Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.06.2020, RV/3100025/2020

Keine zwingende betriebliche Notwendigkeit für die Leistung von Sonntagsstunden eines Geschäftsführers

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100025/2020-RS1
Die vielfältigen Aufgaben eines Geschäftsführers führen nicht automatisch dazu, dass Überstunden an Sonntagen geleistet werden müssen.
RV/3100025/2020-RS2
Wenn die Samstage aus familiären Gründen arbeitsfrei gehalten werden, können die Zuschläge für an Sonntagen geleistete Überstunden nicht steuerfrei abgerechnet werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Kitzbüheler Wirtschaftstreuhand Dkfm. Dr. Karl Koller KG, Josef-Pirchl-Straße 18, 6370 Kitzbühel, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer für die Kalenderjahre 2013 bis 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin ist eine im Druckereibereich tätige GmbH. Am wurde vom Finanzamt ein Prüfungsauftrag über eine bei der Beschwerdeführerin durchzuführende GPLA-Prüfung, den Zeitraum bis umfassend, ausgestellt. Mit Schreiben vom wurde vom Prüfer über den bevorstehenden Beginn der Außenprüfung informiert und dazu aufgefordert, die notwendigen Unterlagen für die Prüfung bereit zu halten. Der Prüfungsauftrag wurde der steuerlichen Vertretung am vorgelegt und von dieser unterfertigt.

2. Mit Schreiben vom wurde vom Prüfer (neuerlich) der Beginn einer Außenprüfung angekündigt. Diesmal unter Festsetzung eines voraussichtlichen Prüfungsbeginnes am .

3. Nach Durchführung der Außenprüfung wurden vom Finanzamt Haftungsbescheide für die Jahre 2013 bis 2016 erlassen, mit denen der Beschwerdeführerin Lohnsteuer in Höhe von 1.998,07 Euro für das Jahr 2013, 1.866,67 Euro für das Jahr 2014, 1.866,67 Euro für das Jahr 2015 und 1.814,40 Euro für das Jahr 2016 vorgeschrieben wurde. Zur Begründung wurde auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom und die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom verwiesen.

Diesen Unterlagen ist zu entnehmen, dass zum einen für Mai 2013 zwei Dienstnehmern der Beschwerdeführerin Honorare für das Reinigen einer Druckmaschine neben den normalen Bezügen ausbezahlt wurden. Diese Honorare wurden vom Prüfer den nichtselbständigen Einkünften zugeordnet und der Lohnsteuer unterworfen sowie Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vorgeschrieben.

Zum anderen wurden für den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin in den Jahren 2013 bis 2016 bisher steuerfrei abgerechnete Zuschläge für Sonntagsarbeit von monatlich 360,- Euro, pro Jahr 4.320,- Euro, der Besteuerung unterworfen. Die betriebliche Notwendigkeit, diese Stunden an einem Sonntag zu leisten, sei nicht nachgewiesen worden.

4. In der am erhobenen Beschwerde wurde einleitend bekannt gegeben, dass das Finanzamt bereits mit Schreiben vom darauf hingewiesen worden sei, dass eine unzulässige Wiederholungsprüfung gem. § 148 Abs. 3 BAO vorliege.

Die Beschwerde richtete sich inhaltlich (nur) gegen die Nachversteuerung der von der Beschwerdeführerin steuerfrei ausbezahlten Zuschläge für Sonntagsarbeit.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass mit dem Geschäftsführer ein All-inclusive-Vertrag mit einer Leistungstantieme abgeschlossen worden sei. Es würden vom Geschäftsführer besondere Leistungen erwartet, die nur mit einem hohen Stundenausmaß möglich seien. Die Aufgaben eines Geschäftsführers seien gesetzlich vorgegeben, woraus sich die Betriebsnotwendigkeit ergebe. Der Geschäftsführer habe eine Vielzahl von Aufgaben zu erledigen und müsse persönlich den Mangel an Personal ausgleichen. Der Geschäftsführer habe durchschnittlich eine 60 - 80 Stundenwoche und habe sich auch den Urlaub auszahlen lassen, da dieser sonst verfallen wäre.

