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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.08.2020, RV/5100549/2020

1. Berufsausbildung: Abendgymnasium neben Tenniskarriere 2. Direktvorlage einer Beschwerde ohne ausdrücklichen Verzicht auf BVE

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, zu Recht erkannt:


I. Zur Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe ab Juli 2018 ergeht folgendes Erkenntnis:

1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

II. Zur Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen im Zeitraum von März bis Juni 2018 im Gesamtbetrag von 894 Euro ergeht folgender Beschluss:

1. Der Antrag auf Vorlage an das Bundesfinanzgericht wird gemäß § 264 Abs. 5 BAO als unzulässig zurückgewiesen.

2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit Eingangsdatum beantwortete die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: BF) ein Überprüfungsschreiben des Finanzamtes dahingehend, dass das anspruchsbegründende Kind ***Vorname1*** (SV-Nr. 1234567890) das BRG für Berufstätige (Abendgymnasium) besuche und das Jahreszeugnis im Juli nachgesendet werde.

2. Mit Eingangsdatum beantwortete die BF ein Überprüfungsschreiben des Finanzamtes, in welchem eine Schulbestätigung für das Schuljahr 2017/18 angefordert wurde, mit Übermittlung des Zeugnisses des Abendgymnasiums für das Sommersemester 2017.

3. Das Finanzamt stellte in der der Folge die Auszahlung der Familienbeihilfe mit Juni 2018 ein.

4. Mit Eingabe vom beantragte die BF die Auszahlung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ***Vorname1*** ab Juli 2018. Beigelegt war eine Bestätigung des Abendgymnasiums über die bestandene Prüfung in "Physik PH 2" im Ausmaß von 4 Wochenstunden, womit "die geforderten acht Wochenstunden überboten worden" seien.

5. Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab mit der Begründung, dass ein Familienbeihilfenanspruch nur dann bestehe, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies sei dann anzunehmen, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom mit im Wesentlichen folgender Begründung:
***Vorname1*** besuchte ab September 2013 ein fünfjähriges BORG für Leistungssport. Da sein Tennistalent dort nicht ausreichend gefördert worden sei, wechselte er im September 2016 in die Abendschule und trainierte tagsüber für seine Tenniskarriere. Neben vielen Turniersiegen habe er auch die Prüfung zum Tennis-Schiedsrichter abgelegt. Somit sei der Nachweis erbracht, dass er seine Ausbildung ernsthaft und zielstrebig vorantreibt.

Beigelegt waren mehrere Zeitungsartikel über die sportlichen Erfolge des Sohnes und eine Aufstellung der absolvierten Spiele.

7. Mit Schreiben vom beantwortete die BF ein Ergänzungsersuchen des Finanzamtes hinsichtlich der schulischen Laufbahn des Sohnes mit der Ankündigung, dass dieser im Mai 2019 maturieren werde. Beigelegt waren folgende Unterlagen:

• Das Zeugnis Wintersemester 2018/19 (zwei von vier Gegenständen nicht beurteilt);

• Das Zeugnis Sommersemester 2018;

• Das Zeugnis Wintersemester 2017/2018 (drei von neun Gegenständen nicht beurteilt);

• das Zeugnis Sommersemester 2017;

• das Zeugnis Wintersemester 2016/17;

• Eine Bestätigung über die Ablegung der Kolloquiumsprüfung in "Deutsch 6", schriftlich und mündlich, am 26.02. bzw. ;

• Ein Abschlussprüfungszeugnis der ***Akademie*** im Lehrgang zur Ausbildung von Tennisinstruktoren vom ;

• Eine Bestätigung über die Teilnahme und erfolgreiche Prüfung am Schiedsrichterkurs des Tennisverbandes vom 06.-;

• Unterlagen zur Ausbildung zum staatlich geprüften Tennislehrer. Darin ist ersichtlich, dass die Ausbildung 15 Tage dauert (verteilt auf drei Monate, ohne Eignungsprüfung und Abschlussprüfung);

8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass ***Vorname1*** seine ganze Energie in den Tennissport investiere und die schulische Ausbildung nur nebenbei laufe. Für die kurzzeitigen Tennisausbildungen stehe keine Familienbeihilfe zu.

