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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.05.2020, RV/2100020/2019

Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe ab GdB von 50%

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend erhöhte Familienbeihilfe für Kind, geb. xx.xx..2003, für den Zeitraum Mai 2013 bis Oktober 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (kurz: "Sozialministeriumservice") vom (Untersuchung am ) wurde für den am xx.xx..2003 geborenen Sohn des Beschwerdeführers VN unter Hinweis auf Anamnese, angeführter vorgelegter Befunde und Untersuchungsbefund eine "Autismusspektrumstörung mit Zwangsstörung; Richtsatzposition mit Rahmensatzhöhe am unteren Rahmensatzwert entsprechend den Symptomen in Teilbereichen und vor allem von wesentlichen Stereotypien / Zwängen" diagnostiziert und dafür nach der Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v. H. festgestellt. Dem Gutachten wurden folgende vorgelegte Befunde (inkl. Datumsangabe) zu Grunde gelegt:
"- Dr. ***1***
Diagnosen: Zwangsstörung, soziale Angststörung, Autismus-Spektrum Störung ohne intellektuelle Beeinträchtigung oder sprachliche Beeinträchtigung. Im K-ABC II: niedriges Gesamtergebnis, in einzelnen Bereichen aber sehr gut. Aufmerksamkeitstest: altersentsprechende Aufmerksamkeit. Diagnostik für psychische Störungen im Kindesalter: soziale Angst, spezifische Phobie: erhöht, sowie qualitative Beeinträchtigung in der sozialen Interaktion und Kommunikation. Begrenzte repetitive und stereotype Verhaltensmuster sind ebenso erhöht. Theory of mind: auffällig, auffälliger Sprachstil und Sonderinteressen.
Gesamtwert: auffällig (Summe über Cut-Off). Es wird dringend eine Behandlung empfohlen im Hinblick auf Zwangsverhalten, Unterstützungsangebote zur Förderung sozialer Fertigkeiten.
- Land Steiermark Übernahme der Kosten für integrative Zusatzbetreuung.
- Kinderklinik Graz
Diagnosen: funktionelle Enuresis, Verdacht auf Asperger-Syndrom, psychosoziale Faktoren nicht erhoben, mittlere Symptomatik. Es zeigen sich in der Untersuchung viele Hinweise auf eine Störung aus dem autistischen Formenkreis, die diagnostischen Kriterien werden jedoch nicht vollständig erfüllt. Fortführung einer integrativen Zusatzbetreuung im Kindergarten.
- 06.2010 IZB- Team
Hat im Kindergartenjahr große Fortschritte im Sozialverhalten gemacht und in der emotionalen Entwicklung. Er übt unterschiedliche Rollen in der Gruppe und testet soziale Grenzen und Regeln aus, hat nunmehr Freunde. Braucht in neuen Situationen weiterhin viel Wiederholungen und gewisse Regelmäßigkeit um Sicherheit zu haben. Hat mehr Phantasie und Ideenreichtum bei Spielen, findet teils auch Lösungsstrategien.
VN hat gelernt sich zu artikulieren und Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken. Im K-ABC: die Ergebnisse sind durchwegs im Bereich der Altersnorm. Hat auch mehr motorische Sicherheit und Koordination dazu gewonnen. VN erlernte Skifahren. Kann jetzt Aufgaben bewältigen, die Auge - Handkoordination voraussetzen. Beim Basteln, Malen und Zeichnen hat er zunehmend Freude, auch grobmotorische Verbesserungen."
Dieses Gutachten vidierte der leitende Arzt am .

Auf Grund dieses Gutachtens wurde die erhöhte Familienbeihilfe für VN ab März 2018 gewährt.

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte dann für seinen Sohn die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab Mai 2013. Als Beilage wurden die Mitteilung des Finanzamtes über den Bezug der Familienbeihilfe vom , die Bescheide der BH Graz-Umgebung vom und vom über die Übernahme der Kosten für die integrative Zusatzbetreuung im Kindergarten, der ambulante Arztbrief des LKH Graz vom , die entwicklungspsychologische Stellungnahme des IZB-Teams vom über die Schulrückstellung, die Betreuungsberichte 2008/2009 und 2009/2010 des IZB-Teams, der klinisch-psychologische Befund der Dr. ***1***, Psychologin, vom und das Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice vom überreicht.

In dem daraufhin über Ersuchen des Finanzamtes und im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten weiteren ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde unter Hinweis auf Anamnese, angeführter vorgelegter Befunde und Untersuchungsbefund eine "Autismusspektrumstörung mit Zwangsstörung; unterer Rahmensatzwert entspricht den Stereotypien und Zwängen und der sozialen Unsicherheit unter Therapie" diagnostiziert und dafür nach der Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wieder ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v. H. seit 11/2017, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt.
Dieses Gutachten vidierte der leitende Arzt am .