Nach dem Arbeitszeitgesetz müsse der Geschäftsführer seine Arbeitsstunden nicht aufzeichnen, Mitarbeiter der Verwaltung würden allerdings die Stunden aufschreiben, in denen er im Betrieb anwesend sei. Die Stunden bei Auswärtsterminen und im Home-Office würden in diesen Aufzeichnungen fehlen.

Die an Sonntagen im Büro geleisteten Stunden hätten den Zweck, "lohn- und gehaltsabhängige Abrechnungen vorzubereiten, das Personal nachzukontrollieren und die Buchhaltungsdaten (im Rahmen seiner gesetzlichen Obliegenheit) auf Plausibilität zu prüfen". Diese Arbeiten seien betriebsnotwendig und würden unter der Woche liegenbleiben. Andere Mitarbeiter würden diese Aufgaben aus Zeit- oder Kompetenzgründen nicht wahrnehmen können.

Der Gesetzgeber wolle gerade "Arbeitserschwerungen" aufgrund von an eigentlich freien Tagen anfallenden nicht verschiebbaren Arbeiten begünstigen.

Beigelegt war der Beschwerde eine bereits im Rahmen der Prüfung vorgelegte E-Mail des Geschäftsführers vom an die steuerliche Vertretung, in dem dieser (auch) zum Thema Arbeitszeit Stellung nimmt:

"Bzgl. meiner Arbeitszeit ist es so, dass ich neben dem Hauptwohnsitz in ***1*** auch noch eine kleine Mietwohnung in ***2*** habe. Ich stamme ja aus ***2*** und meine sehr alte Mutter wohnt in der Nähe, somit kann ich mich auch ein bisschen um sie kümmern.

Mein Arbeitsleben ist sehr arbeits- und zeitintensiv. Vor allem, da ich mich um viele kleine Dinge im Betrieb kümmern muss. Die Mitarbeitersituation ist ja bekannt, wir haben ständig Engpässe, in denen ich dann natürlich jonglieren muss. Ich dachte, dass das klar ist, jeder weiß doch, wie schwierig die Situation mit Mitarbeitern, insbesondere das Druckergewerbe ist. Keiner will mehr Drucker werden.

Ich, als GF muss ja meines Wissens nach gar keine Zeitaufzeichnungen führen. Aus diesem Grunde wird im Betrieb durch eine Mitarbeiterin ein Excel mitgeführt, in dem sie meine ihr bekannten Arbeitszeiten einfach und praktikabel mitführt. Sie schreibt hier die Zeiten ein, in denen ich erkennbar im Betrieb bin. Wenn sie mir zB für den Sonntag Arbeit vorbereitet, die ich für sie abarbeiten muss, schreibt sie diese Zeit auch auf. Ich arbeite ja bekanntlicherweise wesentlich mehr, als auf den Aufzeichnungen erkennbar ist. Ich fahre oft am frühen Abend zu meiner Mutter um nach ihr zu sehen, sie hat sonst keine Betreuung. Danach mache ich sehr oft Homeoffice oder ich fahre nochmals in den Betrieb. Würde ich alle Zeiten exakt erfassen, wären das wesentlich mehr. Auch die eingetragenen Pausen mache ich meistens nicht. Am Abend ist man dann schon oft sehr müde, vor allem im Kopf.

Als ich in ***3*** diese Tätigkeit aufgenommen habe, habe ich mit meiner Lebensgefährtin, die ja selbst berufstätig ist und sich im Wesentlichen um unsere Kinder kümmert vereinbart, dass sie den Samstag freigeschaufelt ist. An diesem Tag muss ich mich entweder in ***1*** oder in ***2*** (sie kommt ja auch) um die Kinder kümmern. Oft mache ich dann parallel Homeoffice. Sie erledigt dann ihre persönlichen Belange. Sie arbeitet ja auch.

