zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.07.2020, RV/3100452/2018

Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2011

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache der Bf., vertreten durch die Nöckl & Partner Steuerberatungs KG, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes AB vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2016, Steuernummer 123, Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Abgabepflichtige führte einen Gastgewerbebetrieb in der Form eines Einzelunternehmens. Anlässlich einer Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO stellte der Prüfer fest, dass im Wirtschaftsjahr 2006/07 ein Um- und Zubau zum bestehenden Betriebs- und Geschäftsgebäude mit Herstellungskosten von 1,350.023,14 € vorgenommen worden sei. Die Abschreibung dieses nachträglichen Herstellungsaufwandes sei der verbleibenden Restnutzungsdauer des Betriebs- und Geschäftsgebäudes angepasst worden, die Restnutzungsdauer sei demnach mit 8,83 Jahren ermittelt worden (AfA-Satz 11,33 %). Im Wirtschaftsjahr 2006/07 sei eine Halbjahres-AfA von 76.478,81 €, in den folgenden Wirtschaftsjahren eine Ganzjahres-AfA von jeweils 152.957,62 € geltend gemacht worden.

Im Zuge der Außenprüfung wurde weiters festgestellt, dass der "Um- und Zubau Gästezimmer" die Aufstockung eines dritten Obergeschosses und einer Betriebswohnung im Dachgeschoss betroffen habe. Der nachträgliche Herstellungsaufwand sei als eigenständiger Gebäudeteil anzusehen, wofür sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (und damit die AfA) nach den allgemeinen Bestimmungen des § 8 Abs. 1 EStG 1988 bemesse (Hinweis auf EStR 2000 Rz 3164). Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für diese Zusatzinvestitionen betrage demnach 33,33 Jahre (AfA-Satz 3 %), die Abschreibung dafür belaufe sich auf 20.250,35 € (Halbjahres-AfA im Wirtschaftsjahr 2006/07) und 40.500,69 € (Ganzjahres-AfA in den folgenden Wirtschaftsjahren). Die Differenz zu den für den nachträglichen Herstellungsaufwand geltend gemachten AfA-Beträgen sei in den Veranlagungsjahren ab 2011 gewinnerhöhend anzusetzen.

Hinsichtlich der bereits verjährten Veranlagungsjahre 2007 bis 2010 seien die überhöhten Abschreibungen für den nachträglichen Herstellungsaufwand im Jahr 2011, somit im ersten noch nicht verjährten Veranlagungsjahr, durch einen entsprechenden Zuschlag gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu berichtigen; der Gewinnzuschlag betrage 393.599,24 € (vgl. Tz 1 des Bp-Berichtes vom , ABNr. abc, iVm Pkt. 2 der Prüfungsfeststellungen).

2. Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ am - nach Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO bzw. Aufhebung gemäß § 299 BAO - neue Bescheide ua. betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2016, wobei begründend auf die Prüfungsfeststellungen verwiesen wurde.

3. Gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2016 erhob die Abgabepflichtige am fristgerecht Beschwerde, die sich gegen den Ansatz des Gewinnzuschlages gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 von 393.599,24 € im Veranlagungsjahr 2011 richtete. § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in Verbindung mit der Übergangsbestimmung des § 124b Z 225 EStG 1988 stelle eine Norm des materiellen Einkommensteuerrechts dar. Gewinnzuschläge könnten daher erst ab dem Inkrafttreten des § 124b Z 225 EStG 1988, somit ab dem , Anwendung finden. Diesbezüglich verwies die Abgabepflichtige auch auf ihre Stellungnahme zu den Prüfungsfeststellungen vom . Zur Untermauerung ihres Vorbringens verwies sie auf die in der Literatur vertretene Rechtsansicht, wonach eine Inanspruchnahme iSd § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 erst ab dem erfolgen könne (Hinweis auf Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 17 (), § 4 Tz 167; Jakom/Marschner, EStG, § 4 Rz 221; Hirschler/Stückler in Zöchling/Lachmayer/Kirchmayr/Mayr/Hirschler, Aktuelle Fragen der Konzernbesteuerung, 2016, 71 ff). Die Abgabepflichtige verwies auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, Rn 11, und die diesem Erkenntnis zugrunde liegende Entscheidung ).

