Haftung Kommunalsteuer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Pitzal / Cerny / Partner Rechtsanwälte OG, Paulanergasse 9, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***MA*** vom betreffend Haftung gemäß § 224 BAO in Verbindung mit § 6a KommStG und § 80 BAO sowie § 224 BAO in Verbindung mit § 6a des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe und § 80 BAO (Primärschuldnerin: ***1***, Firmenbuchnummer ***2***) zu Recht:
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Der Haftungsbetrag wird mit insgesamt 428,51 Euro festgelegt. Diese Summe setzt sich aus folgenden Abgaben zusammen:
Kommunalsteuer Jänner 2017: 406,59 Euro
Dienstgeberbeitrag Jänner 2017: 21,92 Euro
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Vorhalt vom forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin (in der Folge. Bf.) auf, sich zu dem Umstand zu äußern, dass man erwäge, sie in ihrer Eigenschaft als ehemalige Geschäftsführerin für offene Abgabenschuldigkeiten (Kommunalsteuer 1/2017: 414,21 Euro; Säumniszuschlag: 8,28 Euro; Dienstgeberabgabe: 22,54 Euro; insgesamt: 445,03 Euro) der ***1*** (in der Folge: Primärschuldnerin) zur Haftung heranzuziehen.
In einem E-Mail vom brachte die Bf. vor, dass es sich bei den geltend gemachten Abgaben um solche aus dem Jänner 2017 handle, die am fällig gewesen seien. Aufgrund des Konkurses des Hauptauftraggebers der Primärschuldnerin sei eine Überschuldung eingetreten und seinen ab Februar 2017 alle Zahlungen eingestellt worden. Nur für den Abschluss laufender Baustellen habe es noch Zug-um-Zug-Zahlungen gegeben. Das Insolvenzverfahren sei am ***5*** eröffnet worden. Aufgrund der Einstellung der Zahlungen scheide die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen aus.
Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde die Bf. eine Liquiditätsaufstellung der Primärschuldnerin für den Zeitraum Jänner 2017 vorzulegen. Dieses Schriftstück wurde laut Rückschein am durch Hinterlegung zugestellt, aber nicht behoben.
Mit Bescheid vom wurde die Bf. für Kommunalsteuer 1/2017: 414,21 Euro; Säumniszuschlag: 8,28 Euro; Dienstgeberabgabe: 22,54 Euro; insgesamt: 445,03 Euro der Primärschuldnerin gemäß § 6a Abs. 1 KommStG bzw. § 6a Abs. 1 DGAG jeweils iVm §§ 80ff BAO als ehemalige Geschäftsführerin der Primärschuldnerin zur Haftung herangezogen.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom sei über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet worden. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung sei durch die Eröffnung des Konkursverfahrens jedenfalls erfüllt.
Die Bf. habe die ihr als Geschäftsführerin der Primärschuldnerin auferlegten Pflichten verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könne.
Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag überhaupt noch eingebracht werden könnte.
Der angefochtene Bescheid wurde laut Rückschein am zugestellt.
Mit E-Mail vom bracht die Bf. das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ein.
Die Behörde übersehe, dass eine Haftung nur in dem Ausmaß gegeben sei, als die Abgabenschuldigkeiten im Verhältnis schlechter behandelt worden seien als andere Verbindlichkeiten.
Die Behörde führe richtig aus, dass mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom (Anmerkung: gemeint 2017) über das Vermögen der Primärschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.
Richtig sei zwar, dass die Bf. im Firmenbuch als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Primärschuldnerin eingetragen sei, jedoch sei es zu keiner schuldhaften Verletzung der ihr auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Verpflichtungen gekommen.
Die Fälligkeit der nunmehr geltend gemachten Abgabenrückstände für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für Jänner 2017 sei mit eingetreten.
Aufgrund der bei der Primärschuldnerin eingetretenen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung und in Wahrung der gesetzlichen Pflichten seien Anfang Februar 2017 sämtliche Zahlungen der Gesellschaft eingestellt worden. Im Februar 2017 seien lediglich Zug-um-Zug-Leistungen getätigt worden.
Schon aus diesem Grund sei ersichtlich, dass eine Haftung der Geschäftsführerin ausscheide, zumal die Abgabenschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten nicht schlechter behandelt worden seien.
