Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.06.2020, RV/7400105/2016

Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe; Gläubigergleichbehandlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Abgabenkontonummer xxxxxxxx, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6, Rechnungs und Abgabewesen vom , betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen für den Zeitraum Jänner 2013 bis April 2014, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf nachstehende Abgaben im Gesamtbetrag von EUR 1.145,57 herabgesetzt:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag in EUR
Kommunalsteuer
1 - 12/2013
833,66
Säumniszuschlag
1 - 12/2013
14,40
Kommunalsteuer
1 - 4/2014
270,11
Säumniszuschlag
1 - 4/2014
5,40
Dienstgeberabgabe
1 - 12/2013
22,00

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) war im Zeitraum bis Geschäftsführerin der A GmbH (vormals: B GmbH), über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom tt.mm.2014 der Konkurs eröffnet wurde.

Mit Bescheid vom zog der Magistrat der Stadt Wien die Bf. zur Haftung für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen in Höhe von EUR 6.203,77 und an Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen in Höhe von EUR 830,45 der A GmbH, jeweils für den Zeitraum Jänner 2013 bis April 2014, heran. In der Begründung ist nach Darstellung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen Folgendes ausgeführt:

Die Bf. sei bis im Firmenbuch als Geschäftsführerin der A GmbH eingetragen gewesen und habe weder die Bezahlung veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Sie habe somit die ihr als Geschäftsführerin der Gesellschaft auferlegten Pflichten verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne. Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO , da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin überhaupt noch eingebracht werden könne.

Der Rückstand setze sich laut Abgabenkonto wie folgt zusammen:


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Rückstand
Zeitraum
Betrag in EUR
Kommunalsteuer
1 - 12/2013
1.553,67
Säumniszuschlag
1 - 12/2013
28,80
Kommunalsteuer
1 - 4/2014
4.530,69
Säumniszuschlag
1 - 4/2014
90,61
Dienstgeberabgabe
1 - 12/2013
214,00
Dienstgeberabgabe
1 - 4/2014
604,36
Säumniszuschlag
1 - 4/2014
12,09
Summe
7.034,22

Die Bf. erhob gegen den Haftungsbescheid Beschwerde mit der Begründung, sie sei zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen der A GmbH nicht mehr handelsrechtliche Geschäftsführerin der genannten Gesellschaft gewesen. Sie habe daher jedenfalls nach ihrer am erfolgten Abberufung als Geschäftsführerin keinerlei Einfluss auf die Gesellschaft gehabt und könne daher im danach gelegenen Zeitraum bis zur Konkurseröffnung keine abgabenrechtlichen oder sonstigen gesellschaftsrechtlichen Pflichten verletzt haben, sodass sie für eine nach Ende ihre Geschäftsführertätigkeit allenfalls eingetretene - aber bisher noch gar nicht feststehende - Uneinbringlichkeit offener Abgabenschulden der A GmbH keine Haftung treffen könne. Auch im Zeitraum während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der Gesellschaft habe sie keine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen zu verantworten, da sie die ihr zur Verfügung gestandenen Mittel der Gesellschaft gleichmäßig zur Abdeckung von Abgabenschulden und sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft verwendet habe.

Beweis: PV; vorzulegende Buchhaltungsunterlagen und Kontoauszüge; beiliegender Firmenbuchauszug der A GmbH.

In der Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Haftungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit ersatzlos aufzuheben.

Mit Schreiben vom forderte der Magistrat der Stadt Wien die Bf. auf, eine Liquiditätsaufstellung vorzulegen. Diese Liquiditätsaufstellung habe - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte der der Haftung zugrundeliegenden Abgaben (Jänner 2013 bis April 2014) - sämtliche Verbindlichkeiten sowie die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mittel auszuweisen und darzustellen, welche Verbindlichkeiten tatsächlich befriedigt wurden, sowie eine Quotenberechnung zu enthalten:

1. Eine Auflistung der im jeweiligen Betrachtungszeitraum bestandenen und neu entstandenen Verbindlichkeiten, in Gegenüberstellung mit

2. einer Auflistung aller Zahlungen und sonstigen Tilgungen im Betrachtungszeitraum und

3. eine Aufstellung der liquiden Mittel zum Fälligkeitstag (15. des Fälligkeitsmonats).

