Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.05.2020, RV/2101034/2016

Pendlerpauschale (vor Pendlerrechner)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf. , Adr. , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Judenburg Liezen vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird im Ausmaß der Beschwerdevorentscheidung vom
teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte in der elektronisch eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2012 ein Pendlerpauschale (PP) in Höhe von 1.998,19 €.
Lt. übermittelter Lohnzettel arbeitete der Bf. im Jahr 2012
vom 01.01. - 31.01. und vom 16.03. - 31.12. bei Arbeitgeber1 ,
vom 05.03. - 08.04. bei Arbeitgeber2 und
vom 07.05. - 21.12. bei Arbeitgeber3 .

Der Beschwerdeführer wurde mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes ersucht die Berechnung des Pendlerpauschales bekannt zu geben.
Der Bf. legte zwei Ausdrucke des Pendlerrechners vor und eine händische Aufstellung der Berechnung des Pendlerpauschales. Er teilte mit, dass die Fahrtstrecke zum Arbeitgeber Fa. AG2 - abweichend vom Pendlerrechner - lt. dem Routenplaner Herold 41 km betrage, da für eine Teilstrecke ein Fahrverbot bestehe. Für die Fahrstrecke zum Arbeitgeber Fa. AG3 stehe lt. Pendlerrechner das große Pendlerpauschale für 40 - 60 km zu.
Berechnung:


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Fa. AG2
1 x monatl. PP
214,00 €
1 x monatl, Pendlereuro
6,83 €
Fa. AG3
8 x monatl. PP
1.712,00 €
8 x monatl. Pendlereuro
65,36 €
gesamt
1.998,19 €

Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vom wurde ein Pendlerpauschale iHv 1.712,00 € gewährt mit der Begründung, dass die Entfernung auf Grund eines gängigen Routenplaners zu ermitteln sei bzw. das Ergebnis des Pendlerrechners (ab 2014 verbindlich anzuwenden) heranzuziehen sei. Die Strecke vorbei am Glitschnerhof und der Postfiliale Aigen im Ennstal (Zentrum) und weiter über Irdning, Niederöblarn, Stein/Enns usw. sei jedenfalls zumutbar, gut ausgebaut und als die schnellste und kürzeste Strecke anzusehen. Daher sei das PP anteilsmäßig berücksichtigt worden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer die Beschwerde mit der Begründung, dass lt. beiliegendem gängigen Routenplaner Herold die schnellste Route zum Arbeitgeber Fa. AG2 über Wörschach auf die B320, 41 km in ca. 36 Minuten führe. Lt. Pendlerrechner führe die Route auf die B320 jedoch über Irdning mit einer Fahrzeit von 50 Minuten. Diese Route sei aber fehlerhaft, das vorgegebene Teilstück Kulmerweg sei nur ein landwirtschaftlicher Güterweg, auf dem ein allgemeines Fahrverbot bestehe. Es gäbe keinen Routenplaner, der die schnellste Route über Stein/Enns führe, auch nicht der Pendlerrechner. Auch die Streckenführung über die Postfiliale Aigen sei nicht nachvollziehbar, da es in Aigen keine Postfiliale gäbe.

Das Finanzamt gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom teilweise statt und gewährte ein Pendlerpauschale iHv 1.867,80 €. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Strecke über Aigen Zentrum (also zunächst Richtung Süden und nicht den Umweg über Ketten, welcher zunächst entgegen der Fahrtrichtung nach Osten und Wörschach führt) und weiter über Irdning usw. sei jedenfalls zumutbar, gut ausgebaut und als die schnellste und kürzeste Strecke anzusehen (auch lt. Ergebnis Pendlerrechner, welcher ab 2014 ohnehin verbindlich anzuwenden sei, und auch lt. Ergebnis herold.at, 37,69 km und 35 Minuten, im Vergleich zu 36 Minuten auf der vom Bf. gewählten Strecke). Würden verschiedene Routen verglichen, so sei natürlich für die Vergleiche auch jeweils derselbe Routenplaner heranzuziehen, da diese jeweils minimale Unterschiede aufweisen würden. Die schnellste Strecke sei (egal ob verglichen mit google.maps oder herold.at oder Pendlerrechner) jedenfalls die vom Finanzamt angeführte, welche weniger als 40 km betrage. Das Pendlerpauschale werde daher zusätzlich für März und aliquot April für Firma AG2 iHv 155,80 € berücksichtigt.