Die Behauptung der Behörde, dass auf ihr Schreiben vom 6. Juli2017 keine Antwort erfolgt sei, sei unrichtig, da die Bf. am sehr wohl eine Antwort verfasst habe. Bereits aus dieser Stellungnahme ergebe sich eindeutig, dass sämtliche Zahlungen der in Insolvenz befindlichen Primärschuldnerin mit Februar 2017 eingestellt worden seien.
Im Februar 2017 hätten sowohl die Gläubiger als auch die Abgabenschuldigkeiten einen Ausfall von 100% erlitten, sodass keine Haftung für offene Abgabenschuldigkeiten bestehen könne.
Mit Schreiben vom wurde die Bf. erneut eingeladen, eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum Jänner 2017 vorzulegen.
Dieses Schreiben wurde laut Rückschein am zugestellt.
In einer Stellungnahme vom gab die Bf. an, dass die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Hauptauftraggeber ***3*** eingetreten sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Primärschuldnerin in der Lage gewesen, ihre Verbindlichkeiten laufend zu bedienen. Erst nach Kenntnis der Insolvenzeröffnung über ihren Hauptauftraggeber seien sämtliche Zahlungen eingestellt worden.
Zum Stichtag hätten die Gläubiger einen Ausfall von 0% erlitten, die Abgabenschuldigkeiten ebenfalls von 0%. Lediglich betreffend zwei Gläubiger habe es länger bestehende Rückstände gegeben. Mit diesen sei jedoch eine Ratenvereinbarung getroffen worden. Sämtliche übrigen Gläubiger seien bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit stets per Fälligkeit vollständig befriedigt worden, sodass eine konkrete Aufstellung der einzelnen Forderungen obsolet erscheine.
Ab ***3*** seien lediglich die mit dem Geschäftsbetrieb notwendigen Ausgaben sowie Zug-um-Zug-Geschäfte getätigt worden. Ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sei lediglich das Leasingentgelt für die zwei Fahrzeuge, die für den Geschäftsbetrieb unbedingt notwendig gewesen seien, für 02/2017 bezahlt worden.
Darüber hinaus sei ein Zug-um-Zug-Geschäft mit einem Sachverständigen durch Bezahlung der Schätzkosten für die Fahrzeuge im Eigentum der Primärschuldnerin in Höhe von 480 Euro getätigt worden.
Sonst sei lediglich der für den Antrag auf Insolvenzeröffnung notwendige Kostenvorschuss in Höhe von 4.000 Euro sowie die Kosten der Rechtsanwaltskanzlei für die Einbringung des Insolvenzeröffnungsantrages in Höhe von 4.800 Euro und eine Zahlung an eine notwendige Versicherung in Höhe von 27,75 Euro geleistet worden.
Alle übrigen Gläubiger seien ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht befriedigt worden. Somit ergebe sich, dass der Abgabengläubiger in keiner Weise schlechter gestellt worden sei als die übrigen Gläubiger.
Es werde beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und den Haftungsbescheid zur Gänze zu beheben.
Die belangte Behörde wies die Beschwer mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Voraussetzungen für die Haftung seien eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung.
Dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen tatsächlich bestünden, stehe nach der Aktenlage fest. Weiters stehe unbestritten fest, dass die Bf. als Geschäftsführerin der Primärschuldnerin zu dem in § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehöre.
Es werde nicht bestritten, dass die angeführten Abgabenrückstände bei der Primärschuldnerin erschwert einbringlich seien.
Es sei Aufgabe des Vertreters, nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzutun habe, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei.
Sowohl im Haftungsbescheid als auch im Schreiben vom werde darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgabenrechtlich keine Bevorrechtung von Forderungen aus Zug-um-Zug-Geschäften im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgebot vorgesehen sei. Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung beziehe sich nämlich auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich seien. Eine Bevorzugung von Gläubigern könne daher auch in der Bezahlung von Wirtschaftsgütern in Form von Zug-um-Zug-Geschäften bestehen. Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger habe somit auch die von der Gesellschaft getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte zu erfassen (z.B. ; ; ).
Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoße ein Geschäftsführer, der Abgabenschulden bei Fälligkeit nicht vollständig entrichte, gegen die Gleichbehandlungspflicht dann nicht, wenn die Mittel, die ihm zur Verfügung stünden, nicht für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten ausreichten, er aber diesem Verhältnis entsprechend anteilig erfülle; insoweit sei auch das Ausmaß der Haftung bestimmt. Dies setze allerdings voraus, dass der Geschäftsführer im Verfahren betreffend seine Heranziehung zur Haftung die Grundlagen für die behördliche Feststellung des zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zur Bezahlung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Anteils an liquiden Mittel beigebracht habe ().
