Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.07.2020, RV/5100743/2019

Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben einer in Deutschland unselbständig beschäftigten Person

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***EM***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Beiträge u. Abgabe von land- u. forstwirtschaftl. Betrieben 2013 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebes in ***M***.

Im Februar 2015 stellte die Bf. elektronisch einen Antrag auf Rückerstattung von Beiträgen gemäß § 44 FLAG. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Braunau Ried Schärding den Antrag betreffend die Rückerstattung der Beiträge ab. In der Beschwerde vom wurde eingewendet, dass die gemäß § 44 FLAG einbehaltenen Beiträge rückzuerstatten seien, weil Österreich nicht berechtigt gewesen sei, diese einzuheben, wenn in Deutschland Sozialversicherungspflicht bestehe. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Braunau Ried Schärding die Beschwerde als unbegründet ab. Mit Eingabe vom stellte die Bf. einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und beantragte wiederum die volle Rückerstattung ihrer Sozialversicherungsbeiträge, die gemäß § 44 FLAG einbehalten wurden. Mit Erkenntnis vom , RV/5101603/2016 hat das Bundesfinanzgericht den angefochtenen Bescheid aufgehoben.

Am erließ das Finanzamt Braunau Ried Schärding einen Bescheid über Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben .

Der Spruch lautet:
Die Beiträge und die Abgabevon dem unter dem Einheitswert-Aktenzeichen ***XX*** erfassten Grundbesitz werden für 2013 festgesetzt mit 1.059,96 €. Bisher waren vorgeschrieben: 1.140,26 €

Berechnung:
Zuletzt festgestellter Grundsteuermessbetrag: 64,24 €


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Hebesatz in %
600
Beiträge zur Unfallversicherung der SVA der Bauern
300
Landwirtschaftskammerumlage
750
Gesamthebesatz
1.650
Jahresbeitrag
1.059,96 €

Begründung:
Den Ausführungen des BFG-Erkenntnisses vom , RV/5101603/2016, folgend bestand für den Zeitraum bis keine Verpflichtung zur Leistung eines Beitrags von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gemäß § 44 FLAG. Für die Erhebung des Beitrages ist das Finanzamt zuständig, das für Zwecke der Grundsteuer den Messbetrag festzusetzen hat; die Bestimmungen des Grundsteuergesetzes 1955 (GrStG) finden sinngemäß Anwendung (§ 44 Abs. 2 FLAG). Wie aus dem Sachverhalt hervorgeht, erging vor Jahren (vermutlich 1990) ein Abgabenbescheid, mit dem der Beitrag gemäß § 44 FLAG vorgeschrieben wurde. Da die Bestimmungen des Grundsteuergesetzes sinngemäß auch für den Beitrag nach § 44 FLAG anzuwenden sind, gilt die Abgabenfestsetzung auch für die folgenden Jahre, soweit nicht infolge einer Änderung der Voraussetzungen für die Festsetzung ein neuer Abgabenbescheid zu erlassen ist (§ 44 Abs. 2 FLAG iVm § 28 Grundsteuergesetz). Mit Eingabe vom stellte die Abgabenschuldnerin unter Darlegung des Sachverhalts einen Antrag auf Wiederaufnahme bzw. in eventu auf Wiedereinsetzung des Verfahrens und auf Gutschrift der zu Unrecht vorgeschriebenen und einbehaltenen Beträge inklusive der vorgesehenen Verzinsung auf ihr Konto. Diese Eingabe wurde vom Finanzamt als Rückerstattungsantrag gewertet und mit Bescheid vom ausgesprochen, dass der Antrag abzuweisen sei. Mit dem oa Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht diesen Bescheid auf.

Die weiteren Ausführungen in der Begründung betrafen nicht im Spruch angeführte:
Wiederaufnahme-, Wiedereinsetzungsanträge sowie Festsetzungs- und Verjährungsbestimmungen nach den §§ 28 und 28b Grundsteuergesetz.