In der Folge beschwerte sich der Beschwerdeführer im Schreiben vom über die vorherige, seiner Meinung "unnötige und unangemessene" Untersuchung seines Sohnes beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, da eine derartige Untersuchung bereits im Zuge der Erstellung des Vorgutachtens erfolgt sei und die Ärztin auf seine Argumente betreffend des Behinderungsausmaßes im Kindesalter nicht eingegangen sei. Auch der psychologische Test am Ende der Untersuchung sei völlig ungeeignet gewesen, sein Sohn wäre nach der körperlichen Untersuchung angespannt gewesen und kaum in der Lage die Fragen zu beantworten. Deshalb behalte sich der Beschwerdeführer vor, dieses Gutachten nicht anzuerkennen.

Im Bescheid vom wurde unter Verweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 ff Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) der Antrag des Bf. für den Zeitraum Mai 2013 bis Oktober 2017 abgewiesen. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass lt. ärztlichem Gutachten des Sozialministeriumservice vom ein Grad der Behinderung von 50 vH rückwirkend ab November 2017 festgestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde mit folgender Begründung ein:
"Das für den Bescheid als Entscheidung zugrunde gelegte SV-Gutachten vom 6.7. im Auftrag des Sozialministerium-Service verfehlte sowohl vom Ablauf als auch inhaltlich gänzlich den eigentlichen Zweck der rückwirkenden Feststellung einer Behinderung unseres Sohnes und stellt größtenteils lediglich eine allgemeinmedizinische Ist-Stand-Aufnahme zur aktuellen Behinderung/Gesundheitszustand dar. Hinsichtlich des ärztlichen Vorladungstermins darf ich ausdrücklich auf meine ausführliche Stellungnahme an das Finanzamt Graz-Umgebung vom verweisen, welche in unmittelbarer Folge des Untersuchungstermins an Sie zur Verfahrensbeurteilung ergangen ist. Die Stellungnahme liegt diesem Schreiben erneut zu Ihrer Kenntnisnahme bei. Die weiteren Begründungen zu dieser Beschwerde setzen die Ihrerseitige Kenntnis der Stellungnahme voraus.
Wie Ihnen vor Bescheiderstellung per Stellungnahme mitgeteilt wurde, hat sich die nur bedingte Aussagekraft des SV-Gutachtens wegen mangelnder Erhebungen rückwirkender Behinderungsverläufe wie beschrieben mehr als bestätigt. Bei Antragstellung auf rückwirkende Familienbeihilfe ist eine fachärztliche Evaluierung über die betreffende Periode VOR Antragstellung unumgänglich und zwecknotwendig. Dies ist nicht erfolgt und konnte unsererseits leider vergebens weder verbal, medial, noch diagnostisch zur Kenntnis gebracht werden. Bedenklich ist zudem, dass bei Feststellung von psychischen Erkrankungen bzw. Behinderungen eine Person mit Ausbildung für Allgemeinmedizin den Auftrag zur Erstellung eines diesbezüglich erforderlichen "psychologischen Fachgutachtens" erhält.
Ohne detailliert auf das Gutachten eingehen zu wollen, muss ich exemplarisch Punkte nennen, die unrichtig und beispielhaft für die Gutachtenerstellung sind: Auf Seite 2 mittig steht z.B.: "Er habe keine Ängste": ich weiß nicht woher diese ärztliche Erkenntnis kommt, denn meinem Sohn wurde lediglich eine Suggestiv-Frage gestellt, ob er Angst habe; mein Sohn meinte aber die aktuelle Situation der Befragung, die er auch schwer mit ja beantworten konnte. Fakt ist, er leidet nicht nur an einer Zwangsstörung, sondern auch unter einer Angststörung, wie auch im psychologischen Gutachten von Fr. Dr.