Dieser Nachweis sei jedoch trotz Aufforderung nicht erbracht worden. Nach der Aktenlage seien zwar Zahlungen geleistet, die Abgaben jedoch nicht entrichtet worden. Dadurch habe die Bf. ihre Pflichten schuldhaft verletzt und hafte für den Rückstand zur Gänze.
Die Bf. habe in ihrer Beschwerde nicht den Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen sei.
Die Pflichtverletzung der Bf. ergebe sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Sie hätte Sorge tragen müssen, dass die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet werde.
Mit Schreiben vom begehrte die Bf. die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht.
Es treffe nicht zu, dass die Bf. den Nachweis, für die haftungsrelevanten Abgaben keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen zu haben, nicht erbracht habe, da der Behörde mehrfach Unterlagen sowie eine Liquiditätsaufstellung übermittelt worden seien.
Zur nochmaligen Veranschaulichung, dass sie keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen habe, lege die Bf. eine konkrete Aufstellung betreffend die Forderungen gegenüber der Primärschuldnerin vor. Daraus sei eindeutig ersichtlich, dass für den Zeitraum ab die meisten Gläubiger nicht befriedigt worden seien und gerade die belangte Behörde zu 100% befriedigt worden sei.
Sämtliche Gläubiger hätten einen Ausfall betreffend ihre Forderungen ab in Höhe von 100% erlitten.
Aus diesem Grund gehe eindeutig hervor, dass dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht widersprochen worden sei, sondern vielmehr die Behörde gegenüber den anderen Gläubigern für die am fälligen Abgaben bevorzugt worden sei.
Eine Haftung der Bf. scheide daher jedenfalls aus.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf. war im Zeitraum ***4*** bis ***5*** Geschäftsführerin der Primärschuldnerin.
Für den Zeitraum Jänner 2017 schuldet die Primärschuldnerin Kommunalsteuer in Höhe von 414,21 Euro und Dienstgeberabgabe in Höhe von 22,54 Euro. Diese Beträge waren am fällig und sind - abgesehen von Quotenzahlungen in Höhe von 7,62 Euro (Kommunalsteuer 01/2017) und 0,62 Euro (Dienstgeberabgabe 01/2017) - uneinbringlich.
Der im angefochtenen Bescheid haftungsmäßig geltend gemachte Säumniszuschlag wurde gegenüber der Primärschuldnerin nicht mittels Bescheid vorgeschrieben.
Die Primärschuldnerin leistete im Zeitraum Februar/März 2017 (bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens) Zahlungen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit, insbesondere für Zug-um-Zug-Geschäfte, jedoch keine Zahlungen für die haftungsgegenständlichen Abgaben.
Die Bf. hat die Verpflichtung der rechtzeitigen Entrichtung fälliger Abgaben verletzt. Diese Verletzung ist Kausal für den Abgabenausfall.
Beweiswürdigung
Die Vertreterstellung der Bf. ergibt sich aus dem Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin (Akt Blätter 3 bis 4). Die festgestellten fälligen Steuerbeträge und Quotenzahlungen vom ergeben sich aus den vorliegenden Kontoauszügen der belangten Behörde (Akt Blätter 79 und 80) und sind zwischen den Parteien unstrittig (siehe z.B. Beschwerde, Akt Blatt 41; E-Mail der Bf. vom , Akt Blatt 15).
Dass die noch offenen Abgabenforderungen uneinbringlich sind, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Primärschuldnerin infolge Konkurses aufgelöst ist (siehe Firmenbuchauszug des Primärschuldnerin, Akt Blätter 3 bis 4).
Dass kein Bescheid hinsichtlich des Säumniszuschlags ausgestellt worden ist, ergibt sich aus der Stellungnahme der belangten Behörde vom .
Dass tatsächlich Zahlungen im Rahmen von Zug-um-Zug-Geschäften geleistet worden sind, ergibt sich aus den Eingaben der Bf., z.B. der Stellungnahme vom samt Kontoauszügen (Akt Blatt 58 bis 67).
