Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.08.2020, RV/5100857/2020

Alleinerzieherabsetzbetrag - Voraussetzungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Karin Pitzer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2019 ohne Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages.

In der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 vom gab die Beschwerdeführerin (in der Folge Bfin) an, dass sie irrtümlich vergessen habe den Alleinerzieher anzukreuzen und ersuchte um Neuberechnung.

Laut Zentralmelderegisterabfrage vom sind die Hauptwohnsitzmeldungen seit von der Bfin und S ident.

Es erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung am mit der Begründung, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt worden sei, weil die Bfin im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einer Ehepartnerin/einem Ehepartner oder einer Partnerin/einem Partner gelebt habe.

Mit Schreiben vom - gewertet als Vorlagentrag und eingebracht über Finanzonline - teilte die Bfin mit, dass sie "weder verheiratet ist noch eine eingetragene Partnerschaft hat. Wir leben wie in einer Wg zusammen. Und mein Mitbewohner war im Jahr 2019 ohne Beschäftigung falls er gerechnet wird. Daher bitte ich um eine neue Berechnung".

Im Schreiben vom - eingelangt über Finanzonline - brachte die Bfin vor:
"Mein Partner hatte das ganze letzte Jahr ein sehr geringes Einkommen, da er arbeitslos war. Bitte eine Neuberechnung, Und ich bin weder verheiratet noch habe ich eine eingetragene Partnerschaft. Bitte um Neuberechung des Alleinerzieherabsetzbetrages. Es war auch davor nur die Rede, dass ich vergessen habe ein Häckchen zu setzen. Und es wurde mir dann auch berechnet".

Im am übermittelten Vorlagebericht brachte die Abgabenbehörde vor, dass die Bfin laut Zentralmelderegister (ZMR) seit im gemeinsamen Haushalt mit dem Partner wohne, daher könne der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht gewährt werden.

Mit Vorhalt vom wurde die Bfin ersucht folgende Fragen zu beantworten und folgende Unterlagen vorzulegen:

1. In ihrem Schreiben vom geben Sie an "Wir leben wie in einer Wg zusammen" Wie ist das zu verstehen? Bitte detaillierte Darlegung des Sachverhalts.
2. Es ist bekannt (Zentralmelderegisterauskunft vom ), dass Sie seit mit
S zusammenwohnen und mit ihm seit damals zweimal mit Hauptwohnsitzmeldung umgesiedelt sind (einmal nach Adresse xy und ab nach Bf1-Adr).
Somit liegt nicht nur eine Wohngemeinschaft sondern auch eine Wirtschaftsgemeinschaft, wenn nicht sogar eine Lebensgemeinschaft vor.
Um Stellungnahme dazu wird ersucht. Bitte detaillierte Darlegung des Sachverhalts, warum sie gemeinsam umgesiedelt sind.
3. Ihre Ausführungen sind durch Beilage geeigneter Unterlagen nachzuweisen (Vorlage des Mietvertrages, Nachweise über die Mietzahlungen, Nachweise (Belege, Kontoauszüge etc.) über die Zahlungen der Stromkosten, der Betriebskosten, der Haushaltsversicherung, Rundfunkgebühren etc.).
4. Bitte Bekanntgabe:
Größe der Wohnung,
Wie erfolgt die Aufteilung der Miet- und der Betriebskosten (wer zahlt wieviel?) bzw.
Aufteilung der Zimmer;
Wie viele Personen wohnen und leben in dieser Wohnung.
Legen Sie bitte einen Grundriss der Wohnung vor und geben Sie darin an, welcher Bereich davon ausschließlich Herrn
S zur Verfügung steht. (Fotos zur Wohnung wären angenehm)".

Der Vorhalt wurde nicht beantwortet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die aktuelle Wohnadresse von der Bfin und S (und den beiden nicht gemeinsamen Kindern) ist Bf1-Adr.