***1*** von 2017 festgehalten. Nicht nur jede ungewohnte Situation, sondern auch z.B. jegliche Arztbesuche beim Zahnarzt oder bei Impfungen etc. führen zu Angstzuständen und zu teils ohrenbetäubendem Geschrei und das auch im privaten Umfeld. Eine Zecke zu entfernen ist z.B. so gut wie unmöglich. Dass er It. Gutachten keine Rutschen auf Spielplätzen mag, stimmt zwar, nur sollte besser erwähnt werden, dass er wegen der Angst auch die übrigen Geräte meidet und primär Zuschauer am Spielplatz ist. Das gleiche gilt auch im schulischen Turnunterricht. Weiters geht er auch aus Angst weder in den Keller noch zum Einkaufen, und das nicht "selten" wie It. Gutachten, sondern "NIE" ohne Begleitung. Auch die Hygiene macht er - entgegen dem Gutachten - NICHT selbständig. Er wäscht sich z.B. niemals alleine die Haare, da Shampoo ins Auge oder Nase geraten könnte. Auch sind die Probleme in der Pubertät nicht größer geworden, sondern sie variieren in Häufigkeit und Intensität wie schon in den Jahren zuvor.
Die Punkte sind zu erwähnen, da im Ergebnis des Gutachtens die nicht unerhebliche Angststörung ausgespart wurde und nur eine Autismusspektrumstörung mit Zwangsstörung angeführt wird.
Zu diesem Gutachten fehlt fast durchgängig - mit wenigen Ausnahmen - jeder einzelne zeitliche Bezug auf die genannten Symptome, egal seit wann und wie lange diese schon bestehen, zudem trägt die Aufzählung auch ausdrücklich die Überschrift ..Derzeitige Beschwerden", wodurch eindeutig nachgewiesen wird, dass schon bestehende Beschwerden der Vergangenheit (zumindest jene der letzten 5 Jahre die Gegenstand des Antrags waren) wenig bis keine notwendige Beurteilung fanden.
Ich halte wie in der Beilage des Antrags vom 28.05. erwähnt nochmals fest, dass Autismus keine Krankheit ist, die per Stichtag erscheint oder auftritt, sondern schon von frühester Kindheit an besteht und je nach Alter eben Facetten der Erscheinung aufweist. Fakt ist, die Behinderung existiert seit der Geburt. Und wenn gefragt wird, ob Therapien oder Medikamente verabreicht wurden: Es gibt keine Therapien oder Medikamente, die Autismus heilen oder beseitigen.
Bei allem Respekt gegenüber der Notwendigkeit ärztlicher Evaluierung, sind wir uns vollkommen sicher, dass eine Behinderung in mindestens gleichem Ausmaß wie dzt. bescheinigt, schon seit der Geburt vorliegt, spätestens aber belegbar ab dem 18. Monat, wo wir auf Verlangen des Kinderarztes die Kinderklinik aufsuchen mussten, da
VN weder krabbelte noch anderwärtige Gehversuche unternahm. VN erhielt im Kindergarten auf dringendes Anraten der Kindergartenleiterin eine integrative Zusatzbetreuung (IZB) nach ärztlicher Untersuchung und unter Genehmigung der BH Graz-Umgebung als "Behindertenhilfe", genehmigt nach dem Steirischen Behindertengesetz (Unterlagen liegen Ihnen bereits vor).
VN hat in seiner Vergangenheit schon unzählige Tests und Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen, die für ihn ohnehin höchst unangenehm sind. Es wäre daher für sein psychisches Wohl in seinem Interesse, wenn ihm eine unnötige weitere Untersuchung erspart bliebe. Auf diesbezüglich besonders großes Unverständnis unsererseits stößt dabei die im neuen Gutachten verkürzte Zeit für eine Nachuntersuchung von 5 (It. Vorgutachten) auf 3 Jahre, die jeder vernünftigen und nachvollziehbaren Begründung entbehrt.
Wir ersuchen in diesem Sinne erneut um eindringliche Prüfung des Antrags sowie der vorhandenen Unterlagen für eine rückwirkende Genehmigung der erhöhten Familienbeihilfe
."