Zum Vorliegen der Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen, die kausal für den Abgabenausfall gewesen ist, wird auf die entsprechenden Ausführungen in den Erwägungen (Punkt 3.1.2. dieses Erkenntnisses) verwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Rechtslage
§ 6a KommStG 1993 lautet:
§ 6a. (1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.
§ 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe lautet:
§ 6a. (1) Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.
§ 80 Abs. 1 BAO lautet:
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
§ 224 BAO lautet:
§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Erwägungen
Gemäß § 1 KommStG unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.
Die Steuerschuld entsteht gemäß § 11 Abs. 1 KommStG mit Ablauf des Kalendermonats, in dem u.a. Lohnzahlungen gewährt worden sind.
Gemäß § 6a KommStG haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 6a Abs. 1 DGAG, haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe werden für jeden Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Kalendermonats fällig (§ 11 Abs. 2 KommStG und § 6 Abs. 1 DGAG).
Verfahrensgegenständlich sind die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für Jänner 2017. Diese sind am fällig geworden.
Es steht fest, dass die Bf. am Geschäftsführerin der Primärschuldnerin und damit Vertreterin im Sinne des § 80 BAO gewesen ist.
Die Haftung nach § 6a KommStG sowie § 6a DGAG setzt voraus, dass die Abgaben nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können. Dies gilt nach den genannten Haftungsbestimmungen insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Im Beschwerdefall steht die Uneinbringlichkeit und damit jedenfalls der haftungsgegenständlichen Abgaben fest. Es können die Abgaben aufgrund der Insolvenz mit anschließender Auflösung der Primärschuldnerin nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden. Zu berücksichtigen sind jedoch die Quotenzahlungen in Höhe von 7,62 Euro (Kommunalsteuer Jänner 2017) und 0,62 Euro (Dienstgeberabgabe Jänner 2017).
Als Vertreterin der Primärschuldnerin oblag es der Bf. den abgabenrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Abgabenentrichtung nachzukommen. Tatsachlich wurden Abgaben (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für Jänner 2017) mit Ausnahme der Quotenzahlungen nicht entrichtet. Die Verletzung einer abgabenrechtlichen Verpflichtung liegt damit vor.
Der Vertreter hat den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, zu erbringen. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen (vgl. ).
Nach dem festgestellten Sachverhalt wurden ab Februar 2017 im Wesentlichen Zug-um-Zug zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes geleistet.
Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung bezieht sich auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind, und kann eine Bevorzugung von Gläubigern auch in der Barzahlung von Wirtschaftsgütern in Form von sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften bestehen. Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger hat somit auch die von der Gesellschaft getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte zu erfassen. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen ( mVa ).
Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().
Im gegenständlichen Fall ist ein solcher Nachweis nicht erbracht worden, weshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung anzunehmen ist und die uneinbringliche Abgabe zur Gänze im Haftungswege vorgeschrieben werden kann.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. für viele ). Für die Haftung nach § 6a KommStG und nach § 6a des Wiener Landesgesetzes über die Dienstgeberabgabe gilt nichts anderes (vgl. mVa ).
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch die Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Ein wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. ).
Soweit der angefochtene Bescheid auch eine Haftung für einen Säumniszuschlag in Höhe von 8,28 Euro in Zusammenhang mit der Kommunalsteuer für Jänner 2017 ausspricht, ist anzumerken, dass gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 bzw. Z 5 F-VG ausschließliche Landesabgaben solche sind, deren Ertrag ganz den Ländern zufließt und ausschließliche Gemeindeabgaben solche, deren Ertrag ganz den Gemeinden zufließt. Gemäß § 16 Abs. 1 Z 2 Finanzausgleichsgesetz 2017 ist die Kommunalsteuer eine ausschließliche Landes(Gemeinde)abgabe. Gemäß § 217a Z 2 BAO, eine Sondervorschrift für Landes- und Gemeindeabgeben, werden Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig. Allerdings gibt es im beschwerdegegenständlichen Sachverhalt keinen Säumniszuschlagsbescheid; somit kann auch keine Fälligkeit für einen Säumniszuschlag für Landes- und Gemeindeabgaben eingetreten sein und in weiterer Folge keine Haftungsverpflichtung der Bf. bestehen.
Der Beschwerde war in diesem Punkt Folge zu geben.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Haftung auf einen Betrag von 428,51 Euro einzuschränken.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Darüberhinausgehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 6a Wiener Dienstgeberabgabe, LGBl. Nr. 17/1970 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400045.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at