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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.07.2020, RV/5100604/2019

Gutachten kein taugliches Beweismittel für eine kürzere Restnutzungsdauer bei einem vermieteten Gebäude

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache Dipl.-Ing. (FH) ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch UNICONSULT Steuerberatungs GmbH & Co KG, Innbruckstraße 9, 4780 Schärding, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA XYZ vom betreffend Einkommensteuer 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2017.

Der Beschwerdeführer erklärte im beschwerdegegenständlichen Jahr aus der Vermietung eines zu Wohnzwecken umgebauten Gewerbegebäudes Einkünfte in Höhe von -6.430,39 €.

Das Finanzamt anerkannte mangels Nachweises einer kürzeren Nutzungsdauer die geltend gemachte Absetzung für Abnutzung in Höhe von 11.540,61 € nicht, sondern ging von einem Abschreibungssatz von 1,5 % aus und verminderte die Absetzung für Abnutzung um 6.806,89 € auf 4.733,72 € (Bescheid vom ).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertreterin innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist mit Schriftsatz vom Beschwerde, beantragte, von einer Restnutzungsdauer von 30 Jahren bei Berechnung der AfA auszugehen, und legte ein dementsprechendes Sachverständigengutachten vom vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab; auf die separat ergangene Begründung wird verwiesen.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertreterin die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und verwies in seiner Begründung auf die bei dem gegenständlichen Gebäude - einem vor Einbau der Wohnungen intensiv genutzten Gewerbeobjekt (Betriebshalle einer Tischlerei) - bereits aufgetretenen Schäden und Baumängel, was eine geringere Restnutzungsdauer rechtfertige; auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.

Das Finanzamt legte die gegenständliche Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hat die gegenständliche Liegenschaft, bestehend aus zwei Grundstücken (1.032 m2, 356 m2) samt allen darauf errichteten Baulichkeiten insbesondere einem zu Wohnzwecken umgebauten Gewerbegebäude um 426.000 € erworben (Kaufvertrag vom ) und die bestehenden Mietverträge übernommen. Zum Zeitpunkt der Übernahme waren alle vier Wohnungen vermietet und der ehemalige Eigentümer bewohnte sein Büro im Erdgeschoß.

Es handelt sich bei dem Gebäude ursprünglich um die Betriebshalle einer Tischlerei; das Gebäude war 1961 bewilligt, errichtet und in den Folgejahren als Gewerbeobjekt intensiv genutzt worden.

2006 wurde das Gebäude saniert; laut Einreichplan vom erfolgte der Umbau des ehemaligen Tischlereigebäudes (Betriebshalle) in Wohnungen, wobei der überwiegende Teil der Grundsubstanz übernommen wurde. Bezogen auf eine Erdgeschoßgrundfläche von 10,6 m x 23,4 m ist das Gebäude in den Abmessungen 10,6 m x 7,98 m unterkellert; die Unterkellerung wurde im Zuge des Baus im Jahr 1961 hergestellt. Bei der ursprünglichen Betriebshalle handelte es sich um einen einfachen Zweckbau mit massiv tragenden Mauern und eher geringen Stützweiten. Zum Einbau der Wohnungen im Obergeschoß war es notwendig, die Dachneigung auf teilweise 3 Grad zu reduzieren. Die Wohnungen sind ohne Massivdecke ausgeführt und zum Dachstuhl hin isoliert und mittels Trockenbauweise angeschlossen. Da die tragenden Teile nicht verändert werden konnten, wurde der Aufgang in das Obergeschoß außen an das Gebäude mittels einer Stahlkonstruktion angebaut. Die Gebäudeöffnungen mussten adaptiert werden und weisen an den Öffnungen bereits Risse im Vollwärmeschutzsystem auf.

Die grundsätzliche Ausgestaltung des Gebäudes ist typisch für Ende der Sechzigerjahre/Anfang Siebzigerjahre. Die ursprüngliche Funktion als Gewerbeobjekt ist nach wie vor spürbar und sichtbar. Es handelt sich um ein von Nordwest nach Südost ausgerichtetes länglich figuriertes Gebäude. Im Erdgeschoß befinden sich Wohnungen, welche nur teilweise Verbindung von Wohnräumen ins Freie haben, obwohl Rasenflächen vorgelagert sind. Die Raumaufteilung richtet sich nach den vorgegebenen geraden Linien des ehemaligen Gewerbeobjektes. Das Gebäude ist teilweise unterkellert. Die Kellerräume zeigen bereits Undichtigkeiten in Leitungsdurchführungen sowie auch Wasserschäden im Bereich der westseitigen Kellerwände. Die Fußbodenaufbauten im Erdgeschoß und im Obergeschoß wurden auf der Rohbodenkante des Gewerbebaues errichtet. Tür- und Fensterkonstruktionen sind im Zuge der Generalsanierung bzw. im Zuge der Umfunktionierung des Gebäudes auf ein Wohnobjekt erneuert worden.

