Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.06.2020, RV/7105884/2019

Geschäftsführerhaftung, Gleichbehandlungsnachweis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die SenatsvorsitzendeP-1, die RichterinP-2 sowie die fachkundigen Laienrichter P-3 und P-4 in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte, Hauptplatz 32, 2700 Wiener Neustadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung für die Umsatzsteuer 10/2017 auf € 943,23 herabgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als Geschäftsführer der G-1 für deren aushaftende Abgabe Umsatzsteuer 10/2017 in der Höhe von € 5.324,58 (unter Berücksichtigung der Konkursquote von 0,04%) zur Haftung herangezogen.

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In der dagegen am eingebrachten Beschwerde führte der Bf. aus:

Richtig sei, dass er zum gegenständlichen Zeitpunkt Geschäftsführer der genannten GmbH gewesen sei. Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom D-1 sei über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und dieses mit Beschluss vom D-2 nach Schlussverteilung rechtskräftig aufgehoben worden.

Den Ausführungen des Haftungsbescheides sei zu entnehmen, dass die Umsatzsteuer zwar rechtzeitig gemeldet, jedoch nicht entrichtet worden sei. Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 10/2017 resultiere daraus, dass zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit bereits der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorbereitet worden sei.

Aus den Anmeldungsverzeichnissen, Beilage ./1, ergebe sich, dass sich die festgestellten Verbindlichkeiten der GmbH zum D-1 auf EUR 66.364,42 belaufen hätten. Darin enthalten seien Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt iHv EUR 22.908,24 (ON 9a). Die festgestellten Lieferantenverbindlichkeiten hätten sich auf EUR 38.131,50 belaufen.

Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der U 10/2017 hätten sich die fälligen Gesamtverbindlichkeiten (inklusive Finanzamt) auf EUR 75.904,13 belaufen. Darauf seien Zahlungen von EUR 14.864,39 geleistet worden. Dies entspreche einer Quote von 20%. Das Finanzamt sei nicht bedient worden.

Gemäß der ständigen Rechtsprechung sei der Geschäftsführer nur dann zur Haftung heranzuziehen, wenn dieser schuldhaft gehandelt habe. Habe der Geschäftsführer schuldhaft gehandelt, da er nicht alle Gläubiger gleichmäßig bedient habe, hafte er nur für das Ausmaß der Ungleichbehandlung, daher für 20%. Ausgehend von einem Haftungsbetrag von EUR 5.324,58 berechne sich die Haftung des Bf. daher maximal mit EUR 1.064,92.

Aufgrund der Geringfügigkeit des Haftungsbetrags werde angeregt, die Haftung im Zuge einer Ermessensentscheidung nachzusehen.

Beweis: PV
Anmeldungsverzeichnisse, Beilage ./1
Gleichbehandlungsnachweis, Beilage ./2
Kontoauszug, Beilage ./3

Zu den aus dem Kontoauszug ersichtlichen Zahlungen werde ausgeführt, dass die Zahlung von EUR 12.691,83 vom eine Lieferantenzahlung darstelle, welche im Gleichbehandlungsnachweis Berücksichtigung finde. Ebenso die Zahlung von EUR 2.172,56 vom .

Am seien sämtliche Zahlungen eingestellt und nur mehr Zug-um-Zug-Zahlungen getätigt worden.

Die Zahlungen vom (EUR 14.000,00 und 8.618,35) und vom (EUR 6.323,20 seien Rückzahlungen von Akontozahlungen, bei denen noch keine Leistungen erbracht worden seien.

Bei der Zahlung vom (EUR 6.000,00) handle es sich um eine Zug-um-Zug-Zahlung für die Rechtsvertretung im Insolvenzverfahren. Auch bei der Zahlung von EUR 5.356,43 handle es sich um eine Zug-um-Zug-Zahlung für Warenentnahmen.

Abschließend beantragte der Bf. die Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als verspätet zurück und führte aus, dass der Haftungsbescheid nachweislich am zugestellt worden sei. Die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid sei bereits mit , einen Monat nach Zustellung des Haftungsbescheides, abgelaufen.

Da die Beschwerde erst am und damit nicht fristgerecht eingebracht worden sei, sei sie gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO zurückzuweisen gewesen.

