Nichtberücksichtigung der Inflation bei der Ermittlung der ImmoESt nach StRefG 2015/2016 im Lichte von Verfassungskonformität
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf, Adr1, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Spittal Villach, dieses vertreten durch AmtsVert, vom und betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2017 und Einkommensteuer 2017 (Sachbescheid) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Kaufvertrag vom veräußerte der Beschwerdeführer (Bf) die in seinem Alleineigentum stehende Eigentumswohnung (ETW) Str1 (Whg Top 4) in Ort1 samt Tiefgaragenabstellplatz und Kellerabteil um einen Kaufpreis iHv € 155.000 an die Fa. F GmbH (Erwerberin). Laut Pkt. II der Kaufvereinbarung sollte vom Gesamtpreis ein Teilbetrag in Höhe von € 8.000 auf das bewegliche Vermögen entfallen.
Mit Kaufvertrag vom veräußerte der Bf die ebenso in seinem Alleineigentum stehende ETW Str2 in Ort2 (Whg Top 12) samt Tiefgaragenabstellplatz an Frau H als Erwerberin um einen Kaufpreis in Höhe von € 200.000. Laut Kaufvertrag sollte ein Teilbetrag von € 10.000 auf das bewegliche Vermögen dieser Liegenschaft entfallen.
Beiden Kaufverträgen liegt eine entsprechende Inventarliste, allerdings ohne Ausweis der entsprechenden Wertansätze, bei.
In Bezug auf die Veräußerung der in Ort1 gelegenen ETW nahm der Vertragsverfasser eine Selbstberechnung der ImmoESt vor und entrichtet den so ermittelten Betrag von € 1.176 mittels Verrechnungsanweisung auf das Abgabenkonto des Bf. In Bezug auf die ETW in Ort2 wurde keine ImmoESt berechnet bzw. abgeführt.
Im Zuge der Einkommensteuerveranlagung veranlagte das Finanzamt die vom Bf eingereichte Einkommensteuererklärung für 2017 - diese wies keine besonderen Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (ImmoESt) aus - zunächst erklärungskonform. Der Einkommensteuerbescheid 2017 (Erstbescheid) erging am .
Im Zuge der Nachbescheidkontrolle verfügte das Finanzamt mit Bescheid vom die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2017 und erließ auf Grundlage dieses verfahrensrechtlichen Titels einen neuen Sachbescheid für denselben Zeitraum. In diesem Bescheid wurde eine Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz von 30 %) in Höhe von € 15.988,37 unter Anrechnung der im Wege der Selbstberechnung abgeführten ImmoESt (€ 1.176) in Ansatz gebracht. Das Finanzamt verwies in der Bescheidbegründung auf zwei Kontrollmitteilungen im Zusammenhang mit den beiden Liegenschaftsverkäufen und den sich daraus ergebenden behördlichen Feststellungen.
Aufgrund eines am eingebrachten Antrages nach § 299 BAO hob das Finanzamt mit Aufhebungsbescheid vom den Einkommensteuerbescheid 2017 vom aus dem Rechtsbestand und erließ gleichzeitig den nunmehr in Anfechtung stehenden mit datierten Einkommensteuerbescheid 2017. Dieser weist bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nunmehr einen Verlust in Höhe von € 3.070,31 (anstatt ursprünglich € 1.990,31) aus. In der Bescheidbegründung wurde in Bezug auf die Abänderung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf die zusätzliche Berücksichtigung einer AfA betreffend Mobiliar hingewiesen.
Mit Beschwerde vom wandte sich der Bf sowohl gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch gegen den Sachbescheid (ESt-Bescheid) vom .
Der Bf führte aus, dass seiner Ansicht nach das Finanzamt die ImmoESt unrichtig ermittelt habe, zumal dieses bewegliches Einbaumobiliar wie Küchen, Badezimmerverbauten, etc. in die Berechnung der Immobilienertragsteuer miteinbezogen habe. So habe er in seinen beiden Kaufverträgen ganz klar zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden. Der Kaufpreis des unbeweglichen Vermögens beinhaltete daher auch fix verbundenes Inventar (beispielsweise die Küchen, Einbaugarderoben, Badezimmer und Schlafzimmerverbauten), welche die Wohnung erst durch deren Einbauten "in die bestimmungsmäßige Nutzungsbereitschaft" versetzt hätten. Die Werte dieser Einbauteile seien nicht Bestandteil der Immobilienertragsteuerberechnung und seien diese vom Verkaufserlös in Abzug zu bringen. Der vom Finanzamt vertretenen Ansicht, wonach nur Duschen, Sanitärausstattungen, WC etc. als unbewegliches Inventar gelte, könne nicht gefolgt werden.
