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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.06.2020, RV/7102581/2019

Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 bei Bezug von Weiterbildungsgeld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer, in der Folge als Bf. bezeichnet, war während des gesamten Streitjahres 2013 Dienstnehmer der der AGmbH und bezog in diesem außerdem vom bis zum Weiterbildungsgeld gemäß § 26 AlVG vom Arbeitsmarktservice. In der Zeit des Bezuges des Weiterbildungsgeldes war der Bf. bei der AGmbH geringfügig und während des restlichen Jahres vollbeschäftigt.

Mit Erkenntnis vom , RV/7104175/2015, entschied das Bundesfinanzgericht über die o. a. Beschwerde und gab dieser Folge. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird betreffend des bisherigen Verfahrensablaufes sowie des Vorbringens des Bf. und der belangten Behörde auf die dort erstellten diesbezüglichen Ausführungen verwiesen.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die belangte Behörde außerordentliche Revision gem. Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG und führte in der Bezug habenden Begründung u. a. aus, dass die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 unter anderem beim Vorliegen von steuerfreien Bezügen gem. § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a oder c EStG 1988 einen Progressionsvorbehalt vorsehe und zwar in der Form, dass die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte iSd § 2 Abs. 3 Z 1-3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden nichtselbständigen Einkünfte für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag umzurechnen seien. Hochzurechnen seien stets nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der in Rede stehenden Transferleistungen bezogen worden seien.

In der Folge hob der VwGH das Erkenntnis des BFG mit Entscheidung vom , Ra 2018/13/0024-5, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf und führte in deren Rz 15 bis 19 dazu wörtlich wie folgt aus:

"15 Streitpunkt des Verfahrens ist vielmehr - im Rahmen der näheren Bestimmung der in § 3 Abs. 2 EStG 1988 angeordneten "Rechtsfolge" - die Frage, ob eine Hochrechnung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie außerhalb des Zeitraums des gleichzeitigen steuerfreien Bezuges erzielt wurden, zu unterbleiben hat, wenn während des ganzen Jahres Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt wurden.

16 Dies ist der Fall, soweit es sich um ganzjährige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt, die mit dem steuerfreien Bezug im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG 1988 in keinem Zusammenhang stehen. Insoweit besteht - bei Beachtung des Gesetzeszwecks - so wenig Anlass zur Hochrechnung wie bei ganzjährig bezogenen Einkünften aus selbständiger Arbeit (vgl. zu diesen das vom Bundesfinanzgericht ins Treffen geführte Erkenntnis , VwSlg 8181/F).

17 Anders verhält es sich, soweit der steuerfreie Bezug an die Stelle der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit tritt. Dies ist die Situation, in der die Steuerfreiheit im Vergleich zum unveränderten Fortbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch eine progressionsmindernde Wirkung hätte, der die Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 entgegenwirken soll (vgl. dazu die Wiedergabe der Erläuterungen zur Novelle BGBl. Nr. 606/1987 zuletzt im Erkenntnis ). Für die heute möglichen Fälle eines steuerfreien Bezuges von Weiterbildungsgeld während einer Bildungskarenz wie im vorliegenden Fall (eingeführt mit dem ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139) oder von Bildungsteilzeitgeld während einer Bildungsteilzeit (eingeführt mit dem SRÄG 2013, BGBl. I Nr. 67) kann in dieser Hinsicht nichts anderes gelten als für die Fälle einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, auf die sich die mit BGBl. Nr. 606/1987 ursprünglich in das EStG 1972 eingefügte Regelung damals nur bezog. Eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder ein völliges Fehlen von Zuflüssen aus dem noch bestehenden oder schon beendeten Beschäftigungsverhältnis wird in § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht vorausgesetzt.