Eine korrekte Aufstellung der Verbindlichkeiten, der neu entstandenen Verbindlichkeiten und die Zahlung dieser, habe nach Fälligkeit alle Gläubiger einzeln mit Firmennamen und Betrag zu enthalten (z.B. Lieferverbindlichkeiten, Miete, Pacht, Gas, Strom, Wasser, Versicherungen, Löhne und Gehälter, Gebietskrankenkasse, Finanzamt etc.).

Darüber hinaus sei eine Aufstellung der liquiden Mittel zum jeweiligen Fälligkeitstag (15. des Folgemonats) sowie eine monatliche Aufstellung der zu bezahlenden Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe beizubringen.

Die Bf. ist der Aufforderung, eine Liquiditätsaufstellung vorzulegen, nicht nachgekommen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies der Magistrat der Stadt Wien die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung ist nach Darstellung der Sach- und Rechtslage Folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführerin gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Mit der Bestellung zur Geschäftsführerin wird auch die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften übernommen. Die Geschäftsführerin hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwaltet, entrichtet werden. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden, so wird die Gesellschaft mangels anderweitiger Bestimmungen durch sämtliche Geschäftsführer vertreten.

Weiters wird ausgeführt, dass bei Abgaben, welche die Abgabeschuldnerin selbst zu berechnen und abzuführen hat, sich der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob die Geschäftsführerin ihren abgabenrechtlichen Pflichten nachkam und ob die Gesellschaft die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, danach bestimmt, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären ( Zl. 93/17/280), und nicht, wann die Nachforderungen anlässlich einer Revision festgestellt wurden. Die Nachforderungen betreffen den Zeitraum, in dem die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen war und sie daher für die Abgabenentrichtung zu sorgen hatte.

Die Beschwerdeführerin war laut Firmenbuchauszug bis Geschäftsführerin der A GmbH (vormals: B GmbH). Der Abgabenrückstand, welcher im Zuge der Revision anhand der Geschäftsunterlagen festgestellt und vom Masseverwalter für richtig befunden wurde, betrifft den Zeitraum Jänner 2013 bis April 2014; für diesen Zeitraum war die Beschwerdeführerin für die Entrichtung der Abgaben daher verantwortlich.

Weiters wird mitgeteilt, dass laut § 6a Kommunalsteuergesetz, der dem § 7 Abs. 1 der Wiener Abgabenordnung - WAO angeglichen wurde, nicht mehr die Uneinbringlichkeit Voraussetzung für die Haftung ist, sondern der Umstand, dass die Abgabe beim Abgabepflichtigen "nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann". Die Einbringlichkeit beim Abgabenschuldner muss lediglich mit Schwierigkeiten verbunden, die Einbringung beim Abgabenschuldner also im Vergleich zu einer durchschnittlichen Einbringung bloß erschwert sein, wie insbesondere im Falle der Konkurseröffnung. Ob der Konkurs selbst vom Vertreter schuldhaft herbeigeführt wurde, ist nicht von Belang (Erkenntnis des Zl. 97/13/0236 ).

Dem Vorbringen der Gläubigergleichbehandlung wird entgegengehalten, dass nach dem Gleichheitsgrundsatz die Vertreterin vorhandene Mittel zwar nicht in erster Linie zur Begleichung der Abgabenschulden zu verwenden hat, sie darf allerdings auch nicht den Abgabengläubiger schlechter behandeln, als alle anderen Gläubiger; sie darf also nicht andere Verbindlichkeiten vor den Abgabeschulden erfüllen. Sind zwar Geldmittel vorhanden, reichen sie aber nicht zur Deckung aller fälligen Verbindlichkeiten aus, müssen - damit dem Gleichheitsgrundsatz entsprochen wird - alle Verbindlichkeiten anteilig im gleichen Verhältnis erfüllt werden ( Zl. 81/14/0171 und 82/14/0070-0072).

