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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.08.2020, RV/5100141/2013

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten einer Alleinstehenden zur Pflege des Großvaters

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Bergauer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom betreffend Einkommensteuer (ArbeitnehmerInnenveranlagung) 2011 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am hat die Beschwerdeführerin (abgekürzt: Bf, früher: Berufungswerberin) in der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2011 unter Kennzahl (abgekürzt: KZ) 300 "Familienheimfahrten" einen Betrag von 3.672 Euro, unter der KZ 723 "doppelte Haushaltsführung" einen Betrag von 7.400,80 Euro als Werbungskosten sowie vom Finanzamt anerkannte Sonderausgaben aus Personenversicherung und Kirchenbeitrag geltend gemacht.

Mit Vorhalt des Finanzamtes vom wurde die Bf ersucht, eine Auflistung mit dazugehörigen Rechnungen und Belegen hinsichtlich der doppelten Haushaltsführung vorzulegen und die Frage, ob und mit wem sie sich in einer Partnerschaft befinde und ob sie über eine eigene Wohnung oder ein Eigenheim verfüge, zu beantworten.

Mit der Vorhaltsbeantwortung übersandte die Bf eine Aufstellung über die Kosten der doppelten Haushaltsführung in Höhe von 7.445,78 Euro (Miete für die Wohnung in der ***Bf2-Adr*** mit 5.548,45 Euro etc.). Sie befinde sich in keiner Partnerschaft. Sie habe in Adr1***** ihren Hauptwohnsitz mit rund 50 m² und in Adr2***** habe die Wohnung rund 48 m² (diese Wohnung benütze sie Montag bis Donnerstag).

Weiters wurden diverse Kopien von Belegen über Anschaffungen für die Wohnung in Adr2***** über FinanzOnline am bzw. mit Mail nachgereicht.

Die belangte Behörde setzte im Einkommensteuerbescheid 2011 vom nur den Pauschbetrag von Werbungskosten von 132 Euro mit folgender Begründung an:

"Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten sind nur Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn z.B. der (Ehe-) Partner der Steuerpflichtigen am Ort des Familienwohnsitzes eine Erwerbstätigkeit ausübt, bei befristeter auswärtiger Tätigkeit, bei ständig wechselnder Arbeitsstätte oder pflegebedürftiger Angehöriger. Liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, so können Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Als vorübergehend wird bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen ein Zeitraum von sechs Monaten angesehen werden können. Die geltend gemachten Familienheimfahrten und Kosten der doppelten Haushaltsführung konnten daher nicht anerkannt werden, da der Zeitraum von 6 Monaten bereits im Jahr 2010 ausgeschöpft wurde (Beginn Dienstverhältnis April 2010). Die Beibehaltung des Wohnsitzes in Adr1***** ist somit privat veranlasst."

In der gegen den Bescheid am erhobenen Beschwerde (damals noch bezeichnet als Berufung) brachte die Bf vor, dass sie im gemeinsamen Haushalt in Adr1***** von Freitag bis Sonntag ihren 94-jährigen Großvater betreue, der Pflegestufe 5 beziehe.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom für das Jahr 2011 wurde vom Finanzamt wie folgt ausgeführt:

"Bei einem allein stehenden Steuerpflichtigen sind die Kosten für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten absetzbar (siehe auch Begründung Erstbescheid). Grundvoraussetzung ist, dass der allein stehende Steuerpflichtige an diesem Heimatort über eine eigene Wohnung verfügt und nicht im Wohnungsverband der Eltern lebt. Der Besuch der Eltern ist nicht als Familienheimfahrt zu werten. Begründet ein alleinstehender Steuerpflichtiger am Beschäftigungsort einen Wohnsitz, ist entweder von einer erstmaligen Hausstandsgründung oder von einer Wohnsitzbegründung bzw. -verlegung auszugehen, die die Zuerkennung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung ausschließt. Daran ändert auch die Pflegebedürftigkeit des Großvaters nichts, zumal dieser auch von anderen Familienangehörigen betreut werden kann bzw. betreut wird und die (Mit)Übersiedlung des Großvaters gar nicht erforderlich wäre. Die Beibehaltung des Wohnsitzes in Adr1***** ist privat veranlasst.

