Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.08.2020, RV/3101208/2016

Kapitalertragsteuer - keine vorrangige Inanspruchnahme des Empfängers der Kapitaleinkünfte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen die am ausgefertigten Bescheide der belangten Behörde ***FA*** über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für die Jahre 2011 bis 2013 zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 BAO aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Abgabenbehörde hat nach Durchführung einer Außenprüfung bei der ***K-GmbH*** am Bescheide über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2011, 2012 und 2013 ausgefertigt und die Steuer dem Beschwerdeführer vorgeschrieben. Die Kapitalertragsteuer wurde für das Jahr 2011 mit € 19.696,21, für das Jahr 2012 mit € 15.627,80 und für das Jahr 2013 mit € 12.567,16 festgesetzt. Erlöshinzurechnungen aufgrund von Aufzeichnungsmängeln sowie Unsicherheiten bei der Nachkalkulation wären als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln. Zudem wurde festgestellt, dass ein Teilbetrieb der ***K-GmbH***, nämlich die Entwicklung und der Vertrieb eines Sportgeräts zur Straffung der weiblichen Brust, keinen Zusammenhang zum Hauptbetrieb, einem Bergrestaurant habe. Damit könne der Teilbetrieb kein gewillkürtes Betriebsvermögen sein, sodass eine verdeckte Ausschüttung des Teilbetriebs an den Beschwerdeführer vorliege. Gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 sei der Empfänger der Kapitalerträge Schuldner der Kapitalertragsteuer. Die Kapitalertragsteuer sei von dem gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 zum Abzug Verpflichteten einzubehalten. Nach § 95 Abs. 4 EStG 1988 sei die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise dem Empfänger der Kapitalerträge direkt vorzuschreiben, wenn der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt habe oder der Empfänger wisse, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt habe und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteile.

2. Mit Schreiben vom hat die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführs bei der Abgabenbehörde das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde eingebracht. Der Beschwerdeführer habe die Idee gehabt, dass ein Gerät entwickelt werden könnte, das gezielt die weibliche Brustmuskulatur straffe und damit der der weiblichen Brust ein besseres Aussehen gebe. Da es ein solches Gerät auf dem Markt noch nicht gegeben habe, habe er sich die Idee patentieren lassen. Die Umsetzung der Idee, die Entwicklungskosten des Gerätes, die Vermarktung, die Produktion und der Verkauf des Produktes seien durch die ***K-GmbH*** durchgeführt worden. Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung seien die Aufwendungen und Erlöse bei der ***K-GmbH*** ausgeschieden und als verdeckte Ausschüttung behandelt sowie die Vorsteuer gekürzt worden mit der Begründung, es handle sich um einen Betrieb des Beschwerdeführers und nicht um einen Betrieb der GmbH. Dies deshalb, weil der Betrieb keine Verbindung mit dem Hauptbetrieb, einem Bergrestaurant, habe. Er stelle daher kein gewillkürtes Betriebsvermögen der ***K-GmbH*** dar. Eine klare, schriftliche, fremdübliche Vereinbarung zwischen dem Rechteinhaber, dem Beschwerdeführer, und der ***K-GmbH*** fehle. Dem sei § 2 des Gesellschaftsvertrages der ***K-GmbH*** entgegenzuhalten, der den Unternehmensgegenstand unter Punkt 2 wie folgt regle:

"Außerdem ist die Gesellschaft zu allen Handlungen, Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes förderlich erscheinen, wie insbesondere: Erwerb und Pachtung von sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen und Gesellschaften, sowie die Übernahme der Geschäftsführung und Vertretung solcher Unternehmen und Gesellschaften."

