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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.07.2020, RV/7102261/2012

Wiederaufnahme nach neuem bzw berichtigtem Lohnzettel (anderer Betrag der anrechenbaren Lohnsteuer)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde (vormals Berufung) des U**** D****, [Adresse], ehemals vertreten durch Dr. S**** B****, [Adresse], gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2010 sowie betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2010 zu Recht:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer war im Jahr 2010, wie auch in den Vorjahren, bei mehreren Arbeitgebern nichtselbständig beschäftigt. Er erzielte aus diesen nichtselbständigen Beschäftigungen im Streitjahr ein steuerpflichtiges Einkommen von rund 10.400 Euro.

Der Beschwerdeführer brachte, wie bereits für die Vorjahre, eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung ein.
Die Einkommensteuergutschrift betrug in den Vorjahren im Jahr 2009 EUR 512,19, im Jahr 2008 EUR 420,34 sowie im Jahr 2007 EUR 110,00.

Das Finanzamt erließ mit Datum vom einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010. Dieser Bescheid wies eine Gutschrift von EUR 59.635,28 aus. Diese Gutschrift wurde dem Beschwerdeführer auf sein Bankkonto überwiesen.

Mit Datum vom nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2010 wieder auf und erließ einen neuen Einkommensteuerbescheid, welcher eine Gutschrift von EUR 635,28 ausweist.

In der Begründung des Wiederaufnahmebescheides führte das Finanzamt - neben Ausführungen zur Ermessensübung - aus:
"Das Verfahren war gemäß § 303 (4) BAO wieder aufzunehmen, weil ein berichtigter oder neuer Lohnzettel übermittelt wurde, aus dem sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergibt. Zur näheren Begründung wird auf die Begründung des im wiederaufgenommenen Verfahren neu erlassenen Einkommensteuerbescheides verwiesen."

Der neu erlassene Einkommensteuerbescheid enthält keine Begründung.
Aus dem berichtigten Lohnzettel ist ersichtlich, dass sich der Betrag der anrechenbaren Lohnsteuer von EUR 59.525,28 auf EUR 525,28 verändert hatte.

Gegen den Wiederaufnahmebescheid sowie gegen den neu erlassenen Einkommensteuerbescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen damaligen Rechtsanwalt Berufung (nunmehr Beschwerde). Darin wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei ein einfacher Mensch, er komme aus Zentralanatolien und habe keinerlei Bildung genossen. Er könne Deutsch weder lesen noch schreiben. Es sei das erste Mal gewesen, dass er eine Arbeitnehmerveranlagung vornehmen habe wollen. Als er die Gutschrift auf seinem Bankkonto erhalten habe sei er der Meinung gewesen, dass das Finanzamt sämtliche Abgaben der letzten Jahre einrechne und daher zu diesem Ergebnis komme. Mittlerweile habe er einen großen Teil dieses Betrages gutgläubig und ohne ahnen zu können, dass es sich bei diesem Betrag um einen Irrtum der Behörde handle, ausgegeben. Als Mensch türkischer Abstammung habe er seine Familie in der Türkei unterstützt und notwendige Rückzahlungen von Krediten und Darlehen vorgenommen. Eine derartige Rückforderung durch das Finanzamt sei lediglich dann möglich, wenn "es" dem Steuerzahler hätte auffallen müssen. Im konkreten Fall sei es faktisch unmöglich, dass es ihm hätte auffallen können. Zusätzlich habe er einen Großteil des Geldes bereits gutgläubig ausgegeben und sei daher gar nicht im Stande, die Summe zu retournieren.
Das Finanzamt habe es unterlassen, den Sachverhalt amtswegig zu erheben und den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und festzustellen und die notwendigen Beweise aufzunehmen. Das Finanzamt habe unzureichend ermittelt und damit gegen die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit verstoßen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Wiederaufnahme

Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO idF BGBl I Nr 14/2013 kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Entsprechendes galt im Jahr 2010 gemäß § 303 Abs 4 BAO.

Die Neuregelung ist gemäß § 323 Abs 37 BAO mit in Kraft getreten und als verfahrensrechtliche Vorschrift auch auf alle zu diesem Zeitpunkt offenen Verfahren anzuwenden (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3 § 303 Anm 3).