Ihre Berufung war daher als unbegründet abzuweisen."

Im Vorlageantrag der Bf vom über FinanzOnline wurde ergänzend vorgebracht, dass sich die Wohnung in Adr1***** befände und die Bf ihre Wohnung mit eigenen Mitteln eingerichtet habe. Sie habe ihre Zweitwohnung in Adr2***** daher mit neuen Möbeln einrichten müssen. Dies komme einer zweiten Hausstandsgründung gleich.

Die doppelte Haushaltsführung könne aus Gründen gerechtfertigt sein, deren Ursache allein in der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen zu finden sei (z.B. ).

Einer dieser Rechtfertigungsgründe sei die Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger am Familienwohnsitz. Der Großvater der Bf, V-Senior*****., geboren am *xx.xx.xxxx*, sei tatsächlich stark pflegebedürftig (Pflegestufe 5 seit 2009).

Der Großvater benötige auf Grund schwerer Demenz eine 24 Stunden Betreuung. Die Bf unterstütze hierbei ihre Mutter bereits seit vier Jahren (seit Dezember 2008). Sie habe auch 2010 und 2011 bei ihrem Dienstgeber Pflegeurlaub für den Großvater beantragt und erhalten.

Der Großvater werde überwiegend von ihrer Mutter gepflegt, da die Bf selbst dies ja nicht machen könne, da sie auswärts arbeite ().

Weiters möchte die Bf erwähnen, dass sie 2010 keinerlei Kosten innerhalb des Übergangszeitraumes von 6 Monaten für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten geltend gemacht habe. Sie ersuche, um nochmalige Überprüfung des Antrages.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (abgekürzt: BFG) vorgelegt. Das Finanzamt gilt als durch die Beschwerdeführerin belangte Behörde und als Amtspartei vor dem BFG und führte als Streitpunkte folgende Fragen an:

- Liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung vor bzw. ist die tägliche Heimfahrt vom Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz zumutbar?

- Das Finanzamt begehrte weiters, dass eine Überprüfung der Voraussetzungen für das Pendlerpauschale bei der Bf vorgenommen werden solle, da der Dienstgeber das große Pendlerpauschale ab 60 km (dh in Höhe von 3.672 Euro) bei der Bf berücksichtigt habe.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Strittig sind somit die von der Amtspartei im Vorlageantrag aufgeworfenen Fragen, die gerade oberhalb zitiert wurden.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin bezog im Jahr 2011 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einem Dienstverhältnis zur Firma U*****, Adr3*****. Die Bf war bei ihrem Arbeitgeber seit beschäftigt.

Sie ist seit an der Adresse ***Bf11-Adr*** Adr1***** mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet. Diese eigene Wohnung liegt im Haus der Eltern und hat eine Wohnfläche von rund 50 m².

Von der Wohnadresse ist der oben genannte Arbeitsort rund 122 Kilometer entfernt.

Im gegenständlichen Verfahren ist sachverhaltsbezogen festzustellen, dass die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum alleinstehend war.

Zusätzlich zu dieser Wohnung hat die Bf im Jahr 2011 an ihrem Beschäftigungsort in Adr2***** ebenfalls eine Wohnung mit rund 48 m² bewohnt. Eine Meldung als Wohnsitz ist im Zentralen Melderegister für die Wohnung in Adr2***** nicht erfolgt.

Aus dem vom Arbeitgeber der Bf beim Finanzamt gemeldeten Gehaltszettel für 2011 ist ersichtlich, dass der Dienstgeber der Bf das große Pendlerpauschale für die Fahrten Adr1***** - Adr2***** und retour gewährte.