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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte vor, dass Dokumente gemäß § 17 ZustG zu hinterlegen seien, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden könne und der Zusteller Grund zur Annahme habe, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Von der Hinterlegung sei der Empfänger schriftlich zu verständigen. Der Lauf der Abholfrist beginne mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten werde. Hinterlegte Dokumente gälten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt (§ 17 Abs. 3 ZustG). Daraus folge, dass hinterlegte Dokumente grundsätzlich mit dem Tag als zugestellt gälten, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten, also dem Empfänger tatsächlich die Möglichkeit eingeräumt werde, das Dokument zu beheben (, Kontaktstelle iSd § 19a MeldeG; ); erforderlichenfalls seien entsprechende Erhebungen zu pflegen (, 0159).

Dies gelte aber nur, wenn das zuzustellende Schriftstück noch am Tag des (bei Eigenhandzustellung zweiten) Zustellversuchs beim Postamt zur Abholung bereitgehalten werde (OGH 1 Ob 657/87; OGH 11 Os 38/89; OGH 8 Ob 546/90; OGH 14 Os 92/93; OGH 9 ObA 297/00t, RdW 2001/574; OGH 8 Ob 106/03a), und zwar jedenfalls ab 14 Uhr (1 Ob 657/87). Sonst sei der erste Abholtag maßgeblich (Beginn der Abholfrist; Fasching Rz 537; offensichtlich generell für diesen Tag OGH 7 Ob 38/02t; OGH 7 Ob 220/03h; OGH 9 Ob 85/03w; OGH 10 Ob 27/05a). Fristen würden dann mit dem jeweils nächsten Tag zu laufen beginnen (OGH 11 Os 38/89; OGH 2 Ob 504/90; OGH 14 Os 92/93; OLG Linz 1 R 185/00g). Nicht zur Abholung bereitgehalten werde ein Dokument, wenn es in Verstoß geraten sei () bzw. so lange es nicht aufgefunden werden könne (UVS Stmk , 20/11564/2-2009th).

Der Beschwerdeführer sei am am Abend bei der ihm auf der Hinterlegungsanzeige mitgeteilten Abgabestelle (Postpartner A-2). Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass das Dokument vom Postboten noch nicht abgegeben worden sei und er am nächsten Tag wiederkommen solle. Auch am nächsten Tag (am ) habe er wiederum vergeblich versucht, das Dokument zu beheben, da dieses beim Postpartner noch immer nicht zur Abholung bereitgelegen sei.

Dem Beschwerdeführer sei vom zuständigen Postpartner wiederum mitgeteilt worden, er solle am kommenden Tag nochmals wiederkommen. Erst am sei das Dokument bei der Abgabestelle hinterlegt gewesen, sodass der der erste Tag gewesen sei, an dem der Beschwerdeführer den Haftungsbescheid beheben habe können. Die Frist für die Einbringung des Rechtsmittels habe daher erst am zu laufen begonnen, da erst an diesem Tag der Haftungsbescheid beim Postpartner tatsächlich hinterlegt worden und dort zur Abholung bereitgelegen sei.

Die Rechtsmittelfrist betrage 1 Monat. Da der ein Sonntag gewesen sei, sei die Beschwerde am (Anmerkung: gemeint wohl ) fristgerecht eingebracht worden.

Beweis: PV
ZV des am diensthabenden Postzustellers
ZV Frau P-6, p.A. A-2
(Geschäftsführerin des Postpartners in A-2)

Da die Beschwerde somit rechtzeitig eingebracht worden sei, werde die Zulassung der Beschwerde sowie die Aufhebung des Haftungsbescheides beantragt.

Abschließend beantragte der Bf. die mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht gemäß § 274 BAO sowie die Entscheidung durch den Senat gemäß § 272 BAO.

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Mit Vorhalt vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Bf. um Bekanntgabe, ob bzw. in welcher Höhe die im November 2017 von ihm gemeldeten Lohnabgaben der Richtigkeit entsprächen, da laut Anmeldeverzeichnis im Konkurs der Gesellschaft Dienstnehmerforderungen aufschienen, obwohl die im Jahr 2017 gemeldeten Lohnabgaben zur Gänze entrichtet worden seien und eine Entrichtung der ebenso wie die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer 10/2017 am fälligen Lohnabgaben ohne (ausreichende) korrespondierende Lohnzahlungen im Rahmen des Ermessens Berücksichtigung finden könnte.

