Großes Pendlerpauschale, Verwendung des privaten KFZ für Dienstfahrten,
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Einkommensteuer für das Kalenderjahr 2011 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) war 2011 als Rechtsanwaltsanwärterin tätig.
Am reichte die Bf. ihre Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2011 ein und beantragte unter anderem das große Pendlerpauschale, für eine einfache Fahrtstrecke von über 60 Kilometer, für 11 Monate (3.366 €). Wobei die Bf. von Jänner bis Ende März in Zwettl beschäftigt war und von Mai bis Dezember in Wien.
Im Zuge der Bearbeitung sendete das Finanzamt am ein Ersuchen um Ergänzung an die Bf. unter anderem betreffend des in der Erklärung beantragten Pendlerpauschales. Die Bf. wurde ersucht folgende Daten dem Finanzamt zu übermitteln:
• genauen Anschrift der Arbeitsstätte/n
• genaue Anschrift der der Arbeitsstätte nächstgelegenen Wohnung
• kürzest befahrbare einfache Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in km;
• Wegstrecke bei Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels (Gehweg, Bus, ÖBB etc.)
Weiters wurde die Bf. ersucht, wenn Ihr die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels nicht möglich sei bzw. zeitlich nicht zumutbar sei, dies zu erläutern und die entsprechenden Gründe (unter Angabe Ihrer Normalarbeitszeiten) bekanntzugeben bzw. die unzumutbare Wegzeit aufzuschlüsseln.
Dieses Ersuchen galt für jede Arbeitsstätte der Bf. im Veranlagungsjahr.
Die Bf. wurde weiters darauf hingewiesen, dass ein Pendlerpauschale nur insoweit berücksichtigt werden kann, als auch tatsächlich Aufwendungen für die Fahrten "Wohnung-Arbeitsstätte" angefallen sind.
Im Akt des Finanzamtes befand sich keine Beantwortung dieses Schreibens.
Mit wurde der Bf. abermals ein Ersuchen um Ergänzung zugesandt, in dem folgende Ergänzungspunkte angeführt wurden:
"In Ergänzung ihrer Veranlagung 2011 werden Sie ersucht Fragen zu beantworten:
1) Wie lautet die genaue Anschrift ihrer Arbeitsstätte bei ***DG*** (ab 2.5.)? Wie oft pro Monat wurde diese Arbeitsstätte tatsächlich aufgesucht?
2) War die Inanspruchnahme gleitender Arbeitszeit möglich? Falls ja, welcher Gleitzeitrahmen bestand?
3) Die im Jahr 2011 tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten mögen an Hand von Arbeitsaufzeichnungen, aus denen Beginn und Ende der Tagestätigkeit hervorgehen, belegt werden.
4) Welches konkrete öffentliche Verkehrsmittel konnten Sie zum jeweiligen Arbeitsbeginn und -ende benützen?
5) Verwendeten Sie tatsächlich (auch) ein KFZ für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte?
6) Nachweis der tatsächlichen Durchführung der täglichen Fahrten mit öffentliche Verkehrsmitteln (Tickets, Vorteilscard, Jahreskarte ÖBB oder andere geeignete Beweismittel) sollen erbracht werden."
In ihrem Antwortschreiben vom führte die Bf. aus:
"Ihre Fragestellungen zur Veranlagung 2011 darf ich wie folgt beantworten:
Ad 1./ Die Anschrift von Herr ***DG*** wurde auf Grund Ihres Ersuchens um Ergänzung vom am schriftlich und nachweislich dem Finanzamt Lilienfeld übergeben. Bitte um Mitteilung, ob diese Unterlagen dem Finanzamt nun nicht mehr vorliegen. Diese Arbeitsstätte wurde täglich außer Samstagen, Sonn- und Feiertagen aufgesucht.
Ad 2./ Auch dieser Punkt wurde bereits schlüssig und nachvollziehbar im Zuge obiger Erklärung beantwortet. Bitte auch hier um Mitteilung, ob diese Unterlagen dem Finanzamt nun nicht mehr vorliegen.
Ad 3./ Seitens des Arbeitgebers wurden und werden keine derartigen Aufzeichnungen verlangt, daher können diese auch nicht beigebracht werden.
Ad 4./ Es konnten keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzt werden, sh. Punkt 2.