Mit Schreiben vom wurde gegen den Bescheid vom über die Festsetzung der Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben für das Jahr 2013 Beschwerde erhoben und die volle Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge, die gemäß § 44 FLAG einbehalten wurden, beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Bescheid über Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben für das Jahr 2013 - wie folgt -als unbegründet abgewiesen:

Von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben werden folgende Abgaben und Beiträge erhoben:

Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gemäß Bundesgesetz vom über eine Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (AbglufBG ), BGBl. Nr. 166/1960 , igF
Der Hebesatz beträgt ab 600 Prozent des Grundsteuermessbetrages.

Beiträge von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen nach § 39 iVm nach § 44 Familienlastenausgleichsgesetz, BGBl. Nr. 376/1967 , igF
Der Hebesatz beträgt 125 Prozent des Grundsteuermessbetrages.

Beiträge zur Unfallversicherung nach § 30 Abs. 3 (Zuschlag gemäß § 22 Abs. 2 lit b) Bauern- Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 559/1978 , igF
Der Hebesatz beträgt 300 Prozent des Grundsteuermessbetrages.

Kammerumlage an die Landwirtschaftskammer nach dem jeweiligen Landesgesetz
Der Hebesatz beträgt in Oberösterreich 750 Prozent des Grundsteuermessbetrages.

Der Grundsteuermessbetrag beträgt im vorliegenden Fall 64,24 €.

Die Abgabe und die Beiträge sind daher wie folgt zu berechnen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe von L+F Betrieben:
64,24 x 600%
385,44
Beitrag gemäß § 44 FLAG
64,24 x 125%
80,30
Unfallversicherung
64,24 x 300%
192,72
Kammerumlage
64,24 x 750%
481,80
Gesamt:
1.140,26 €

Der Beitrag gemäß § 44 FLAG beträgt daher im Jahr 2013 80,30 €. Nur für diese Abgabe gab es für den Zeitraum vom bis eine Befreiung (siehe RV/5101603/2016 ). Dem Begehren wurde mit dem angefochtenen Bescheid Rechnung getragen, indem der Betrag von 80,30 € nicht mehr angesetzt wurde.

Am wurde elektronisch ein Vorlageantrag eingebracht. Der Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht richtete sich ua gegen die Beschwerdevorentscheidung vom . Beantragt wurde nochmals die volle Rückerstattung aller Sozialversicherungsbeiträge, die 2007 - 2013 einbehalten wurden. Für den Zeitraum 2013 (mit angefochtenen Bescheid vom ): Pensionsbeiträge als Abgabe von L+F Betrieben mit 600% Hebesatz = 256,96 € sowie Beiträge zur Unfallversicherung der SVB mit 300% Hebesatz = 128,48 €, insgesamt jährlich 578,16 €.

Mit Vorlagebericht vom legte die Abgabenbehörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Bezüglich der rechtlichen Ausführungen wurde auf das BFG-Erkenntnis vom , RV/5101603/2016 verwiesen.
Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung laut Zustellnachweis am in den Briefkasten eingeworfen wurde und als Beginn der Abholfrist der vermerkt ist. Der Vorlageantrag ist über die Anfragedatenbank aber erst am Dienstag, übermittelt worden. Der Vorlageantrag wäre daher als verspätet zurückzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Grundsätzliches zur Beschwerde und zum Vorlagebericht

Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat ein Bescheid einen Spruch zu enthalten. Der Spruch ist die Willenserklärung der Behörde. Aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beiträge und die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben für das Jahr 2013 festgesetzt wurden. Die Abgabenbehörde hat im Vorlagebricht vom nur diesen angefochtenen Bescheid dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Diese Vorgangsweise wurde von der zuständigen Bearbeiterin der Abgabenbehörde bestätigt. Mit dem Vorlagebericht ist die Zuständigkeit der Abgabenbehörde weggefallen und das Bundesfinanzgericht für die Erledigung der gegenständlichen Beschwerde zuständig. Für allfällige weitere bei der Abgabenbehörde anhängige Verfahren liegt beim Bundesfinanzgericht keine Zuständigkeit vor.

Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages

Die Abgabenbehörde wendet im Vorlagebericht ein, dass der Vorlageantrag verspätet eingereicht wurde und daher als verspätet zurückzuweisen wäre. Das Bundesfinanzgericht hat der Bf. die offensichtliche Verspätung ihres Vorlageantrages vorgehalten und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (vgl. Ritz, BAO -Kommentar, § 260, Tz 21, mwN). Mit Schreiben vom teilte die Bf. mit, dass sie sich nachweisbar vom 14. - in der Schweiz aufgehalten habe und erst am mit ihrem Gatten an den Hauptwohnsitz zurückgekehrt sei.
Als Beweismittel legte die Bf. personifizierte Bahntickets vor. Die Bf. kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie einwendet, dass ihr die Zustellung erst am Tag der Rückkehr an die Abgabestelle, somit frühestens am zur Kenntnis gelangte und somit am wirksam wurde (vgl. Ritz, aaO, § 17, Tz 18 ff).
Nach Feststellung des Bundesfinanzgerichtes ist demnach der Vorlageantrag vom fristgerecht erfolgt.

Festgestellter Sachverhalt

Zum Sachverhalt wird auf das BFG-Erkenntnis RV/5101603/2016 vom verwiesen:

Die Bf. ist Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebes in ***M***. Sie stellte am elektronisch an das Finanzamt Braunau Ried Schärding folgenden Antrag:

"Ich war gemäß folgender Bestätigung der SV der Bauern (separates Schreiben vom ) vom bis trotz Führen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit einem Einheitswert über der Pflichtversicherungsgrenze nach dem BSVG auf Grund meiner unselbständigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland nach deutschen Rechtsvorschriften sozialversichert. Gemäß VwGH-Erkenntnis vom , 2001/15/0033, zu FLAG § 44 Abs. 1 lit. a unterlag ich gemäß VO Nr. 1408/71 bzw. der Rechtsnachfolge-VO Art. 13 Abs. 3 VO (EG) 883/04. Die Vorschreibung von SV-Beiträgen nach österreichischen Rechtsvorschriften (hier nach § 44 FLAG) erfolgte rechtswidrig. Ich ersuche um entsprechende Wiederaufnahme bzw. in eventu um Wiedereinsetzung des Verfahrens und um Gutschrift der zu Unrecht vorgeschriebenen und einbehaltenen Beträgen inklusive der vorgesehenen Verzinsung auf mein Konto."

Auf telefonische Anfrage des Richters gab die für den Pensionsakt der Bf. zuständige Sachbearbeiterin der Sozialversicherungsanstalt der Bauern bekannt:
Die Bf. bezieht seit eine Pension (vorzeitige Alterspension) der Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 406 Versicherungsmonate, die alle vor dem erworben wurden. Zwischen und war sie bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern nicht pensions- und krankenversichert. Sie hat in diesem Zeitraum auch keine freiwilligen Beiträge geleistet.

4. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt wurde aus dem unwidersprochen gebliebenen BFG-Erkenntnis RV/5101603/2016 vom übernommen. In diesem Erkenntnis erfolgte die Beweiswürdigung aufgrund des Vorbringens der Bf., der vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Akten sowie der Auskunft der für den Pensionsakt der Bf. zuständigen Sachbearbeiterin der Sozialversicherungsanstalt der Bauern.

5. Rechtslage

Artikel 13 der EU Verordnung 883/2004(Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten) lautet:

Abs. 1) Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt, unterliegt
a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt oder wenn sie bei mehreren Unternehmen oder Arbeitgebern beschäftigt ist, die ihren Sitz oder Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, oder
b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem das Unternehmen oder der Arbeitgeber, das bzw. der sie beschäftigt, seinen Sitz oder Wohnsitz hat, sofern sie keinen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit in dem Wohnmitgliedstaat ausübt.

Abs. 2) Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt
a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt oder
b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten befindet, wenn sie nicht in einem der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt.

Abs. 3) Eine Person, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie eine Beschäftigung ausübt, oder, wenn sie eine solche Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den nach Abs. 1 bestimmten Rechtsvorschriften.

Abs. 5) Die in den Absätzen 1 bis 4 genannten Personen werden für die Zwecke der nach diesen Bestimmungen ermittelten Rechtsvorschriften so behandelt, als ob sie ihre gesamte Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat ausüben und dort ihre gesamten Einkünfte erzielen würden.