Damit sei der Gegenstand des Unternehmens bewusst weit gefasst worden, um auch andere Geschäftszwecke als die Führung des Bergrestaurants zu ermöglichen. Sogar der Erwerb und die Pachtung von anderen Unternehmen sei nach der Regelung im Gesellschaftsvertrag zulässig. Insoweit gehe die Feststellung des Finanzamts ins Leere, wenn der fehlende Zusammenhang mit dem Bergrestaurant bemängelt werde und daher der sachliche Zusammenhang fehle. Diese Rechtsmeinung sei verfehlt, weil es diesen Zusammenhang zwischen Bergrestaurant und Handel mit dem Trainingsgerät gar nicht brauche. Auch die Meinung, dass es sich nicht um gewillkürtes Betriebsvermögen handeln könne, sei vom Ansatz her falsch. Gewillkürtes Betriebsvermögen könne es nur bei nach Handelsrecht buchführungspflichtigen Einzelunternehmen und Personengesellschaften geben. Eine GmbH könne aufgrund der klaren Trennung nur Betriebsvermögen haben. Grundsätzlich sei daher alles, was die GmbH erwerbe, (notwendiges) Betriebsvermögen der GmbH, außer es werde in Umgehung des tatsächlich gewollten Geschäfts notwendiges Privatvermögen des Gesellschafters erworben. Der Beschwerdeführer sei in der freien unternehmerischen Entscheidung gewesen, zu bestimmen, ob er die Entwicklung und Vermarktung des Produkts selbst übernehme oder ob er dies im Rahmen der Beschwerdeführerin mache. Das Nicht-Vorhandensein einer schriftlichen Vereinbarung könne nicht dazu führen, dass der gesamte Betrieb quasi aus der GmbH herausgeschält werde. Es sei auch nicht fremdunüblich, dass jemand, der eine Erfindung mache, zu einem zum Beispiel größeren Unternehmen gehe und dieses Unternehmen dann die Entwicklung und Vermarktungskosten übernehme und die Lizenzen erst ab der Marktreife gezahlt würden, wenn das Produkt sich am Markt durchsetze. Alle laufenden Lieferverträge mit den Lieferanten sowie der Direktvertrieb über die professionell gestaltete Homepage mit Onlineshop seien im eigenen Namen und für eigene Rechnung der Beschwerdeführerin abgeschlossen worden. Die Rechtsmeinung der Betriebsprüfung verstoße auch klar gegen die Einkommensteuerrichtlinien des BMF in Randziffer 104. Nach diesen Richtlinien sei Zurechnungssubjekt der Einkünfte derjenige, der aus der Tätigkeit das Unternehmerrisiko trage, der also die Möglichkeit besitze, die sich ihm bietenden Marktchancen auszunützen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern. Eine Zurechnung der Einkünfte unmittelbar an die natürliche Person erfolge dann, wenn die Kapitalgesellschaft in Hinblick auf die betreffende Tätigkeit selbst Marktchancen nicht nutzen könne. Aber genau das sei hier nicht der Fall. Nach dem Impressum der Homepage (Auftritt nach außen) vermarkte und verkaufe die ***K-GmbH*** die Trainingsgeräte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die ***K-GmbH*** habe auf eigene Rechnung und im eigenem Namen die Trainingsgeräte produzieren lassen. Die ***K-GmbH*** könne daher die sich ihr bietenden Marktchancen nutzen. Nach dem Sinn dieser Bestimmung sollten vor allem Tätigkeiten über die ,,Zwischenschaltung" einer GmbH ausgeschlossen werden, die nur höchstpersönlich erbracht werden können (z. B. GmbH eines Vortragenden, der keine eigene Betriebsstruktur besitze). Da aber in diesem Fall die ***K-GmbH*** das Unternehmerrisiko trage und die Marktchancen nutzen könne, sei die Zurechnung des Betriebes an den Beschwerdeführer rechtswidrig.