Zum Nachweis werde um Übermittlung der betrieblichen Bankkonten und des Kassabuches vom 01.- ersucht.

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In Beantwortung des Vorhaltes übermittelte der Bf. die Lohnverrechnungsunterlagen für November 2017, die Bezug habenden Kontoauszüge sowie die Forderungsanmeldungen der Dienstnehmer. Die Dienstnehmerforderungen bezögen sich allesamt auf den Zeitraum bis D-1 sowie auf aliquote Urlaubsersatzleistungen.

Wie bereits in der Beschwerde ausgeführt, seien am sämtliche Zahlungen auf Grund der Zahlungsunfähigkeit eingestellt worden. Sohin sei auch die am fällige UVA für 10/2017 nicht mehr bezahlt worden.

Das Kassabuch könne leider nicht zur Verfügung gestellt werden. Sämtliche Dienstnehmerzahlungen seien jedoch stets über das Bankkonto überwiesen worden. Der zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung vorhandene Kassabestand iHv EUR 1.208,75 sei am auf das Geschäftskonto einbezahlt worden.

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In der am durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung wurde zunächst der Beschluss gefasst, dass die Rechtzeitigkeit der Beschwerde festgestellt wird, weshalb in der Sache selbst entschieden werde.

Die beisitzende Richterin erläuterte ihre Überlegungen zu einer Berechnung des Quotenschadens.

Die Vertreterin übergab eine Saldenliste vom .

Nach Erläuterung der Berechnung der Berichterstatterin erklärte der Bf., diese Berechnung anzuerkennen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Rechtzeitigkeit der Beschwerde

- Folgender Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt:

Am versuchte das Zustellorgan der Post, den angefochtenen Haftungsbescheid vom dem Bf. zuzustellen. Als Beginn der Abholfrist wurde sowohl auf der im Postkasten des Bf. eingelegten Verständigung als auch auf dem der Abgabenbehörde übermittelten Rückschein der und als Stelle, an der das Schriftstück hinterlegt wird, die Postleitzahl N-2 (Postpartner A-2) vermerkt.

Entgegen diesen Angaben lag das Dokument jedoch erst am darauffolgenden Tag, dem , beim Postpartner zur Abholung bereit, konnte dem Bf. allerdings erst am ausgehändigt werden, da es davor nicht aufgefunden wurde.

- Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch die glaubhaften Angaben des Bf. und der Zeugenaussage der für den Postpartner verantwortlichen Leiterin P-6, die sich zwar an den genauen Hergang des Geschehens nicht erinnern konnte, jedoch am durch das Finanzamt befragt aussagte, dass Sendungen normalerweise am nächsten Tag nach dem Zustellversuch zur Abholung bereitlägen.

- Rechtlich wird ausgeführt:

§ 17 ZustG lautet auszugsweise:

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle (…) zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung (…) hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. (…)

Entscheidend für den Beginn der Abholfrist und damit für den Tag der Zustellung ist demnach (§ 17 Abs. 3 1. Satz ZustG ) der Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird ().

Der erste Tag der Abholfrist ist nach dem letzten Satz des § 17 Abs. 2 ZustG vom Zusteller in der Verständigung anzugeben. Wenn der Zusteller den Beginn der Abholfrist auf der Verständigung über die Hinterlegung angegeben hat, dann ist für den Beginn der Abholfrist allein diese Festlegung maßgeblich ().

Allerdings ist im gegenständlichen Fall der vom Zustellorgan angeführte Beginn der Abholfrist nicht der , da ein Schriftstück, das nicht aufgefunden (und daher nicht ausgefolgt) werden kann, nicht iSd § 17 Abs. 3 ZustG "zur Abholung bereitgehalten" wird ().

Eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung setzt nämlich voraus, dass die Postsendung auch tatsächlich beim Zustellpostamt zur Abholung bereitgehalten wurde (§ 17 Abs. 3 1. Satz ZustG ). Nur dann kann der Empfänger der an ihn gerichteten Aufforderung, die für ihn bestimmte Postsendung beim Zustellpostamt abzuholen, entsprechen ().

Da am der angefochtene Haftungsbescheid vom Zustellorgan noch gar nicht beim angegebenen Postpartner abgegeben war und am nicht aufgefunden wurde, war die Zustellung gemäß § 17 Abs. 3 3. Satz ZustG erst am bewirkt.