Von einer anteiligen Begleichung kann nicht gesprochen werden, wenn z.B. die Löhne zur Gänze ausbezahlt werden und die Abgaben nicht entrichtet werden, denn zur Vermeidung eines haftungsrelevanten Verschuldens hätten die anfallenden Abgabenverbindlichkeiten zumindest anteilig entrichtet werden müssen und die Löhne nur in entsprechend geringerem Ausmaß ausbezahlt werden dürfen ( Zl. 97/17/0144 ; , Zl. 99/14/0040 ).

Im gegenständlichen Fall wurden laut Aktenlage zwar die Löhne und Gehälter im Haftungszeitraum ausbezahlt, die damit fälligen Abgaben wurden jedoch nicht entrichtet. Durch die Schlechterstellung des Abgabengläubigers hat die Beschwerdeführerin somit ihre Pflicht zur Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzt.

Die Beschwerdeführerin wurde außerdem mit Schreiben vom aufgefordert, zum Nachweis dafür, dass sie den Abgabengläubiger nicht benachteiligt hat, monatliche Liquiditätsaufstellungen vorzulegen. Dieser Aufforderung ist sie jedoch nicht nachgekommen.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerde somit nicht den Nachweis erbracht, dass ihr die Erfüllung ihre Pflichten unmöglich war.

Die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Die Beschwerdeführerin hätte Sorge tragen müssen, dass die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet wird."

Die Bf. brachte gegen die Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag ein, in welchem hinsichtlich der Beschwerdegründe auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen wird.

Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde um Vorlage folgender Unterlagen:

1. GPLA-Bericht (zumindest soweit er die Kommunalsteuer betrifft)

2. Prüfungsunterlagen betreffend die Dienstgeberabgabe

3. Aufgliederung der Nachforderungen an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe pro Monat (soweit dies nicht aus dem GPLA-Bericht bzw. den Prüfungsunterlagen betreffend die Dienstgeberabgabe ersichtlich ist).

Die belangte Behörde wurde weiters ersucht, dem Bundesfinanzgericht mitzuteilen, ob die Abgabenfestsetzungen formell rechtskräftig sind.

Mit Antwortschreiben vom übermittelte der Magistrat der Stadt Wien dem Bundesfinanzgericht den GPLA-Bericht betreffend die Kommunalsteuer, die Niederschrift über die Schlussbesprechung, das Dienstgeberlohnkonto für das Jahr 2014 und eine Aufgliederung der Nachforderungen.

In dem Schreiben vom wurde dem Bundesfinanzgericht weiters mitgeteilt, dass sich unter Berücksichtigung der GPLA und des Dienstgeberlohnkontos für das Jahr 2014 für die belangte Behörde folgende Einschränkung der Abgabenbeträge ergeben würde:


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Rückstand
Zeitraum
Betrag in EUR
Kommunalsteuer
1 - 12/2013
1.553,66
Säumniszuschlag
1 - 12/2013
28,80
Kommunalsteuer
1 - 4/2014
270,11
Säumniszuschlag
1 - 4/2014
5,40
Dienstgeberabgabe
1 - 12/2013
22,00
Summe
1.879,97

Weiters wurde dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, dass der Masseverwalter die Ergebnisse der GPLA anerkannt hat und deshalb von der belangten Behörde kein Bescheid erlassen worden ist.

Die Aufgliederung der Nachforderungen an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen nach Monaten ist in einer Beilage zum Schreiben vom wie folgt dargestellt (Beträge in Euro):

Kommunalsteuer (KommSt) und Säumniszuschläge (SZ):


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Jänner
Februar
März
April
Mai
Juni
KommSt 2012
60,00
60,00
60,00
60,00
60,00
60,00
SZ 2012
1,20
1,20
1,20
1,20
1,20
1,20
KommSt 2013
60,00
60,00
60,00
60,00
60,00
60,00
SZ 2013
1,20
1,20
1,20
1,20
1,20
1,20
KommSt 2014
60,00
66,95
71,58
71,58
SZ 2014
1,20
1,34
1,43
1,43