Der Gesamtzustand ist ordentlich. Die vorgefundenen Abnutzungserscheinungen entsprechen einem üblichen Maß nach zwölf Jahren Verwendung als Vermietobjekt, wobei an der ursprünglichen Gebäudehülle (verkleidet mit einem Vollwärmeschutzsystem) Rissbildung an der bewitterten Westseite festzustellen ist. Aufgrund des geringen Dachvorsprungs auf der Westseite ist der Witterungsangriff deutlich sichtbar. Hier besteht schon in absehbarer Zeit Renovierungsbedarf an der Fassade. An der gegenüberliegenden Ostseite besteht ein großzügiges Vordach, welches durch eine Holzkonstruktion getragen wird. Dieses diente vormals zum Witterungsschutz bei Belade-/ und Entladearbeiten von Fahrzeugen. Der Witterungsangriff ist hier deutlich zu erkennen und es sind bereits Frostabplatzungen an der Ummauerung festzustellen. Die Elektroinstallation ist nicht generalsaniert, sondern wurde nur der geänderten Gebäudenutzung angepasst. Das Gleiche gilt für die Haustechnik samt Kanalisation.

Beweiswürdigung

Der Beschwerdeführer hat zum Beweis dafür, dass von einer kürzeren Nutzungsdauer auszugehen ist, zwei Sachverständigengutachten vom Baumeister Ing. W vorgelegt.

  • Gutachten vom (vorgelegt mit Vorhaltsbeantwortung vom ): Dieses geht von einer Restnutzungsdauer von 27 Jahren aus.

  • Gutachten vom (vorgelegt mit Beschwerde vom ): Dieses geht von einer Restnutzungsdauer von maximal 30 Jahren aus.

Die beiden Gutachten unterscheiden sich dadurch, dass bei dem Gutachten jüngeren Datums dezidiert auf den konkreten Bauzustand und die sichtbaren Schäden eingegangen wird; Fotomaterial wurde zudem beigelegt. Die Beurteilung "Der Gesamtzustand ist ordentlich." auf Seite 4 des ersten Gutachtens fehlt, ebenso die Schlussfolgerungen hinsichtlich der Nutzungsdauer auf den Seiten 5 und 6. Ansonsten sind die weiteren Textpassagen gleichlautend.

Die Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich der Gebäudebeschreibung beruhen auf den vorgelegten Sachverständigengutachten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

  • Rechtslage

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Werbungskosten sind nach Z 8 auch Absetzungen für Abnutzungen und für Substanzverringerungen (§§ 7 und 8). Gehört ein abnutzbares Wirtschaftsgut (insbesondere Gebäude) nicht zu einem Betriebsvermögen gilt für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung nach lit. d) Folgendes:

Bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, können ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5 % der Bemessungsgrundlage (lit. a bis c) als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen und von Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen.

  • Rechtliche Erwägungen

Strittig ist, ob aufgrund einer kürzeren Nutzungsdauer ein höherer AfA-Satz zur Anwendung kommen kann.

Mit der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d) EStG 1988 stellt das Gesetz die Vermutung iSd § 167 Abs. 1 BAO auf, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, 66 2/3 Jahre und nicht weniger beträgt; die Beweislast für die Widerlegung dieser Vermutung mit der Behauptung des Vorliegens einer kürzeren (Rest)Nutzungsdauer trifft den Steuerpflichtigen, wobei ein solcher Beweis nach ständiger Rechtsprechung im Regelfall durch die Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu erbringen ist (zB ). Irrelevant ist es dabei, ob das Gebäude beim Mieter betrieblichen Zwecken dient; entscheidend ist bloß, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorliegen (). Diese gesetzlich unterstellte Nutzungsdauer gilt sowohl bei neu erbauten als auch bei erworbenen Gebäuden, wobei in letztem Fall die Restnutzungsdauer vom Bauzustand im Zeitpunkt des Erwerbes abhängt (zB ). Ein zur Entkräftung der gesetzlich vermuteten Nutzungsdauer erstelltes Gutachten muss jedenfalls auf den konkreten Bauzustand eingehen und einen nachvollziehbaren Bezug zwischen dem Befund und der vom Gutachter angesetzten Restnutzungsdauer herstellen (). Nach den EStR 6444 bildet die Ermittlung einer fiktiven Gesamtnutzungsdauer, von der das Alter des Gebäudes abgezogen wird, keine taugliche Grundlage zur Schätzung der Restnutzungsdauer (Jakom/Lenneis EStG, 2019, § 16 Rz 42).