Daraufhin stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) mit der ergänzenden Begründung, dass der Pendlereuro von 60 € für die Strecke Wohnung - Arbeitsstätte Fa. AG3 nicht mehr berücksichtigt worden sei.
Selbst bei der Berechnung mit dem fehlerhaften Pendlerrechner (die Route führe über ein Teilstück mit allgemeinem Fahrverbot) ergebe für März und aliquot April ein Pendlerpauschale von 164 €, der Pendlereuro 8,23 €, das ergebe eine zu berücksichtigende Summe von 170,23 € anstelle der im Bescheid angegebenen 155,80 €.
Bei gewissenhafter Betrachtung der Routenplaner google.maps und herold.at könne man erkennen, dass bei google ca. 500 m im Bereich Hotel AG2 und bei Herold ca. 100 m Adr. - Kulmerweg fehlen würden. Beide Routenplaner würden bei korrekter Eingabe eine Entfernung von jeweils über 40 km, das seien inkl. Pendlereuro 254 €, wenn die schnellste Route abgefragt werde, wie es in den Vorgaben zur Berechnung bei Benützung des Privat-PKWs im Pendlerrechner festgelegt sei.
Es sei in den vorangegangenen Bescheiden immer auf die verbindliche Anwendung des Pendlerrechners verwiesen worden, obwohl der Nachweis einer Fehlerhaftigkeit erbracht worden sei. Dieser führe jedoch die Route immer über die Hauptverkehrswege, in diesem Fall über die B320 und nicht über parallel verlaufende Nebenstrecken. Auf diesen verlaufe das Verkehrsaufkommen jedenfalls viel gefährlicher und zeitlich unberechenbarer. Dazu würden Schulen, Bushaltestellen mit spielenden Kindern, Wildwechsel, Eisenbahnkreuzungen, landwirtschaftliche Fuhrwerke, Viehtrieb, einspurige Teilbereiche, zählen, um nur einige aufzuzählen. Dazu komme noch ein erhöhter Treibstoffverbrauch und höherer Verschleiß durch das ständige Beschleunigen und Abbremsen sowie starker Kurven. Von der verminderten Lebensqualität durch das erhöhte Verkehrsaufkommen der in den Orten lebenden Menschen ganz zu schweigen!

Das Finanzamt legte mit dem Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht u.a. den Ausdruck des Routenplaners herold.at über die Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte Fa. AG2 von 37,69 km und einer Fahrtzeit von 35 Minuten vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 idgF sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach Z 6 dieser Gesetzesstelle zählen zu den Werbungskosten auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a) diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5) abgegolten.
b) Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt:
………………
c) Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:
Bei einer einfachen Fahrtstrecke von
2 km bis 20 km 372 Euro jährlich,
20 km bis 40 km 1.476 Euro jährlich,
40 km bis 60 km 2.568 Euro jährlich,
über 60 km 3.672 Euro jährlich.
Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. …………..

Die Berücksichtigung der Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erfolgt also grundsätzlich durch die Regelung des Verkehrsabsetzbetrages nach § 33 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 und die Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988.

In quantitativer Hinsicht ist sowohl beim kleinen als auch beim großen Pauschale auf das Überwiegen im Lohnzahlungszeitraum abzustellen: Ist an mehr als der Hälfte der Arbeitstage im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum (mehr als 10 Tage im Kalendermonat) die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels unzumutbar, so besteht Anspruch auf das große Pendlerpauschale, Urlaub oder Krankenstand sind für die Frage des Überwiegens auszuklammern.