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs 1 (früher Abs 4) BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis, als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neue Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen.
Maßgebend ist in diesem Zusammenhang, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Hierbei kommt es auf den Wissensstand der Behörde (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) im jeweiligen Veranlagungsjahr an ( mwN).

Das Finanzamt hat zur Begründung der Wiederaufnahme auf die Übermittlung eines berichtigten oder neuen Lohnzettels verwiesen, aus dem sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergebe. Zur näheren Begründung wurde auf die Begründung des im wiederaufgenommenen Verfahren neu erlassenen Einkommensteuerbescheides verwiesen.
Der berichtigte Lohnzettel weist einen anderen Betrag an anrechenbarer Lohnsteuer aus (EUR 525,28 anstelle von EUR 59.525,28).

Die tatsächliche Höhe der im Streitfall anrechenbaren Lohnsteuer (EUR 525,28) war dem Finanzamt bei Erlassung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides nicht bekannt.

Damit waren aber dem Finanzamt nach seinem Wissensstand auf Grund des vorliegenden Lohnzettels und der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung hinsichtlich der anzurechnenden Lohnsteuer abgabenrelevante Umstände unbekannt, die neu hervorkommen konnten.

Dem Finanzamt hätte zwar im Zeitpunkt der Erlassung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides auffallen können, dass die im Lohnzettel ausgewiesene einbehaltene Lohnsteuer offensichtlich unrichtig war, da der Betrag das Jahreseinkommen des Beschwerdeführers um ein mehrfaches überstiegen hat.

Ein allfälliges Verschulden des Finanzamtes an der Nichtausforschung von Sachverhaltselementen schließt allerdings die amtswegige Wiederaufnahme nicht aus. Ein solches behördliches Verschulden ist aber unter Umständen bei der Ermessensübung zu berücksichtigen (Ritz, BAO 6, § 303 Tz 33 mwN).

Was dem Finanzamt nicht bekannt war, war die Höhe der tatsächlich vom Arbeitgeber einbehaltenen anrechenbaren Lohnsteuer. Diesen Betrag erfuhr das Finanzamt erst durch den berichtigten bzw neuen Lohnzettel vom . Auf Basis dieses Lohnzettels verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens.

Dieser andere Betrag an anrechenbarer Lohnsteuer (EUR 525,28 anstelle von EUR 59.525,28) ist eine neue Tatsache, die eine Wiederaufnahme zu tragen vermag.

Dass die Kenntnis des anderen Betrages der tatsächlich anrechenbaren Lohnsteuer allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte bedarf keiner weiteren Erörterung.

Ermessen:

Die Verfügung der Wiederaufnahme liegt im Ermessen (Ritz, BAO 6, § 303 Tz 62 mwN).

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich gemäß § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (Ritz, BAO 6, § 20 Tz 5).

Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung ist die Berücksichtigung des Zweckes der Ermessen einräumenden Norm. Zweck des § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis. Daher ist bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Wiederaufnahme letztlich zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei auswirken würde (Ritz, BAO 6, § 303 Tz 67 mwN).

Wiederaufnahmen werden idR nicht zu verfügen bzw zu bewilligen sein, wenn die steuerlichen Auswirkungen bloß (absolut und relativ) geringfügig sind (Ritz, BAO 6, § 303 Tz 71).

Der Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung spricht weiters dafür, die allfällige Uneinbringlichkeit der Abgabennachforderungen in die Ermessensüberlegungen miteinzubeziehen. Steht mit Bestimmtheit fest, ein "Mehrergebnis" wäre weder beim Eigenschuldner noch bei einem allfällig Haftungspflichtigen einbringlich, so wird die Wiederaufnahme daher idR zu unterlassen sein.
Wäre nach Lage des Falles die Einhebung der aus einer Wiederaufnahme sich ergebenden Nachforderung zur Gänze unbillig iSd § 236, so wird idR keine derartige Wiederaufnahme zu verfügen sein. Eine solche Unbilligkeit kann sich vor allem wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben ergeben.
Die Uneinbringlichkeit iSd § 235 bzw die Unbilligkeit iSd § 236 spricht nur dann gegen eine Wiederaufnahme, wenn sie sich auf die gesamte Nachforderung bezieht. Ist ein (nicht nur geringfügiger) Teil der Nachforderung einbringlich bzw seine Einhebung im genannten Sinn nicht unbillig, so spricht dies nicht gegen die Verfügung der Wiederaufnahme (Ritz, BAO 6, § 303 Tz 79 ff).