Als weiteren Beschwerdeeinwand brachte der Bf vor, dass die Einhebung der Immobilienertragsteuer für durch bloße Geldentwertung hervorgerufene Wertsteigerungen verfassungswidrig sei; die derzeitige Regelung stelle eine Diskriminierung sowie klare Benachteiligung aller Grundstücksverkäufer dar.
Bezogen auf die ETW in Ort2 hätte er einen Kaufpreis von € 231.712 (laut statistischen Zentralamt) erzielen müssen, um den Gegenwert der seinerzeit investierten € 181.025,49 (ohne Mobiliar; hier seien nochmals € 35.000 investiert worden) zu erhalten. Obwohl er aus dem gegenständlichen Veräußerungsgeschäft lediglich € 190.000 erzielen habe können, sei daraus aufgrund der fragwürdigen Gesetzgebung ein Gewinn von € 41.712 herausgesprungen. Es gehe nicht an, dass der österreichische Staat für den durch Inflation hervorgerufenen Wertverlust an Geld eine Steuer einhebe. Die gegenständliche Rechtslage führe zu einer krassen Benachteiligung jener Sparer, welche ihr Erspartes in Ansehung der unsicheren wirtschaftlichen Lage in Immobilien veranlagt hätten. Die derzeitige steuerliche Regelung führe nämlich dazu, dass viele Wohnungseigentümer nicht mehr bereit seien ihr Wohnungseigentum in Bestand zu geben, was wiederum zu Engpässen unter Wohnungssuchenden führe. Die vor 2012 geltende steuerrechtliche Regelung in Bezug auf die Steuerfreiheit von Immobilienveräußerungen nach Ablauf einer zehnjährigen Spekulationsfrist sei berechtigt gewesen, da diese die Inflation mitberücksichtigt habe. Die jetzige gesetzliche Regelung sehe keine Inflationsabgeltung mehr vor, was letztendlich zu einer Besteuerung von durch Geldentwertung hervorgerufenen Vermögenszuwachs führe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde sowohl die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid als auch jene gegen den Sachbescheid als unbegründet ab. In der dazu ergangenen ausführlichen Bescheidbegründung stellte das Finanzamt seine Überlegungen im Bezug auf die Berechnung der ImmoESt dar und erläuterte, welche Positionen es bei der Ausmittelung derselben in Ansatz gebracht habe.
In Bezug auf die in der Bescheidbeschwerde relevierte Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung hinsichtlich ImmoESt hielt die Behörde fest, dass sie aufgrund des in Art. 18 Abs. 1 B-VG verankerten Legalitätsprinzips dazu gehalten sei ihre Entscheidungen - unabhängig von einer eventuellen Verfassungswidrigkeit - auf Grundlage der geltenden Gesetze zu treffen. Ordnungsgemäß kundgemachte und gültige Gesetze seien daher von ihr so lange anzuwenden, wie sie dem Rechtsbestand angehörten. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G 111/2015, in einer amtswegigen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen über die Immobilienertragsteuer in Anlehnung an seine frühere Judikatur unmissverständlich festgehalten habe, sei die mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 erfolgte Einführung einer Steuerpflicht für private Grundstücksveräußerungen grundsätzlich verfassungskonform.
In Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens führte die Behörde begründend aus, dass im Zuge der Überprüfung der selbstberechneten ImmoESt hinsichtlich der im Jahre 2017 erfolgten Wohnungsverkäufe jedenfalls neue Tatsachen, nämlich die fehlerhafte Ermittlung der Bemessungsgrundlagen sowie neue Beweismittel bzw. Unterlagen (Anlagenverzeichnis) zur Berechnung der ImmoESt nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom (Erstbescheid) hervorgekommen seien, deren seinerzeitige Kenntnis geeignet gewesen wäre einen anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Demnach seien die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 BAO gegeben.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf die Vorlage seines Rechtsmittels an das Bundesfinanzgericht. Der Beschwerdeführer gab bekannt, dass sich sein Vorlagebegehren ausschließlich auf den Punkt 2. seiner Beschwerde, nämlich die mangelnde Verfassungskonformität der gesetzlichen Regelung im Zusammenhang mit der Nichtberücksichtigung der vorhandenen Inflation bei der Ermittlung der ImmoESt richte. Das vom Finanzamt angezogene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 111/2015, beziehe sich nicht auf die aktuelle Gesetzeslage nach Steuerreformgesetz 2015/2016. Der Wegfall der Indexanpassung sei erst 2016 wirksam geworden.