3. Die Abgabenbehörde hat mit den am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidungen die Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide als unbegründet abgewiesen. In der gesondert ebenfalls am ausgefertigten Begründung führt die Abgabenbehörde aus, der Beschwerdeführer habe eine Idee für ein Sport-/Gesundheitsgerät gehabt, das handlich und einfach zu bedienen sei. Dieses Trainingsgerät solle gezielt die weibliche Brustmuskulatur straffen und damit der weiblichen Brust ein besseres Aussehen geben. Da ein großes Potenzial in diesem Gerät gesehen wurde, habe sich der Beschwerdeführer diese Idee patentieren lassen. Er sei laut Patenturkunde Nr. ***1*** vom Patentinhaber. Die Entwicklungs- und Vermarktungskosten seien jedoch in der ***K-GmbH*** als Aufwand geltend gemacht bzw. die eingekauften Bestandteile des Sportgerätes aktiviert worden. Sämtliche Eingangsrechnungen hätten auf die ***K-GmbH*** gelautet. Im Wirtschaftsjahr 2013 seien geringe Erlöse aus dem Verkauf des Trainingsgerätes bei der GmbH erfasst worden. Eine vertragliche Regelung in Schriftform zwischen der ***K-GmbH*** und dem Beschwerdeführer sei bezüglich Patentnutzung und Kostentragung nicht vorhanden. Unbestritten sei, dass die Entwicklung und der Vertrieb des Sportgerätes einen eigenen Teilbetrieb darstellten und dass vertragliche Regelungen in Schriftform nicht vorhanden seien. Der Betrieb ,,Entwicklung und Vertrieb eines Sportgerätes" könne nach Ansicht der Abgabenbehörde in keinem Zusammenhang mit dem Betrieb "Bergrestaurant" gesehen werden. Im gegenständlichen Fall sei eine Definierung des Gesellschaftszweckes nicht gegeben und somit könne davon ausgegangen werden, dass sich der Unternehmensgegenstand mit dem Gesellschaftszweck deckte. Gesellschaftsrechtlich werde zwischen Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck unterschieden. Der Unternehmensgegenstand beschreibe den Bereich und die Art der Betätigung der Gesellschaft. Er könne sowohl gewerblich sein als auch ideell. Der Unternehmensgegenstand sei ins Firmenbuch einzutragen, damit sich Dritte über ihn informieren könnten. Der Unternehmensgegenstand mache für die Außenwelt den Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft erkennbar. Der Gesellschaftszweck decke sich häufig mit dem Unternehmensgegenstand, müsse aber nicht mit ihm identisch sein. Er definiere, was die Gesellschafter mit der Gesellschaft erreichen möchten. Im Firmenbuch sei jedenfalls als Geschäftszweig ,,Gastgewerbebetrieb" eingetragen. Die Entwicklung, Produktion und Vermarktung eines Fitnessgerätes zur Stärkung der weiblichen Brust könne jedenfalls nicht dem Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck ,,Gastgewerbe - Schihütte" förderlich sein. Diese insbesondere deshalb, da es sich auch um kein Wintersportgerät handle, das den Gastbetrieb fördern könnte. Auch aufgrund der hohen Geldmittelabflüsse könne nicht von einer ,,Förderlichkeit" gesprochen werden. Aus Punkt a) und d) im § 9 des Gesellschaftsvertrags gehe hervor, dass als Voraussetzung für die Aufnahme des Betriebes "Entwicklung und Vertrieb eines Sportgerätes" in den Unternehmensgegenstand bzw. den Gesellschaftszweck ein Beschluss der Generalversammlung mit einer Mehrheit von 80% erforderlich wäre. Dieser Beschluss liege bisher dem Finanzamt nicht vor. Gemäß § 51 Abs 1 GmbHG sei jede Abänderung des Gesellschaftsvertrages von sämtlichen Geschäftsführern zum Firmenbuch anzumelden und notariell zu beurkunden. Diesem Publizitätserfordernis sei bisher nicht nachgekommen worden. Der Ansicht, dass ein Zusammenhang zwischen Bergrestaurant und Handel mit dem Trainingsgerät gar nicht vonnöten sei, müsse daher widersprochen werden. Der nicht näher definierte Gesellschaftszweck, der fehlende Beschluss der Generalversammlung inkl. notarielle Beurkundung sowie die Eintragung ins Firmenbuch ließen einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Bergrestaurants und dem Handel mit dem Trainingsgerät nicht erkennen. Eine klare Außenwirkung, wie für Verträge zwischen nahen Angehörigen erforderlich, sei hier nicht gegeben. Ein schriftlicher Vertrag oder eine Vereinbarung zwischen Herrn ***Bf1*** und der ***K-GmbH*** hinsichtlich der Entwicklung, Produktion und Vermarktung des Sportgerätes existiere nicht. In diesen Fall sei die Angehörigenjudikatur anzuwenden. Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern würden gleich wie Verträge zwischen nahen Angehörigen nur dann steuerlich anerkannt, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kämen, einen klaren und eindeutigen Inhalt hätten und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären. Das Nicht-Vorhandensein einer schriftlichen Vereinbarung bzw. eine daraus klar hervorgehende Vereinbarung über Leistung und Gegenleistung zwischen dem Beschwerdeführer und der ***K-GmbH*** widerspreche, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, sehr wohl dem Fremdüblichkeitsgrundsatz. Da kein schriftlicher Vertrag bzw. keine Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und der ***K-GmbH*** bestehe, sei die Kapitalgesellschaft betreffend der Nutzung der Marktchancen und damit auch bezüglich dem Unternehmerrisiko abhängig von der natürlichen Person z.B. bezüglich Namenänderung des Produktes, Veränderungen am Design, rechtliche Grundlagen bei Weiterentwicklung, Höhe der Lizenzgebühren usw. Da die Marktchancen und das Unternehmerrisiko direkt im Einfluss von der natürlichen Person stünden, sei das Finanzamt der Ansicht, dass hier die Rz 104 der Einkommensteuerrichtlinien nicht zum Tragen kämen. Bei den Steuerrichtlinien handle es sich im Übrigen um eine Rechtsauslegung und nicht um eine Rechtsgestaltung. Mangels Qualifikation als Norm könne eine Auslegung dieser daher auch keine Rechtswidrigkeit darstellen. Eine Aufnahme in das Betriebsvermögen der GmbH sei rein aus Gründen der Gesellschafterebene erfolgt. Abgesehen von der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit des Teilbetriebes ,,Entwicklung, Erzeugung und Vertrieb eines Sportgerätes" bestehe im Steuerrecht der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise iSd § 21 BAO. Auch sei die Angehörigenjudikatur zu berücksichtigen. Es gebe keinerlei fremdübliche Vereinbarungen zwischen der ***K-GmbH*** und dem Beschwerdeführer. Der Teilbetrieb könne nicht gewillkürtes Betriebsvermögen darstellen, da dieses dem Hauptbetrieb in irgendeiner Weise dienlich sein müsste. Ein Zusammenhang mit dem Bergrestaurant sei überhaupt nicht gegeben.