Vom Finanzamt wurde unter Vorlage der Beschwerde (mit beiliegendem Schreiben) ein weiteres Gutachten beim Sozialministeriumservice beantragt.
Sodann wurde ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen am erstellt und es wurde eine "Autismusspektrumstörung mit Zwangsstörung; unterer Rahmensatzwert entspricht den Stereotypien und Zwängen und der sozialen Unsicherheit sowie dem Unterstützungsbedarf" diagnostiziert und dafür nach der Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wieder ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v. H. seit 11/2017, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt. Im Gutachten wurde auszugsweise ausgeführt:
"Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Vorbewertung am durch Dr.in
***2*** nach ihrer eigenen Vorbegutachtung vom :
GdB 50% bei Autismusspektrumstörung mit Zwangsstörung; GdB liegt vor seit: 03/2018
Vorbegutachtung durch Dr.in
***3***:
GdB 50% bei Autismusspektrumstörung mit Zwangsstörung; GdB liegt vor seit: 11/2017
Zuletzt also weitere Rückdatierung auf Basis eines vorgelegten Befundes vom , Dr.
***1***, Psychologin.
In zwei recht langen Beschwerdeschreiben vom und äußert der Vater Kritik darüber, dass die zweite Begutachtung anders abgelaufen sei, als er sich dies erwartet habe. Die Ärztin habe (abermals) eine umfassende und auch körperliche Untersuchung im Rahmen der Begutachtung vorgenommen anstatt ausreichend auf die von ihm vorgebrachten Befunde und Dokumentationen einzugehen. Die Ärztin habe nicht ausreichend Rücksicht auf die psychische Situation seines Sohnes genommen und Fragen vorgebracht, die er (der Vater) als nicht altersentsprechend ansehe. Weiters wird Kritik an diversen Darstellungen im Gutachten geübt und ergänzende Problemsituationen aufgezeigt, wobei hier natürlich anzuführen ist, dass die Wiedergaben einer Anamneseerhebung niemals das umfassende Ausmaß eines vollständigen Gesprächsprotokolls annehmen können. Dem Vorwurf, dass die Gutachterin über eine Vorbegutachtung gar nicht informiert gewesen wäre, widerspricht die Anführung dieses Ergebnisses in ihrer Befundauflistung: ": Gutachten - Autismusspektrumstörung mit Zwangsstörung 50v.H." Die Vorwürfe gipfeln dann in dem Statement, dass der Vater den ganzen Untersuchungstermin ungeachtet des Ergebnisses des zu erstellenden Gutachtens als verachtend und schikanös betrachte und diese Untersuchung entweder gar nicht zulassen oder abbrechen hätte sollen. Insgesamt wird weiterhin die Nachzahlung der Kinderbeihilfe für die Vergangenheit verlangt, da er sich vollkommen sicher sei, dass eine Behinderung in mindestens gleichem Ausmaß wie dzt. bescheinigt, schon seit der Geburt vorliegen müsse, spätestens aber belegbar ab dem 18. Monat, wo er auf Verlangen des Kinderarztes die Kinderklinik aufsuchen musste, bestünde.
Statement des Vaters:" Ich halte wie in der Beilage des Antrags vom 28.05. erwähnt nochmals fest, dass Autismus keine Krankheit ist, die per Stichtag erscheint oder auftritt, sondern schon von frühester Kindheit an besteht und je nach Alter eben Facetten der Erscheinung aufweist. Fakt ist, die Behinderung existiert seit der Geburt."
Dieser Darlegung ist zwar teilweise, aber nicht vollständig zuzustimmen; Fakt ist, dass wohl die Veranlagung bei der Geburt besteht, deren Ausprägung aber das Ausmaß des Behinderungsgrades definiert und dieses natürlich mit zunehmender Entwicklung ausgeprägter in Erscheinung tritt. Auch wenn natürlich kein klarer "Stichtag" für das Erreichen eines GdB von 50% definierbar ist, ist doch durch Zunahme der Entwicklungsstörung auch eine Zunahme des Behinderungsgrades gegeben, der dann eben von Seiten einer gutachterlichen Bewertung auch zeitlich zugeordnet werden muss. Anmerkung zum Vorwurf, dass nach Therapien in der Vergangenheit gefragt wurde, obwohl doch gar keine verfügbar seien: Auch wenn eine Autismus-Erkrankung keiner direkten Medikation zugänglich ist, existiert sehr wohl die Möglichkeit Symptome und Probleme wie die angeführte Zwangsstörung und Angststörung auch medikamentös zu behandeln und dadurch Auswirkungen der Störung zu bessern.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
In der Bewertung ist die gesamte psychische und somatische Entwicklungsproblematik inkludiert, was auch die angeführte Angststörung inkludiert.
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Die Bezeichnung und Bewertung der GS wurde unverändert zu beiden Vorgutachten angeführt; ein NU in 5 Jahren erscheint ausreichend. Der Vorwurf über die "zu umfassende Begutachtung" im Rahmen eines Einspruchsverfahrens sei hier ebenso wenig wie die Unterstellung einer schikanösen und unzumutbaren Untersuchung kommentiert.
Festzuhalten ist aber, dass sich die Einschätzung des Behinderungsgrades nach FLAG auf tatsächliche Funktionseinschränkungen bzw. Auswirkungen von Erkrankungen im Alltag bezieht; selbstverständlich im Vergleich mit dem üblichen altersgemäßen Entwicklungsverlauf. Eine Behinderung ergibt sich daher aus den Einschränkungen aus der Erkrankung im Vergleich zum gleichaltrigen Normkollektiv und nicht aus der Anlage für eine Erkrankung per se. Gerade bei Entwicklungsstörungen wird anfangs eine leichte Abweichung beobachtet, die sich im Verlauf der weiteren Entwicklung dann immer weiter verstärkt bis sich ein "erheblicher" Rückstand bzw. eine "erhebliche" Abweichung vom natürlichen Verlauf ergibt. Daher ist auch bei einer Veranlagung zum Autismus unmittelbar nach der Geburt gegenüber dem nicht betroffenen Säugling keine Schwerbehinderung gegeben, sondern entwickelt sich erst mit der Zeit. Eine weitere Rückdatierung ist hier daher nicht möglich - erst mit November 2017 stellt sich das Ausmaß der Gesamtproblematik derartig ausgeprägt dar, dass gutachterlicherseits eine "erhebliche Behinderung" und damit ein GdB von 50% bestätigt werden kann
."
Diesem Gutachten erteilte die leitende Ärztin am ihre Zustimmung.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung unter Verweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ab und führte aus, dass im Gutachten vom erneut ein Grad der Behinderung von 50% ab bescheinigt worden sei.