Ich bin froh, wenn sie mit den Kindern meine Mutter besucht. Das ist dann zeitbedingt meistens der Sonntag. Aus diesem Grunde habe ich dann auch oft die Möglichkeit nochmals ***Bf1***dinge zu erledigen und mich für ein paar Stunden ins Büro freizuschaufeln. Online ist das aufgrund der notwendigen Unterlagen nicht immer so einfach. Meine Mitarbeiterin sieht dann, dass ich ihre Dinge erledigt habe und schreibt diese Zeiten ein. Wie du erkennen kannst sind zB auch unsere Jahresabschlussbesprechungen, die ja bis fast 23.00H gehen nicht erfasst, da ich das nicht gesondert kommuniziert habe. Nur die Zeiten, die sie "mitbekommt" schreibt sie, da das sonst viel zu viel Aufwand ist und ich diese Zeit lieber dem Betrieb widme. Auch meine Telefonate zB im Auto sind da nicht erfasst. Wenn ich in das Auto steige, komme ich oft erst zum Telefonieren. In der Geschäftsführerposition eines solchen Betriebes war das für mich klar. Ich verstehe gar nicht, wie der Prüfer das überhaupt anzweifeln kann.

Ich hoffe, dass damit klarer ersichtlich ist, warum es unumgänglich ist, am Sonntag zu arbeiten. In Wirklichkeit arbeite ich viel öfters am Sonntag oder auch in der Nacht (wenn die Kinder im Bett sind setze ich mich meistens nochmals zum Leid meiner Lebensgefährtin) an meinen PC.

Ich bin ja GF, das ist ja logisch, dass das ganze sonst nicht so mit dem normalen Plan funktionieren kann."

5. In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde unter Zitierung der Rechtsprechung des VwGH darauf hingewiesen, dass eine Steuerfreiheit nur dann zuerkannt werden könne, wenn einerseits Zeitaufzeichnungen die an Sonntagen geleisteten Stunden belegen und andererseits die betriebliche Notwendigkeit, diese Stunden an Sonntagen zu leisten, nachgewiesen werde. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin würden sich auf eine allgemeine Darstellung beschränken, dass aufgrund der zahlreichen Tätigkeiten unter der Woche gewisse qualifizierte Tätigkeiten an Sonntagen erbracht werden müssten. In der E-Mail des Geschäftsführers vom seien nur private und allgemeine Gründe für die Sonntagsarbeit angeführt worden.

6. Der Vorlageantrag wurde am eingebracht, eine ausführliche Begründung am nachgereicht. Diese beinhaltet - wie bereits die Beschwerde - umfangreiche Schilderungen, welche Aufgaben ein Geschäftsführer aufgrund zahlreicher gesetzlicher Vorschriften neben dem Tagesgeschäft zu erfüllen habe. Die Tätigkeit erfordere einen hohen Zeitaufwand und müsse mit den familiären Verpflichtungen in Einklang gebracht werden.

Es sei nicht möglich, die Aufgaben in der Normalarbeitszeit zu erledigen. Durchschnittlich habe der Geschäftsführer einen 12-Stunden-Tag. Der Geschäftsführer sei in den letzten Jahren so unabkömmlich gewesen, dass 2015 bis 2017 gesamt 85 Urlaubstage nicht konsumiert werden konnten, weshalb diese ausbezahlt worden seien.

Zusammengefasst sei aus den Schilderungen ableitbar, dass der Geschäftsführer die Stunden nur an Sonntagen leisten könne.

