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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.08.2020, RV/5100755/2020

Rückforderung der Familienbeihilfe mangels Haushaltszugehörigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für das Kind ***Name1*** für den Zeitraum von November 2018 bis März 2019 iHv. insgesamt 1.189,50 Euro zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Am wandte sich das Finanzamt mit einem Auskunftsersuchen bezüglich des überwiegenden Aufenthaltsortes des Kindes des Beschwerdeführers (in der Folge kurz: BF) an das Bezirksgericht ***Z*** und ersuchte um Übermittlung des Pflegschaftsaktes.

Dem Finanzamt wurden daraufhin folgende Unterlagen übermittelt:

• Eine Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft ***Y*** vom an die Pflegschaftsrichterin, dass der tatsächliche Aufenthalt von ***Name1*** seit dem bei der Kindesmutter in ***X*** gelegen sei, was telefonisch auch vom Kindesvater bestätigt worden sei. Laut Auskunft der Rektorin der Polytechnischen Schule ***X***, habe ***Name1*** die Schule regelmäßig besucht.

• Ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft ***W***-Umgebung vom an die Bezirkshauptmannschaft ***Y***, in dem mitgeteilt wurde, dass die Kindesmutter am zur Pflegschaftsbehörde gekommen sei. Bei diesem Treffen sei auch ***Name1*** anwesend gewesen und habe mitgeteilt, dass er nach dem Besuchskontaktwochenende bei der Kindesmutter nicht mehr in den Haushalt des Kindesvaters zurückkehren, sondern bei der Kindesmutter bleiben wolle. Da die Kindeseltern die gemeinsame Obsorge ausüben, sei der Kindesmutter geraten worden schnellstmöglich einen Antrag bei Gericht zu stellen, um den Aufenthalt des Kindes in ihrem Haushalt pflegschaftsbehördlich genehmigen zu lassen.

• Ein Beschluss des Bezirksgerichtes ***Z*** vom , mit dem der Antrag des Kindesvaters auf Rückholung des Kindes vom Haushalt der Kindesmutter abgewiesen wurde.

2. Am erließ das Finanzamt einen Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen im Zeitraum von November 2018 bis März 2019 für das Kind ***Name1*** iHv. insgesamt 1.189,50 Euro.

3. Mit Eingabe vom , eingelangt beim Finanzamt am , erhob der BF Beschwerde gegen diesen Bescheid, mit der Begründung, dass der Sohn bis zum bei ihm in ***V*** gemeldet gewesen sei. Am habe die Kindesmutter die Änderung des Aufenthaltsortes beantragt, diesem Antrag sei erst am stattgegeben worden. Erst danach sei der Sohn vollständig zur Kindesmutter übersiedelt.

4. Mit Schreiben vom teilte die zuständige Richterin des Bezirksgerichtes ***Z*** dem Finanzamt mit, dass der hauptsächliche Aufenthaltsort des Sohnes von bis Anfang November 2019 bei der Kindesmutter in ***X*** gewesen sei. Seit Anfang November 2019 lebe der Sohn nunmehr beim Kindesvater in ***V***.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, weil der hauptsächliche Aufenthaltsort im beschwerdegegenständlichen Zeitraum lt. der vorliegenden Unterlagen bei der Kindesmutter gelegen sei.

6. Mit Anbringen über Finanzonline vom , das vom Finanzamt in verständiger Beurteilung als Vorlageantrag gewertet wurde, brachte der BF erneut vor, dass sein Sohn den hauptsächlichen Aufenthaltsort bis zum vollständigen Umzug zur Kindesmutter bei ihm in ***V*** gehabt hätte.

7. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Aufgrund der Beweiswürdigung festgestellter Sachverhalt

Der Beschwerdeführer bezog im Zeitraum November 2018 bis März 2019 Kinderbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für seinen Sohn ***Name1***, dessen Obsorge er sich mit der Kindesmutter seit der Scheidung teilt.

Bis Oktober 2018 war ***Name1*** beim Kindesvater haushaltszughörig.

Im November 2018 kehrte das Kind nach einem Besuchswochenende bei der Kindesmutter nicht mehr in den Haushalt des Kindesvaters zurück.

Von November 2018 bis November 2019 war das Kind bei der Kindesmutter haushaltszugehörig.