9. Am erging der Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen iHv. insgesamt 894 Euro für den Zeitraum März bis Juni 2018. In der Begründung wurde auf die Beschwerdevorentscheidung vom selben Tag bezüglich der Abweisung des Antrags auf Familienbeihilfe verwiesen.

10. Gegen den Rückforderungsbescheid erhob die BF mit Eingabe vom Beschwerde. Zur Begründung verwies sie auf die "Beschwerde zur Beschwerdevorentscheid(ung)" und stellte gleichzeitig den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

11. Gegen die Beschwerdevorentscheidung vom bezüglich des Abweisungsbescheides richtet sich der Vorlageantrag vom mit folgender Begründung:

"Wie aus den beigelegten Unterlagen von Herrn Dir. ***Z***, Direktor der ***Akademie***, ganz eindeutig hervorgeht, handelt es sich bei einer Ausbildung zum Tennislehrer sehr wohl um eine Berufsausbildung, die auch in Hinblick auf Gewährung der Familienbeihilfe das wichtige Merkmal des quantitativen Elements mit gesamt 539 Unterrichtseinheiten beinhaltet!!

Außerdem möchte ich festhalten, dass bei der Beurteilung der Semesterzeugnisse ein Fehler vorliegen muss. So wurde das Zeugnis zum Sommersemester 2017/2018 nicht berücksichtigt, in dem mein Sohn ***Vorname1*** 3 Fächer mit gesamt 10 Wochenstunden positiv abgeschlossen hat. Daher ist es völlig ungerechtfertigt für die Monate März 2013 bis Juni 2018 die Familienbeihilfe und den KG rückzufordern.

Wie ich dem Gesetzestext entnehmen kann, sind für die Weitergewährung der Familienbeihilfe nach dem 18. Geburtstag die Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen. Die Vorlage von Leistungsnachweisen muss beim zuständigen Finanzamt erfolgen.

Es ist ein Erfolgsnachweis über 16 ECTS-Punkte (oder acht Wochenstunden) aus Wahl- oder Pflichtfächern zu erbringen.

Das hat ***Vorname1*** in den jeweiligen Semesterzeugnissen nachweislich erbracht, dies geht eindeutig aus dem Beschwerdevorentscheid hervor, einzig das SS Zeugnis 2017/2018 wurde falsch interpretiert, bzw. das Zeugnis vom 12-Sept. 2018 nicht berücksichtigt. (Kopie liegt dem Beschwerdeschreiben bei)

Somit bitte ich, die per Bescheid vom , Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge, zu revidieren und des Weiteren Familienbeihilfe von Juli 2018 bis Juni 2019 auszubezahlen.

***Vorname1*** hat nachweislich das SS 2017/2018 mit Zeugnis vom 12.Sept. 2018 mit 10 Wochenstunden ernsthaft und zielstrebig, positiv abgeschlossen.

Im weiteren Verlauf hat er im WS 2018/2019 nicht, wie in Ihrer Beschwerdevorentscheidung vom fälschlicherweise mit 0 positiv bewerteten Wochenstunden, sondern mit 6 positiven Wochenstunden abgeschlossen (Zeugnis vom liegt bei) und neben der Schule eine Berufsausbildung zum Tennislehrer mit ausgezeichnetem Erfolg absolviert, was einen Bezug der Familienbeihilfe alleine schon rechtfertigt. Herr Dir. ***Z***, Direktor der ***Akademie*** steht laut eigener Aussage sehr gerne bei etwaigen Rückfragen zur Verfügung.

Obwohl im Schreiben vom 16. Sept. 2019 ergänzend von Ihnen gefordert, und von mir am per Einschreiben geliefertes Jahreszeugnis vom SS 2019 mit gesamt 10 positiven Wochenstunden (Zeugnis vom liegt bei) wurde dieses Zeugnis im Beschwerdevorentscheid gar nicht berücksichtigt!!!.