Da im Veranlagungsjahr 2011 ein Gewinnzuschlag gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 nicht zu erfassen sei, änderten sich auch die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012, 2013 und 2016; im Hinblick auf die sich ergebenden Verlustvorträge und verrechenbaren IFB-Verluste seien die steuerpflichtigen Einkommen in diesen Jahren zu berichtigen.

4. In der Beschwerde vom stellte die Abgabepflichtige auch den Antrag gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO auf Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und Direktvorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Das Finanzamt legte die gegenständliche Beschwerde mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor.

II. Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin (Bf.) führte das Hotel " X" in der Form eines Einzelunternehmens. Der Gewinn aus diesem Gewerbebetrieb wurde gemäß § 5 EStG 1988 für ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr (1. Oktober bis 30. September) ermittelt. Im Wirtschaftsjahr 2006/07 wurde ein Um- und Zubau zum bestehenden Betriebs- und Geschäftsgebäude vorgenommen, wobei sich die Herstellungskosten auf 1,350.023,14 € beliefen.

Diese Herstellungskosten wurden zum als nachträglicher Herstellungsaufwand aktiviert und als "Um- und Zubau Gästezimmer" in das Anlagenverzeichnis aufgenommen (Konto 300 "Betriebs- und Geschäftsgebäude auf Eigengrund", Position 33). Die Abschreibung dieses nachträglichen Herstellungsaufwandes wurde von der Bf. der verbleibenden Restnutzungsdauer des Betriebs- und Geschäftsgebäudes angepasst, die Restnutzungsdauer wurde demnach mit 8,83 Jahren ermittelt (AfA-Satz 11,33 %). Im Wirtschaftsjahr 2006/07 wurde für diesen Aufwand eine Halbjahres-AfA von 76.478,81 €, in den folgenden Wirtschaftsjahren eine Ganzjahres-AfA von jeweils 152.957,62 € gewinnmindernd abgesetzt.

2. Der im Wirtschaftsjahr 2006/07 erfolgte "Um- und Zubau Gästezimmer" betraf die Aufstockung eines dritten Obergeschosses und einer Betriebswohnung im Dachgeschoss. Der nachträgliche Herstellungsaufwand stellt - unbestritten - einen eigenständigen Gebäudeteil dar. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (und damit die AfA) für diese Zusatzinvestitionen bemisst sich daher nach den allgemeinen Bestimmungen des § 8 Abs. 1 EStG 1988 und beträgt in den Streitjahren 33,33 Jahre (AfA-Satz 3 %). Die Abschreibung für diesen nachträglichen Herstellungsaufwand ist daher - ebenfalls unbestritten - auf 20.250,35 € (Halbjahres-AfA im Wirtschaftsjahr 2006/07) und 40.500,69 € (Ganzjahres-AfA in den folgenden Wirtschaftsjahren) zu berichtigen.

3. Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich aus dem gesamten, vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Akteninhalt. Von der Bf. wurde nicht bestritten, dass im Hinblick auf den im Wirtschaftsjahr 2006/07 getätigten nachträglichen Herstellungsaufwand die Differenz zwischen den geltend gemachten und den gemäß § 8 Abs. 1 EStG 1988 zustehenden AfA-Beträgen in den Veranlagungsjahren ab 2011 gewinnerhöhend anzusetzen ist.

Streit besteht einzig darüber, ob die für den nachträglichen Herstellungsaufwand in den - bereits verjährten - Veranlagungsjahren 2007 bis 2010 vorgenommenen überhöhten Abschreibungen im Jahr 2011 (Ansicht des Finanzamtes), somit im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungsjahr, oder im Hinblick auf § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 iVm § 124b Z 225 EStG 1988 (frühestens) im Jahr 2013 (Ansicht der Bf.) durch einen entsprechenden Zuschlag gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu berichtigen sind.