Artikel 14 der Verordnung 883/2004 (Freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung) lautet:

Abs. 1) Die Artikel 11 bis 13 gelten nicht für die freiwillige Versicherung oder die freiwillige Weiterversicherung, es sei denn, in einem Mitgliedstaat gibt es für einen der in Artikel 3 Abs. 1 genannten Zweige nur ein System der freiwilligen Versicherung.

Abs. 2) Unterliegt die betreffende Person nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Pflichtversicherung in diesem Mitgliedstaat, so darf sie in einem anderen Mitgliedstaat keiner freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung unterliegen. In allen übrigen Fällen, in denen für einen bestimmten Zweig eine Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Systemen der freiwilligen Versicherung oder der freiwilligen Weiterversicherung besteht, tritt die betreffende Person nur dem System bei, für das sie sich entschieden hat.

Abs. 3) Für Leistungen bei Invalidität, Alter und an Hinterbliebene kann die betreffende Person jedoch auch dann der freiwilligen Versicherung oder der freiwilligen Weiterversicherung eines Mitgliedstaats beitreten, wenn sie nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats pflichtversichert ist, sofern sie in der Vergangenheit zu einem Zeitpunkt ihrer beruflichen Laufbahn aufgrund oder infolge einer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats unterlag und ein solches Zusammentreffen nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats ausdrücklich oder stillschweigend zugelassen ist.

Abs. 4) Hängt nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats das Recht auf freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung davon ab, dass der Berechtigte seinen Wohnort in diesem Mitgliedstaat hat, so gilt die Gleichstellung des Wohnorts in einem anderen Mitgliedstaat nach Artikel 5 Buchstabe b ausschließlich für Personen, die zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats unterlagen, weil sie dort eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt haben.

Gemäß § 44 Abs. 1 FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz) ist der Beitrag von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben

a) von allen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Grundsteuergesetzes 1955 , BGBl. Nr. 149,
b) von Grundstücken im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 2 des Grundsteuergesetzes 1955 , soweit es sich um unbebaute Grundstücke handelt, die nachhaltig land- und forstwirtschaftlich genutzt werden,
im Ausmaß von 125 v.H. der Beitragsgrundlage zu entrichten. Die Beitragsgrundlage hinsichtlich der in lit. a angeführten Betriebe ist der für Zwecke der Grundsteuer ermittelte Messbetrag. Hinsichtlich der in lit. b angeführten Grundstücke bildet die Beitragsgrundlage ein besonderer Messbetrag, der sich nach den Vorschriften des Grundsteuergesetzes 1955 ergeben würde, wenn das Grundstück als land- und forstwirtschaftliches Vermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes bewertet worden wäre.

Nach Abs. 2 ist für die Erhebung des Beitrages gemäß Abs. 1 das Finanzamt zuständig, das für Zwecke der Grundsteuer den Messbetrag festzusetzen hat; die Bestimmungen des Grundsteuergesetzes 1955 finden sinngemäß Anwendung. Die Beiträge sind von dem Grundstückseigentümer zu entrichten.

Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gemäß Bundesgesetz vom über eine Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (AbglufBG ), BGBl. Nr. 166/1960 , igF
Der Hebesatz beträgt ab 600 Prozent des Grundsteuermessbetrages.

Beiträge zur Unfallversicherung nach § 30 Abs. 3 (Zuschlag gemäß § 22 Abs. 2 lit b) Bauern-Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 559/1978, igF
Der Hebesatz beträgt 300 Prozent des Grundsteuermessbetrages.

Kammerumlage an die Landwirtschaftskammer nach dem jeweiligen Landesgesetz
Der Hebesatz beträgt in Oberösterreich 750 Prozent des Grundsteuermessbetrages.

6. Erwägungen

Strittig ist die Festsetzung der Beiträge und Abgabe für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (Grundbesitz) der Bf. Die Bf. begehrt die volle Rückerstattung aller einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge.