***Vorname1******Nachname*** hat von Mai 2018 bis Juni 2019 alle im Sinne des Gesetzes erforderlichen Anforderungen erfüllt, um Familienbeihilfe zu beziehen: Sowohl aus schulischer und erst Recht aus Sicht seiner Berufsausbildung.

***Vorname1*** ist seit Oktober 2019 beim Bundesheer und holt im Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige die notwendigen Prüfungen nach, um frühestmöglich die Reifeprüfung ablegen zu können."

Dem Vorlageantrag beigelegt wurden:

• eine Stellungnahme der ***Akademie*** zur Tennislehrerausbildung

• das Semesterzeugnis des Abendgymnasiums für das Sommersemester 2019

• das Semesterzeugnis des Abendgymnasiums für das Wintersemester 2018/19

• das Semesterzeugnis des Abendgymnasiums für das Sommersemester 2017/18

12. Am legte das Finanzamt die beiden Beschwerden dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung aus den in der Beschwerdevorentscheidung genannten Gründen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt


Der Sohn der BF betreibt eine Karriere als Tennispieler, wobei er im Jahr 2018 über 100 Turnier- und Meisterschaftspartien spielte.

Außerdem besuchte er im beschwerdegegenständlichen Zeitraum das Abendgymnasium für Berufstätige in Linz.
Bei dieser Schulform wird der gesamte AHS-Stoff in 8 Semestern vermittelt.

Der im Internet (http://www.abendgym.at/schulformen/modulsystem) empfohlene Studiengang für die hier relevanten Semester stellt sich wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
5. Semester
6. Semester
7. Semester
8. Semester
D5 (4)
D6 (4)
D7 (4)
D8 (4)
E5 (4)
E6 (4)
E7 (4)
E8 (3)
L3 (4)
L4 (4)
L5 (4)
L6 (4)
M5 (2)
M6 (4)
M7 (4)
M8 (4)
BIU2 (4)
-
-
-
CH1 (4)
CH2 (2)
-
-
-
PH1 (4)
PH2 (4)
-
-
-
PUP2 (3)
-
VWA1(1)
VWA2(1)
-
-

Abkürzungen der Module:
BE Bildnerische Erziehung / BIU Biologie und Umweltkunde / CH Chemie / D Deutsch / E Englisch / ETH Ethik / F Französisch / GSPB Geschichte und Sozialkunde und politische Bildung / GWK Geographie und Wirtschaftskunde / INF Informatik / L Latein / M Mathematik / ME Musikerziehung / PH Physik / PUP Psychologie und Philosophie / R Religion / VWA Vorwissenschaftliches Arbeiten

Mit Ausnahme des 8. Semesters sind also Module im Ausmaß von jeweils ca. 23 Wochenstunden zu belegen. Für die Reifeprüfung sind 7 Teilprüfungen aus mindestens 4 Fächern abzulegen.

Gemäß der Information auf der Homepage des Abendgymnasiums "werden die Module alleine oder mit dem Studienkoordinator gebucht. Die Studierenden entscheiden, welche und wie viele Module sie pro Semester buchen. Empfehlenswert ist es, die regulär im Stundenplan vorgesehenen Fächer zu buchen, damit es zu keinen Überschneidungen kommt.

Es ist möglich, dass ein Modul aus zeitlichen oder persönlichen Gründen einmal nicht gebucht werden kann oder zu wiederholen ist. In diesem Fall kann man den Gegenstand in einem späteren Semester belegen, sofern der Stundenplan es zulässt.

Das Modulsystem erlaubt einen individuellen Stundenplan und einen individuellen Studienverlauf. Es gibt kein "Sitzenbleiben".