18 Für den Fall des Bezuges von Leistungen aus einem Sozialplan neben Arbeitslosengeld wurde dies in dem in der Revision ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/13/0118, schon zum Ausdruck gebracht. Für die Fälle des Weiterbildungs- oder Bildungsteilzeitgeldes ist das Bundesfinanzgericht in einer Mehrzahl neuerer Entscheidungen, auf die im vorliegenden Fall nicht eingegangen wurde (vgl. zu einer diesbezüglichen "Änderung der Rspr-Linie des BFG" Jakom/Laudacher EStG, 2018, § 3 Rz 122), unter Hinweis u.a. auf das Erkenntnis vom zum gleichen Ergebnis gekommen (vgl. aus der Zeit vor dem hier angefochtenen Erkenntnis etwa ;

, RV/7104596/2016; , RV/4100823/2015;

, RV/3100968/2016; , RV/7102713/2012;

, RV/7100500/2017). Dabei wurde auch schon hervorgehoben, dass die Berechnung des fiktiven Jahresbetrages gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht so erfolgen darf, dass dies zu einer doppelten Erfassung während des steuerfreien Bezuges weiterlaufender nicht steuerfreier Bezugsteile führt (vgl. dazu etwa ; , RV/5101476/2016).

19 Im vorliegenden Fall trat das steuerfreie Weiterbildungsgeld an die Stelle davor und danach erhaltener Bezüge. Die in der angefochtenen Entscheidung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/15/0084, VwSlg 8181/F, gestützte Ansicht, eine Hochrechnung dieser Bezüge habe zu unterbleiben, trifft aus den dargestellten Gründen nicht zu, weshalb der Revision stattzugeben und das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war."

Die gegenständliche Beschwerde gilt damit wiederum als unerledigt.

Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe hat im fortgesetzten Verfahren in Ansehung des vorstehend Gesagten unter Anwendung der Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 zu erfolgen.

Da sowohl die Höhe der vom Bf. für die Zeiträume vom bis zum und vom bis zum bezogenen zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als auch jene der während des Bezuges des steuerfreien Weiterbildungsgeldes bezogenen Arbeitseinkünfte weder im Lohnzettel des Bf. für das Jahr 2013 noch in den Akten des Finanzamtes und des BFG aufschien, wurde dem Finanzamt gemäß § 269 Abs. 2 BAO aufgetragen, die diesbezüglichen Beträge zu ermitteln und in der Folge dem BFG bekannt zu geben.

In Entsprechung dieses Ermittlungsauftrages übermittelte das Finanzamt dem BFG das den Bf. betreffende Lohnkonto 2013 sowie den Freibetragsbescheid 2013 vom . Angemerkt wird, dass in diesem Lohnkonto hinsichtlich der Monate Jänner bis Dezember unter Kennzahl 905 ein Freibetrag iHv insgesamt Euro 2.093,64 sowie unter Kennzahl 917 eine Lohnsteuerbemessungsgrundlage iHv Euro 24.458,87 verzeichnet sind. Weiters wird angemerkt, dass dort für die Monate Mai und Juni jeweils ein Freibetrag iHv Euro 177,93 und eine Lohnsteuerbemessungsgrundlage von jeweils Euro 208,07 aufscheinen.

Die auf Basis der im vorstehenden Absatz angeführten Beträge seitens des BFG gem. § 3 Abs 2, 1. Satz EStG 1988 durchgeführte Hochrechnung ergab nach Berücksichtigung der anrechenbaren Lohnsteuer iHv Euro 5.650,50 einen Betrag an Einkommensteuer iHv Euro 145,15. Die Bezug habende Kontrollrechnung gemäß Satz 3 der genannten Bestimmung ergab nach Berücksichtigung der anrechenbaren Lohnsteuer iHv Euro 5.650,50 einen Betrag an Einkommensteuer iHv Euro 273,86.

Diese Berechnung wurde beiden Parteien mittels Ersuchens um Stellungnahme des zur Kenntnis gebracht.

Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem BFG mit, dass es der Berechnung der Einkommensteuer laut übermittelter Berechnung zustimme.

Mit Schreiben vom teilte der Bf. dem BFG mit, dass dieser Berechnung nichts hinzuzufügen sei und dass er auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichte.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass der Bf. während des Streitjahres 2013 stets Dienstnehmer der der AGmbH war und vom bis zum Weiterbildungsgeld gemäß § 26 AlVG vom Arbeitsmarktservice bezog. Bei der AGmbH war der Bf. in der Zeit des Bezuges des Weiterbildungsgeldes geringfügig und während des restlichen Jahres vollbeschäftigt.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt und ist unbestritten.