Die Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bemisst sich im Falle der Unzumutbarkeit grundsätzlich nach der kürzesten Straßenverbindung (vgl. LStR 2002, Rz 258). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch unter "Fahrtstrecke" nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 nicht unbedingt immer die kilometermäßig kürzeste Strecke, sondern jene zu verstehen, deren Benützung mit dem Kraftfahrzeug nach dem Urteil gerecht und billig denkender Menschen für die täglichen Fahrten eines Pendlers sinnvoll ist. Überflüssige Umwege oder bloß aus persönlicher Vorliebe gewählte Streckenvarianten bleiben dabei außer Betracht (vgl. ; siehe dazu auch Doralt, EStG 13 , § 16 Rz 110; Jakom/Lenneis EStG, § 16 Rz 29).

Unstrittig ist im vorliegenden Fall das Pendlerpauschale für die Strecke Wohnung - Arbeitsstätte Fa. AG3 . Hingegen ist hier das Pendlerpauschale für die Strecke Wohnung - Arbeitsstätte Fa. AG2 zu beurteilen.

Die dafür vom Finanzamt herangezogene Route unter Zuhilfenahme eines gängigen Routenplaners (herold.at) über Irdning ist laut Routenplaner in ca. 35 Minuten bei einer Fahrtstrecke von 37,69 km zu erreichen. Die vom Bf. beantragte Strecke von 40,48 km führt laut Routenplaner über Ketten Richtung Wörschach und man benötigt für diese Strecke ca. 36 Minuten. Es widerspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, überflüssige Umwege zunächst in die entgegengesetzte Richtung bei höherem Kostenaufwand auf sich zu nehmen, wenn die kürzeste Strecke über eine gut ausgebaute Straße, auch mit den damit verbundenen Geschwindigkeitsbeschränkungen, führt. Dass ein Teil der kürzeren Strecke mit einem Fahrverbot belegt sei, ist weder den Routenplanern herold.at noch google.maps noch dem Pendlerrechner zu entnehmen. Da die vom Bf. bevorzugte längere Strecke auch durch Orte führt, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass auch dort diverse Infrastruktur, wie im Vorlageantrag aufgezählt, vorhanden ist.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes beträgt die kürzeste Straßenverbindung (mit dem Pkw), welche vernünftigerweise zwischen der Wohnung des Bf. und seiner Arbeitsstätte bei der Fa. AG2 gewählt wird, unter 40 km und war damit - der Vorgehensweise des Finanzamtes folgend - das sog. große Pendlerpauschale für eine einfache Fahrtstrecke von 20 km bis 40 km für März und aliquot April 2012 in Höhe von 155,80 € als Werbungskosten für das Jahr 2012 zu berücksichtigen. Das vom Bf. beantragte Pendlerpauschale für eine Fahrtstrecke über 40 km betrifft die Route über Ketten Richtung Wörschach, diese stellt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes einen überflüssigen Umweg bzw. stellt eine bloß aus persönlicher Vorliebe gewählte Streckenvariante dar, deshalb ist im vorliegenden Fall in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den, die Wegstrecke von 37,69 km für eine Fahrtstrecke, übersteigenden Teil keine berufliche Veranlassung gegeben. Selbst wenn man die angeblich fehlenden Meter in den Routenplanern dazurechnet, würde sich kein anderes Ergebnis ermitteln lassen. Darüber hinaus benötigt man für die vom Bf. beantragte längere Strecke eine längere Fahrtdauer. Für das Pendlerpauschale kommt es aber ohnehin in erster Linie auf die kürzeste Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an.

Der vom Bf. beantragte Pendlereuro zu beiden Arbeitsstätten kann im Kalenderjahr 2012 noch nicht berücksichtigt werden, da dieser erst ab 2013 zusteht. Der Pendlerrechner ist nach der Pendler-Verordnung (BGBl II 276/2013) ab dem Veranlagungsjahr 2014 anzuwenden.

Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis (einen Beschluss) des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde und das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101034.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at