Beweiswürdigung

Das Finanzamt hat verschiedene Abfragen aus dem Zentralen Melderegister vom dem Akt beigelegt und zwar: Abfrage betreffend den Wohnsitz bzw. die Wohnsitze der Bf, betreffend den Wohnsitz ihrer Mutter, ihres Vaters (geb-xx.xx.xxxx), des Großvaters (geboren *xx.xx.xxxx*), vom Bruder der Bf und von der Schwester der Bf. Im Jahr 2011 wohnen alle diese Personen an derselben Adresse in Adr1*****.

Die Bf hat Kopien für die Miete der Wohnung in ***Bf2-Adr***, vorgelegt. Laut Abfrage im Zentralen Melderegister (abgekürzt: ZMR) im Jahr 2012 und im Jahr 2013 hat die Bf jedoch keinen Nebenwohnsitz an dieser Adresse gemeldet.

Aus dem Lohnzettel für 2011 betreffend die Bf ist weiters ersichtlich, dass der Arbeitgeber der Bf das große Pendlerpauschale in Höhe von 3.672 Euro für die Fahrten zwischen dem Wohnsitz der Bf in Adr1***** und der Arbeitsstätte in Adr2***** lohnsteuermindernd abgezogen hat.

Entsprechend der sich aus den Unterlagen ergebenden Beweislage wird zugunsten der Bf das ihr vom Arbeitgeber im Jahr 2011 bereits gewährte große Pendlerpauschale für Fahrten zwischen Adr1***** und der *Adr3* Arbeitsstätte in Höhe von 3.672 Euro vom Bundesfinanzgericht nicht mehr in Frage gestellt.

Es ist damit aber ausgeschlossen, Familienheimfahrten von der *Adr3* Adresse nach Adr1***** zu gewähren. Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze wäre nämlich für das Pendlerpauschale laut Judikatur nur ein Wohnsitz maßgeblich und zwar derjenige Wohnsitz, der zur Arbeitsstätte nächstgelegen ist. Das wäre dann im gegenständlichen Fall der *Adr3* Wohnsitz. Dies würde zur Aberkennung des großen Pendlerpauschales führen, was eine erhebliche Nachzahlung für die Bf ergeben würde.

Auch wenn die Bf für das Jahr 2010, in dem sie erstmalig im April 2010 ihre Arbeitsstelle in Adr2***** angetreten hat, in ihrem Jahresausgleich keine doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten zwischen Adr2***** und Adr1***** beantragt hat, ist es fraglich, ob die Bf für 2010 die Voraussetzungen dafür erfüllt hätte.

Die Bf gab an von Montag bis Donnerstag in Adr2***** zu arbeiten und danach nach Hause nach Adr1***** zu fahren, um ihren pflegebedürftigen Großvater zur Entlastung der übrigen Familienmitglieder zu pflegen. Es wurden dafür keine Nachweise vorgelegt, wann oder wie oft die Bf tatsächlich nach Adr1***** gefahren ist, um den Großvater zu pflegen. Familienhafte Besuche stellen keinen Grund für die Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung dar. Die Pflege des Großvaters oder dessen Versorgung ist primär Pflicht der Eltern der Bf. Eine allfällige Unterstützung bei der Pflege des Großvaters ist aus steuerlicher Sicht nur eine moralische und familienhafte Angelegenheit. Dies kann nicht dazu führen, dass eine im Jahr 2011 dreißigjährige junge alleinstehende Frau ihren Hauptwohnsitz nicht nach Adr2***** zu ihrer Arbeitsstätte verlegen könnte. Im Übrigen hat die Bf noch eine Schwester und einen Bruder, die ebenfalls aus familiären Gründen bei der Pflege des Großvaters mithelfen konnten.