Wenn ein Immobilienbesitzer vom ersten Tage an nach Erwerb der Immobilie bis zum Zeitpunkt ihrer Veräußerung (im Falle eines Gewinnes) steuerpflichtig sei, dann müsse aber auch ab dem ersten Tage eine Indexanpassung gelten bzw. zum Tragen kommen. Diesfalls wäre ua. auch die geführte Diskussion über die Definition von beweglichem Inventar obsolet, da sich infolge der festgestellten Geldentwertung ohnedies kein Gewinn einstellen würde.
Der Bf stellte seine diesbezügliche Rechtsansicht exemplarisch wie folgt dar:
"Wenn heute eine Immobilie um beispielsweise € 200.000 erworben wird, und diese Immobilie nach beispielsweise 40 Jahren veräußert wird, dann müsste der Immobilienverkäufer bei einer angenommenen Inflation von 3 % pro Jahr (vereinfacht dargestellt), einen Kaufpreis von € 440.000 erlangen, um den gleichen Gegenwert für diese Immobilie zu erhalten, den er vor 40 Jahren bezahlt hat. Er hat also keinen Gewinn erzielt, sondern nur die Geldentwertung in Form von 240.000 € zusätzlich erhalten. Er hat somit exakt die gleiche Summe nach Berücksichtigung der Inflation wie vor 40 Jahren erhalten und keinen wirtschaftlichen Gewinne erlangt. Das Finanzamt sieht diese € 240.000 nach der derzeitigen Regelung jedoch als Gewinn an und der Immobilienverkäufer hat eine Steuer von € 72.000, zu entrichten. In diesem Beispiel wurde eine niedrige Inflation angenommen, wie sie derzeit üblich ist. Dieses Beispiel ist jedoch, bezogen auf die Höhe der Inflation der vergangenen 40 Jahre, völlig unrealistisch und viel zu gering angenommen.
Wenn man die Inflation der letzten 40 Jahre annimmt, dann müsste man anhand dieses Beispiels anstelle der im oberen Beispiel errechneten € 240.000 Geldentwertung, die Geldentwertung mit € 500.000 annehmen. Das heißt, hätte die derzeitige Regelung schon vor 40 Jahren gegolten, müsste der Immobilienbesitzer anhand dieses Beispiels heute einen Verkaufspreis von € 740.000 erlangen, um die Inflation aufzufangen und den gleichen Gegenwert der damaligen investierten € 200.000 zu erhalten. In diesem Fall würde das Finanzamt dann € 150.000 erhalten. € 150.000 Steuern für null Euro Einnahme. Ich halte das schlicht für skandalös!"
Der Bf führte weiters aus, dass die derzeitige gesetzliche Regelung für jeden Immobilienbesitzer ein unkalkulierbares Risiko darstelle. Investoren, welche in Immobilien investiert hätten, würden versuchen die steuerlichen Nachteile durch Mieterhöhung zu kompensieren, um so ihre Renditen bzw. den Werterhalt ihrer Immobilie zu sichern. Weitere würden die Vermietungstätigkeit aufgeben und ihre Immobilien abstoßen, um den Schaden zu begrenzen. Der Staat müsse dann einspringen und zusätzlichen Wohnraum schaffen. Überdies würde durch einen nachhaltigen Immobilienverkauf am Wohnungsmarkt ein Überangebot entstehen, was naturgemäß ein Sinken der Immobilienpreise zur Folge hätte. Auch die Bauwirtschaft würde einen starken Rückgang im Wohnbau erfahren. Die Politik suche verzweifelt nach Möglichkeiten, die stetig steigenden Mietpreise in den Griff zu bekommen. Auf der anderen Seite würde man Steuern erfinden, welche die Problematik nur noch verschärfen und die Mietpreise anheizen würden.
Auch öffentliche Auftragsvergaben würden - so sie längerfristig seien - einer Indexanpassung unterliegen; andernfalls könnte kein langfristiger Auftrag durchgeführt werden.
Der Bf beantragte die Stattgabe seiner Beschwerde.
Mit Datum legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
In seinem Vorlagebericht gab das Finanzamt folgende Stellungnahme ab:
"Der VfGH hat in seinem Erkenntnis vom , G 3/2017 die Bestimmung des Inflationsabschlages als verfassungswidrig aufgehoben (nach den Bestimmungen des Art 140 B-VG ist die Aufhebung mit Ablauf des Tages der Kundmachung am in Kraft getreten). Die Berechnung des Inflationsabschlages wurde als unsachlich beurteilt, da die Höhe der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften kein Maßstab für eine eingetretene inflationsbedingte Wertsteigerung ist.