Ad 5./ Auf Grund der bereits am schlüssig und nachvollziehbar dargelegten Verpflichtungen musste täglich ein privater PKW genutzt werden. Die Kosten dafür stehen in keinem Verhältnis zur beantragten Steuerersparnis.
Ad 6./ Dieser Nachweis kann nicht erbracht werden, da kein öffentliches Verkehrsmittel benutzt wurde.
Für Ihre geschätzte Erledigung der bereits am abgegebenen Veranlagung 2011 habe ich mir den vorgemerkt."
Der Einkommensteuerbescheid 2011 wurde am erlassen. Das beantragte Pendlerpauschale wurde gekürzt und nur in Höhe von 2.262 € berücksichtigt.
In der Begründung wurde ausgeführt:
"Für 1-3/2011 (Fahrten nach Zwettl) steht die große Pendlerpauschale ab 60 km zu. Ab steht nur das kleine Pendlerpauschale ab 60 km (Fahrten nach Wien) zu, da die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist."
Die Bf. brachte gegen den Einkommensteuerbescheid vom , am eine Berufung ein und führte darin aus:
"1. Von der belangten Behörde wurde für den Zeitraum bis lediglich das kleine Pendlerpauschale berücksichtigt und der Einschreiterin eine Nachzahlung in Höhe von EUR 393,00 vorgeschrieben. Tatsächlich wäre der Einschreiterin das große Pendlerpauschale zu gewähren gewesen, da sie im gegenständlichen Zeitraum an der überwiegenden Anzahl ihrer Arbeitstage eine Dienstzeit bis zumindest 20 Uhr einzuhalten hatte. Zu Arbeitszeitaufzeichnungen war die Einschreiterin vertraglich nicht verpflichtet.
Entsprechend den Erfordernissen einer Rechtsanwaltskanzlei erfolgte die Dienstverrichtung nicht nach fixen Arbeitszeiten. Von der Einschreiterin waren im gegenständlichen Zeitraum daher auch Mehr- und Überstunden sowie Termine mit Mandanten nach 20 Uhr zu verrichten. Eine Heimfahrt war ihr daher mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich, da bei einer Abreise nach 20 Uhr keine öffentliche Verkehrsanbindung zum Wohnort der Einschreiterin bestand.
Der Einschreiterin war auch die Zurücklegung lediglich eines Teils der Strecke mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar, da die Einschreiterin außerhalb des Kanzleisitzes wie auch außerhalb von Wien stattfindende Termine mit einem eigenen Fahrzeug wahrzunehmen hat und sie daher auf die jederzeitige Verfügbarkeit ihres Fahrzeugs angewiesen ist.
Von der belangten Behörde blieb auch unberücksichtigt, dass eine (rechtzeitige) Anfahrt zu diesen Terminen und eine unmittelbar danach zu erfolgende Rückkehr zum Kanzleisitz bzw. Wahrnehmung weiterer Termine durch Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gewährleistet wäre. Es wird auch darauf hingewiesen, dass eine Verspätung bzw. Versäumung von Terminen durch die Einschreiterin mit Haftungs- und Kostenfolgen verbunden wäre. Stünde der Einschreiterin ihr Fahrzeug nicht jederzeit für die Dienstverrichtung zur Verfügung, weil sie dieses (nur um einen Teil der Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen zu müssen) außerhalb Wiens parken müsste, hätte Sie die ihr weisungsmäßig auferlegten Dienstverpflichtungen nicht verrichten können, was einen Arbeitsplatzverlust zur Folge gehabt hätte.
Aus den genannten Gründen war der Einschreiterin die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels daher an der überwiegenden Zahl ihrer Arbeitstage nicht möglich und auch nicht zumutbar.
Beweis: Bestätigung des Dienstgebers
2. Darüber hinaus blieb von der belangten Behörde unberücksichtigt, dass für den Zeitraum bis das große Pendlerpauschale vom Dienstgeber nicht ausbezahlt wurde.
Es ergeht daher der
ANTRAG
1. der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Abgabenbetrag um den zu viel vorgeschriebenen Betrag in Höhe von EUR 393,00 reduziert und das große Pendlerpauschale berücksichtigt sowie für den Zeitraum bis (gemeint ist wohl der ) ausbezahlt wird.