4. Mit Schreiben vom hat die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers den Antrag gestellt, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

5. Die Abgabenbehörde hat dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde mit Bericht vom zur Entscheidung vorgelegt.

II. Erwägungen

1. Schuldner der Kapitalertragsteuer ist gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 der Empfänger der Kapitalerträge. Der Abzugsverpflichtete ( § 95 Abs. 2 EStG 1988) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.

2. Gemäß § 95 Abs. 4 EStG 1988 idF vor BGBl. I Nr. 118/2015 ist dem Empfänger der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

3. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, gleichfalls ausgeführt hat, ist die Kapitalertragsteuer dabei grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen. Nur "ausnahmsweise" wird der Empfänger der Kapitalerträge gemäß § 95 EStG 1988 in Anspruch genommen. Bei Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung liegt es im Ermessen ( § 20 BAO) der Abgabenbehörde, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft gelten gemacht wird oder eine Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt. Abgabenrechtliche Haftungen setzen nach ständiger Rechtsprechung den Bestand einer Abgabenschuld voraus, nicht aber, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber bereits geltend gemacht wurde. Es stößt daher grundsätzlich auf keine Bedenken, die ausschüttende GmbH zur Haftung für die Kapitalertragsteuer aus verdeckten Ausschüttungen heranzuziehen (; ).

4. Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgabe" beizumessen ().

5. Die Abgabenbehörde hat unmittelbar den Steuerschuldner, Herrn ***Bf1***, in Anspruch genommen. Die ***K-GmbH*** wurde nicht zur Haftung herangezogen. Aktenkundig ist, dass die ***K-GmbH*** im Zeitpunkt der Ausfertigung der angefochtenen Bescheide solvent war, sie hatte auf dem Abgabenkonto keinen Rückstand ausgewiesen. In den Beschwerdejahren, so wie im Jahr der Ausfertigung der angefochtenen Bescheide, hat die ***K-GmbH*** in ihren Bilanzen Gewinne ausgewiesen, sowohl unternehmensrechtlich als auch steuerrechtlich. Nach dieser Sachlage ist es aus Gründen der Verwaltungsökonomie zweckmäßig und auch nicht unbillig, für die bei der Außenprüfung der ***K-GmbH*** festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen (Gewinnerhöhungen beim Bergrestaurant wegen Aufzeichnungsmängeln und Unsicherheiten bei der Kalkulation) diese Gesellschaft direkt zur Haftung heranzuziehen. Den Beschwerdeführer als Steuerschuldner vorrangig in Anspruch zu nehmen, war nicht gerechtfertigt. Zur Ausschüttung des Betriebs "Entwicklung und Vertrieb des Trainingsgeräts ***P***" hat das Bundesfinanzgericht mit dem am ausgefertigten Erkenntnis zu GZ. RV31001207/2016 bei der ***K-GmbH*** entschieden hat, dass die Einkünfte aus diesem Betrieb der ***K-GmbH*** und nicht dem Beschwerdeführer, der an dieser Gesellschaft alleine beteiligt war, zuzurechnen waren. Die Überlegungen der Abgabenbehörde, dass die Wirtschaftsgüter dieses Betriebs nicht gewillkürtes Betriebsvermögen dieser Gesellschaft sein könnten oder als außerbetriebliches Vermögen zu qualifizieren wären, hat das Bundesfinanzgericht verworfen. Die Feststellung der Abgabenbehörde, der Betrieb "Entwicklung und Vertrieb des Trainingsgeräts ***P***" sei an den Beschwerdeführer verdeckt ausgeschüttet worden, wurde als rechtswidrig erkannt. Auf die ausführliche Begründung im angeführte Erkenntnis wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Mangels Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung ist die Festsetzung der Kapitalertragsteuer in den angefochtenen Bescheiden diesbezüglich ebenfalls nicht gerechtfertigt.

6. Somit war spruchgemäß zu entscheiden, die angefochtenen Bescheide waren gemäß § 279 BAO aufzuheben.

III. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die im Beschwerdefall relevanten Rechtsfragen sind mit der zitierten Judikatur (Punkt II. 3. und 4.) ausreichend geklärt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

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Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 95 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 95 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 95 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 95 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3101208.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at