Mit Wirkung ab wurde bereits durch eine Gesetzesnovelle - StRefG 2015/2016, BGBl I 2015/118 - die Berücksichtigung der inflationsbedingten Wertsteigerung in Form eines Inflationsabschlages im Rahmen der Einkünfteermittlung wieder aufgehoben.
Aus den vorstehend angeführten Gründen ist die Berücksichtigung eines Inflationsabschlages nicht zulässig und wird die Abweisung der Beschwerde beantragt."
Über die vorliegende Beschwerde hat das Gericht erwogen:
a) Zum Wiederaufnahmebescheid
Gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Eine Wiederaufnahme von Amts wegen gemäß § 303 BAO ist u.a. dann zulässig, wenn Tatsachen, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, erst danach hervorgekommen sind; Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (vgl. ). Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl. Ritz, BAO Kommentar5, § 303 Tz 21, und die dort zitierte Judikatur).
Maßgebend ist in diesem Zusammenhang, ob der Abgabenbehörde (der abgabenfestsetzenden Stelle) in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte kommen können. § 303 stellt auf den Wissensstand der Behörde (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) im jeweiligen Veranlagungsjahr ab (z.B. ). Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen.
Ein Verschulden der Behörde am Unterbleiben der Feststellung der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel im Erstverfahren schließt eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht aus ().
Im vorliegenden Fall hatte der Bf bzw. der mit der Abfassung der beiden Kaufverträge betraute Vertragsersteller eine Selbstberechnung der ImmoESt vorgenommen und hinsichtlich der veräußerten ETW in Ort1. auch ImmoESt an das Finanzamt zur Einzahlung gebracht.
Die bescheiderlassende Behörde, respektive die für die Veranlagung zuständige Stelle des Finanzamtes hatte im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom (Erstbescheid) keine Kenntnis von den beiden Immobilienverkäufen und der Richtigkeit der vom Rechtsvertreter diesbezüglich im Wege der Selbstberechnung ermittelten Immobilienertragsteuer. Erst eine durch eine Kontrollmitteilung über die Immobilienverkäufe ausgelöste zu Beginn des Jahres 2019 stattgefundene Sachverhaltsprüfung des Finanzamtes ergab, dass die Immobilienertragsteuer unrichtig berechnet wurde. Aktenkundig ist ein diesbezüglich geführter Email-Verkehr zwischen Bf und Abgabenbehörde, aus dem unzweifelhaft hervorgeht, dass die Überprüfung der ImmoESt durch das Finanzamt im ersten Quartal des Jahres 2019, sohin nach Erlassung jenes Einkommensteuerbescheides vom , der dem Verfahren zugrunde liegt, dessen Rechtskraft durch die Wiederaufnahme durchbrochen wurde, stattgefunden hatte.
Da jene der Wiederaufnahme zugrundeliegenden Tatsachen und Beweismittel in concreto geeignet waren, einen anders lautenden Bescheid herbeizuführen, entspricht die vom Finanzamt angezogenen Verfahrensmaßnahme der geltenden Rechtslage. Auch die Ermessensübung wurde von Seiten der belangten Behörde ausreichend begründet.
b) Zum Einkommensteuerbescheid 2017
Die Bestimmung des § 30 Abs 3 EStG 1988 idF des Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl I Nr. 112/2012 sieht vor, dass die Einkünfte (aus privaten Grundstücksveräußerungen) ab dem elften Jahr nach dem Zeitpunkt der Anschaffung oder späteren Umwidmung um 2 % jährlich, höchstens jedoch um 50 % zu vermindern sind; dies gilt nicht, soweit der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 4 EStG nicht anwendbar ist.
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 1. Stabilitätsgesetz 2012 (ErläutertRV 1680 BlgNR 24. GP, 9) soll mit dem Inflationsabschlag eine Berücksichtigung der inflationsbedingten Wertsteigerung im Rahmen der Einkünfteermittlung stattfinden.
Die Bestimmung wurde vom Gesetzgeber durch das Steuerreformgesetz 2015/2016, BGBl I Nr. 118/2015, wieder aufgehoben und wurde dazu in den Erläuterungen ausgeführt, dass die "Geltendmachung eines Inflationsabschlags für Grundstücksveräußerungen ab dem nicht mehr möglich sein (soll)" (vgl. EB zur RV 684 25.GP, 20).
