Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2020, RV/2100142/2019

Keine Vergütung der Vorsteuern für ausländische Unternehmer im Wege der Veranlagung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***2***, Frankreich, vertreten durch ***Steuerberater***; über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend die Nichtfestsetzung der Umsatzsteuer 2009 bis 2011 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerde gegen die Nichtfestsetzung der Umsatzsteuer 2009 und 2010 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  • Hinsichtlich der Beschwerde gegen die Nichtfestsetzung der Umsatzsteuer 2011 ergeht der
    Beschluss:
    Die Beschwerde wird gemäß § 261 Abs. 1 lit. a BAO als gegenstandslos erklärt.

  • Gegen dieses Erkenntnis und den Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) handelt es sich um ein französisches Unternehmen, das als Tätigkeitsbereich die Herstellung und den Vertrieb von Wintersportgeräten hatte. Bis zum Jahr 2007 wurde die Bf. im ***FA*** zur Umsatzsteuer veranlagt.
Hinsichtlich des Jahres 2008 ist noch offen, ob eine Erklärung eingereicht wurde.

Für die verfahrensgegenständlichen Jahre 2009 bis 2011 wurden die Umsatzsteuererklärungen laut Eingangsstempel (blau = Postaufgabe) erst am mit nachstehenden Beträgen eingereicht:

2009: Umsätze 8.291,67 Euro, Vorsteuern 24.629,78 Euro;
2010: Umsätze 7.963,85 Euro, Vorsteuern 10.397,95 Euro;
2011: Umsätze 80,75 Euro, Vorsteuern (1.761,76 Euro - 131,32 Euro § 16);

Das Finanzamt forderte die Bf. mit Vorhalt vom auf, die Ausgangsrechnungen der erklärten Umsätze nachzureichen sowie eine Rechnungsaufstellung (getrennt nach Jahren) beizulegen.
Die Rechnungsaufstellung hatte lt. Vorhalt zu enthalten:

  • Fortlaufen Nummer in der Rechnungsaufstellung (1, 2, 3..... )

  • Leistungsempfänger/Rechnungsempfänger mit Name, Adresse, UID-Nummer (falls vorhanden) und ob dieser als Privatperson oder Unternehmen aufgetreten ist.

  • Rechnungsnummer, Rechnungsdatum,

  • Nettobetrag und Steuerbetrag

  • Des Weiteren wurde die Vorlage der Eingangsrechnung im Original angefordert.
    Zusammen mit den Eingangsrechnungen war vorzulegen:

  • Rechnungsaufstellung (getrennt nach Jahren) und fortlaufender Nummerierung,

  • Rechnungsnummer des Rechnungsaustellers,

  • Rechnungsdatum, Nettobetrag, Steuerbetrag).

Der Vorhalt wurde nach mehrmaliger Fristverlängerung mit E-Mail vom beantwortet:
Die Bf. führt darin aus, dass sie in Österreich ein Lager zur Belieferung der österreichischen Sporthandelskunden sowie ein Betriebsbüro betrieben habe.
Ab 2008 sei der Vertrieb der Marke der Bf. durch die ***1*** (Frankreich) übernommen worden.
Das verbleibende Lager sei ab 2008 nur mehr abgebaut worden.
Mit Beginn 2011 habe die Bf. die letzten Umsätze getätigt.
Die Bf. legte zum Nachweis der Umsätze eine Reihe von Monatstabellen betitelt als
"Chiffres d´affaires", "TVA Collectee Autriche" und TVA deductible Autriche" sowie jeweils eine jahresübersicht unterteilt in Quartale vor.

Die Spaltentexte sind in englischer Sprache (wie zB.: VAT Code, Voucher Text, Recorded Amount, Calculated VAT, VAT Rate und Voucher Numer), die Zeilentexte sind in französischer Sprache verfasst.
Die Tabellen sind jedoch anonym und lassen keinen Hinweis auf die Bf. erkennen.
Lediglich die Jahresaufstellung 2010 ist mit einem Stempel der Bf. versehen.
Der Rechnungstext laute stets: facture société 452, (übersetzt Firmenrechnung).
Die Aufstellungen weisen keine fortlaufende Nummerierung und kein Datum auf.