Laut Zentralmelderegisterauskunft vom zog die Bfin., ihre beiden Kinder mit S ab gemeinsam in die Wohnung nach B. Davor sind sie gemeinsam in die Wohnung in Adresse xy H eingezogen und haben von bis dort gewohnt (gemeldet mit Hauptwohnsitz). S wohnt seit laut ZMR-Auskunft an der gleichen Adresse wie die Bfin bzw. ist an dieser mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Durch das gemeinsame Umziehen in die Wohnungen nach H und nach B, wird davon ausgegangen, dass die Bfin mit Herrn S in einer Gemeinschaft lebt.

Der Vorhalt vom zur Klärung des Sachverhalts, wurde von der Bfin nicht beantwortet. Die von der Bfin angeforderte Unterlagen - wie beispielsweise Mietvertrag, Belege Rechnungen für Miet- und Betriebskosten, Rundfunk und Fernsehgebühren und Versicherungen etc - wurden nicht vorgelegt.

Über das Zusammenleben der Bfin mit S (und ihren Kindern) wurde von der Bfin nichts bekannt gegeben.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt übermittelten Aktenteile und dem von der Richterin der Bfin übermittelten Vorhalt, der von der Bfin nicht beantwortet wurde und ist insoweit unstrittig.

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

a) Rechtsgrundlagen und rechtliche Ausführungen:

Einen Alleinerziehenden steht gem. § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1 EStG 1988) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt.

Gem. § 106 Abs. 3 EStG 1988 ist (Ehe)Partner eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit der er mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt.

Partner ist jemand, mit dem der Steuerpflichige mit mindestens einem Kind in einer Lebensgemeinschaft lebt.

Durch den Alleinerzieherabsetzbetrag soll die besondere Belastung berücksichtigt werden, der alleinstehende Personen mit Kindern durch ein dadurch erschwertes berufliches Fortkommen ausgesetzt sind (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Tz 49).

Bei einer Lebensgemeinschaft handelt es sich um einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Dabei kann aber auch das eine oder andere Merkmal fehlen. Die Merkmale einer Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft müssten demgemäß nicht kumuliert vorliegen. Es kann aber auch wie in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, das eine oder andere Merkmal fehlen.

Nach der Judikatur des VwGH ist eine Lebensgemeinschaft (iSe eheähnlichen Gemeinschaft) anzunehmen, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Zusammenleben erfolgt, wie es bei Ehegatten unter den gleichen Bedingungen zu erwarten wäre (zB Wohnen in gemeinsamer Wohnung mit gemeinsamen Kind).

Indizien für eine Lebensgemeinschaft sind danach z.B. die polizeiliche Meldung an ein- und demselben Wohnort (: , 2000/15/0101), eine gemeinschaftliche Zustelladresse oder die gemeinsame Anschaffung einer Wohnung oder der Wohnungseinrichtung (-G/07).

Für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft reicht es aus, dass sich insgesamt durch das Zusammenleben eine Gesamtersparnis gibt, die nicht mit der (eingeschränkten) wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Alleinerziehers vergleichbar ist (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/ Zorn, EStG18, § 33, TZ 41).

Voraussetzung für die Anerkennung als "Partner" ist das Vorhandensein von mind einem Kind. Eine Lebensgemeinschaft ohne Kinder findet steuerlich keine Berücksichtigung. Eine Partnerschaft bzw Lebensgemeinschaft iSd § 106 kann auch iRe "Patchwork-Familie" vorliegen, wenn zur Wohngemeinschaft auch eine Wirtschaftsgemeinschaft hinzutritt (Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2019, § 106, Rz 4).

b) Erwägungen:

Die Bfin (ihre Kinder) und S sind gemeinsam in die Wohnung in Adresse xy H eingezogen und haben von bis dort gewohnt. Ab sind sie gemeinsam wohnhaft und gemeldet in B.

Das gemeinsame Umziehen und Zusammenleben in einer Wohnung in einer eheähnlichen Gemeinschaft ergibt sich somit insbesondere aus den ZMR Abfragen vom der Bfin. und des S. Über das Zusammenleben mit S wurde von der Bfin nichts bekanntgegeben. Der Vorhalt vom wurde von der Bfin nicht beantwortet. Unterlagen wurden keine vorgelegt.