III. Rechtslage

§ 4 Abs. 2 EStG 1988 in der ab dem anzuwendenden Fassung des AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, hat folgenden Wortlaut:

"Die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) ist nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erstellen. Nach Einreichung der Vermögensübersicht beim Finanzamt gilt Folgendes:

1. Eine Änderung der Vermögensübersicht ist nur mit Zustimmung des Finanzamts zulässig (Bilanzänderung). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Änderung wirtschaftlich begründet ist.

2. Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen (Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:

- Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden.

- Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.

- Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung ."

§ 124b Z 225 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, hat folgenden Wortlaut:

"§ 4 Abs. 2 und 3 und § 28 Abs. 7, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2012 , treten mit in Kraft und sind erstmals auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen."

§ 124b Z 225 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, hat folgenden Wortlaut:

"§ 4 Abs. 2 und 3 und § 28 Abs. 7, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2012 , treten mit in Kraft und sind erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen."

IV. Erwägungen

1. Nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in der ab dem anzuwendenden Fassung des AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, sind unrichtige Bilanzansätze - unverändert - an der Wurzel zu berichtigen. Dabei wird dem Grundsatz der richtigen Totalgewinnermittlung insoweit Rechnung getragen, als eine steuerwirksame Berücksichtigung von Fehlern, die ihre Wurzel in bereits verjährten Veranlagungszeiträumen haben, im ersten noch nicht verjährten Jahr durch außerbilanzielle Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen sind.

2. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AbgÄG 2012, 1960 BlgNR XXIV. GP, 18 ff, wurde zu § 4 Abs. 2 und 3 EStG 1988 sowie § 28 Abs. 7 EStG 1988 ua. ausgeführt:

"In § 4 Abs. 2 sollen die Grundsätze für die Bilanzberichtung und Bilanzänderung klarer dargestellt werden. Darüber hinaus soll er um eine Bestimmung erweitert werden, die dem Grundsatz der Besteuerung des richtigen Totalgewinnes in besonderem Maße Rechnung trägt: Es soll eine steuerwirksame Korrektur von Fehlern möglich werden, die ihre Wurzel in verjährten Zeiträumen haben, und deren Folgewirkungen noch in nicht verjährte Veranlagungszeiträume hineinreichen. Damit soll eine steuerwirksam Berichtigung von Fehlern, die sich in mehreren Besteuerungsperioden auswirken, auch dann möglich sein, wenn ihrer Steuerwirksamkeit ausschließlich die eingetretene Verjährung entgegen steht.

Die Neufassung des § 4 Abs. 2 ändert zunächst nichts daran, dass unrichtige Bilanzansätze wie bisher bis zur Wurzel zurückverfolgt und korrigiert werden müssen.

(...)

Der neue § 4 Abs. 2 EStG 1988 greift in den formellen Bilanzzusammenhang nicht ein, ergänzt die Korrektur an der Wurzel samt einer allfällig erforderlichen Fortentwicklung allerdings durch ein Zu- und Abschlagssystem, das sich bereits beim Wechsel der Gewinnermittlung langjährig bewährt hat. Im Ergebnis wird damit ebenfalls ein richtiger Totalgewinn sichergestellt.

(...)

Ein Zu- oder Abschlag soll nur dann möglich sein, wenn steuerliche Auswirkungen auch in noch nicht verjährte Veranlagungsjahre hineinreichen. Andernfalls ist der Ansatz von Zu- oder Abschlägen nicht zulässig.

(...)