Als Leistungsgegenstand scheinen allgemeine Bezeichnungen wie "divers matériels" und "principales matériels" auf, meist fehlt jedoch der Leistungsgegenstand oder ist durch einen Code angegeben.

Die vom Finanzamt angeforderten Ausgangsrechnungen legte die Bf. nicht vor.

Sie legte jedoch die vorsteuerbehafteten Eingangsrechnungen vor.

In der Folge erließ das Finanzamt am für die Jahre 2009 bis 2011 Bescheide gemäß § 92 Abs. 1 lit. b BAO, mit denen festgestellt wurde, dass die Umsatzsteuer nicht veranlagt werde.
Das Finanzamt begründete die Bescheide im Wesentlichen damit, dass keine Nachweise der Umsätze erbracht worden seien.
Aus den vorliegenden Unterlagen gehe hervor, dass mangels Umsätzen in Österreich das Erstattungsverfahren zur Anwendung komme, welches nicht durch die Veranlagung ersetzt werden könne.

In der Folge brachte die Bf. einen Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist ein, welcher mehrfach verlängert wurde.

In der Folge erließ das Finanzamt einen Mängelbehebungsauftrag, mit dem die Bf. aufgefordert wurde die Punkte der Anfechtung und die Begründung bekanntzugeben.
In Beantwortung dieses Mängelbehebungsauftrages begehrte die Bf. die erklärungsgemäße Veranlagung der Umsatzsteuer 2009 bis 2010.
Als Begründung wurde vorgebracht, die Annahme des Finanzamtes, die Bf. habe in den Streitjahren keine Umsätze in Österreich durchgeführt, sei falsch.
Die vorgelegten Tabellen würden die Erbringung von Umsätzen in Österreich nachweisen.

Die Bf. habe dargelegt, dass sie durch den Lagerabverkauf in den Streitjahren Umsätze in Österreich durchgeführt habe und seien auch entsprechende Unterlagen zum Nachweis übermittelt worden.
Die vorgelegten Tabellen würden die Erbringung von Umsätzen in Österreich ausreichend nachweisen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen vom mit folgender Begründung ab:

Aus Sicht des Finanzamtes seien (trotz zahlreicher Fristverlängerungen sowohl im Vorhalte- als auch im Beschwerdeverfahren) die behaupteten Umsätze bis dato nicht ausreichend nachgewiesen worden. Auch im Beschwerdeverfahren seien lediglich Ausdrucke von Umsatzaufstellungen, jedoch keinerlei Ausgangsrechnungen, Verträge oder andere Geschäftsunterlagen, die die tatsächliche Ausführung dieser Umsätze belegen hätten können, übermittelt worden.

Angesichts des neun Jahre zurückliegenden Veranlagungszeitraumes, der Einreichung der Steuererklärungen (mit deutlichem Vorsteuerüberhang) mit fast 8 Jahren Verspätung sowie des mangelnden Nachweises der Umsätze, werde vom Fehlen der behaupteten Umsätze ausgegangen.

Aber selbst bei nachweislich erbrachten Umsätze, könne die beantragte Veranlagung wegen Verjährung nicht mehr erfolgen.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Umsatzsteuer fünf Jahre. In den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO beginnt die Verjährungsfrist gemäß
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Für die vorliegenden Fälle bedeute dies, dass für die Umsatzsteuer 2009 die Verjährung bereits mit Ablauf des Jahres 2014, für die Umsatzsteuer 2010 mit Ablauf des Jahres 2015 und für die Umsatzsteuer 2011 mit Ablauf des Jahres 2016 eingetreten sei.