Auch wenn ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung maßgeblicher Tatsachen der amtswegigen Wiederaufnahme nicht entgegensteht ist doch ein solches behördliches Verschulden gegebenenfalls bei der Ermessensübung nicht unberücksichtigt zu lassen.
Einer Wiederaufnahme von Amts wegen steht allerdings nicht entgegen, dass der Prüfer bei gehöriger Aufmerksamkeit mit Hilfe der ihm bereits vorliegenden Urkunden, allenfalls unter Heranziehung der Mitwirkung des Abgabepflichtigen, die maßgeblichen Tatsachen bereits hätte feststellen können (Ritz, BAO 6, § 303 Tz 86 mwN).

Weiters ist der Grundsatz von Treu und Glauben zu berücksichtigen (Ritz, BAO 6, § 303 Tz 87).

In der Beschwerde wird eingewendet, dem Beschwerdeführer habe "es" (die Unrichtigkeit des Einkommensteuerbescheides) nicht auffallen können, da er ein einfacher Mensch aus Zentralanatolien sei, keinerlei Bildung genossen habe und Deutsch weder lesen noch schreiben könne.
Es sei seine erste Arbeitnehmerveranlagung gewesen, er habe angenommen, in die Gutschrift rechne das Finanzamt sämtliche Abgaben der letzten Jahre ein.
Mittlerweile habe er einen großen Teil dieses Betrages gutgläubig und ohne ahnen zu können, dass es sich bei diesem Betrag um einen Irrtum der Behörde handle, ausgegeben (die Familie in der Türkei unterstützt und notwendige Rückzahlungen von Krediten und Darlehen vorgenommen); er sei daher gar nicht im Stande, die Summe zu retournieren.

Soweit sich der Beschwerdeführer damit auf den Grundsatz von Treu und Glauben beruft ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser Grundsatz nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch die Abgabenbehörde in der Vergangenheit schützt. Vielmehr müssten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Auffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen ließen, wie dies zB der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der zuständigen Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wurde und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt ().
Die Beurteilung eines Verhaltens der Behörde als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben setzt einerseits voraus, dass ein Verhalten der Behörde, auf das der Abgabepflichtige vertraut hat, eindeutig und unzweifelhaft für ihn zum Ausdruck gekommen ist, und andererseits, dass der Abgabepflichtige seine Dispositionen danach eingerichtet und er als Folge hievon einen abgabenrechtlichen Nachteil erlitten hat ().

Davon kann im Beschwerdefall jedoch nicht die Rede sein. Zwar bringt der Beschwerdeführer vor, er habe nach der Auszahlung der Gutschrift über diese (gutgläubig) verfügt und stehe ihm der Betrag daher nicht mehr zur Verfügung. Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt jedoch nicht eine solche nachträgliche Disposition. Geschützt sind lediglich im Vertrauen auf das Verhalten der Behörde gestützte Dispositionen, also Gestaltungen des steuerrelevanten Sachverhaltes für den Besteuerungszeitraum, die dann entsprechende abgabenrechtliche Folgen zeitigen.

Der Beschwerdeführer wendet ein, er könne Deutsch nicht lesen und schreiben, es sei seine erste Arbeitnehmerveranlagung gewesen sowie, er habe daher angenommen, es handle sich um eine Rückzahlung der Abgaben für die Jahre davor. Er habe das Geld mittlerweile gutgläubig verbraucht.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Zunächst trifft es nicht zu, dass es sich um die erste Arbeitnehmerveranlagung des Beschwerdeführers gehandelt hat. Vielmehr wurden bereits in den Jahren davor mehrere Arbeitnehmerveranlagungen durchgeführt und hat der Beschwerdeführer dabei jeweils Gutschriften von EUR 110 bis rund EUR 510 erhalten.