Daraufhin erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung (gemeint: Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag)) und führte ergänzend aus:
"Das neuerliche Gutachten vom 29.8. wurde im Auftrag des Sozialministeriumservice abermals für uns unverständlich (bereits zum dritten Mal) von einem Arzt für Allgemeinmedizin und nicht von einem für psychische Krankheiten spezialisierten Facharzt oder Psychologen erstellt. Diese Bemängelung habe ich bereits in der letzten Beschwerde vom 13.8. festgehalten. Zudem wurde das Gutachten ohne Beisein unseres Sohnes und uns als Eltern ausschließlich auf Basis des Textinhalts unserer Beschwerde vom 13.8. und der beiden angeführten relevanten Vorbegutachtungen erstellt. Die Einbeziehung der übrigen schon mehrfach übermittelten Unterlagen (BH-Graz-Umgebung, IZB, LKH-Graz v. OA Dr. ***4***, Dr. ***1***) für die Gutachtenerstellung auf einen rückwirkenden Zeitraum ist mangels Anführung und inhaltlicher Bezugnahme in höchstem Grade anzuzweifeln bzw. auszuschließen. Eine Aufnahme und Berücksichtigung relevanter Daten und Nachweise, die diesem Gutachten in Hinblick auf die rückwirkende Beurteilung dienlich gewesen wären, wurde damit unnachvollziehbar unterlassen.
Zum Hinweis auf der 3. Seite im oberen Abschnitt des Gutachtens hinsichtlich der vorhandenen Angststörung muss ich, da extra vom Gutachter aus der letzten Beschwerde erwähnt, insoweit in Erinnerung rufen, dass eine Aussage der Vorgutachterin Dr.in
***5*** in ihrem Gutachten "er habe keine Ängste" gänzlich unrichtig ist und ich dies ausführlich in der letzten Beschwerde vom widerlegt habe. Diese Angststörung ist nicht nur gewichtiger Teil des langjährigen Gesamtleidens unseres Sohnes, sondern ein negatives Begutachtungsbeispiel, dass eben leider Vorgutachten oder andere vorhandene Befunde nicht ausreichend zur Kenntnis genommen wurden. Die diagnostizierten Angststörungen finden sich sowohl im psychologischen Befund von Fr. Dr. ***1*** als auch im Erstgutachten von Fr. Dr. ***6***.
Zur Richtigstellung in der Begutachtung von Dr.
***7***: Frau Dr.in ***5*** hatte beim Begutachtungstermin am überraschenderweise keinerlei Unterlagen von uns zur Verfügung, obwohl diese vorab im Zuge der Antragstellung auf erh. Fam.Beihilfe rückw. bis 05/2013 mitübersendet wurden. Diese wurden in Kopie von mir beim Vorladungstermin bereitgestellt und von Dr.in ***5*** erst hier entgegengenommen. Diesbezüglich darf ich auf meine Stellungnahme in unmittelbarer Folge an den Untersuchungstermin an das Finanzamt Graz-Umgebung vom über den Ablauf dieser Begutachtung/Untersuchung verweisen. Demzufolge ist daher auch auf Seite 1 des Gutachtens von Dr. ***7*** (vorletzter Satz) dessen Vermutung über "nicht" fehlende Informationen zu Vorgutachten (und sonstigen Begleitunterlagen) ausdrücklich zu entgegnen. Wäre Fr. Dr.in ***5*** durch an sie übermittelte Unterlagen und vom Inhalt unserer Antragstellung informiert gewesen, hätte ein(e) gewissenhafte(r) Arzt/Ärztin wohl Bezug zur Voruntersuchung genommen und es unterlassen, in Anbetracht einer erst kürzlich durchgeführten Ganzkörperuntersuchung, eine abermals darauffolgende und ident körperliche Untersuchung wiederholend vorzunehmen. Hr. Dr. ***7*** war bei diesem Termin nicht zugegen und stellt im Gutachten, ohne Kenntnis des Ablaufs dieser Begutachtung, Vermutungen darüber an. Wie bereits erwähnt, hat Frau Dr.in ***5*** alle relevanten Unterlagen von mir erhalten, und diese dann über ihr Notebook auszugsweise und noch während der Untersuchung in Ihrem digitalen Gutachten angeführt, in dem natürlich auch das mitgebrachte Gutachten von Fr. Dr.in ***6*** inkludiert ist.
Den Ausführungen auf Seite 3 (letzter Absatz) im Gutachten vom 29.8. hinsichtlich der Beurteilung des Behinderungsgrades im Vergleich zum gleichaltrigen Normkollektiv ist vom Grundsatz her zuzustimmen. Der Gutachter hat jedoch mangels Kenntnis oder Vorlage älterer rückwirkender Unterlagen unter anderem auch die beiden Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung von und außer Acht gelassen, in denen unser Sohn in den Bescheidbegründungen als "Mensch mit Behinderung" im Sinne des Steiermärkischen Behindertengesetzes (StBHG), nach entsprechender Prüfung durch ein Sachverständigenteam, anzusehen ist. In § 1a des StBHG (Menschen mit Behinderung) wird sinngemäß genau das Gegenteil vom dem per Gesetz bestätigt und im Falle unseres Sohnes nachweislich zuerkannt, was Hr. Dr.