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

Wird der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so ist gemäß § 109 BAO für den Beginn der Frist der Tag maßgebend, an dem die Erledigung bekanntgegeben worden ist (§ 97 Abs. 1).

Gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen (…) durch Zustellung.

§ 108 BAO lautet:

(1) Bei der Berechnung der Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der für den Beginn der Frist maßgebende Tag nicht mitgerechnet.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

(3) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

(4) Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.

Gemäß § 109 BAO iVm § 97 Abs. 1 lit. a BAO begann die Beschwerdefrist gemäß § 245 Abs. 1 BAO von einem Monat nach dem Vorhergesagten am zu laufen und endete gemäß § 108 Abs. 2 und 3 BAO (nachdem der ein Sonntag war) am .

Die am (Post- als auch Eingangsstempel) gegen den gegenständlichen Haftungsbescheid erhobene Beschwerde war daher rechtzeitig, weshalb über die Beschwerde meritorisch zu entscheiden war.

Haftung

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit in Höhe von 99,93% fest, da mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom D-3 der über das Vermögen der G-1 am D-1 eröffnete Konkurs nach Verteilung einer Quote von 0,07% aufgehoben wurde. Die am D-4 beschlossene Nachtragsverteilung von 0,198% betrifft die Abgabengläubigerin nicht, da sie weniger als € 10,00 erhalten hätte.

Da die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer 10/2017 mit einem Betrag von € 5.326,71 angemeldet wurde, verbleibt nach Abzug der Konkursquote ein aushaftender Betrag von € 5.322,99.

Unbestritten ist auch, dass dem Bf. als Geschäftsführer der genannten GmbH im Zeitraum vom D-5 bis D-1 (Konkurseröffnung) die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben, diesfalls für die am fällig gewordene Umsatzsteuer 10/2017, Sorge zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Seitens des Bf. wurde nicht vorgebracht, dass die Primärschuldnerin im haftungsgegenständlichen Zeitraum über keine finanzielle Mittel mehr verfügt hätte. Für eine völlige Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin ergeben sich auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, zumal der Bf. einwandte, seit nur mehr Zug-um-Zug-Zahlungen getätigt zu haben, und (wenn auch nur geringe) Bank- und Kassaguthaben vorhanden waren.

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Der Bf. legte zwar einen Gleichbehandlungsnachweis vor, der eine Ungleichbehandlung der Abgabengläubigerin von 20% aufwies.

Allerdings waren Korrekturen vorzunehmen, da nicht die Zahlungen vom 06. und heranzuziehen sind, sondern die im Zeitraum vom bis D-1 vorhandenen liquiden Mittel, weshalb auch die am erfolgte Akonto- bzw. Zug-um-Zug-Zahlung von insgesamt € 17.679,63 (neben dem Saldo auf dem Bankkonto zum D-1 von € 692,96) im Rahmen der liquiden Mittel zu berücksichtigen war:


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Vorhandene liquide Mittel
:
Gesamtverbindlichkeiten
x 100
= Quote gesamt
18.372,60
:
68.985,86
x 100
= 26,63%
Entrichtungen auf dem Abgabenkonto
:
Abgabenverbindlichkeiten
x 100
= Abgabenquote
2.621,54
:
30.813,41
x 100
= 8,51%
Quote gesamt
-
Abgabenquote
=
Ungleichbehandlung
26,23%
-
8,51%
=
17,72%

Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag ().

Daraus folgt, dass der Bf. nunmehr lediglich für 17,72% der unter Berücksichtigung der Konkursquote von 0,07% (laut Edikt der Insolvenzdatei) in Höhe von € 5.322,99 (geringer als der Haftungsbetrag, da lediglich 0,04% statt 0,07% seitens des Finanzamtes berücksichtigt wurden) aushaftenden haftungsgegenständlichen Umsatzsteuer 10/2017, somit für einen Betrag von € 943,23, zur Haftung herangezogen werden kann.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Da die am entrichteten Lohnabgaben 11/2017 infolge vollständiger Lohnzahlungen auch zur Gänze geschuldet waren, konnten diese im Rahmen des Ermessens keine Berücksichtigung finden.

Darüber hinaus wurden vom Bf. keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Umsatzsteuer 10/2017 als Abgabenschuldigkeit der G-1 im Ausmaß von nunmehr € 943,23 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 109 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105884.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at