2. die Einhebung des Betrages in Höhe von EUR 393,00 gem. § 212a BAD auszusetzen."
Dem Finanzamt wurde auch eine Bestätigung des Wiener Dienstgebers, datiert mit vorgelegt, in der dieser ausführt:
"Meine Mitarbeiterin ***Bf1*** teilt mir mit, dass ihr Antrag auf Zuerkennung des großen Pendlerpauschales für den Zeitraum bis mit Einkommensteuerbescheid vom abgewiesen wurde.
Hiezu ist festzuhalten, dass die Aufgabenerfüllung in meiner Anwaltskanzlei entsprechend den Erfordernissen des Betriebes und nicht nach fixen Arbeitszeiten zu erfolgen hat. Zu den vom Finanzamt geforderten Aufzeichnungen ihrer Arbeitszeit ist meine Mitarbeiterin vertraglich nicht verpflichtet. Die genaue Lage der Arbeitszeit wird entsprechend dem Dienstvertrag ausnahmslos durch den Dienstgeber im Einzelfall entsprechend den Erfordernissen des Betriebes weisungsmäßig festgelegt.
Infolge der Erfordernisse des Dienstbetriebes war von meiner Mitarbeiterin seit Beginn ihrer Tätigkeit in meiner Kanzlei an der überwiegenden Zahl ihrer Arbeitstage eine Dienstzeit bis zumindest 20 Uhr einzuhalten.
Außerhalb des Kanzleisitzes bzw außerhalb von Wien stattfindende Termine waren von meiner Mitarbeiterin mit einem eigenen Fahrzeug zu absolvieren. Von meiner Kanzlei wird kein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt."
Am erließ das Finanzamt eine abweisende Berufungsvorentscheidung und begründete die Entscheidung wie folgt:
"Die Verwendung des KFZ für berufliche Fahrten ändert nichts an der pauschalen Beurteilung des Pendlerpauschales. Im Rahmen der Pauschalierung ist nur darauf abzustellen, ob ein öffentliches Verkehrsmittel grundsätzlich benutzbar wäre.
Die Einwände, dass die Wahrnehmung von diversen Terminen nicht planbar seien, eine Abhängigkeit von Terminen anderer Personen bestehe und die Benützung eines eigenen KFZ für die Dienstverrichtung notwendig sei und deswegen kein öffentliches Massenverkehrsmittel benützt werden könne, bezieht sich auf Dienstfahrten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und nicht auf die den Anspruch auf das Pendlerpauschale begründenden Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
Da auf der überwiegenden Strecke (Arbeitsort Wien - Bahnhof Eichgraben-Altlengbach) die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels grundsätzlich möglich wäre, ist die Berufung abzuweisen."
Die Bf. brachte sodann am einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an die II. Instanz ein, indem wie folgt ausgeführt wurde:
"Ergänzend sei ausgeführt, dass die Argumentation der Behörde nicht nachvollziehbar ist. Offensichtlich hat sich die Behörde nicht damit auseinandergesetzt, dass von der Antragstellerin Mehr- und Überstunden sowie Termine mit Mandanten nach 20 Uhr zu verrichten waren und ihr eine Heimfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln daher nicht möglich war. Entgegen den Ausführungen der Behörde besteht bei einer Abreise nach 20 Uhr keine öffentliche Verkehrsverbindung zum Wohnort der Einschreiterin.
Die Antragstellerin kann dementsprechend auch nicht verpflichtet werden, bis zum Bahnhof Eichgraben mit dem eigenen Fahrzeug zu fahren bzw. von dort aus mit dem eigenen Fahrzeug nach Hause zu fahren, befindet sich doch der nächstgelegenen Bahnhof im eigenen Wohnort der Antragstellerin (***1***) und ist zu Fuß zu erreichen. Die Verwendung eines eigenen Fahrzeuges für einen Teil der Wegstrecke (von/bis Bahnhof Eichgraben) kann der Antragstellerin daher von der Behörde nicht auferlegt werden.