***7*** in seinem Gutachten im letzten Absatz bei unserem behinderten Sohn als nicht gegeben sieht und er daher eine Rückdatierung für nicht möglich hält. Ein weiteres bedauerliches Indiz dafür, dass sich weder Hr. Dr. ***7*** noch seine Vorgutachter mit der Vergangenheit unseres Sohnes in notwendigem Maße beschäftigt haben. Bei der psychischen Behinderung unseres Sohnes, handelt es sich nicht um eine altersbedingte oder vorübergehende Beeinträchtigung und um "keinen beeinflussbaren" Krankheitsverlauf. Wie es schon die Definition im § 1 Abs. 3 StBHG vorsieht, weicht das Ausmaß und der Schweregrad der psychischen Beeinträchtigung unseres Sohnes schon seit vielen Jahren durchgängig, von jener der vergleichbar gleichaltrigen Bevölkerung "erheblich" ab. Dies steht somit in absolutem Dissens zur abweisenden Begutachtungsbegründung. Ein "erheblicher" Rückstand bzw. eine "erhebliche" Abweichung vom natürlichen Verlauf, wie von Hr. Dr. ***7*** im Gutachten als Voraussetzung für eine "erhebliche" Behinderung" gesehen wird, die mit einem GdB von mind. 50% einhergeht, ist somit per Bescheid vom der BH-Graz-Umgebung unmissverständlich zumindest ab diesem Zeitpunkt belegt. Der abweisenden Begründung im Gutachten ist daher zu widersprechen. Die beiden Bescheide liegen sowohl beim Sozialministeriumservice als auch beim Finanzamt Graz-Umgebung auf.
Im aktuellen Gutachten fehlt zudem die gänzliche Bezugnahme auf rückwirkende Ereignisse, u.a. die psychiatrische Untersuchung unseres Sohnes vom beim Facharzt für Kinderpsychologie OA Dr.
***4*** im LKH-Klinikum Graz, von welchem eine Autismus-Spektrum-Störung (Asperger Syndrom) diagnostiziert wurde. Ebenfalls darauffolgend die per von der klinischen Psychologin Fr. Mag. ***8*** für das IZB beantragte Schulrückstellung, bei der ein Verbleib im Kindergarten (u.a. auch von Hrn. Dr. ***4***) "dringend" empfohlen wurde.
Wie einleitend erwähnt, liegt dieser Beschwerde ein aktueller Arztbrief vom von Hr. Dr.
***9***, Facharzt für Kinder & Jugendpsychiatrie bei, der unserem Sohn eindeutig eine bestehende vieljährige Autismus-Spektrum-Störung attestiert und eine rückwirkende Zuerkennung erhöhter Familienbeihilfe gem. FLAG nicht nur bis 05/2013, sondern sogar bis 2009 diagnostiziert und somit auch unsere mehrfach erwähnte Einschätzung eines mindestens 50%igen Grades der Behinderung, zumindest ab diesem Zeitpunkt (04/2009), teilt.
Ein weiterer Befund der Psychologin wurde wie erwähnt per beantragt und wird nach Erhalt ehestmöglich mit Referenz zu dieser Beschwerde an das Finanzamt Graz-Umgebung weitergeleitet.
Das der Abweisung per Vorentscheid zugrunde gelegte gegenständliche Gutachten vom , ist aus den obigen Begründungen und mangels Bedachtnahme auf den rückwirkenden psychischen Krankheitsverlauf unseres Sohnes in wesentlichen Teilen unvollständig und der Faktenlage mehrfach widersprechend und daher hinsichtlich der Abweisung der Beschwerde für uns weder schlüssig noch nachvollziehbar.
Ich ersuche in diesem Sinne und in Vertretung meines Sohnes erneut um Prüfung dieser Beschwerde und beantrage eine Abänderung der Vorentscheidung vom sowie eine antragsgemäße rückwirkende Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe ab Mai 2013
."
Beigelegt wurden neben den bisher bereits vorgelegten Unterlagen der Arztbrief des Dr. ***9*** vom , der lautet:
"Bei VN besteht eine diagnostizierte Autismusspektrumstörung. Seit dem Kindesalter bestehen psychosoziale Entwicklungsauffälligkeiten. Autistische Menschen haben eine gestörte Wahrnehmung für die Gedanken und Gefühle anderer, aber auch für die eigenen Gefühle Sowohl Mimik und Köpersprache als auch der Blickkontakt sind stark reduziert und oft unpassend. Die nonverbale Kommunikation ist dadurch stark beeinträchtigt. Dies führt häufig zu Missverständnissen mit anderen Menschen. Autistische Menschen erscheinen dadurch oft als sonderbar und werden rasch zu Außenseitern. Die Sprachfähigkeit bei Menschen mit Störungen aus dem autistischen Formenkreis ist groß, die Sprache kann jedoch zur Kommunikation nicht passend eingesetzt werden. Es fällt ihnen schwer in Kontakt zu treten. Die Umwelt ist oft laut, fremd und bedrohlich. Es entsteht oft ein innerer Druck der sich in depressivem oder aggressivem Verhalten äußern kann.
Autismus führt unbehandelt, zu einer massiven Einschränkung der emotionalen, sozialen und oft auch intellektuellen Entwicklung. Die selbstständige Lebensführung ist im Alter ohne rechtzeitig einsetzende Therapien oft nicht möglich.
Autismus ist eine angeborene Erkrankung !!!. Im Jahr 2009 wurde bereits die Diagnose durch Dr. ***4*** gestellt. Ich ersuche um erhöhte Familienbeihilfe ab dem Diagnosezeitpunkt 2009!!!"