"Natürlich könnte er unter der Woche weniger schlafen und mehr arbeiten, aber schließlich fallen selbst dann in der Zeit zwischen 19 - 22H im Block exakt dieselben Begünstigungen an und sind zu berücksichtigen. Wahrscheinlich möchte der Prüfer sagen, er solle diese Tätigkeiten stets [zu] Zeiten tätigen, damit die Begünstigung nicht anfalle. Zu diesen Zeiten ist es dem Geschäftsführer aber schlichtweg nicht möglich, da er andere Tätigkeiten für den Betrieb ausübt oder auch an Samstagen meistens nicht kann, da sich ansonsten seine berufstätige Lebensgefährtin schlichtweg von ihm trennen, bzw. er seine Familie auch nicht mehr sehen würde. Dies ist der Grund, warum er zu den begünstigten Zeiten (aber auch zu zahlreichen nicht begünstigten Zeiten) die Arbeiten tätigen MUSS und diese nicht willkürlich steuern kann. Es ist betrieblich somit erforderlich, dass er zu der Zeit, die ihm schließlich noch übrig bleibt, in den Betrieb kommt und die betrieblichen Erfordernisse fristgerecht erfüllt, ansonsten diese verspätet erfüllt werden würden. Sieht man in der Gegenprobe die Arbeiten zu den nicht begünstigten Zeiten, überwiegen diese bei weitem."

Es sei schwierig, exakte Zeitaufzeichnungen zu führen, da dies ca. 2 Stunden pro Woche in Anspruch nehmen würde, die der Geschäftsführer nicht zur Verfügung habe.

Trotz dieser Feststellung beigelegt wurden - dem Prüfer nicht vorgelegte - persönliche Zeitaufzeichnungen des Geschäftsführers alle Prüfungsjahre betreffend. Diese würden Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ohne Pausen wiedergeben, würden teilweise am selben Tag, teilweise erst nach mehr als einer Woche erstellt worden sein.

7. Schon vor Übermittlung der Begründung zum Vorlageantrag durch die Beschwerdeführerin war die Beschwerde vom Finanzamt am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt worden.

8. Am langte beim Bundesfinanzgericht ein mit datierter Antrag auf mündliche Verhandlung und Entscheidung durch den Senat ein.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

1.1. Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH, die einen Druckereibetrieb führt. Mit Beschluss der Generalversammlung vom wurde ***Gf*** ab zum Geschäftsführer bestellt. Der Geschäftsführer ist an der Gesellschaft nicht beteiligt.

1.2. Der Geschäftsführervertrag wurde am abgeschlossen und legt fest, dass ***Gf*** als leitender Angestellter nicht dem Arbeitszeitgesetz unterliegt (vgl. Punkt 2.). Mit dem monatlichen Bruttoentgelt von 5.000,- Euro sind sämtliche Mehrarbeits-, Überstunden und Zulagen sowie Zuschläge abgegolten (vgl. Punkt 4.). Das monatliche Bruttoentgelt wurde ab März 2014 auf 5.120,- Euro, ab März 2015 auf 5.217,28 Euro und ab März 2016 auf 5.287,71 Euro erhöht (vgl. Lohnkonten).

Der Geschäftsführervertrag enthält keine Vereinbarung über die Anzahl der in der Gesamtstundenleistung enthaltenen und zu leistenden Überstunden.

1.3. Das laut Vertrag zustehende Bruttoentgelt wurde in der Lohnverrechnung in 4.554,- Euro Grundgehalt (4.674,- Euro ab März 2014, 4.771,28 Euro ab März 2015, 4.841,71 Euro ab März 2016), 86,- Euro an Überstundenzuschlag und 360,- Euro an Zuschlag für Sonntagsarbeit aufgeteilt. Es wurden aus dem laut Vertrag zustehenden All-in-Bruttoentgelt steuerfreie Teile herausgerechnet (vgl. Lohnkonten).

1.4. Neben dem Bruttoentgelt erhält der Geschäftsführer eine jährliche Tantieme in Höhe von 5 % des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Diese Tantieme ist im Lohnkonto unter dem Titel "Bilanzgeld" ausgewiesen und hat im Jahr 2014 8.112,22 Euro, im Jahr 2015 32.627,45 Euro und im Jahr 2016 32.636,20 Euro betragen.