Die Fehlerkorrektur soll im Rahmen einer Bescheidberichtigung nach § 293b BAO erfolgen können. Das Unterbleiben der Fehlerkorrektur wird daher als offensichtliche Unrichtigkeit iSd § 293b BAO fingiert. Eine darauf gestützte Bescheidberichtigung hat allerdings zur Voraussetzung, dass der Steuerwirksamkeit der Korrektur ausschließlich die eingetretene Verjährung entgegensteht. Dies bedeutet, dass eine auf § 4 Abs. 2 iVm § 293b BAO gestützte Änderung eines rechtskräftigen Bescheides nur dann in Betracht kommt, wenn ein Verfahrenstitel vorliegt, der es ermöglichen würde, den fehlerhaften Bescheid in Durchbrechung der Rechtskraft zu korrigieren und der Einsatz dieses Verfahrenstitels bloß deswegen nicht möglich ist, weil dem die eingetretene Verjährung entgegensteht. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass für eine Fehlerberichtigung in Bezug auf verjährte Zeiträume dieselben verfahrensrechtlichen Anforderungen für die Durchbrechung der Rechtskraft gelten wie sie für eine derartige Maßnahme in Bezug auf nicht verjährte Zeiträume besteht.

Die Fehlerkorrektur soll stets in jenem Veranlagungszeitraum vorgenommen werden, zu dem - gemessen am Zeitpunkt der Erlassung des berichtigenden Bescheides - die Richtigstellung frühestmöglich vorgenommen werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass sich der Fehler in dem zu berichtigenden Jahr (noch) steuerlich auswirkt.

(...)

Die tatbestandsmäßige Bezugnahme auf die Verjährung bedeutet auch, dass in Fällen kein Zu- oder Abschlag möglich ist, in denen der unrichtige Bilanzansatz seine Wurzel in einem noch nicht verjährten Jahr hat. Diesbezüglich kann eine Richtigstellung (im Jahr der Fehlerwurzel) erfolgen, wenn ein Verfahrenstitel die Abänderung des rechtskräftigen Bescheides ermöglicht.

Die Berücksichtigung eines Zu- oder Abschlages unterliegt dem Ermessen ("kann") und ist somit unter dem Gesichtspunkt von Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu würdigen. Damit sollen einerseits (im Verhältnis zum Totalgewinn- oder -verlust) geringfügige steuerliche Auswirkungen nicht zu einem Zu- oder Abschlag führen, andererseits auch eine Berücksichtigung der absoluten Dauer des Zurückliegens des Fehlers ermöglicht werden. Je länger der Fehler in die Vergangenheit zurückreicht, umso größer müssen die steuerlichen Auswirkungen sein, um im Rahmen des Ermessens einen Zu- oder Abschlag festzusetzen.

Diese Grundsätze sollen für Fehlerberichtigungen im Fall der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung oder der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsprechend gelten. Insbesondere Fehler in Bezug auf die Höhe der AfA-Bemessungsgrundlage sollen daher in gleicher Weise durch Zu- und Abschläge korrigierbar sein.

Die Bestimmung soll mit in Kraft treten und erstmals auf Verstöße der Wirtschaftsjahre ab 2003 anzuwenden sein. Dieses Inkrafttreten orientiert sich für die Vergangenheit an der absoluten Verjährung. Verstöße aus Zeiträumen vor 2003 sollen demnach nicht mehr zu einem Zu- oder Abschlag führen. Für die Zukunft verlängert sich aber der Berichtigungszeitraum kontinuierlich. Die Dauer des Zurückliegens des Fehlers ist - wie ausgeführt - im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigen."

3. Die Bf. vermeint nun, dass § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 iVm § 124b Z 225 EStG 1988 eine Norm des materiellen Einkommensteuerrechts darstelle, weshalb Gewinnzuschläge erst ab dem Inkrafttreten des § 124b Z 225 EStG 1988, somit ab dem , erfasst werden könnten. Materielle Abgabengesetze erfassten grundsätzlich erst Tatbestände, die sich ab dem Inkrafttreten verwirklichten. Erstmals wenn das Veranlagungsjahr 2013 das älteste, nicht verjährte Jahr (betreffend Einkommensteuer) sei, könnten Zuschläge nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 für Zwecke der Berechnung der Einkommensteuer 2013 vorgenommen werden.