Zum Zeitpunkt des Einlangens der Umsatzsteuererklärungen am sei einer allfälligen Veranlagung die eingetretene Festsetzungsverjährung entgegengestanden.
Verlängerungshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO habe es nicht gegeben.

Die Beschwerde sei folglich abzuweisen.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom .

In der mündlichen Verhandlung am brachten die Parteien vor:

Die Bf. legte zum Nachweis, dass die Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2009 bis 2011 bereits am mittels Fax und zusätzlich durch Postaufgabe eingereicht worden seien, folgende Dokumente vor:
1 Sendebericht vom betreffend die USt-Erklärung 2011 mit gesendeten Seiten 6;
1 Sendebericht vom betreffend die USt-Erklärung 2009 gesendete Seiten 3;
1 Eingangsbestätigung des Finanzamtes über den Empfang der Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2009, 2010 und 2011 mit dem Eingangsstempel (Stempelfarbe blau);
1 Auszug aus dem elektronischen Ausgangsbuch des steuerlichen Vertreters über den Postausgang, wonach am die USt-Erklärungen 2009, 2010 und 2011 der Bf. zur Post gegeben worden seien; .


Laut Bf. beinhalte die Fax - Sendung laut Sendebericht zur Umsatzsteuer 2011 sechs Seiten, was darauf hinweise, dass mit dieser Sendung zwei Erklärungen, eben die Umsatzsteuerklärungen der Jahre 2011 und 2010 versendet worden seien.
Einen gesonderten Sendebericht für die Umsatzsteuererklärung der Bf. gebe es folglich nicht.

Über Befragen durch die Richterin, warum die Bf. von der rechtzeitigen Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2009 vor Eintritt der Verjährung ausgehe, antwortet der steuerliche Vertreter, dass es seiner Ansicht nach Verlängerungshandlungen gegeben habe, er diese aber nicht nachweisen könne.
Zur Frage Richterin, wer Empfänger der strittigen Lieferungen der Bf. in Österreich gewesen sei, bringt der steuerliche Vertreter vor, die Empfänger seien Händler, möglichweise auch Private gewesen.
Es handle sich dabei um umsatzsteuerpflichtige Leistungen in Österreich, wie auch schon in den zehn Jahren davor.

Die Richterin fragt den steuerlichen Vertreter der Bf., warum er keine Ausgangsrechnungen vorlegen könne.

Dieser begründet dies damit, dass auf Grund des elektronischen Systems der Bf. die Rechnungen nicht mehr ausgedruckt werden könnten.
Es hätten nur mehr die beigelegten Tabellen ausgedruckt werden können.
Diesbezüglich werde auf die vorgelegten Tabellen mit der Bezeichnung "Chiffree d´affaires", was "Umsätze" verwiesen.
In diesen Tabellen sei die geschuldete Umsatzsteuer, der USt-Satz sowie die Rechnungsnummer ausgewiesen.
Auf die Frage der Richterin, warum die Umsatzsteuererklärungen der strittigen Jahre erst Ende 2016 eingereicht worden waren, replizierte der steuerlich Vertreter, dass dies mit der sehr aufwendigen Außenprüfung der Vorjahre und dem Umstand, dass die Umsatzsteuer 2008 noch immer nicht veranlagt worden sei, zusammenhänge. Es mache keinen Sinn die Umsatzsteuererklärungen der Folgejahre abzugeben, wenn 2008 noch nicht veranlagt wurde, da erfahrungsgemäß Veranlagungen erst dann stattfinden, wenn die Vorjahre schon veranlagt sind.

Die Vertreterin des Finanzamtes räumt ein, dass sie irrtümlicherweise von der Verjährung aller drei Streitjahre ausgegangen sei.
Wieweit die nunmehrigen Nachweise über die Versendung der Umsatzsteuererklärungen am im Postwege auch für das Jahr 2010 anzuerkennen sind, sei eine Frage der Beweiswürdigung, weil 2010 nicht am Sendebericht aufscheine.