1.5. Von Mitarbeitern der Verwaltung wurden in den Jahren 2014 - 2016 Aufzeichnungen über die durch den Geschäftsführer im Unternehmen geleistete Arbeitszeit geführt. Stunden, die außerhalb des Unternehmens im Home-Office oder auf Dienstreisen erbracht wurden, wurden dabei nicht berücksichtigt.

Für das Jahr 2013 existieren keine von den Verwaltungsmitarbeitern geführte Zeitaufzeichnungen.

1.6. Der Geschäftsführer arbeitete grundsätzlich von Montag bis Freitag. Die Normalarbeitszeit betrug 38 Stunden, es wurden darüber hinaus Mehr- und Überstunden geleistet.

Zwischen der Arbeitsleistung im Betrieb und der Tätigkeit im Home-Office erledigte der Geschäftsführer private Angelegenheiten, insbesondere kümmerte er sich häufig um die Betreuung seiner Mutter.

An Samstagen erbrachte der Geschäftsführer nur in ganz wenigen Ausnahmefällen Arbeitsleistungen, da die Samstage aufgrund familiärer Verpflichtungen arbeitsfrei gehalten wurden.

An Sonntagen war der Geschäftsführer im Schnitt zweimal im Monat je ca. 4 Stunden für die Beschwerdeführerin tätig.

In den Jahren 2014 bis 2016 hat der Geschäftsführer folgende monatlich kumulierte Sonntagsstunden geleistet:


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2014
2015
2016
Januar
13.15
6.15
9.30
Februar
7.40
3.30
7.05
März
7.50
9.00
9.00
April
9.20
6.25
6.15
Mai
9.05
8.00
7.40
Juni
9.55
8.45
7.15
Juli
9.00
-
7.30
August
12.55
11.05
7.55
September
7.05
7.25
6.30
Oktober
8.35
6.50
7.30
November
7.15
8.00
8.10
Dezember
7.45
8.25
6.40
Summe
109.40
83.40
91.00

Beweiswürdigung

Für die Feststellungen zu den durch den Geschäftsführer an Sonntagen geleisteten Arbeitsstunden wurden die von Mitarbeitern der Verwaltung erstellten Aufzeichnungen herangezogen.

Die persönlichen (und erst mit dem Vorlageantrag vorgelegten) Aufzeichnungen des Geschäftsführers weichen in Bezug auf die an Sonntagen geleisteten Arbeitsstunden nicht wesentlich davon ab.

Die tatsächlichen Arbeitszeiten von Montag bis Freitag konnten nicht festgestellt werden. Die Aufzeichnungen des Geschäftsführers diese Tage betreffend sind deshalb nicht als Nachweis geeignet, weil - wie von der Beschwerdeführerin selbst angegeben wird - in diesen die Pausen und auch längere Unterbrechungen der Arbeit nicht aufgezeichnet wurden. Offenbar wurden nur Beginn und Ende der Arbeitszeit des jeweiligen Tages vermerkt.

Der Geschäftsführer gibt selbst an, dass er sich am frühen Abend häufig um seine Mutter gekümmert hat, die sonst nicht betreut wird. Diese Zeiten sind - wie auch andere Unterbrechungen der Arbeitszeit (Mittagspause, Abendessen, Fahrt zur Wohnung, Zeit für die Besorgung von Lebensmitteln etc.) - in den persönlichen Zeitaufzeichnungen enthalten.

Die Aufzeichnungen wurden außerdem nicht immer zeitnah erstellt, weshalb auch aus diesem Grund die für einen Nachweis erforderliche Exaktheit nicht gegeben ist.

