Beschwerde wegen Haftungsinanspruchnahme gem. § 9 und 80 BAO betreffend USt und lohnabhängige Abgaben
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** über die Beschwerde des ***2***, vertreten durch ***3***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch ***4***, vom , betreffend Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 iVm § 80 Bundesabgabenordnung (BAO ) zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom wurde der Beschwerdeführer (Bf) ***2*** gem. den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der Fa. ***5*** (kurz KG), FN ***6***, im Ausmaß von
€ 45.946,40 (bestehend aus Umsatzsteuern und Lohn - bzw. Lohnnebenabgaben; Aufgliederung siehe im Haftungsbescheid; letztere ohne monatliche Aufgliederung) herangezogen.
In der Begründung wurde auf die grundsätzlichen Bestimmungen nach § 9 und
§ 80 BAO verwiesen.
Verwiesen wurde auf den Umstand, dass der Bf vom ***7*** (richtig wohl 2016) Geschäftsführer der KG war und die Abgaben bei dieser aufgrund der Eröffnung des Konkursverfahrens und Auflösung der Gesellschaft als uneinbringlich anzusehen sind.
Auf die geltende Beweislastumkehr samt die den Bf treffenden Nachweispflichten wurde unter Bezugnahme der ergangenen Aufforderung zur Stellungnahme zur Haftung vom , verwiesen.
Dazu wurde festgestellt, dass der Bf der geltenden Beweislastumkehr, bezugnehmend auf die von seiner Vertreterin erstatteten Stellungnahme, nicht nachgekommen ist.
Auf die getroffene Ermessensentscheidung wird verwiesen.
Die diesem Haftungsverfahren zugrundeliegenden Bescheide sowie Prüfungsberichte (mit Ausnahme des Berichtes für die Umsatzsteuern) waren beigelegt.
Auf die diesem Haftungsbescheid vorangegangene Aufforderung des Finanzamtes vom zur möglichen Heranziehung des Bf zur Haftung (in Höhe des späteren Haftungsbetrages) Stellung zu nehmen und der dazu ergangenen Stellungnahme des Bf vom , wird verwiesen.
Gegen den Haftungsbescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertreterin mit Schriftsatz vom (eingelangt am ) das Rechtsmittel der Beschwerde ein.
Die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten sowie seine Tätigkeit als Geschäftsführer der KG blieb unbestritten.
In der Begründung wurde zunächst beinahe wortgleich die Begründung (Feststellungen) der Stellungnahme vom wiederholt. Diese enthält die Aussage, dass keine Gläubiger ungleich behandelt wurden.
Auf das weitere Vorbringen betreffend die Veräußerung einer dem Bf gehörenden Liegenschaft im Zuge seines eigenen Steuerverfahrens, wird wiederum verwiesen.
Diese Beschwerde wurde seitens des Finanzamtes mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wurde im Wesentliche auf die Beweislastumkehr sowie die den Bf treffende qualifizierte Behauptungs - und Konkretisierungslast (samt VwGH Rechtsprechung) betreffend der Verwendung der vorhandenen Mittel hingewiesen. Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reiche hingegen nicht.
Auf die Ausführungen betreffend die Veräußerung einer dem Bf gehörenden Liegenschaft wird verwiesen.
Da die Lohnabgaben 2016 und 2017 und die Umsatzsteuer 07/2018 zu ihren jeweiligen Fälligkeitstagen nicht in vollem Umfang erklärt wurden, bestehe, Unabhängig von der Frage der Gläubigergleichbehandlung der Gläubiger, das Verschuldenselement für den gesamten Haftungsbetrag unbestreitbar, da dieser vollständig aus fehlenden bzw. unrichtigen Voranmeldungen und Vorauszahlungen resultiere.
Eine Aufgliederung der fehlenden bzw. unrichtigen Voranmeldungen bzw. Vorauszahlungen erfolgte in dieser BVE nicht.
Daraufhin stellte der Bf durch seine ausgewiesene Vertreterin mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag.
Darin wurde das bisherige Beschwerdevorbringen aufrechterhalten.
Feststehe, dass die Zahlungsunfähigkeit mit Konkurseröffnung eingetreten ist, weshalb dieser Mangel davor nicht bestanden habe und eine Gläubigerungleichbehandlung daher nicht vorliege.
Auf die Ausführungen betreffend die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft des Bf, im Zusammenhang mit einem behaupteten Mitverschulden des Finanzamtes (ohne diese hätte ein höherer Erlös erzielt werden können), wird verwiesen.
Aus dem Akteninhalt werden noch folgende Feststellungen getroffen.
Aus dem Haftungsbescheid bzw. den beigelegten Abgabenbescheiden für lohnabhängige Abgaben (L, DB und DZ 2016 bis 08/2018 ist eine monatliche Aufgliederung nicht ersichtlich. Die Festsetzung für 2018 erfolgte zudem für den Zeitraum 01 -10/2018, wobei die dafür festgesetzten Beträge vom Finanzamt für den Zeitraum 01-08/2018 in gleicher Höhe angesetzt wurden.
Eine monatliche Aufgliederung ist auch den Prüfberichten vom und vom nicht zu entnehmen.