Rechtliche Würdigung:

§ 3 Abs. 2 EStG 1988, soweit für den vorliegenden Fall wesentlich, lautet:

"(2) Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a (...) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. (...)"

Das Gesetz sieht ausdrücklich nur eine Umrechnung jener Arbeitseinkünfte vor, "die für das restliche Kalenderjahr" bezogen wurden. Diese sind in Ansehung des dem BFG vom Finanzamt per E-Mail vom übermittelten Lohnkontos sowie der von diesem dort erstellten Ausführungen wie folgt zu berechnen:

Summe 905 Freibetrag EUR 2.093,64 abzügl. 2 x EUR 177,93 = EUR 1.737,78

Summe 917 LSt-Bemessung EUR 24.458,87 abzügl. 2 x EUR 208,07 = EUR 24.042,73

EUR 1.737,78 + EUR 24.042,73 = EUR 25.780,51

Die Hochrechnung ergibt im vorliegenden Fall das folgende Ergebnis:


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25.780,51:287x 365 =(Steuerpflichtige Bezüge (25.780,51) : Zeitraum des laufenden Bezuges in Tagen (287 Tage) x Tage des Jahres (365)
32.787,06
abzüglich Werbungskosten
-2.418,02
abzüglich Sonderausgaben
-60,00
abzgl. Zuwendungen gem. § 18 Abs 1 Z 7 EStG
-70,00
Hochgerechnetes Einkommen
30.239,04
Die Jahressteuer wird nach folgender Formel ermittelt:
(30.239,04-25.000,00) x15.125+ 5.110/35.000 =
abzüglich Verkehrsabsetzbetrag
abzüglich Arbeitnehmerabsetzbetrag
-54,00
Jahressteuer
7.029,01
Durchschnittssteuersatz:
Jahressteuer : Einkommen x 100 = 7.029,01 : 30.239,04 x 100 = 23,24%
Berechnung der Einkommensteuer:
Steuerpflichtige Bezüge
26.552,51
abzüglich Werbungskosten
-2.418,02
abzüglich Sonderausgaben
-60,00
abzüglich Zuwendungen gem. § 18 Abs 1 Z 7 EStG
-70,00
Einkommen
24.004,49
23,24% von 24.004,49
5.578,64
zuzüglich Steuer sonstige Bezüge
Zwischensumme
5.795,65
abzüglich anrechenbare Lohnsteuer
-5.650,50
Einkommensteuer
145,15

Die Kontrollrechnung ergibt demgegenüber folgende Abgabennachforderung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
steuerpflichtige Bezüge
26.552,51
zuzüglich Bildungskarenzgeld
+3.176,16
abzüglich Werbungskosten
-2.418,02
abzüglich Sonderausgaben
-60,00
abzgl. Zuwendungen gem. § 18 Abs1 Z 7 EStG 1988
-70,00
Einkommen
27.180,65
Steuerberechnung:
(27.180,65-25.000,00) x15.125+ 5.110/35.000 =
6.052,35
abzüglich Verkehrsabsetzbetrag
-291,00
abzüglich Arbeitnehmerabsetzbetrag
-54,00
zuzüglich Steuer sonstige Bezüge
+217,01
abzüglich einbehaltene Lohnsteuer
-5.650,50
Einkommensteuer
273,86

Nach dem Günstigkeitsvergleich gemäß § 3 Abs. 2 2. Unterabsatz EStG 1988 ist das Ergebnis der Hochrechnung günstiger, da die Kontrollrechnung eine Abgabennachforderung in Höhe von EUR 273,86 ergibt.

Die Abgabennachforderung beträgt daher im vorliegenden Fall Euro 145,15.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall hat der Verwaltungsgerichtshof die strittige Rechtsfrage, ob eine Hochrechnung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie außerhalb des Zeitraumes des gleichzeitigen steuerfreien Bezuges erzielt wurden, zu unterbleiben hat, wenn während des ganzen Jahres Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt wurden, in der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit klar und abschließend geklärt, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102581.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at