Im Zuge weiterer Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht teilte der Beschwerdeführer mit, dass der im Vorlageantrag angekündigte Befund der Psychologin Dr. ***1*** nicht erstellt wurde, da sie überzeugt gewesen sei, dass der bereits vorhandene Befund des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. ***9*** als gewichtiger in fachärztlicher Hinsicht anzusehen sei. Der Bf. übermittelte jedoch den klinisch-psychologischen Befund der Dr. ***1*** vom :
"Diagnosen nach DSM-5:
F84.0 Autismus-Spektrum-Störung, ohne Intellektuelle Beeinträchtigung, ohne begleitende sprachliche Beeinträchtigung (Asperger Syndrom)
F42 Zwangsstörung (massive Ausprägung, motorische Blockaden)
Diagnose zurückgestellt bei Verdacht auf spezifische Lernstörung mit Beeinträchtigung beim Rechnen

Nach der Diagnosestellung im Herbst 2017 erfolgte ein paar Monate später eine Behandlung bei mir.
Die Zwangssymptomatik war damals massiv ausgeprägt, sodass
VN ca. 5 min. brauchte, um sich vom Sessel zu erheben. Er nahm immer wieder Ansätze, versuchte aufzustehen, war wie blockiert und kämpfte ganz offensichtlich gegen Zwänge. Nach ca. 10 min. war es ihm möglich die Praxis zu verlassen. Das Einsteigen ins Auto verlangte erneut eine hohe Anstrengung von VN, unzählige Versuche bis er endlich im Auto saß. Es erfolgte daraufhin zusätzlich eine medikamentöse Behandlung. Auch der Betreuungsaufwand von den Eltern war deutlich erhöht (Hilfe beim An- und Auskleiden,...) aufgrund der massiven komorbiden Zwangssymptomatik.
Da ich
VN nicht nur während des diagnostischen Prozesses, sondern auch in einigen Behandlungseinheiten erlebt habe, bin ich mir sicher, dass anfangs die Autismus-Spektrum-Störung vorhanden war (Asperger-Syndrom). Betroffene Kinder sind meist angepasst, ruhig, versuchen, nicht aufzufallen, insbesondere jene mit dem Temperament von VN (höflich, freundlich, angepasst, ängstlich). Das große Problem im Umgang mit Stress bleibt verborgen (mangelnde Reizfilterung - akustisch, visuell, olfaktorisch, gustatorisch und die Stressoren aus dem sozialen Miteinander). Dieses Stresserleben wird häufig übersehen und von den Betroffenen nicht geschildert, da sie es nicht anders kennen. So erkläre ich mir die Verdachtsdiagnose 2009 von OA Dr. ***4***.
Aufgrund der komorbiden Symptomschwere 2017, keine dafür ursprünglich erfassbaren kritischen Lebensereignissen, bin ich mir sicher, dass die Autismus-Spektrum-Störung (DSM-5) bzw. das Asperger-Syndrom (ICD-10) bereits im Kindergarten (integrative Zusatzbetreuung) vorhanden war.
"