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Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
Summe 1 - 12
KommSt 2012
60,00
60,00
60,00
60,00
60,00
60,00
720,00
SZ 2012
1,20
1,20
1,20
1,20
1,20
1,20
14,40
KommSt 2013
60,00
60,00
60,00
60,00
60,00
60,00
720,00
SZ 2013
1,20
1,20
1,20
1,20
1,20
1,20
14,40
KommSt 2013 lt. Jahreserkl.
113,66
2013 gesamt
1.582,46
KommSt 2014
270,11
SZ 2014
5,40

Zur Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer ist im Schreiben vom Folgendes angemerkt:

Für 2012 und 2013 sei eine Nachverrechnung der Geschäftsführerbezüge in Höhe von EUR 2.000,00 pro Monat erfolgt. Aus verwaltungsökonomischen Gründen seien die Bezüge des Jahres 2012 auf das Jahr 2013 "aufgeschlagen" worden.

Für 2014 seien monatliche Geschäftsführerbezüge in Höhe von EUR 2.000,00 nachverrechnet sowie die Kommunalsteuer laut Dienstgeberlohnkonto 2014 angesetzt worden.

Dienstgeberabgabe:

Für 2012 und 2014 bestehe kein Rückstand, da nur Geschäftsführerbezüge nachverrechnet worden seien.

Für 2013 sei der in der Jahreserklärung angegebene Betrag (EUR 22,00) angesetzt worden.

Mit Schreiben vom übermittelte das Bundesfinanzgericht der Bf. das Antwortschreiben des Magistrats der Stadt Wien vom samt den vorgelegten Unterlagen zur Stellungnahme innerhalb von vier Wochen.

Eine Stellungnahme der Bf. ist innerhalb dieser Frist nicht erfolgt.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung führte der steuerliche Vertreter der Bf. insbesondere Folgendes aus:

Er habe von der Bf. keine Unterlagen für eine Liquiditätsaufstellung bekommen, da diese in Kroatien lebe. Er möchte darauf hinweisen, dass bisher kein an die Hauptschuldnerin gerichteter Bescheid ergangen ist. Es könne nunmehr aus Verjährungsgründen auch keiner mehr ergehen. Aus der Niederschrift über die Schlussbesprechung sei nicht ersichtlich, dass der Masseverwalter an der Schlussbesprechung teilgenommen und dem Prüfungsergebnis zugestimmt hat.

Von den Behördenvertretern wurde insbesondere Folgendes ausgeführt:

Bei der Kommunalsteuer handle es sich um eine Selbstbemessungsabgabe. Das Prüfungsergebnis sei vom Masseverwalter akzeptiert worden. Es habe daher kein Bescheid ergehen müssen. Nach der Aktenlage sei davon auszugehen, dass die Zustimmung des Masseverwalters zum Prüfungsergebnis erfolgt ist, auch wenn die Niederschrift über die Schlussbesprechung von ihm nicht unterschrieben ist.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 (KommStG) haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Gemäß § 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (DienstgeberabgabeG), LGBI. Nr. 17/1970, haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Gemäß § 11 Abs. 1 KommStG 1993 entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonates, in dem Lohnzahlungen gewährt, Gestellungsentgelte gezahlt (§ 2 lit. b) oder Aktivbezüge ersetzt (§ 2 lit. c) worden sind.

Nach § 11 Abs. 2 KommStG 1993 ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

Erweist sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. Von der Erlassung eines solchen Bescheides ist abzusehen, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung berichtigt.

Gemäß § 11 Abs. 4 KommStG 1993 hat der Unternehmer für jedes abgelaufene Kalenderjahr bis Ende März des folgenden Kalenderjahres der Gemeinde eine Steuererklärung abzugeben. Die Steuererklärung hat die gesamte auf das Unternehmen entfallende Bemessungsgrundlage aufgeteilt auf die beteiligten Gemeinden zu enthalten.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Für die Haftung nach § 6a KommStG und nach § 6a des Wiener Landesgesetzes über die Dienstgeberabgabe gilt nichts Anderes (vgl. Zl. 2011/16/0187, mwN).

Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. Zl. 2011/16/0187).

Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Es ist dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. ).

Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung sind eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die erschwerte Einbringung der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden, seine Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für erschwerte Einbringung.

Die Bf. war unbestrittenermaßen im Streitzeitraum Jänner 2013 bis April 2014 als Geschäftsführerin der A GmbH (vormals: B GmbH) tätig, weshalb sie auf Grund ihrer handelsrechtlichen Vertreterstellung zur Entrichtung der Abgabenschulden, die in ihren Vertretungszeitraum fielen, verpflichtet war. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung von Abgabenschuldigkeiten angeführte Voraussetzung für die Haftung der Bf. ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am tt.mm.2014 jedenfalls erfüllt gewesen.

Der Bf. wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom die Möglichkeit geboten, eine Liquiditätsaufstellung zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorzulegen. Das betreffende Schreiben enthielt detaillierte Anweisungen zur Erstellung eines solchen Nachweises. Der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung wurde von der Bf. jedoch nicht erbracht.

In der Nichtentrichtung der Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe zu den Fälligkeitstagen liegt ein schuldhaftes Verhalten der Bf., da sie vor dem Hintergrund der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur verpflichtet gewesen wäre, sämtliche Abgaben zu entrichten.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung zwar das Bestehen einer Abgabenschuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, dass die Abgabe gegenüber dem Erstschuldner auch bereits mit (Abgaben-) Bescheid geltend gemacht wurde. Gemäß § 4 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, somit unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit und auch unabhängig von einer diesbezüglichen Bescheiderlassung. Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Diese Beurteilung kann mit Beschwerde und auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden, womit dem zur Haftung Herangezogenen der Rechtsschutz gewahrt bleibt (; ).

Ist ein Abgabenbescheid dem Abgabenschuldner gegenüber nicht ergangen, dann muss aber sichergestellt sein, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom "Bescheid über den Abgabenanspruch", so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird. Mitteilungen über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) müssen in dem Maß gemacht werden, dass der Haftende zumindest den Kenntnisstand gewinnen kann, den er einnehmen könnte, wäre ihm der Abgabenbescheid zugeleitet worden. Um den Rechtsschutzgedanken des § 248 BAO voll wirksam Rechnung zu tragen, muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (vgl. Stoll, BAO -Kommentar, 2553 und 2554; ; ). Dies ist im vorliegenden Fall als gegeben anzusehen, weil sich der maßgebende Sachverhalt aus dem GPLA-Bericht und der Niederschrift über die Schlussbesprechung ergibt.

Die Inanspruchnahme der Bf. zur Haftung ist daher zu Recht erfolgt.

Der im Haftungsbescheid vom ausgewiesene Rückstand enthält jedoch - entgegen dem Spruch des Bescheides - auch Kommunalsteuerbeträge und Säumniszuschläge für den Zeitraum 1 - 12/2012 in Höhe von EUR 720,00 und EUR 14,40. Seitens des Bundesfinanzgerichtes kann der Haftungszeitraum nicht ausgeweitet, sondern lediglich festgestellt werden, ob die Inanspruchnahme der Bf. zur Haftung für den Zeitraum Jänner 2013 bis April 2014 zu Recht erfolgte. Andernfalls würde die Bf. durch das Bundesfinanzgericht für den Zeitraum 1 - 12/2012 erstmals zur Haftung herangezogen.

Da die in Rede stehenden Beträge an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen für den Zeitraum Jänner 2013 bis April 2014 lediglich EUR 1.145,57 betragen, war die Inanspruchnahme der Bf. zur Haftung auf diesen Betrag zu reduzieren.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 6a Abs. 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6a Abs. 1 Wiener Dienstgeberabgabe, LGBl. Nr. 17/1970
§ 11 Abs. 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 11 Abs. 2 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 11 Abs. 3 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 11 Abs. 4 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400105.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at