Dazu ist festzuhalten, dass § 124b Z 225 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, durch das AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, geändert wurde und eine Klarstellung insoweit brachte, als der hier maßgebliche § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 mit in Kraft tritt und erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf Fehler anzuwenden ist, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AbgÄG 2015, 896 BlgNR XXV. GP, 8, führen zu § 124b Z 225 EStG 1988 aus wie folgt:

"Die Änderung dient ausschließlich der Klarstellung. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2012 , wurde die in § 4 Abs. 2 verankerte Regelung über die steuerwirksame Korrektur periodenübergreifender Fehler aus verjährten Veranlagungszeiträumen in das EStG 1988 aufgenommen; die Regelung wurde mit in Kraft gesetzt. Gleichzeitig wurde durch § 323 Abs. 33 BAO u.a. die Verfahrensnorm des § 293c BAO, die ebenfalls eine Berichtigung periodenübergreifender Fehler zum Gegenstand hatte, mit außer Kraft gesetzt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des gegenständlichen Gesetzes führen diesbezüglich begründend aus, dass "§ 293c BAO durch die Änderung im § 4 Abs. 2 ersetzt werden soll". Die Zusammenschau der beiden legistischen Maßnahmen lässt erkennen, dass das Inkrafttreten der Regelung im EStG und das Außerkrafttreten des § 293c BAO demselben legistischen Konzept folgt und zeitlich aufeinander abgestimmt ist. Demzufolge können die §§ 4 Abs. 2 bis 3 und 28 Abs. 7 ab erstmalig bei der Veranlagung zur Anwendung gebracht werden, die den zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ersten nicht verjährten Zeitraum betrifft. Dies ist für die erstmals von der Norm betroffenen Fehler des (verjährten) Jahres 2003 das Veranlagungsjahr 2004. Dies soll nunmehr auch sprachlich klar zum Ausdruck gebracht werden.

Da die Bestimmung keinen eigenständigen materiellen Besteuerungstatbestand für im jeweils betroffenen Veranlagungsjahr verwirklichte Sachverhalte schafft, sondern - im Interesse der richtigen Gesamtbesteuerung - lediglich die nachträgliche Korrektur einer falschen rechtlichen Beurteilung in Bezug auf bereits verwirklichte Sachverhalte zum Gegenstand hat, ist sie ihrem wesentlichen Gehalt nach nicht als materiell-rechtliche Norm einzustufen. Damit ist es zulässig, die Anwendung der Bestimmung auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits abgelaufene Veranlagungsjahre zu beziehen, denn nach Rechtsprechung und Lehre (vgl. ; Stoll, BAO -Kommentar, 62) können Normen des Verfahrensrechts auch auf Verfahrensschritte angewendet werden, die Zeiträume vor dem Inkrafttreten der Norm betreffen."

4. Zur Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 iVm § 124b Z 225 EStG 1988 ist auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. In seinem Erkenntnis vom , Ra 2016/15/0026, führte er dazu aus wie folgt:

"26 Gemäß § 124b Z 225 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 112/2012 ) trat (u.a.) § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 mit in Kraft und ist erstmals auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen.

27 Diese Inkrafttretensbestimmung warf Fragen auf (vgl. Zorn/Varro in Doralt et al, EStG17, § 4 Tz 167). Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 163/2015 , wurde § 124b Z 225 EStG 1988 dahin geändert, dass § 4 Abs. 2 und 3 und § 28 Abs. 7, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2012 , mit in Kraft treten und erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf Fehler anzuwenden sind, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (896 BlgNR 25. GP 8) soll es sich hiebei um eine Klarstellung handeln.

28 Das Bundesgesetzblatt I Nr. 163/2015 wurde am ausgegeben. Das angefochtene Erkenntnis wurde am genehmigt und durch Zustellung an das Finanzamt und den Mitbeteiligten jeweils am erlassen. Im vorliegenden Fall ist daher § 124b Z 225 EStG 1988 bereits in der Fassung des BGBl. I Nr. 163/2015 anzuwenden. Es ist somit § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 bei der Veranlagung für das Kalenderjahr (insbesondere) 2005 anzuwenden, wobei Fehler zu berücksichtigen sind, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen."