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der gemäß § 8 Abs. 2 und 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF zustehende Betrag an Familienbeihilfe erhöht sich gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v. H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes , BGBl. Nr. 22/1970 , in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung ) vom , BGBl. II Nr. 261/2010 , in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Der Behinderungsgrad hängt bei gleichbleibendem Krankheitsbild auch vom Alter des Kindes ab. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes etwa stellt sich je nach Alter des Kindes unterschiedlich dar, da die Fertigkeiten, die ein Kind im Kindergartenalter beherrschen sollte, sich wesentlich von jenen, die von einem Schulkind erwartet werden, unterscheiden. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes ist daher immer im Vergleich zum Entwicklungsstand gleichaltriger gesunder Kinder zu sehen. So kann schon im Kindergartenalter ein gewisser Entwicklungsrückstand vorliegen, der sich aber bis zum Schulalter weiter vergrößern und einen höheren Behinderungsgrad herbeiführen kann (vgl. und Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 8 Rz 11).

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Auf die Notwendigkeit der Vorlage entsprechender Beweismittel ("sämtlicher Behandlungsunterlagen") für die Untersuchung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wird im Vordruck Beih 3 (Antragsformular für den Erhöhungsbetrag) deutlich hingewiesen.

Ein Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen.

Das Sachverständigengutachten bildet jedenfalls die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen. Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ). Der Gesetzgeber hat somit die Frage des Grades der Behinderung der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt (). Auch die Entscheidung, welcher Arzt welcher Fachrichtung zur Begutachtung herangezogen wird, muss dem Sachverstand der Ärzte des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen überlassen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend sind (vgl. etwa und mwN).

Im Erkenntnis vom (VwGH 2013/16/0170) hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf VwGH Ra 2014/16/0010 vom auszugsweise wörtlich ausgeführt:
"Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht."

Nach § 10 Abs. 3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 4 FLAG 1967 ist als materielle Voraussetzung des Anspruchs auf Familienbeihilfe in dem Monat zu erfüllen, für den Familienbeihilfe beantragt wird, nicht in dem Monat, in welchem der Antrag (rückwirkend) gestellt wird (vgl. und ). Denn die Bestimmung des § 10 Abs. 3 FLAG, wonach die Familienbeihilfe höchstens für fünf Jahre rückwirkend von Beginn des Monats der Antragstellung gewährt wird, betrifft ausschließlich das Recht zur Geltendmachung eines bereits entstandenen Anspruches, legt sohin lediglich eine Frist zur Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche auf Familienbeihilfe fest und ermöglicht nicht eine rückwirkende Erfüllung von Voraussetzungen zur Entstehung des Anspruches.

Der Bf. bemängelt, dass die Sachverständigen des Sozialministeriumservice in ihren Gutachten nicht einen Grad der Behinderung von zumindest 50% für fünf Jahre rückwirkend festgestellt haben, da eine Autismus-Spektrum-Störung eine angeborene Erkrankung sei und immer von Geburt an bestehe; ein Grad der Behinderung von 50% erst ab November 2017 sei nicht nachvollziehbar.

Die mit dem Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe vorgelegten Befunde und sonstige Nachweise wurden entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in allen Sachverständigengutachten des Sozialministeriumsservice berücksichtigt (siehe "Zusammenfassung relevanter Befunde"). Ein Verweis auf ein Vorgutachten beinhaltet selbstverständlich den gesamten Inhalt samt zu Grunde gelegter Befunde.
Der mit dem Vorlageantrag zusätzlich übermittelte Arztbrief des Dr. ***9*** vom und der nachträglich vorgelegte Befund der Dr. ***1*** vom widersprechen den Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice nicht, da - wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat - eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. durchaus die Folge einer Krankheit sein kann, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht.

Nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Einschätzungsverordnung (BGBl. II 261/2010 ) anzuwenden und weder DSM-5 oder ICD-10 wie im Befund der Psychologin Dr. ***1*** vom angeführt.

In der Einschätzungsverordnung (BGBl. II 261/2010 ) sind unter der Pos.Nr. 03.04 die Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen erfasst, u.a. auch mit Angststörungen, affektiven Störungen und disruptiven Störungen. Die Unter-Pos.Nr. wird für maßgebliche soziale Beeinträchtigungen herangezogen und als "ernsthafte und durchgängige Beeinträchtigung der meisten sozialen Bereiche" beschrieben.

Somit wurde entgegen dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers die "Angststörung" seines Sohnes in der Bewertung der Sachverständigengutachten berücksichtigt, da die gesamte psychische und somatische Entwicklungsstörung in der Diagnose inkludiert ist. Zum Vorbringen im Vorlageantrag, dass das Sachverständigengutachten vom ohne Beisein des Sohnes erstellt wurde, wird ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerde ersuchte für das psychische Wohl seines Sohnes eine unnötige weitere Untersuchung hintanzuhalten.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass der Sohn nach dem Steirischen Behindertengesetz bereits im Kindergartenalter eine Behindertenhilfe gewährt erhalten habe, wird darauf hingewiesen, dass das ggst. Beihilfenverfahren im Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geregelt ist und somit im hier zu beurteilenden Fall diese Bestimmungen anzuwenden sind.

Die vorliegenden Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice berücksichtigen die vorgelegten Befunde und Unterlagen und tragen der nach diesen Unterlagen zu erfolgenden Einstufung nach der Einschätzungsverordnung , auch was die Rückwirkung betrifft, Rechnung. Die Gutachten sind schlüssig, vollständig und widersprechen einander nicht. Es wurde in den drei Gutachten übereinstimmend festgestellt, dass ein Grad der Behinderung von 50% ab November 2017 vorliegt. Die Zwangsstörung wurde im Rahmen der Autismus-Spektrum-Störung berücksichtigt. Das Finanzamt hat sich rechtlich zutreffend an diesen in den Gutachten enthaltenen Zeitpunkt gehalten, zu dem die bestehende Erkrankung des Sohnes des Bf. einen Grad der Behinderung von 50 v.H. erreicht hat. sodass ab diesem Zeitpunkt, und nicht rückwirkend 5 Jahre ab Antragstellung, die erhöhte Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Somit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 für den Zeitraum Mai 2013 bis Oktober 2017 nicht vor (ab November 2017 wurde die erhöhte Familienbeihilfe gewährt).

Zulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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