Dem Gesetz ist auch nicht zu entnehmen, dass es der Behörde gestattet wäre, nach freiem Ermessen festzulegen, zu welchem Bahnhof mit einem eigenen Fahrzeug gefahren werden muss, überhaupt wenn der nächstgelegene Bahnhof im Wohnort der Antragstellerin liegt und, wie erwähnt, zu Fuß erreichbar ist. Folgte man der Ansicht der Behörde wäre es dieser möglich, durch entsprechende Auswahl der (zwingend) teilweise mit einem eigenen Fahrzeug und teilweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigenden Strecke das große Pendlerpauschale zu verwehren.
Richtigerweise hätte die Behörde davon auszugehen gehabt, dass der nächstgelegene Bahnhof am Wohnort der Antragstellerin (Bahnhof ***1***) gelegen ist und hätte keinen anderen Bahnhof (Bahnhof Eichgraben), der nur mit einem eigenen Fahrzeug erreichbar ist, festlegen dürfen, um die jederzeitige Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels fingieren zu können. Weiters hätte die Behörde zu berücksichtigen gehabt, dass bei einer Abreise aus Wien nach 20 Uhr keine öffentliche Verkehrsanbindung bis zum Wohnort der Antragstellerin (***1***) existiert und daher das große Pendlerpauschale zu gewähren gehabt. Ob auf der Strecke zwischen Wien - Eichgraben eine jederzeitige (auch nach 20 Uhr) öffentliche Verkehrsanbindung existiert, ist für die Beurteilung des konkreten Sachverhalts irrelevant.
Im Übrigen blieb von der Behörde weiterhin unberücksichtigt, dass für den Zeitraum bis das (von der Behörde zugestandene) große Pendlerpauschale vom Dienstgeber nicht ausbezahlt wurde und der Antragstellerin daher von der Behörde auszubezahlen gewesen wäre.
Es ergeht daher (erneut) der ANTRAG
1. der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Abgabenbetrag um den zu viel vorgeschriebenen Betrag in Höhe von EUR 393,00 reduziert und das große Pendlerpauschale berücksichtigt sowie für den Zeitraum 1.1 .2011 bis 31.3 .2011 ausbezahlt wird.
2. die Einhebung des Betrages in Höhe von EUR 393,00 gem. § 212a BAO auszusetzen."
Das Finanzamt legte die Beschwerde der II. Instanz zur Entscheidung vor.
Am langte am Bundesfinanzgericht ein Fristsetzungsantrag (eingereicht nur in einfacher Ausfertigung) betreffend der obigen Beschwerde ein. Beigelegt war ein Ausdruck des Pendlerrechners (erstellt , dieses Datum wurde durchgestrichen und "für 2011" händisch hinzugefügt), welchen die Bf. als Beweis für die Unzumutbarkeit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels im Jahre 2011 vorlegte. Auf diesem Ausdruck hat die Bf. angegeben, das keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen Behinderung vorliegt.
Das Bundesfinanzgericht erließ einen Beschluss über die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages mit der Aufforderung gemäß § 24 Abs. 3 VwGG drei Ausfertigungen einzubringen. Diesem Auftrag kam die Bf. nach.
Im Akt des Finanzamtes befand sich eine Fahrplanauskunft der ÖBB vom aus der ersichtlich ist, dass sowohl in den Morgen- als auch in den Abendstunden eine Fahrtmöglichkeit vom Wohnort zum Dienstort gegeben war, die unter 2 Stunden in Anspruch nahm:
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***1*** | 6:23 | |
Wien ***2*** (Zeit bis Ankunft Dienststelle, somit Fußweg und Fahrzeit U-Bahn miteingerechnet) | 8:14 | |
Dauer der Fahrt | 1 Stunde 51 Minuten |
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Wien ***2*** (Zeit ab Dienststelle, somit Fußweg und Fahrzeit U-Bahn miteingerechnet) | 17:21 | |
***1*** | 19:17 | |
Dauer der Fahrt | 1 Stunde 56 Minuten |
Das Finanzamt hat weiters eine Abfrage in der App www.anachb.at durchgeführt. Dabei ergaben sich mit nur geringen Unterschied die gleichen Ergebnisse, dieser ergab sich z.B. aus der Berücksichtigung des Fußweges am Wohnort. Die Fahrtzeiten (Fußweg, Bahn, U-Bahn…) betrugen am Morgen:
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Fußweg (Wohnung - Bahnhof) | 6 Minuten | |
***1*** | 6:23 | |
Wien ***2*** (Zeit bis Ankunft Dienststelle, somit Fußweg und Fahrzeit U-Bahn miteingerechnet) | 8:13 | |