Wird ein Modul nicht positiv abgeschlossen, gibt es zwei Möglichkeiten: Wiederholen dieses Moduls oder Prüfung darüber. Für jedes Modul gibt es maximal vier Versuche. Die Prüfung heißt "Kolloquium" und ist je nach Gegenstand mündlich oder schriftlich & mündlich.

Im jeweils folgenden Semester gibt es drei Kolloquiumstermine, um das Modul durch eine Prüfung über den Semesterstoff abzuschließen."

Zeugnis vom über das Wintersemester 2016/17 für ***Vorname1*** ***Nachname*** als Studierender des sechsten Semesters:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pflichtgegenstände
Wochenstunden
Beurteilung
Deutsch D5
4
4
Englisch E6
4
3
Latein L4
4
4
Mathematik M6
4
4
Biologie BBIU2
4
5
Chemie CH1
4
Nicht beurteilt
Geschichte GSPB2
4
5
Vorwissenschaftliches Arbeiten 1
1
Nicht beurteilt

Zeugnis vom über das Sommersemester 2017 für ***Vorname1*** ***Nachname*** als Studierender des siebenten Semesters:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pflichtgegenstände
Wochenstunden
Beurteilung
Deutsch D6
4
Nicht beurteilt
Englisch E7
3
4
Latein L5
4
2
Mathematik M7
4
3
Chemie CH1
4
2
Geographie GWK2
4
Nicht beurteilt
Geschichte GSPB2
4
4

Zeugnis vom über das Wintersemester 2017/18 als Studierender des siebenten Semesters:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pflichtgegenstände
Wochenstunden
Beurteilung
Deutsch D5
4
4
Deutsch D6
4
Nicht beurteilt
Deutsch D7
4
3
Englisch E8
3
4
Latein L6
4
4
Mathematik M8
4
Nicht beurteilt
Chemie CH2
2
5
Physik PH2
4
Nicht beurteilt
Geschichte GSPB2
4
4

Zeugnis vom über das Sommersemester 2017/18 als Studierender des sechsten Semesters:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pflichtgegenstände
Wochenstunden
Beurteilung
Religion R4
2
3
Biologie BIU2
4
Nicht beurteilt
Chemie CH2
2
5
Physik PH2
4
5
Geographie GWK2
4
4
Psychologie PUP2
3
Nicht beurteilt
Vorwissenschaftliches Arbeiten VWA2
1
Nicht beurteilt

Zeugnis vom über das Sommersemester 2017/18 als Studierender des sechsten Semesters:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pflichtgegenstände
Wochenstunden
Beurteilung
Religion R4
2
3
Biologie BIU2
4
3
Chemie CH2
2
4
Physik PH2
4
4
Geographie GWK2
4
4
Psychologie PUP2
3
Nicht beurteilt
Vorwissenschaftliches Arbeiten VWA2
1
Nicht beurteilt

Da im Gegenstand Physik am ein Kolloquium positiv abgelegte wurde und auch Chemie und Biologie im Zeugnis vom letztendlich positiv benotet wurden, ergeben sich im Rückforderungszeitraum März bis Juni 2018 16 Wochenstunden an erledigten Pflichtgegenständen.

Zeugnis vom über das Wintersemester 2018/19 als Studierender des sechsten Semesters:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pflichtgegenstände
Wochenstunden
Beurteilung
Chemie CH2
2
4
Physik PH2
4
4
Psychologie PUP2
3
Nicht beurteilt
Vorwissenschaftliches Arbeiten VWA2
1
Nicht beurteilt

Darüberhinaus wurde die Kolloquiumsprüfung Deutsch D6 (4 Wochenstunden) aus dem Modulplan für das 6. Semester am 26. und positiv abgelegt.

Zeugnis vom über das Sommersemester 2018/19 als Studierender des achten Semesters:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pflichtgegenstände
Wochenstunden
Beurteilung
Deutsch D6
4
4
Deutsch D8
4
3
Mathematik M8
4
Nicht beurteilt
Vorwissenschaftliches Arbeiten VWA1
1
3
Vorwissenschaftliches Arbeiten VWA2
1
1

Es wurden Gegenstände im Ausmaß von 10 Wochenstunden positiv absolviert, wobei die Kolloquiumsprüfung "Deutsch D6" wie oben erwähnt lt. Modulplan das 6. Semester betrifft.