Dass die Samstage im Wesentlichen arbeitsfrei gehalten wurden, ist den Aussagen des Geschäftsführers in der Stellungnahme vom zu entnehmen. Dies wurde in den Schriftsätzen der steuerlichen Vertretung bekräftigt und auch durch die persönlichen Zeitaufzeichnungen des Geschäftsführers, in denen nur an wenigen Samstagen einzelne Arbeitsstunden verzeichnet wurden, bestätigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage

1. Gemäß § 272 Abs. 2 BAO obliegt die Entscheidung über die Beschwerde dem Senat, wenn es in der Beschwerde, im Vorlageantrag (§ 264 BAO ), in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1 BAO ) oder wenn ein Bescheid gemäß § 253 BAO an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe des späteren Bescheides, beantragt wird oder wenn es der Einzelrichter verlangt.

Gemäß § 274 Abs. 1 BAO hat eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Beschwerde, im Vorlageantrag (§ 264 BAO ), in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1 BAO ) oder wenn ein Bescheid gemäß § 253 BAO an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe des späteren Bescheides, beantragt wird oder wenn es der Einzelrichter bzw. der Berichterstatter für erforderlich hält.

Ein Rechtsanspruch auf Entscheidung durch den Senat bzw. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung setzt einen rechtzeitigen Antrag des Beschwerdeführers voraus. Anträge, die erst in einem die Beschwerde ergänzenden Schreiben gestellt werden, begründen keinen Anspruch (zum Antrag auf mündliche Verhandlung siehe ; Ritz, BAO6, § 274 Tz 2 f).

2. Für einen Zeitraum, für den eine Außenprüfung bereits vorgenommen worden ist, darf gemäß § 148 Abs 3 BAO ein neuerlicher Prüfungsauftrag ohne Zustimmung des Abgabepflichtigen nur erteilt werden

a) zur Prüfung von Abgabenarten, die in einem früheren Prüfungsauftrag nicht enthalten waren;

b) zur Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 BAO ) gegeben sind;

c) im Beschwerdeverfahren auf Veranlassung (§ 269 Abs. 2 BAO ) des Verwaltungsgerichtes, jedoch nur zur Prüfung der Begründung der Bescheidbeschwerde (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO ) oder neuer Tatsachen und Beweise (§ 270 BAO ).

3. In § 68 EStG 1988 wird die Besteuerung bestimmter Zulagen und Zuschläge folgendermaßen geregelt:

(1) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei.

(2) Zusätzlich zu Abs. 1 sind Zuschläge für die ersten zehn Überstunden im Monat im Ausmaß von höchstens 50% des Grundlohnes, insgesamt höchstens jedoch 86 Euro monatlich, steuerfrei.

(3) Soweit Zulagen und Zuschläge durch Abs. 1 und 2 nicht erfaßt werden, sind sie nach dem Tarif zu versteuern.

(4) Als Überstunde gilt jede über die Normalarbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunde. […]

(6) Als Nachtarbeit gelten zusammenhängende Arbeitszeiten von mindestens 3 Stunden, die auf Grund betrieblicher Erfordernisse zwischen 19 Uhr und 7 Uhr erbracht werden müssen. Für Arbeitnehmer, deren Normalarbeitszeit im Lohnzahlungszeitraum überwiegend in der Zeit von 19 Uhr bis 7 Uhr liegt, erhöht sich der Freibetrag gemäß Abs. 1 um 50%. […]

Erwägungen

1. Antrag auf mündliche Verhandlung und Senatsentscheidung

Die Beschwerdeführerin hat (erstmals) mit Schreiben vom die Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Weder in der Beschwerde vom noch im Vorlageantrag vom wurde ein diesbezüglicher Antrag gestellt.

Aufgrund der o.a. rechtlichen Bestimmungen ist der Antrag als verspätet eingebracht zu qualifizieren und begründet deshalb keine Senatszuständigkeit. Auch von der mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden.

2. Unzulässige Wiederholungsprüfung

§ 148 Abs. 3 BAO normiert, dass ein neuer Prüfungsauftrag für einen Zeitraum, für den eine Außenprüfung bereits vorgenommen worden ist, nur in taxativ aufgezählten Fällen zulässig ist.