Aus dem Prüfbericht vom betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer für 07/2018 ist zu entnehmen, dass sich die Nachforderung - ist gleich Haftungsbetrag - von
€ 13.707,48 aufgrund der Berichtigung von Vorsteuern gem. § 16 UStG aufgrund (Anm. der Eröffnung) des Konkursverfahrens vom ***8*** ergibt. Für den Zeitraum 07/2018 wurden sowohl die Umsätze als auch die Vorsteuern (lt. Umsatzsteuervoranmeldung der KG) anerkannt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
§ 9 Abs. 1 BAO lautet:
Die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
§ 80 Abs. 1 BAO lautet:
Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Unbestritten blieb, dass der Bf im Haftungszeitraum Geschäftsführer der KG war und die haftungsgegenständlichen Abgaben bei dieser uneinbringlich sind. Der Beginn der Geschäftsführertätigkeit des Bf ist auf ***7*** zu berichtigen.
Zur Umsatzsteuer ist festzustellen, dass diese aus der vorgenommen rückwirkenden Vorsteuerberichtung gem. § 16 UStG für den Zeitraum 07/2018, fällig am , welche aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Oktober 2018 vorgenommen wurde, resultiert. In diesem Monat wurde seitens der KG noch Umsätze erzielt und Vorsteuern geltend gemacht, die von der nachträglich erfolgten Prüfung anerkannt wurden.
Aus § 16 Abs. 1 Ziff. 2 zweiter Satz ergibt sich, dass eine Berichtigung für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen ist, in dem die Änderung des Entgelts eingetreten ist.
Vom Finanzamt selbst wurde festgestellt, dass ein den Bf treffendes Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ohne Bedeutung ist. Die Zahlungsunfähigkeit der KG (siehe auch den Prüfbericht) ist mit ***8*** angenommen worden.
Feststellungen, dass die Zahlungsunfähigkeit bereits im Juli 2018 eingetreten und für den Bf erkennbar war, sind dem (elektronisch vorgelegtem) Akteninhalt nicht zu entnehmen.
Eine Begründung bzw. Feststellungen dazu, weshalb der Bf bereits im Juli 2018 hätte erkennen können, dass über das Vermögen der KG im Oktober 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet werden wird, erfolgte nicht bzw. wurden nicht getroffen.
Vielmehr wurden noch Umsätze für 07/18 seitens der Prüfung ebenso wie die geltend gemachte Vorsteuer (iHv. € 2.717,06) als zu Recht bestehend anerkannt. Ein Vorwurf, dass der Bf trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit noch Vorsteuern geltend gemacht hat, ist daraus nicht ersichtlich.
Ein Verschulden an der Nichtentrichtung dieser Umsatzsteuern, welche aufgrund der rückwirkenden Festsetzung mit hätte erfolgen sollen, ist daher nicht erkennbar. Dem Haftungsbescheid ist zudem nichts dazu zu entnehmen, dass der Bf die Berichtigung der Vorsteuern im Juli infolge schuldhaften Verhaltens unterlassen hat.
Der Beschwerde war daher (wenn auch ohne Beschwerdevorbringen) in diesem Punkt Folge zu geben.
Zu den lohnabhängigen Abgaben (L, DB und DZ), welche den übrigen Haftungsbetrag ausmachen, ist zunächst darauf zu verweisen, dass es richtig ist, dass es Sache des Geschäftsführers ist, darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Auf die dazu geltende Beweislastumkehr wurde seitens des Finanzamtes ausführlich hingewiesen.
Wie sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt (z.B. vom , 2013/16/0199) wird ein Beschwerdeführer bei Bekanntgabe der Lohnsteuer und des Dienstgeberbeitrages ausschließlich in Jahresbeträgen von der Abgabenbehörde nicht in die Lage gesetzt konkret vorzubringen, weshalb er welche Abgabe nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet hat und so den ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen.
Wie sich aus den Feststellungen ergibt, erfolgte im Haftungsverfahren keine monatliche Aufgliederung der lohnabhängigen Abgaben für den Zeitraum 2016 bis 08/2018. Eine derartige Aufgliederung geht auch aus den vorgelegten Prüfberichten nicht hervor.
Der Bf wurde daher konkret nicht in die Lage versetzt vorzubringen, weshalb er Abgaben nicht abgeführt oder auch nicht gemeldet hat.
Dabei ist zu beachten, dass z.B. im Jahr 2016 allenfalls 4 Monate lohnabhängige Abgaben umfasst sein können, da die KG erst im ***9*** 2016 gegründet wurde. Auch die Haftungsinanspruchnahme für 1-8/2018 stimmt mit den dazu ergangen Bescheiden (je vom ), die den Zeitraum 1-10/2018 umfassen, nicht überein, weshalb eine genaue Aufgliederung unumgänglich gewesen wäre.
Dem Finanzamt kann daher auch nicht gefolgt werden, wenn es aufgrund der Verletzung von Offenlegungs - und Wahrheitspflichten davon ausgeht, dass eine Entlastung vom schuldhaften Verhalten bei Abgabe unrichtiger oder fehlender Abgabenerklärungen nicht möglich wäre. Auch in diesem Fall wurde der Bf mangels entsprechender monatlicher Aufgliederung nicht in die Lage versetzt Nachweise, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat, zu erbringen.
Eine Haftungsinanspruchnahme kommt daher nicht in Betracht und ist dazu auch auf Rechtsprechung des BFG z.B. vom , RV/7101982/2014 oder vom , RV/6100163/2018 (ergangen an das hier vorlegende Finanzamt) zu verweisen.
Da der Beschwerde schon aus diesen Gründen Folge zu geben war, braucht auf das Beschwerdevorbringen des Bf nicht eingegangen werden.
Der Beschwerde kommt daher Berechtigung zu, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.
Die Revision ist nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt (siehe die dargestellte VwGH-Judikatur sowie die Entscheidungen des BFG), der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Salzburg, am
[...]
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100146.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
KAAAC-25080