Die Module VWA1 und VWA2 werden für das 5. bzw. 6. Semester empfohlen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem im Verfahrensgang dargestellten Verwaltungsgeschehen, den von den Parteien vorgelegten Unterlagen und dem Inhalt der Homepage http://www.abendgym.at/schulformen/modulsystem .

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967

Anspruch auf Familienbeihilfe haben nach § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967 ) 1967 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" (außerhalb der Sonderbestimmung dieses Tatbestandes betreffend Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr. 305 genannte Einrichtung besuchen) enthält das Gesetz nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird ( und ). Es besteht kein Zweifel daran, dass bei der Absolvierung eines Abendgymnasiums mit dem Ziel der Ablegung der Matura grundsätzlich eine Berufsausbildung gegeben ist.

Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinne ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können. Dazu ist es auch erforderlich, die vorgesehenen Lehrveranstaltungen regelmäßig zu besuchen und zu den erforderlichen Prüfungen anzutreten. Jede Berufsausbildung weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. (Vgl. , und )

Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, die die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat ().

Nach der Meinung im Kommentar zum FLAG 1967 (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG 2. Auflage, § 2 Rz 39 f) liegt eine Berufsausbildung iSd FLAG - analog zum Besuch einer AHS und BHS - generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt.

Auch das BFG nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen (zB ). Wenn bei einer 25 Wochenstunden umfassenden Schulausbildung die Hälfte der Unterrichtsgegenstände infolge Abwesenheit vom Unterricht nicht beurteilt wird, ist davon auszugehen, dass die Berufsausbildung nicht die überwiegende Zeit des Schülers in Anspruch genommen hat ().

Der Sohn der BF hat im Wintersemester 2018/19 nur die Pflichtgegenstände Chemie CH2 und Physik PH2 mit insgesamt 6 Wochenstunden absolviert und am 26. und 28. Feber 2019 die Kolloquiumsprüfung Deutsch D6 mit 4 Wochenstunden abgelegt.
Im Sommersemester 2019 wurden abgesehen von der bereits erwähnten Kolloquiumsprüfung Deutsch D6 nur Pflichtgegenstände im Ausmaß von 6 Wochenstunden absolviert.

Es kann nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht angenommen werden, dass für die ab Juli 2018 absolvierten Module ein Zeitaufwand von rund 30 Wochenstunden über mehrere Monate erforderlich war.

Es ist somit nicht als rechtswidrig anzusehen, wenn das Finanzamt bei dieser Sachlage im Bescheid vom in freier Beweiswürdigung davon ausgegangen ist, dass für den Zeitraum ab Juli 2018 keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG vorgelegen ist.

Die Aktivitäten des Sohnes der BF (Tenniskarriere, diverse Tennisausbildungen und Abendmatura) zeugen insgesamt von einem zielstrebigen Charakter.
Allerdings muss sich die von der Judikatur geforderte Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit auf die Berufsausbildung (in diesem Fall das Abendgymnasium) beziehen und sich darin manifestieren, dass dafür die volle Zeit (30 Wochenstunden) in Anspruch genommen wird.
Neben der Tenniskarriere bleibt im gegenständlichen Fall insgesamt offensichtlich zu wenig Zeit für das Gymnasium.

Wenn die BF sich im Vorlageantrag darauf beruft, dass lt. Gesetz ein Erfolgsnachweis von 16 ECTS-Punkten (oder 8 Semesterwochenstunden) für den Behilfenanspruch ausreichend sei, so ist darauf hinzuweisen, dass dies nur volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, betrifft. Unter die genannten Einrichtungen fallen Universitäten und Hochschulen, nicht aber das gegenständliche Abendgymnasium.
Für die allgemein bildende Schulausbildung an einem Abendgymnasium ist die oben dargestellte Rechtlage anzuwenden, wonach eben ein wöchentlicher Zeitaufwand von ca. 30 Stunden für die Qualifizierung als Berufsausbildung iSd. FLAG 1967 gefordert wird.