Insoweit von der Beschwerdeführerin das Vorliegen einer unzulässigen Wiederholungsprüfung behauptet wird, wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Verfahren keine abgeschlossene Prüfung vorlag.

Es wurde vom Prüfer lediglich neuerlich der Beginn der Prüfung bekannt gegeben. Warum zwischen dem Unterfertigen des Prüfungsauftrages am und dem tatsächlichen Prüfungsbeginn am einige Zeit ohne Prüfungshandlungen verstrichen ist, lässt sich aus dem vorgelegten Akt nicht feststellen, ist aber auch nicht von Belang.

3. Steuerfreie Zuschläge gem. § 68 Abs. 1 EStG 1988

3.1. Zwischen der Beschwerdeführerin und dem Finanzamt ist strittig, inwieweit eine betriebliche Notwendigkeit der Leistung von Sonntagstunden durch den Geschäftsführer nachgewiesen werden konnte und dementsprechend eine Auszahlung von steuerfreien Zuschlägen für Sonntagsarbeit im Maximalbetrag von 360,- Euro pro Monat zulässig war.

3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt die Steuerbegünstigung für Überstundenzuschläge nach § 68 EStG 1988 nur in Betracht, wenn die genaue Anzahl und die zeitliche Lagerung aller im Einzelnen tatsächlich geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der dafür über das sonstige Arbeitsentgelt hinaus mit den Entlohnungen für diese Überstunden bezahlten Zuschläge feststehen (vgl. , m.w.N.).

3.3. Das EStG 1988 unterscheidet zwischen "Normalüberstunden" (Überstunde zur Tagesarbeitszeit an Werktagen) mit einer Begünstigung gemäß § 68 Abs. 2 EStG 1988 und so genannten qualifizierten Überstunden (Überstunden an Sonn- und Feiertagen und in der Nachtzeit) mit einer Begünstigung gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988.

3.4. In Anbetracht der dem § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu Grunde liegenden Intention, nur jene Arbeitnehmer steuerlich zu begünstigen, die gezwungen sind, zu den im § 68 Abs. 1 EStG 1988 angeführten Zeiten Leistungen zu erbringen, muss auch der zwingende betriebliche Grund, gerade an diesen Tagen und Zeiten die Tätigkeiten zu erbringen, nachgewiesen werden, hätten es doch sonst Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitgehend in der Hand, eine begünstigte Besteuerung des Arbeitslohnes durch Verlagerung der (Überstunden-)Tätigkeit in begünstigte Zeiten herbeizuführen. Wenn es in einem Verfahren um die Erwirkung abgabenrechtlicher Begünstigungen geht, tritt der Gedanke der strikten Amtswegigkeit insofern in den Hintergrund, als der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. ; ).

Rechtsprechung und Lehre (vgl. Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG14 (2010), § 68 Tz 44) sind sich darin einig, dass die vom Gesetzgeber für die Begünstigung der Zuschläge für Nachtarbeit normierte "betriebliche Notwendigkeit" auch für die Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen als Voraussetzung heranzuziehen ist. Auch in diesen Fällen bestehe eine Gefahr, die Arbeitszeit in begünstigte Zeiten zu verlagern.

3.5. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin arbeitete in unregelmäßigen Abständen, im Schnitt zweimal pro Monat, an Sonntagen.

Für die Berücksichtigung der Steuerfreiheit der Zuschläge ist es notwendig, dass diese Arbeitsleistung aus zwingenden betrieblichen Gründen nur an diesen Tagen erbracht werden kann. Die Beschwerdeführerin begründete dies damit, dass von Montag bis Freitag aufgrund der vielfältigen Aufgaben als Geschäftsführer diese Tätigkeiten nicht durchgeführt werden konnten.

Der Sonntag wurde deshalb genutzt, weil der Samstag aus familiären Gründen nicht in Frage kam und am Sonntag die Arbeitsleistung mit dem Besuchen der in der Nähe des Betriebes wohnenden Mutter kombiniert werden konnte.