Dass die verfahrensgegenständliche Gemeinschaft der Bfin. einer eheähnlichen Gemeinschaft gleicht, ist insbesondere daraus abzuleiten, dass die Bfin. ihre Kinder und S seit April 2017 gemeinsam in einer Wohnung leben und in der Zwischenzeit auch zweimal gemeinsam umgezogen sind. Das Merkmal einer Wohngemeinschaft ist, dass die Partner in einer gemeinsamen Wohnung in der Absicht leben, dort den Mittelpunkt ihrer Lebensführung einzurichten

Unstrittig ist, dass sich sowohl die Bfin als auch S, in den Wohnungen auch tatsächlich gemeinsam aufhalten. Gegenteiliges wurde von der Bfin nicht vorgebracht.

Zudem liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch eine Wirtschaftsgemeinschaft auf Grund der gemeinsamen Umzüge im Jahr 2018 und 2019 in die Wohnungen vor, da sowohl die Bfin als auch S für die Kosten aufgekommen sind zumal diesbezüglich von der Bfin nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde. Wie dargelegt wurde der Vorhalt von der Bfin nicht beantwortet.

Dass in der Wohnung ein eigener Bereich (Schlafzimmer, Küche etc) ausschließlich S zur Verfügung stand, wurde von der Bfin weder behauptet noch anhand eines angeforderten Grundriss aufgezeigt und glaubhaft gemacht. Aufgrund fehlender Angaben zur Größe der Wohnungen und zum Zusammenleben in den beiden Wohnungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass keine geschlechtliche Beziehung zwischen der Bfin und S besteht. Es gibt nämlich keine konkreten Anhaltspunkte für einen eigenen Bereich des S in den Wohnungen. Beweismittel ist die Bfin schuldig geblieben.

Im gegenständlichen Fall ist daher davon auszugehen, dass durch das gemeinsame Wohnen in den beiden Wohnungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht worden ist, wodurch die Bfin gegenüber alleinstehenden Personen entsprechend geringer belastet gewesen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Partner für eine gewisse Zeit nur Arbeitslosengeld bezieht.

Durch das Zusammenleben ergibt sich eine Gesamtersparnis, die nicht mit der (eingeschränkten) wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Alleinerziehers vergleichbar ist.

Das gemeinsame Wohnen mit einem Partner in einer Wohnung stellt ein Element dar, dass zivilrechtlich zum Charakteristikum einer (ehelichen) Lebensgemeinschaft im Sinne des § 90 ABGB zählt.

Eine eheähnliche Gemeinschaft liegt dann vor, wenn es sich bei der Lebensgemeinschaft um einen eheähnlichen Zustand handelt, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht (vgl. ).

Dazu gehört zwar im Allgemeinen eine Geschlechtsgemeinschaft, Wohnungsgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft. Es kann aber auch wie in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, das eine oder andere Merkmal fehlen.

Aufgrund der obigen Ausführungen lebte die Bfin. im Streitjahr 2019 mehr als sechs Monate in einer Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft gemeinsam mit Herrn S. Es besteht im streitgegenständlichen Jahr eine Gemeinschaft. Gegenteiliges wurde weder behauptet noch durch geeignete Unterlagen nachgewiesen. Vielmehr ist von einem auf Dauer angelegten gemeinschaftlichen Zusammenleben auszugehen, zog doch die Bfin (ihre Kinder) mit S 2019 - sowie auch schon 2018 - gemeinsam und im Einvernehmen in eine neue Wohnung um.

Zusammenfassend müssen somit zwei Voraussetzungen vorliegen, damit der Alleinerzieherabsetzbetrag Berücksichtigung findet:

Es muss ein Steuerpflichtiger mit mindestens einem Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 gegeben sein und dieser Steuerpflichtige darf nicht mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

Die Voraussetzung für den Alleinerzieherabsetzbetrag "Alleinerziehende .., die…mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt" ist somit nicht erfüllt.

Daher steht der Alleinerzieherabsetzbetrag für das Jahr 2019 nicht zu.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Alleinerzieherabsetzbetrag ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung (siehe die o.a. Judikatur). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100857.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at