Rechtliche Beurteilung

Doppelte Haushaltsführung

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. mwN) die Auffassung, dass die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten und eine doppelte Haushaltsführung dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden können, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursache insbesondere in der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen oder in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Ehepartners oder Partners haben (). Diese Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (). Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (, mwN).

Die Frage, ob bzw. ab wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Wohnsitzes zumutbar ist, kann nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraumes abhängig gemacht werden. Vielmehr sind die Verhältnisse des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. ; , 99/13/0235).

Dieser Grundsatz gilt für eine gewisse Übergangszeit, nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung, auch für Alleinstehende, und zwar schon allein deshalb, weil die Beschaffung eines Wohnsitzes am Beschäftigungsort sowie die Auflösung des bisherigen (Familien-)Wohnsitzes üblicherweise eine bestimmte Zeit in Anspruch nehmen (vgl. ; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102 Stichwort "Familienheimfahrten"). Als Richtschnur kann bei unverheirateten Steuerpflichtigen ein Zeitraum von sechs Monaten angenommen werden, wobei diesbezüglich jedoch nicht schematisch vorgegangen werden darf, sondern vielmehr auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen ist.

Familienheimfahrten

Familienheimfahrten sind die Fahrten zwischen Berufs- und Familienwohnsitz. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten nur dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen, und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG 1988 gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale (gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d leg. cit.) nicht überschritten wird.

Pendlerpauschale

Die Werbungskosten sind in § 16 Abs. 1 Z 6 Einkommensteuergesetz 1988 für das

Beschwerdejahr 2011 (in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, das

BGBl. I Nr. 111/2010 ist erstmalig bei der Veranlagung der Einkommensteuer (Lohnsteuer)

für das Kalenderjahr 2011 anzuwenden) wie folgt geregelt:

§ 16. (1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung,

Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb

oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten

abzugsfähig, als dies im Folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der

durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der

Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Werbungskosten sind auch: (…)

6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für

die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und

Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5)

abgegolten.

b) Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der

Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist

die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als

Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer Fahrtstrecke von

20 km bis 40 km 696 Euro jährlich

40 km bis 60 km 1.356 Euro jährlich

über 60 km 2.016 Euro jährlich

c) Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines

Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich

der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit.

b folgende Pauschbeträge berücksichtigt: Bei einer einfachen Fahrtstrecke von

2 km bis 20 km 372 Euro jährlich

20 km bis 40 km 1.476 Euro jährlich

40 km bis 60 km 2.568 Euro jährlich

über 60 km 3.672 Euro jährlich.

Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle

Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Für die

Inanspruchnahme der Pauschbeträge hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf

einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen

der lit. b und c abzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum

Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Änderungen der Verhältnisse für die Berücksichtigung

dieser Pauschbeträge muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monates

melden. Die Pauschbeträge sind auch für Feiertage sowie für Lohnzahlungszeiträume

zu berücksichtigen, in denen sich der Arbeitnehmer im Krankenstand oder auf Urlaub

(Karenzurlaub) befindet. …

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 in der für das jeweilige Beschwerdejahr

geltenden Fassung ergibt sich, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich

für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - im öffentlichen

Interesse - nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die

Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur

wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar

ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des

Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. ).

Was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" im Sinne des lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG

1988 zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Eine "Unzumutbarkeit" wird

jedenfalls dann vorliegen, wenn Massenbeförderungsmittel zumindest auf dem halben

Arbeitsweg für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte entweder gar nicht oder

nicht zu den erforderlichen Zeiten (etwa während der Nacht bei Nachtschicht oä.) zur

Verfügung stehen.

Zu den Spruchpunkten

A. Abweisung der Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung

Im vorliegenden Beschwerdefall war die Bf seit April 2010 und während des Jahres 2011 in Adr2***** beschäftigt. Sie verfügte dort über eine Wohnung, die es ihr ermöglichte nicht täglich die Strecke von ihrem Hauptwohnsitz in Adr1***** nach Adr2***** fahren zu müssen. Die Bf ist in rechtlicher Hinsicht in Bezug auf die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vorliegen, als alleinstehend zu beurteilen.