Dies geht eindeutig aus den in der Darstellung des Verfahrensgangs genannten Unterlagen hervor, die das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht mit dem Vorlagebericht übermittelt hat.

Vor allem die Mitteilung der Richterin des Bezirksgerichtes ***Z*** in Pflegschaftssachen vom , wonach der hauptsächliche Aufenthaltsort des Kindes in diesem Zeitraum bei der Kindesmutter war, überzeugte das Bundesfinanzgericht, dass im beschwerdegegenständlichen Zeitraum das Kind bei ihr haushaltszugehörig iSd. Familienbehilfenrechtes war.

Der Beschwerdeführer hat weder in der Beschwerde, noch im Vorlageantrag taugliche Beweise für eine Haushaltszugehörigkeit bei ihm beigebracht oder genannt.

Lt. Zentralem Melderegister war der Hauptwohnsitz des Kindes von bis in ***V*** (Wohnort des Kindesvaters), von bis in ***X*** bei ***W*** (Wohnort der Kindesmutter) und seit wieder in ***V***.

Jedoch stellen Meldebestätigungen lediglich ein - widerlegbares - Indiz für das Bestehen einer Wohngemeinschaft dar, sind jedoch nicht geeignet, einen vollen Beweis über die tatsächlichen Verhältnisse (Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft bzw -zugehörigkeit) zu liefern ().

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage:

§ 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967 ) lautet:
Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

§ 2 Abs. 5 FLAG 1967 lautet auszugsweise:
Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

Die Bestimmungen der §§ 166 und 167 Bundesabgabenordnung (BAO ) lauten:

§ 166 BAO
Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

§ 167 BAO
(1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.

(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Zur Frage der Haushaltszugehörigkeit:

Wie sich aus § 2 Abs 2 FLAG 1967 ergibt, knüpft der Anspruch auf Familienbeihilfe primär an die Haushaltszugehörigkeit des Kindes an. Dabei geht das Gesetz erkennbar auch davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs 5 FLAG 1967 näher umschrieben; demgemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an.

Die Haushaltszugehörigkeit leitet sich aus dem Zusammenwirken örtlicher Gegebenheiten sowie materieller und immaterieller Faktoren ab. Ein Kind gilt als haushaltszugehörig, wenn es in einem bestimmten Haushalt wohnt, betreut und versorgt wird.

Die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, hängt ganz wesentlich davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt, und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen im Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen (zB Sorgetragung für morgendliche und abendliche Körperpflege oder Begleitung zur Schule) erbringt (vgl. ; ; Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG 2. Auflage, § 2, Rz 140f).

Der Einwand des BF, dass das Kind erst Ende Feber vollständig zur Kindesmutter übersiedelt sei, ist nicht ausreichend, weil damit kein überwiegender Aufenthalt beim Kindesvater behauptet wird.
Im Falle einer "Doppelresidenz" ist monatsbezogen zu prüfen, wessen Haushalt das Kind jeweils überwiegend angehört hat. Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht daher, wenn das Kind im Kalendermonat zeitlich hintereinander zu unterschiedlichen Haushalten gehört hat, in Anwendung des Überwiegensprinzips demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat. Wird ein Kind von mehreren Personen jeweils in deren Haushalten betreut, ist für die Frage des Überwiegens der Haushaltszugehörigkeit in typisierender Betrachtungsweise darauf abzustellen, bei wem das Kind im jeweiligen Monat überwiegend genächtigt hat ().

Aufgrund der Beweiswürdigung wurde festgestellt, dass das Kind sich hauptsächlich im Haushalt der Kindesmutter aufhielt, dort nächtigte und daher bei ihr haushaltszughörig iSd. § 2 Abs. 2 FLAG 1967 war.

Zur Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge:

Die Bestimmung des § 25 FLAG 1967 lautet:
Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Personen ausgezahlt (§ 12) wird, sind verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, bei dem nach § 13 zuständigen Finanzamt zu erfolgen.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden, wenn Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen wurden.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich. (vgl. etwa ; ; ; )

Da die Haushaltszugehörigkeit nicht beim BF vorlag, hatte dieser keinen Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Aufgrund der objektiven Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die hier zu lösende Frage der Haushaltszugehörigkeit ist eine Frage der Beweiswürdigung im Einzelfall, die einer ordentlichen Revision nicht zugänglich ist.
Von der zitierten Judikatur des VwGH wurde nicht abgewichen.

Linz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at