Tennislehrerausbildung aus Berufsausbildung iSd. FLAG 1967

Gegenstand dieses Rechtmittelverfahrens ist nur der Zeitraum von Juli 2018 bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde am .

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus nur solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zu Grunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl ausdrücklich , , und ).

Das Vorbringen der BF im Vorlageantrag, dass die Ausbildung zum Tennislehrer im Jahr 2019 eine Berufsausbildung darstelle, weist auf eine solche Änderung der Sachlage hin, ist aber nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens.
Es steht der BF frei, einen neuerlichen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für den betreffenden Zeitraum zu stellen über den das Finanzamt zu entscheiden hätte, da in diesem Fall keine entschiedene Sache (res iudicata) entgegensteht.

Zu Spruchpunkt II. (Zurückweisung des Vorlageantrages bezüglich des Rückforderungsbescheides)

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom und die Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid vom dem Bundesfinanzgericht vor.
Bezüglich des Abweisungsbescheides war vom Finanzamt am eine Beschwerdevorentscheidung ergangen, nicht jedoch bezüglich des Rückforderungsbescheides.

Die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid wurde somit direkt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

§ 262 Bundesabgabenordnung (BAO) lautet:
(1) Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

(2) Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben,

a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und

b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.

(3) Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

(4) Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

In der Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid findet sich der Wortlaut: "Siehe Beschwerde zu Beschwerdevorentscheid, Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht".
Mit dieser Formulierung wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben hätte. Ebensowenig findet sich im Vorlageantrag vom , auf den verwiesen wird, ein Antrag auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung.
Ein diesbezüglicher Antrag müsste gesondert und ausdrücklich gestellt werden (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 262 Anm 7; vgl. ).
Ein Anwendungsfall des § 262 Abs. 2 lit a BAO ist daher nicht gegeben.

Nur in den im § 262 BAO genannten Fällen hat eine Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben, in allen anderen Fällen hat die Abgabenbehörde über die Bescheidbeschwerde zwingend mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Ein Vorlageantrag setzt unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus (Ritz, BAO, § 264, Tz 6). Der in der Beschwerde enthaltene Antrag auf Vorlage an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung ist vor einer Beschwerdevorentscheidung ergangen und daher unzulässig. Der Vorlageantrag bleibt unzulässig, auch wenn nun die belangte Behörde nachträglich eine Beschwerdevorentscheidung erlässt.
Der BF kommt sodann das Recht zu, allenfalls einen neuen Vorlageantrag gemäß § 264 Abs. 1 BAO zu stellen.

Gemäß § 264 Abs. 5 BAO obliegt die Zurückweisung nicht zulässiger Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht.

Mitteilung gemäß § 281a BAO

Wenn das Verwaltungsgericht nach einer Vorlage ( § 265 BAO) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, hat es gemäß § 281a BAO die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen.

Die Parteien des Verfahrens werden hiermit formlos von Folgendem in Kenntnis gesetzt:

Hinsichtlich des Rückforderungsbescheides vom wurde weder von der Abgabenbehörde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen noch wurde von der BF ein zulässiger Vorlageantrag gestellt. Das Bundesfinanzgericht kann daher derzeit nicht über die Beschwerde vom entscheiden.
Das Bundesfinanzgericht ist der Auffassung, dass die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt geboten ist.
Die Verpflichtung zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wird durch § 300 BAO nicht berührt.

Zulassung einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Verpflichtung der belangten Behörde zur Beschwerdevorentscheidung unmittelbar aus dem Gesetz ( § 262 Abs. 1 BAO) ergibt und das Nichtvorliegen eines der in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO normierten Ausnahmetatbestandes eine reine Sachverhaltsfrage darstellt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 264 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100549.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at