Nach der (bis zum anzuwendenden) Bestimmung des § 30 Abs. 3 zweiter Teilstrich EStG in der Fassung BGBl I Nr. 112/2012 war die Bereinigung der Inflationswirkung in Form eines von der Behaltedauer abhängigen Abschlages von den ermittelten einem besonderen Steuersatz unterliegenden Einkünften vorzunehmen. Diese Regelung hatte zur Folge, dass - bei gleichen Einkünften und gleicher Behaltedauer - der Abschlag mit steigenden Anschaffungskosten eine abnehmende inflationsbedingte Wertsteigerung abbildete. Da die Höhe der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften jedoch kein Maßstab für eine eingetretene inflationsbedingte Wertsteigerung sei, habe sich, so der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G 3/2017, eine solche Berechnung des Inflationsabschlages als unsachlich und damit gleichheitswidrig erwiesen.
Nach der Übergangsvorschrift des § 124b Z 276 EStG ist die neue durch das StRefG 2015/2016 geschaffene Rechtslage erstmalig auf Veräußerungen nach dem anzuwenden. Abzustellen ist bei der Zeitpunktbestimmung auf das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft.
Im gegenständlichen Fall steht außer Streit, dass die beiden vom Bf abgeschlossenen Kaufverträge vom und in das Regelungsregime des Steuerreformgesetzes 2015/2016 fallen und sonach ein Inflationsabschlag nicht mehr in Ansatz zu bringen ist.
Wie bereits ausgeführt, hatte sich der Verfassungsgerichtshof in seinem zur Rechtslage vor dem Steuerreformgesetz 2015/2016 geltenden Rechtslage ergangenen Erkenntnis im Rahmen eines von ihm ex offo initiierten Gesetzprüfungsverfahrens ua. mit der Frage der Verfassungskonformität der Regelung des § 30 Abs. 3 EStG im Zusammenhang mit dem Inflationsabschlag auseinander gesetzt. In seinem Erkenntnis hielt der Verfassungsgerichtshof fest, er habe bereits in seinem Prüfungsbeschluss dargelegt, "dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, zu entscheiden, ob und inwieweit er die Geldentwertung im Rahmen der Einkommensbesteuerung berücksichtigt".
In seinen Ausführungen im Gesetzesprüfungsverfahren stellte der Gerichtshof explizit fest, dass er bei der Ansicht bleibe, wonach es dem Gleichheitssatz nicht entgegenstehe, wenn der Gesetzgeber die Geldentwertung im Rahmen der Besteuerung von privaten Grundstücksveräußerung berücksichtige, zumal es sich in solchen Fällen typischerweise um Veräußerungsgewinne handle, in welchen auch geldwertbedingte Scheingewinne enthalten sein könnten.
Der Verfassungsgerichtshof lässt durch seine Diktion unzweifelhaft erkennen, dass es Sache des Gesetzgebers ist, ob dieser im Rahmen der Einkommensbesteuerung dem Umstand der Geldentwertung Rechnung trägt oder eben nicht. Eine derartige Entscheidung ist von politischer Natur und tangiert - wie immer sie ausfallen mag - nicht die innerstaatliche Verfassungslage. Sollte der Gesetzgeber, so der Verfassungsgerichtshof, sich dazu entschließen, die Inflation bei der Einkommensbesteuerung zu berücksichtigen, so müsse eine diesbezügliche Regelung allerdings unter sachlichen Gesichtspunkten erfolgen.
In Ansehung der klaren Aussagen des Verfassungsgerichtshofes, welcher gemäß Art. 140 Abs. 1 BVG als einziges Gericht dazu berufen ist, die Prüfung von gesetzlichen Bestimmungen auf deren Verfassungskonformität hin vorzunehmen, hegt das Bundesfinanzgericht keine Zweifel daran, dass eine Nichtberücksichtigung der Geldentwertung im Rahmen der Ermittlung der ImmoESt gegen die Verfassungslage verstoßen könnte. Eine Anfechtung der bezughabenden Norm nach § 140 Abs. 1 lit a B-VG unterbleibt daher.
Begründung nach § 25a Abs. 1 VwGG
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Beschwerdefall allein die Frage der Verfassungwidrigkeit der Nichtberücksichtigung von Geldentwertung im Rahmen der ImmoESt releviert wurde, liegen die Voraussetzungen für eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht vor.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 30 § 30a § 30b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Inflationsabschlag Geldentwertung ImmoESt |
Verweise | G 3/2017 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100388.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at