Der hier angefochtene Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2011 wurde vom Finanzamt am erlassen. Es ist daher § 124b Z 225 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, anzuwenden. Die für den nachträglichen Herstellungsaufwand in den - bereits verjährten - Veranlagungsjahren 2007 bis 2010 vorgenommenen überhöhten Abschreibungen sind somit im Jahr 2011, dem ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungsjahr, durch einen entsprechenden Zuschlag gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu berichtigen. Der mit 393.599,24 € ermittelte Gewinnzuschlag ist der Höhe nach unbestritten.

5. Wenn die Bf. auf die in der Literatur vertretene Rechtsansicht verwies, wonach eine Inanspruchnahme iSd § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 erst ab der Veranlagung für das Jahr 2013 erfolgen könne, so ist festzuhalten, dass gerade diese in der Literatur aufgeworfenen Fragen zur Inkrafttretensbestimmung letztlich zur Änderung und Klarstellung in § 124b Z 225 EStG 1988 durch das AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, kundgemacht am , führten. Die Rechtsansicht von Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 17, § 4 Tz 167, gibt demgegenüber den Stand vom wieder. Auch Marschner, auf den sich die Bf. ebenfalls bezog, stellte klar (vgl. Jakom/Marschner, EStG, 2016, § 4 Rz 221), dass § 124b Z 225 EStG 1988 durch das AbgÄG 2015 dergestalt angepasst wurde, dass die Fehlerberichtigung "erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf Fehler anzuwenden ist, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen".

Auch der Verweis der Bf. auf das VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2015/15/0062, geht ins Leere. In der - von der Bf. angesprochenen - Rn 11 dieses Erkenntnisses wurde lediglich die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes in der diesem VwGH-Erkenntnis zugrunde liegenden Entscheidung vom , RV/2100388/2013, wiedergegeben. Mit dieser - vor Änderung des § 124b Z 225 EStG 1988 durch das AbgÄG 2015 ergangenen - Entscheidung brachte das Bundesfinanzgericht zum Ausdruck, dass die (unklare) Inkrafttretensbestimmung des § 124b Z 225 EStG 1988 so auszulegen sei, dass sie erst Tatbestände erfasse, die sich ab deren Inkrafttreten verwirklicht hätten. Daher könnten erstmals, wenn das Veranlagungsjahr 2013 das älteste, nicht verjährte Jahr sei, Zuschläge nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 vorgenommen werden, wobei diese Zuschläge Fehler ab dem Jahr 2003 betreffen könnten. Mit dem Erkenntnis vom , Ra 2015/15/0062, hat der Verwaltungsgerichtshof die BFG-Entscheidung vom , RV/2100388/2013, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben; zur Inkrafttretensbestimmung des § 124b Z 225 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, traf er keine Aussage.

6. Die Beschwerde vom gegen die Bescheide vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2016 ist als unbegründet abzuweisen. Im Veranlagungsjahr 2011 ist - dem Finanzamt folgend - ein Gewinnzuschlag gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 von 393.599,24 € zu erfassen, der angefochtene Einkommensteuerbescheid ändert sich durch diese Entscheidung nicht. Auch die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012, 2013 und 2016 bleiben unverändert, weil im Hinblick auf die sich ergebenden Verlustvorträge und verrechenbaren IFB-Verluste keine Anpassungen vorzunehmen sind, die sich aus einem geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 ergäben.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Es ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz ( § 124b Z 225 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015), dass die in den Veranlagungsjahren 2007 bis 2010 vorgenommenen überhöhten Abschreibungen im Jahr 2011, dem ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungsjahr, durch einen Gewinnzuschlag gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu berichtigen sind. Zudem konnte sich das Bundesfinanzgericht diesbezüglich auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () stützen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

VwGH, Ra 2015/15/0062
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100452.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at