Die Zuständigkeit des Finanzamtes Braunau Ried Schärding wurde weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag bestritten. Das Bundesfinanzgericht hat im Erkenntnis vom , RV/5101603/2016 zur Zuständigkeit der bescheiderlassenden Abgabenbehörde festgehalten:

"Nach § 44 Abs. 2 FLAG 1967 ist für die Erhebung des Beitrages von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Ausmaß von 125 v.H. der Beitragsgrundlage gemäß Abs. 1 (der für Zwecke der Grundsteuer ermittelte Messbetrag) das Finanzamt zuständig, das für Zwecke der Grundsteuer den Messbetrag festzusetzen hat. Im beschwerdegegenständlichen Fall war also das Finanzamt Braunau Ried Schärding (als Lagefinanzamt) jedenfalls dafür zuständig, über die Beitragspflicht nach § 44 Abs. 2 FLAG zu entscheiden. Die Zuständigkeit der Sozialversicherungsanstalt der Bauern zur Vorschreibung von Pensions- und Krankenversicherungsbeiträgen bzw. zur Nichtvorschreibung von solchen Beiträgen aufgrund von Artikel 13 der EU Verordnung 883/2004 führt nicht dazu, dass sie auch zur Entscheidung darüber zuständig wird, ob eine Beitragspflicht nach § 44 Abs. 2 FLAG besteht. Die Entscheidung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern betreffend die Vorschreibung von Pensions- und Krankenversicherungsbeiträgen bzw. die Nichtvorschreibung von solchen Beiträgen ist aber als Vorfrage im verwaltungsbehördlichen Verfahren vor der Abgabenbehörde zu beurteilen. Aus der Zuständigkeit des Finanzamtes ergibt sich gemäß § 1 BFGG (Bundesfinanzgerichtsgesetz ) auch die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur inhaltlichen Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde."

Zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit wird ebenfalls auf das BFG-Erkenntnis vom , RV/5101603/2016 verwiesen:

"Nach dem Erkenntnis des 2011/15/0033 , sind Beiträge von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (innerstaatliche) Abgaben iSd F-VG. Der Umstand, dass eine Abgabe nach nationalem Recht als Steuer qualifiziert wird, bedeutet nicht, dass sie nicht in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen kann (vgl. C-103/06 , Derouin, Randnr. 22). Da (ua) mit diesen Beiträgen die Mittel des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen aufgebracht werden, vom Ausgleichsfonds der Aufwand für die nach dem FLAG vorgesehenen Beihilfen und sonstigen Maßnahmen getragen wird und es sich hiebei schon im Hinblick auf die Erklärung Österreichs jedenfalls um Rechtsvorschriften über einen Zweig der sozialen Sicherheit iSd Artikels 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 handelt, wird diese Abgabe speziell für die Finanzierung eines Systems der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats verwendet. Die Verordnung Nr. 1408/71 ist daher auf diese Abgabe anwendbar.

Aus dem Erkenntnis des 2011/15/0033 , ergibt sich, dass auch die Nachfolge-Verordnung der Verordnung Nr. 1408/71 , die EU Verordnung Nr. 883/2004 auf den hier strittigen Beitrag von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben anwendbar ist.

Nach Artikel 13 Abs. 3 der EU-Verordnung 883/2004 unterliegt eine Person, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem die betreffende Person eine Beschäftigung ausübt.

Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gelten im Sinne der EU-Verordnung 883/2004 als selbständige Erwerbstätigkeit (vgl. 2011/15/0033 ), weshalb grundsätzlich die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates anzuwenden sind, in dem sie eine Beschäftigung ausübt. Auf die Höhe der Einkünfte kommt es nicht an. Auch wenn die Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit wesentlich höher sind als aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit, sind die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates anzuwenden, in dem die betreffende Person eine Beschäftigung ausübt.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist in Artikel 14 der genannten EU-Verordnung geregelt und betrifft die freiwillige Versicherung und die freiwillige Weiterversicherung.

Es war daher erforderlich, eine entsprechende Anfrage an die für die Kranken- und Pensionsversicherung zuständige Sozialversicherungsanstalt der Bauern zu richten, ob die Bf. in den strittigen Jahren freiwillig weiterversichert war. Nach Auskunft der Sozialversicherungsanstalt der Bauern war die Bf. zwischen und bei ihr nicht pensions- und krankenversichert. Da die Bf. also in diesem Zeitraum keine Beiträge zur Pensions- und Krankenversicherungsbeiträge leistete, bestand nach der oben angeführten Rechtslage auch keine Verpflichtung, den hier strittigen Beitrag von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gemäß § 44 Abs. 2 FLAG zu leisten."