Dauer der Fahrt | 1 Stunde 56 Minuten |
und abends:
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Wien ***2*** (Zeit ab Dienststelle, somit Fußweg und Fahrzeit U-Bahn miteingerechnet) | 17:18 | |
***1*** | 19:23 | |
Fußweg (Wohnung - Bahnhof) | 6 Minuten | |
Dauer der Fahrt | 2 Stunde 11 Minuten |
Im Zuge der Bearbeitung der Beschwerde wurden noch weitere Erhebungen durchgeführt:
Es gibt in Wilhelmsburg an der Traisen, in St. Pölten und in Eichgraben-Altlengbach Park and Ride Anlagen. Wobei die Fahrtzeit mit dem PKW zu den Bahnhöfen St. Pölten und Eichgraben-Altlengbach nur wenig differiert ( ***1*** - St. Pölten 46 Minuten, ***1*** - Eichgraben-Altlengbach 50 Minuten). Zwischen Wien und St. Pölten gibt es eine gut ausgebaute Bahnstrecke, mit Schnellzügen (Fahrtzeit ca. 40 Minuten), die auch noch am späten Abend (nach 20 Uhr) der Bf. die Heimreise, ermöglicht hätten.
Weiters wurde die Fahrtzeit bei Verwendung des KFZ für die Strecke Wohnung - Dienstort (Entfernung 63,7 km) erhoben. Diese beträgt laut ÖAMTC Routenplaner 1 Stunde 15 Minuten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt und ist den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen:
Die Bf. beantragte das große Pendlerpauschale für die Strecke Wohnung - Arbeitsstätte für insgesamt 11 Monate. Von Jänner bis Ende März war die Bf. in Zwettl beschäftigt. Die einfache Wegstrecke Wohnung - Dienstort betrug 105 km. Dafür wurde bei der Veranlagung das große Pendlerpauschale berücksichtigt (3.672 € / 12 Monate *3 Monate = 918 €).
Für die Monate Mai bis Dezember wurde ebenfalls das große Pendlerpauschale beantragt, für die Strecke Wohnung - Dienstort Wien (64 km). In der Veranlagung wurde das kleine Pendlerpauschale für die Strecken über 60 km gewährt (2.016 € / 12 Monate * 8 Monate = 1.344€).
Dies ergibt ein insgesamt gewährtes Pendlerpauschale in der Veranlagung von 2.262 €.
Strittig ist nun, ob für die Fahrten Wohnung - Dienstort (Wien) für die Monate Mai bis Dezember2011 auch das große Pendlerpauschale zusteht. Die Bf. gibt an keine geregelten Dienstzeiten zu haben und ihren privaten PKW für die Verrichtung ihrer Arbeit in Wien zu benötigen. Dies sei der Grund warum sie mit dem PKW nach Wien fahre. Weiters müsste sie späte Termine wahrnehmen und teilweise bis 20 Uhr arbeiten.
Rechtliche Beurteilung
§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 ist erstmalig bei der Veranlagung der Einkommensteuer (Lohnsteuer) für das Kalenderjahr 2011 anzuwenden.
Als Grundregel gilt nach lit. a, dass die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten sind.
Beträgt die einfache Fahrtstrecke mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, stehen - gestaffelt nach der Entfernung - zusätzliche Pauschbeträge zu - kleines Pendlerpauschale (lit. b).
Beträgt die einfache Fahrtstrecke mehr als 2 km und ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, stehen anstelle der Pauschbeträge nach lit. b - wiederum gestaffelt nach der Entfernung - höhere Pauschbeträge zu - großes Pendlerpauschale (lit. c).
Was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" im Sinn des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nvach der geltenden Verwaltungspraxis für den Streitzeitraum wird folgende Auslegung vertreten:
Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel nicht mehr als 90 Minuten beträgt.
Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls unzumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 2,5 Stunden beträgt.
Beträgt die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 90 Minuten, aber nicht mehr als 2,5 Stunden, ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so lange dauert wie die Fahrzeit mit dem Kfz.
Wie oben bereits ausgeführt wurde die Fahrtzeit mit dem PKW (1 Stunde 15 Minuten) für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Die dreifache Fahrtdauer würde 3 Stunden 45 Minuten betragen.
Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - im öffentlichen Interesse - nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden ().
Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XVII. GP, 75) ist die Zumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln auf Grund der Fahrzeiten zu prüfen: Unzumutbar seien im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit dem Massenbeförderungsmittel als mit dem eigenen Kfz; im Nahbereich von 25 km sei die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Eine Gesamtwegzeit (in einer Richtung) von eineinhalb Stunden wird aber nicht nur im Nahbereich, sondern allgemein als zumutbar anzusehen sein ( RV/0399-I/12).
Unzumutbarkeit liegt beispielsweise bei tatsächlicher Unmöglichkeit vor, wenn zumindest auf dem halben Arbeitsweg ein Massenverkehrsmittel überhaupt nicht oder nicht zur erforderlichen Zeit (Nachtarbeit) verkehrt. Unzumutbarkeit liegt auch wegen langer Anfahrtszeit vor. Wird bei einer einfachen Wegstrecke ab 40 km eine Wegzeit von 2,5 Stunden überschritten ist die Unzumutbarkeit gegeben. Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegt aber auch dann vor, wenn die Fahrt zur Arbeitsstätte und retour mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als drei Mal so lange dauert wie mit dem privaten Pkw.
Nach steht der Umstand, dass ein Teil der Gesamtwegstrecke nicht an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden und die Benützung eines Individualverkehrsmittels deshalb unerlässlich ist, der Annahme der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel so lange nicht entgegen, als der Anfahrtsweg bis zur Einstiegstelle des öffentlichen Verkehrsmittels zuzüglich sonstiger erforderlicher Gehwege bei ansonsten aber gegebener Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz weniger als die Hälfte der Gesamtwegstrecke beträgt. Bei Ermittlung der Gesamtwegzeit ist vom schnellsten verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel auszugehen und eine optimale Kombination von Massen- und Individualverkehrsmittel zu unterstellen ("park and ride"; ; RV/2403- W/08).
Nach im Akt des Finanzamtes enthaltenen Fahrplänen ist eine Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel sowohl am Morgen als auch am Abend möglich.
Die gesamte Wegzeit (Wohnort - Dienstort) einschließlich der Fahrtzeit mit dem öffentlichen Verkehrsmittel beträgt zwischen 1 Stunde 56 Minuten und 2 Stunden 11 Minuten (siehe Tabelle vorne). Berücksichtigt man noch einige Minuten Wartezeit kann man mit einer Gesamtfahrtzeit von ca. höchstens 2 Stunden 15 Minuten rechnen.
Für den Weg zur Arbeitsstätte kann aber auch eine Kombination aus Privatfahrzeug und Massenbeförderungsmittel verwendet werden. Als das schnellste verfügbare öffentliche Verkehrsmittel kann wohl die Schnellzugverbindung zwischen Wien und St. Pölten angesehen werden, wobei eine Fahrtzeit mit dem Bahn von ca. 40 Minuten einzurechnen ist und diese Verbindung am späten Abend, also nach Dienstschluss (20 Uhr) auch noch gewährleistet war. Rechnet man die Fahrtzeit mit dem PKW von St. Pölten zum Wohnort (oben bereits angeführt 46 Minuten) und die Wegzeit am Dienstort (geschätzt mit Wartezeiten 30 Minuten) hinzu, ergibt sich eine Gesamtfahrtzeit von 1 Stunde 56 Minuten.
Da die Bf. keine fixen Dienstzeiten hatte, wie in der Beschwerde ausgeführt, sind keine zusätzlichen Wartezeiten nach Dienstschluss bis zur nächsten Zugverbindung einzurechnen (gleich wie bei Gleitzeit).
Die Fahrtzeit mit dem PKW würde laut ÖAMTC Routenplaner 1 Stunde 15 Minuten betragen.
Angesichts der oben aufgezeigten Verkehrsverbindungen gelangte das Bundesfinanzgericht zur Überzeugung, dass die Bf. im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend (an mehr als der Hälfte ihrer Arbeitstage) auf weit mehr als dem halben Arbeitsweg zur erforderlichen Zeit ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung stand und damit im konkreten Fall Unzumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln wegen tatsächlicher Unmöglichkeit nicht vorliegt.