Die Pflege des Großvaters mit Pflegestufe 5 ist bei der Bf kein Grund, der gegen eine Zumutbarkeit der Verlegung des Hauptwohnsitzes (Ledigenhaushalt) der Bf nach Adr2***** nach 6 Monaten nach Aufnahme ihres Arbeitsverhältnisses dort spricht. Es leben und arbeiten sowohl ihre Eltern und ihre Geschwister am Familienwohnsitz in Adr1*****, um sich um den Großvater zu kümmern.

Beide Wohnungen der Bf sind in etwa gleich groß. Es liegen somit keine Anhaltspunkte vor, dass die Wohnung in Adr2***** den Wohnbedürfnissen der Bf weniger entsprochen hätte, als die bisherige Wohnung am Heimatort (vgl. dazu ).

Es ist einem Steuerpflichtigen unbenommen, so viele Wohnsitze zu haben, wie er will. Die Anmietung des Wohnsitzes am Beschäftigungsort wird beim gegenständlichen Sachverhalt zur Gänze der privaten Lebensführung bzw. den persönlichen Beweggründen der Bf zugeschrieben. Dies umso mehr, als die Bf im Jahr 2011 das große Pendlerpauschale beantragt hat und somit sowieso monatlich mehr als 10 Fahrten zwischen der Wohnung in Adr1***** und der Arbeitsstätte steuerlich abgedeckt waren.

Auch wenn der Bf geglaubt wird, dass sie bei der Pflege des Großvaters mithalf, leben und wohnen ihre Eltern und ihre Geschwister am Familienwohnsitz beim Großvater. Es liegen für die Bf als Enkelin keine Umstände von erheblichem objektivem Gewicht vor, im Jahr 2011 Adr1***** als Hauptwohnsitz beizubehalten. Weiters gab die Bf an, bei der Pflege des Großvaters überwiegend an den Wochenenden das heißt nur in der arbeitsfreien Zeit mitgeholfen zu haben.

Es ist dem Finanzamt daher zuzustimmen, dass die Beibehaltung des Wohnsitzes in Adr1***** privat veranlasst war.

B. Abweisung der Anerkennung von Kosten von Familienheimfahrten

Da die geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht anerkannt werden können, sind auch die Aufwendungen für Familienheimfahrten der Bf vom Wohnsitz am Arbeitsort Adr2***** zum Wohnsitz in Adr1***** nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen. Durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG 1988 stehen Familienheimfahrten nur dann zu, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen.

C. Anerkennung des großen Pendlerpauschales

Nachdem die Bf an der Adresse in Adr2***** nicht gemeldet war, hat ihr der Arbeitgeber das große Pendlerpauschale gewährt.

Vom BFG wurden die Adressen der Bf von Adr1***** und die der Arbeitsstätte in Adr2***** in den nun ab 2014 verfügbaren Pendlerrechner eingegeben. Daraus ging hervor, dass die Benützung eines Massenbeförderungsmittels aufgrund der Fahrzeit mit dem Massenbeförderungsmittel unzumutbar ist. Es stand der Bf daher das große Pendlerpauschale für eine Wegstrecke von mehr als 60 km zu. Auch wenn die Abfrage des Pendlerrechners erst für das Jahr 2020 erfolgte, so hat das Ergebnis doch eine Indizienwirkung für das Jahr 2011.

Es wird vom BFG geglaubt, dass die Voraussetzungen für das große Pendlerpauschale auch im Jahr 2011 vorgelegen sind. Dem Antrag auf genaue Überprüfung und der Streichung des großen Pendlerpauschales von der Amtspartei wird daher nicht gefolgt.

D. Zu Spruchpunkt (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Entscheidung unter Zugrundelegung der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes getroffen wurde, ist die Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100141.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at