Der Beschwerdeführer hat vom selben Sachverständigen zwei Gutachten vorgelegt, wobei das Gutachten neueren Datums auf die zum Zeitpunkt der Begutachtung (Lokalaugenschein ) vorliegenden Schäden eingeht. Diesbezüglich hat er folgende Feststellungen getroffen:

  • Die bei der Sanierung 2006 adaptierten Gebäudeöffnungen weisen an den Öffnungen Risse im Vollwärmeschutz auf ebenso an der bewitterten Westseite der ursprünglichen Gebäudeteile.

  • Sowohl auf der Westseite (mit einem geringen Dachvorsprung) als auch auf der Ostseite (mit einem großzügigen Vordach zum ursprünglichen Witterungsschutz bei Belade-/ und Entladearbeiten von Fahrzeugen) ist der Witterungsangriff deutlich sichtbar; an der Ostseite sind lediglich Frostabplatzungen an der Ummauerung feststellbar, an der Westseite hingegen besteht in absehbarer Zeit Renovierungsbedarf.

  • Die Kellerräume zeigen Undichtigkeiten in Leitungsdurchführungen sowie Wasserschäden im Bereich der westseitigen Kellerwände.

Insgesamt kommt der Gutachter jedoch in seinem ersten Gutachten zu folgendem Ergebnis:

"Der Gesamtzustand ist ordentlich. Die vorgefundenen Abnutzungserscheinungen entsprechen einem üblichen Maß nach zwölf Jahren Verwendung als Vermietobjekt, …"

In seinem zweiten Gutachten zieht der Sachverständige folgendes Resümee:

"Die gutachterlich festgestellte Bausubstanz zeigt aufgrund der Rissbildungen bereits statische Auswirkungen, weshalb von keiner längeren Nutzungsdauer ausgegangen werden kann."

Eine genaue tiefergehende Begründung der statischen Auswirkungen bleibt er jedoch schuldig.

In seiner Berechnung im Gutachten vom , welche im Übrigen im Gutachten vom fehlt, geht der Sachverständige von einer Gesamtnutzungsdauer von 50 Jahren aus und errechnet das heranzuziehende theoretische Errichtungsjahr aus dem ursprünglichen Errichtungsjahr (1961) und der Generalsanierung (2006) mit 1970 unter Zugrundelegung einer Gewichtung von einem Drittel (ursprüngliche Errichtung) und zwei Dritteln (Generalsanierung). Nunmehr zieht er das errechnete Jahr 1970 vom Jahr der Generalsanierung 2006 ab und kommt so auf eine Differenz von 36 Jahren ds. 24 Jahre unter Beachtung der Interpolierung (zwei Drittel). Das gewichtete ermittelte Ergebnis von 24 Jahren rechnet er dem zuerst ermittelten theoretischen Errichtungsjahr 1970 zu, was das nunmehrige theoretische Errichtungsjahr 1994 ergibt; zuzüglich einer angenommenen Gesamtnutzungsdauer von 50 Jahren kommt er auf eine wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer bis 2044 ds. 27 Jahre Restnutzungsdauer.

Im Gutachten vom wird unter Hinweis auf die bereits 47 Jahre alte Bausubstanz, der einfachen Adaption zum Mietobjekt und der bereits sichtbaren Schäden (Gebäudehülle, Mauerwerk, Keller) entsprechend der Annahme des ersten Gutachtens die Restnutzungsdauer mit maximal 30 Jahren festgelegt.

Ausgehend von den Schlussfolgerungen der vorliegenden Gutachten kann seitens des Bundesfinanzgerichtes das Vorliegen einer dreißigjährigen Restnutzungsdauer aus folgenden Gründen nicht nachvollzogen werden:

  • Es wurde zwar auf den konkreten Bauzustand des gegenständlichen Gebäudes eingegangen, ein nachvollziehbarer Bezug zwischen dem Befund und der vom Gutachter angesetzten Restnutzungsdauer ist jedoch nicht gegeben.

  • Es wurden weder schlüssige Berechnungen angestellt, die ziffernmäßige Ausgangswerte nennen, noch konkrete Überlegungen und Berechnungsmethoden dargestellt.

  • Die Ermittlung eines theoretischen Errichtungsjahres zuzüglich einer angenommenen Gesamtnutzungsdauer, was schließlich eine wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer ergibt, stellt keine taugliche Grundlage zur Schätzung der Restnutzungsdauer dar.

Dem Beschwerdeführer ist somit der Beweis des Vorliegens einer kürzeren (Rest)Nutzungsdauer durch Widerlegung der gesetzlichen Vermutung, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, 66 2/3 Jahre und nicht weniger beträgt, nicht gelungen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird über eine geltend gemachte Absetzung für Abnutzung im Rahmen von Vermietungseinkünften abgesprochen. Zu den §§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. d) und 28 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von im Streitfall ausschließlich einzelfallbezogenen Sachverhaltsfragen ab. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100604.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at