Damit wurden von der Beschwerdeführerin keine zwingenden betrieblichen Gründe nachgewiesen. Ein allgemeiner Hinweis auf die vielfältigen Aufgaben eines Geschäftsführers, ohne Nachweis, dass die an Sonntagen erbrachten Arbeiten nur zu diesen Zeiten erbracht werden konnten, reicht nicht aus, um eine betriebliche Notwendigkeit zu begründen.

Im Beschwerdefall zeigt sich, dass die oben angeführten privaten Gründe ausschlaggebend waren, dass die Arbeitsleistung am Sonntag (und z.B. nicht am Freitag oder am Samstag) erfolgt ist. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass in jenen Wochen, in denen Sonntagsstunden aufgezeichnet wurden, am Freitag die Arbeit sehr häufig zwischen 15.30 und 17.00 Uhr beendet wurde.

Zusammengefasst ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, eine betriebliche Notwendigkeit für die Erbringung von Arbeitsleistungen ihres Geschäftsführers an Sonntagen darzulegen, weshalb der Ansicht des Finanzamtes, die Steuerfreiheit nicht anzuerkennen, nicht entgegengetreten werden kann.

In diesem Zusammenhang wird auch insbesondere auf den vergleichbaren Sachverhalt des Erkenntnisses des , hingewiesen. Dabei hatte die Beschwerdeführerin wie im gegenständlichen Beschwerdefall damit argumentiert, dass bei einer "umfänglichen" wöchentlichen Arbeitsleistung zumindest der Samstag zur Regeneration und zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten zur Verfügung stehen müsse. Dieser Ansicht konnte sich der VwGH nicht anschließen.

3.6. Dem von der Beschwerdeführerin angeführten Argument, dass die Arbeitsleistung unter der Woche zwischen 19 und 22 Uhr als Nachtarbeit ebenfalls (nach § 68 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 EStG 1988 ) begünstigt wäre, ist zu entgegnen, dass auch in diesem Fall die betriebliche Notwendigkeit eine Voraussetzung bildet. Zudem sprechen Unterbrechungen der Arbeitszeit vor Beginn der Nachtarbeit, wie im gegenständlichen Fall für die Erledigung von privaten Dingen, gegen die Begünstigung der Nachtarbeit (vgl. ).

3.7. Ergänzend wird auch darauf hingewiesen, dass mit den im Schnitt an Sonntagen geleisteten ca. 7 - 9 Stunden pro Monat, der Maximalbetrag für steuerfreie Zuschläge von 360,- Euro gar nicht erreichbar wäre.

3.8. Zum von der Beschwerdeführerin als Nachweis für die besondere Arbeitsleistung des Geschäftsführers angeführten Argument, dass sich dieser seine Urlaubstage auszahlen habe lassen (müssen), bleibt nur festzustellen, dass dies gegen die (zwingenden) Bestimmungen des Urlaubsgesetzes verstößt. Eine überzeugende Begründung für die betriebliche Notwendigkeit, Arbeitsleistungen an Sonntagen zu erbringen, wird dadurch nicht geboten.

3.9. Abschließend wird auch auf die eindeutige Judikatur des VwGH hingewiesen, nach der ein Herausschälen von steuerfreien Anteilen aus einem Grundgehalt - wie im vorliegenden Fall anhand der Lohnkonten ablesbar - nicht zulässig ist. Zuschläge müssen zusätzlich zu einem nicht begünstigten Grundlohn gezahlt werden (vgl. ). Auch aus diesem Grund wäre eine Steuerfreiheit der Sonntagszuschläge zu verneinen gewesen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das vorliegende Erkenntnis orientiert sich in Hinblick auf die Beurteilung der betrieblichen Notwendigkeit der Leistung von Sonntagsstunden an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere am Erkenntnis vom , 2000/13/0073. Die (ordentliche) Revision ist dementsprechend nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 274 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 148 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 68 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 68 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 68 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 272 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100025.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at