) ergibt sich, dass die Steuerfreiheit für das Arbeitslosengeld eine Begünstigung ist, die aber nicht zu einer Progressionsmilderung anderer Einkünfte führen soll. Dies erreicht die Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 dadurch, dass die steuerpflichtigen Lohnbezüge bzw. die Einkünfte der ersten vier Einkunftsarten für die Dauer des Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden (Umrechnungsvariante). Aus der Umrechnung darf aber keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten. Daher muss anhand einer Kontrollrechnung festgestellt werden, ob sich bei Hinzurechnung der betreffenden Bezüge als steuerpflichtige Einnahmen gegenüber der "Umrechnungsvariante" eine niedrigere Steuer ergibt (Hinzurechnungsvariante).

Die "Hinzurechnungsvariante" besteht gerade darin, dass die steuerfreien Einnahmen in Form von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe so behandelt werden, als bestünde die Steuerbefreiung nicht. Für Zwecke der Hinzurechnungsvariante wird daher gegenständlich der Bezug von Arbeitslosengeld als steuerpflichtige Einnahme im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erfasst.

Zurückgezahlte Einnahmen sind gemäß § 16 Abs. EStG 1988 im Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung (§ 19 Abs. 2 EStG 1988) als Werbungskosten zu berücksichtigen. Genauso wie die "Hinzurechnungsvariante" zugeflossene Arbeitslosenbezüge als steuerpflichtige Einnahmen behandelt wissen will, sind im Rahmen dieser Kontrollrechnung die im Veranlagungsjahr zurückbezahlten Arbeitslosengelder - wenn deren Zufluss steuerliche Auswirkungen, sei es im Wege der Umrechnungsvariante, sei es im Wege der Hinzurechnungsvariante, hatte - als Werbungskosten anzusetzen. Im Rahmen der Kontrollrechnung steht dem die Regelung des § 20 Abs. 2 EStG 1988 nicht entgegen, weil die "Hinzurechnungsvariante" ja gerade die Steuerpflicht der Bezüge unterstellt (siehe , Rz 27 und 28).

Im Streitfall wurde bei der Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2012 die Umrechnungsvariante angewendet und anschließend anhand einer Kontrollrechnung festgestellt, dass sich bei Hinzurechnung der steuerfreien Bezüge iSd § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergab. Die Festsetzung erfolgte in dieser Höhe.

Die im Jahr 2018 erfolgte Rückzahlung von Arbeitslosengeld in Höhe von 1.488,00 € ist entsprechend der oben zitierten Rechtsprechung des VwGH im Zeitpunkt der Rückzahlung als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß Folge zu geben.

Die nachstehend dargestellte Berechnung führt zu einer gegenüber dem angefochtenen Bescheid hören Steuerfestsetzung (ESt 2018 i.H.v. € 598,00 anstelle von € 190,00). Die erhöhte Steuervorschreibung ist darauf zurückzuführen, dass mit der vorliegenden Änderung nicht nur Werbungskosten i.H.v. € 1.488,00 in Abzug gebracht wurden, sondern auch eine Zahlung aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds i.H.v. € 4.404,45, die bisher nicht berücksichtigt wurde, unter den Einkünften in Ansatz zu bringen war.

Berechnung Einkommensteuer 2018:


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Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit:
Insolvenz-Entgelt-Fonds
€ 4.404,45
***1***
€ 21.337,86
***2***
€ 3.212,57
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte
€ -1.488,00
€ 27.466,88
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
€ 521,85
Veranlagungsfreibetrag
€ -521,85
Gesamtbetrag der Einkünfte
€ 27.466,88
Sonderausgaben:
Personenversicherungen/Wohnraumschaffung (Topf-Sonderausgaben)
€ -730,00
Steuerberatungskosten
€ -780,00
Kinderfreibeträge für haushaltszugehörige Kinder gemäß § 106a Abs. 1 EStG 1988
€ -1.320,00
Einkommen
€ 24.636,88
Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 vor Abzug der Absetzbeträge
€ 4.072,90
Verkehrsabsetzbetrag
€ -400,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
€ 3.672,90
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt
€ 125,06
Einkommensteuer
€ 3.797,96
Anrechenbare Lohnsteuer
€ -3.200,41
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988
€ 0,45
Festgesetzte Einkommensteuer
€ 598,00
(bisher
€ 190,00)

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der zu beurteilenden Rechtsfrage findet Deckung in dem oben zitierten Erkenntnis des VwGH vom22.6.2020, Ro 2018/13/0009.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100337.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at