Ausschlaggebend ist, ob das öffentliche Verkehrsnetz benützt werden konnte, nicht von Bedeutung ist, ob es auch tatsächlich verwendet wurde.
Der Bf. ist einzuräumen, dass die Abhängigkeit von den Fahrzeiten öffentlicher Verkehrsmittel aus Sicht der jeweiligen Arbeitnehmerin unbefriedigend sein kann, doch liegt dies im - dem Gesetzgeber bekannten - Wesen öffentlicher Verkehrsmittel und führt diese Abhängigkeit allein noch nicht zur Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
Maßgebend ist, ob bei einer zumutbaren Gestaltung der Arbeitszeiten öffentliche Verkehrsmittel mit einer zumutbaren Gesamtwegzeit verwendet werden können ().
Hinsichtlich der von der Bf. angeführten Begründung das große Pendlerpauschale stehe zu, da das eigene KFZ für die Arbeitsverrichtung benötigt werde und daher damit auch den Arbeitsweg zurückgelegt wird, ist festzuhalten:
Der Verwaltungsgerichtshof hat bei Arbeitnehmern, die ihren eigenen PKW als Arbeitsmittel an der Arbeitsstätte für Dienstverrichtungen benötigen, entschieden, dass die Bestimmung der Pendlerpauschale nicht darauf abstellt, ob das private KFZ dem Steuerpflichtigen als Arbeitsmittel dient. Solcherart kommt es auf die konkreten den Steuerpflichtigen im Einzelfall treffenden Kosten zur Erreichung der Arbeitsstätte nicht an (). Nach der langjährigen Verwaltungspraxis ist das Berufserfordernis der Verwendung des eigenen KFZ als Arbeitsmittel am Arbeitsort für die Beurteilung der Zumutbarkeit eines öffentlichen Verkehrsmittels unmaßgeblich (LStR RZ 267f).
Auch der UFS vertrat zB in seinen Entscheidungen (RV/1697-W/03 zur Beförderung eines Diensthundes durch einen Diensthundeführer und RV/2159-W/09 Gepäcktransport durch eine Lehrerin) diese Rechtsansicht.
Wird also vom Arbeitnehmer ein eigenes KFZ verwendet, das auf Grund überwiegender beruflicher Nutzung als Arbeitsmittel anzusehen ist, ergibt sich nicht automatisch, dass die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels unzumutbar ist. Umgekehrt schließt dieser Umstand die Inanspruchnahme des Pendlerpauschales nicht aus. Maßgebend sind auch in diesem Fall die allgemeinen Kriterien ().
Der typisierende Unzumutbarkeitstatbestand der Pendlerpauschale stellt nämlich ausschließlich auf die erforderliche Fahrtdauer ab. Der Individuelle Umstand, dass die Bf. für ihre Berufstätigkeit ein privates KFZ benötigt, ist somit für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 nicht tatbestandsrelevant.
Auch liegt nach eigener Angabe der Bf. keine Unzumutbarkeit wegen Behinderung vor.
Da nach Ansicht des BFG im gegenständlichen Fall die Verwendung öffentlicher Massenverkehrsmittel für den Arbeitsweg zumutbar ist, bestand daher im Zeitraum Mai bis Dezember nur Anspruch auf das "kleine" Pendlerpauschale für die Wegstrecke über 60 km.
Für den Zeitraum Jänner bis März wurde bereits im Erstbescheid das große Pendlerpauschale berücksichtigt.
Zur Anwendbarkeit der Pendlerverordnung :
§ 5 der Pendlerverordnung, BGBl II 276/2013, lautet folgendermaßen (Fettdruck durch das Bundesfinanzgericht):
"(1) Diese Verordnung ist vorbehaltlich des Abs. 2 anzuwenden, wenn
1. die Einkommensteuer veranlagt wird, erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2014,
2. die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben oder durch Veranlagung festgesetzt wird, für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden.
Wie sich aus der oben zitierten Bestimmung des § 5 der Pendlerverordnung ergibt, sind die Pendlerverordnung sowie die Berechnungen des durch diese eingerichteten Pendlerrechnerserstab dem Jahr 2014 anwendbar.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Es wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die Beurteilung der Frage, in welchem Umfang das Pendlerpauschale zusteht, erfolgte im Einklang mit der in der Entscheidung dargestellten Judikatur.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 5 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100196.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at