Gegenstand der Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sind die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe bzw. nachhaltig land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke im Grundvermögen. Ob tatsächlich Einkünfte aus dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen erzielt werden, ist für die Abgabe nicht von Bedeutung (vgl. ).

Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe ist zusätzlich zum Unfallversicherungsbeitrag an die Sozialversicherungsanstalt der Bauern für alle land- und forstwirtschaftlichen Betriebe bzw. nachhaltig land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke ein Zuschlag in einem Hundertsatz der Beitragsgrundlage als Abgabe an das Finanzamt zu entrichten. Beitragsgrundlage ist nicht der Unfallversicherungsbeitrag an die SVA, sondern wie bei den anderen Abgaben von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben der für Zwecke der Grundsteuer ermittelte Messbetrag. Der Zuschlag ist unabhängig von einer Versicherungs- und Beitragspflicht des Betriebsführers in der Unfallversicherung vom Grundeigentümer zu entrichten.

Von den Eigentümern land- und forstwirtschaftlicher Betriebe bzw. nachhaltig land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke im Grundvermögen ist eine von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich hohe Landwirtschaftskammerumlage zu entrichten, wenn der Betrieb eine bestimmte Mindestgröße erreicht und daher eine Mitgliedschaft bei der Landwirtschaftskammer nach den jeweiligen Landesgesetzen besteht.

Die zuständige Abgabenbehörde hat im Bescheid vom die Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben unter Bezugnahme auf das oben angeführte BFG-Erkenntnis mit 1.059,96 € festgesetzt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass für den Zeitraum bis keine Verpflichtung zur Leistung eines Beitrags von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gemäß § 44 Abs. 2 FLAG bestand. Aus der Begründung der abweisenden Beschwerdevorentscheidung geht zusätzlich hervor, dass der nicht zu leistende Beitrag gemäß § 44 Abs. 2 FLAG für 2013 80,30 € beträgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Beitrag gemäß § 44 FLAG
64,24 x 125%
80,30 €

Das Finanzamt hat die Beiträge und Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zu Recht unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen wie folgt festgesetzt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
64,24 x 600%
385,44 €
Zuschlag zum Unfallversicherungsbeitrag
64,24 x 300%
192,72 €
Kammerumlage
64,24 x 750%
481,80 €
Gesamt:
1.059,96 €

Die Bf. leitet ihren Rückerstattungsanspruch ua aus dem VwGH-Erkenntnis vom , 2011/15/0033 ab. Zusammengefasst hat der VwGH erkannt: "Da die Bf. sowohl in Deutschland als auch in Österreich eine selbständige Tätigkeit ausübt und in Deutschland wohnt, unterliegt sie nach der VO (EWG) Nr. 1408/71 ausschließlich den deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit. Die Vorschreibung von Sozialversicherungsbeiträgen nach österreichischen Rechtsvorschriften (hier nach § 44 FLAG) erweist sich sohin als rechtswidrig."

Für das Bundesfinanzgericht lässt sich aus diesem Erkenntnis (mit einem nicht gleichartigen Sachverhalt) keinesfalls der Schluss ziehen, dass im beschwerdeanhängigen Fall die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie der Zuschlag zum Unfallversicherungsbeitrag rechtswidrig festgesetzt wurden. Für diese Abgabe und diesen Beitrag liegt keine Befreiung vor. Zudem war die Bf. im Zeitraum zwischen und bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern weder pensions- noch krankenversichert.

Dem Beschwerdebegehren auf Erstattung von Pensionsbeiträgen als Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie von Beiträgen zur Unfallversicherung iHv insgesamt 578,16 € konnte somit nicht entsprochen werden.

7. zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Rechtsfolgen aus dem Gesetz und der bestehenden Rechtsprechung. Diese schlichte Rechtsanwendung berührt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Revision ist nicht zulässig.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 44 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
AbglufBG, Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, BGBl. Nr. 166/1960
BSVG, Bauern-Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 559/1978
Verweise

BFG, RV/5101603/2016
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100743.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at