Das steuerpflichtige Einkommen des Beschwerdeführers betrug im Streitjahr rund EUR 10.400. Es musste dem Beschwerdeführer daher auffallen, dass es sich bei einer Gutschrift in beinahe sechsfacher Höhe seines Jahreseinkommens bzw in mehr als 100-facher Höhe der Gutschrift des Vorjahres um ein Versehen handeln musste. Der Beschwerdeführer wäre daher gehalten gewesen - auch bei behaupteten schlechten Deutschkenntnissen und geringer Bildung - entsprechende Erkundigungen einzuholen. Ohne solche Erkundigungen ist angesichts der vorliegenden Umstände nicht von Gutgläubigkeit auszugehen. Ein gutgläubiger Verbrauch liegt daher nicht vor. Der Beschwerdeführer hat vielmehr außerordentlich sorglos gehandelt, da er bei objektiver Beurteilung der Umstände daran zweifeln musste, dass die Rückzahlung durch das Finanzamt zu Recht erfolgte.

Der Beschwerdeführer wendet ein, er könne den Betrag nicht zurückzahlen, da er das Geld bereits ausgegeben habe. Dieses Argument zeigt einen Umstand auf, der im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigen ist und der gegen eine Wiederaufnahme sprechen könnte. Allerdings spricht die Uneinbringlichkeit iSd § 235 BAO nur dann gegen eine Wiederaufnahme, wenn sie sich auf die gesamte Nachforderung bezieht. Ist ein (nicht nur geringfügiger) Teil der Nachforderung einbringlich bzw seine Einhebung im genannten Sinn nicht unbillig, so spricht dies nicht gegen die Verfügung der Wiederaufnahme. Dafür, dass nicht einmal ein nur geringfügiger Teil der Nachforderung einbringlich sein sollte, liegen jedoch keine Hinweise vor.

Der Beschwerdeführer hatte zwar in einigen der vergangenen Jahre ein sehr geringes Einkommen und war wiederholt arbeitslos. Allerdings ist er erst 40 Jahre alt und hatte in den Jahren 2014 bis 2016 ein steuerpflichtiges Einkommen von rund EUR 22.000 bis EUR 28.800 jährlich. Von einer absoluten und dauernden gänzlichen Uneinbringlichkeit ist somit im Beschwerdefall nicht auszugehen.

Für die Verfügung der Wiederaufnahme spricht daher, dass für Wiederaufnahmen der Verfahren insbesondere der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu beachten ist, dass der Beschwerdeführer beim behaupteten Verbrauch des Betrages von EUR 59.000 nicht gutgläubig gehandelt hat, dass zumindest ein nicht nur geringfügiger Teil der Nachforderung einbringlich sein sollte sowie die relative und absolute Höhe des strittigen Betrages, welche keinesfalls als geringfügig bezeichnet werden kann.

Bei Abwägung der Gründe überwiegen die für die Wiederaufnahme sprechenden Gründe eindeutig. Das Ermessen ist daher in diesem Sinne zu üben. Die Wiederaufnahme erfolgte daher durch das Finanzamt zu Recht.

Einkommensteuer:

Gemäß § 46 Abs 1 Z 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (nunmehr Z 3) werden die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen, auf die Einkommensteuerschuld angerechnet.

Ist die Einkommensteuerschuld kleiner als die Summe der Beträge, die nach Abs 1 anzurechnen sind, so wird gemäß § 46 Abs 2 EStG der Unterschiedsbetrag gutgeschrieben.

Im Streitjahr wurden vom Arbeitgeber tatsächlich nur EUR 525,28 an Lohnsteuer einbehalten, es ist daher auch nur dieser Betrag anzurechnen. Für ein allfälliges Ermessen bietet § 46 EStG keinen Raum.

Die Beschwerde erweist sich damit insgesamt als unbegründet und ist daher gemäß § 279 BAO abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Streitfall war lediglich die unstrittige Rechtslage auf den unstrittigen Sachverhalt anzuwenden. Bei dieser schlichten Rechtsanwendung war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Rechtsanwalt Dr. S**** B**** hat auf Anfrage des Gerichtes mitgeteilt, dass das Vollmachtsverhältnis zum Beschwerdeführer aufgelöst wurde und kein Kontakt zu ihm besteht. Die Zustellung erfolgt daher unmittelbar an den Beschwerdeführer.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102261.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at