Auf jeden Fall stehe fest, dass 2009 verjährt sei, weil alle Unterbrechungshandlungen im Jahr 2010 stattgefunden haben. Folglich sei mit Ablauf des Jahres 2015 Verjährung eingetreten.

Aus der Sicht des Finanzamtes böten die vorgelegten Tabellen keinen Nachweis für die behaupteten Umsätze.
Die Ausführungen des steuerlichen Vertreters hinsichtlich der späten Abgabe der Erklärungen seien nicht überzeugend, weil zumindest die Verpflichtung zur Abgabe von UVA vorgelegen hatte und Erklärungsfristen auch einzuhalten seien.

Der steuerliche Vertreter wendet dazu ein, dass es schwierig sei, aus der umfangreichen Datenbank eines großen Konzerns so weit zurückliegende Vorgänge in Form von Einzelbelegen lesbar zu reproduzieren bzw. den Beleg wieder vollständig herzustellen.

Die Vertreterin des Finanzamtes entgegnet, dass ihres Erachtens trotz technischer Schwierigkeiten die Buchhaltung so geführt werden müsse, dass die einzelnen Vorgänge auch für Zwecke einer Überprüfung sichtbar gemacht werden können. Dies gelte vor allem für das Jahr 2011, da die Belege hier noch innerhalb der 7-Jahres-Frist nachgefordert worden seien.

Nach Ansicht des steuerlichen Vertreters seien die steuerlich relevanten Vorgänge der Bf. durch die vorgelegten tabellarischen Ausdrucke der Konten sichtbar dargestellt worden. Auch aus der Historie der Tätigkeit der Bf. gehe klar hervor, dass diese in Österreich umsatzsteuerpflichtige Umsätze getätigt hatte.

Nach Ansicht der Vertreterin des Finanzamtes fehlten jedoch die wesentlichen Merkmale der behaupteten Umsätze, wie Leistungsempfänger, Datum und Leistungsinhalt, diese seien aus den Tabellen nicht heraus zu lesen.

Ergänzung durch das Bundesfinanzgericht:
Die Bf. hat nur für den Zeitraum 01-03-/2011 eine Umsatzsteuervoranmeldung eingereicht.
Für die Jahre 2009 und 2010 wurden keine Umsatzsteuervoranmeldung eingereicht.
Die Umsatzsteuervoranmeldung 01-03/2011 wurde am mit einer Gutschrift in Höhe von 1.456,11 Euro verbucht (KZ 022 Umsatz 20%= 80,75, KZ 060 Vorsteuern = 1.603,58, KZ 067 Berichtigung gemäß § 16 = 131,32).
Durch den angefochtenen Feststellungsbescheid über die Nichtfestsetzung der Umsatzsteuer 2011 wurde die Gutschrift wieder rückgängig gemacht und das Abgabenkonto der Bf. mit 1.456,11 Euro belastet.
Gleichzeitig mit Ergehen der der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde der angefochtenen Bescheid gemäß § 299 BAO aufgehoben und die Umsatzsteuer 2011 wiederum mit einer Gutschrift in Höhe von 1.453,11 Euro festgesetzt. Mit dieser Festsetzung wurde dem Beschwerdebegehren inhaltlich Rechnung getragen.


Rechtslage

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Umsatzsteuer fünf Jahre.

In den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich gemäß § 209 Abs. 1 die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.

Artikel I § 1 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 in der Fassung BGBl. II Nr. 222/2009 über die Erstattung von Vorsteuern in einem gesonderten Verfahren lautet:

Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2 nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994 ) oder
4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a, Art. 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen, ausgeführt hat.

§ 261 Abs. 1 BAO
Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss
(§ 278) als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren Rechnung getragenwird
a) in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid oder
b) in einem den angefochtenen Bescheid abändernden oder aufhebenden Bescheid.

Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes

Zu Spruchpunkt I (Abweisung)

A) Verjährung
2009)
Der Erklärungsversand erfolgte am .
In der Folge erging am die automatische Erinnerung.
Weitere Unterbrechungshandlungen wie Fristverlängerung, Zurückweisung des Fristverlängerungsantrages erfolgten alle im Jahr 2010.
In den Jahren danach gab es keine Unterbrechungshandlungen.
Das heißt 2010 erfolgten Unterbrechungshandlungen, wodurch sich die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein Jahr bis zum Ablauf des Jahres 2015 verlängerte.
Die Umsatzsteuererklärung 2009 ist unbestritten erst danach ( bzw. ) eingereicht worden.
Die Verjährung steht daher der erklärungsgemäßen Veranlagung 2009 entgegen.

In diesem Punkt ist die Beschwerde wegen Verjährung abzuweisen.

b) 2010
Für 2010 erfolgte der Erklärungsversand am .
Fristverlängerungsansuchen wurden am 01.07., 03.08. und gestellt.
Die letzte Nachfrist wurde gewährt. Am wurde der Fall in die Quote einbezogen, die Abberufung erfolgte am mit Frist .
Am 04.05. und erfolgten Abweisungen weiterer Fristverlängerungen, letzte Nachfrist .
Am erging eine Erinnerung unter Androhung einer Zwangsstrafe in Höhe von 300 Euro.
Für 2010 lief auf Grund der Unterbrechungshandlungen 2011 und 2012 die Frist der Festsetzungsverjährung am ab.

Da die Umsatzsteuererklärung 2010 im Postwege sowie als Fax am versendet wurde, langte die Umsatzsteuererklärung noch vor Ablauf der Verjährung beim Finanzamt ein.

Hinsichtlich der Versendung mit Fax scheint die Umsatzsteuererklärung 2010 zwar nicht explizit auf dem Sendebericht auf, aber auf Grund der übrigen Nachweise, wie dem Auszug aus Postaufgabebuch des steuerlichen Vertreters, der Empfangsbestätigung durch das Finanzamt sowie von sechs übermittelten Seiten laut Sendebericht der Umsatzsteuererklärung 2011, wird die rechtzeitigen Versendung der Umsatzsteuererklärung 2010 am als erwiesen angenommen.

c) 2011
Für 2011 wurden im Jahr 2013 Unterbrechungshandlungen gesetzt. Folglich verlängerte sich die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein Jahr bis zum Ablauf des Jahres 2017.
Danach ist die Umsatzsteuererklärung 2011 jedenfalls rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung eingelangt.

B) Veranlagung zur Umsatzsteuer 2010


Die Bf. ist unbestritten kein im Inland ansässiger Unternehmer, da sie weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte im Inland hat.
Bezieht ein solcher Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Leistungen für sein Unternehmen im Inland und führt er nur Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1-4 der Erstattungsverordnung durch, so sind die angefallenen Vorsteuern über Antrag ohne Veranlagung zur Umsatzsteuer im vereinfachten Verfahren zu erstatten.

Wie bereits in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, ist nach § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 in der Fassung BGBl. Nr. II 222/2009, die Erstattung von abziehbaren Vorsteuerbeträgen an ausländische Unternehmer zwingend in einem besonderen Verfahren (Erstattungsverfahren) unter den dort normierten Voraussetzungen durchzuführen.
Eine Veranlagung zur Umsatzsteuer nach § 21 UStG 1994 hat zu unterbelieben.

Nach § 3 Abs. 1 der Verordnung hat der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer (trifft auf die Bf. mit Sitz in Frankreich zu) den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist.

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die Erstattungsfrist für 2010 bereits am abgelaufen ist.
Verspätete Erstattungsanträge können nicht im Wege der Veranlagung zur Umsatzsteuer nachgeholt werden, wie dies die Bf. offensichtlich versucht hat (siehe weitere Ausführungen unten).

Die Bf. brachte die Umsatzsteuererklärung 2010 am beim Finanzamt ein.
Das Finanzamt begehrte von der Bf. die Vorlage der Ausgangsrechnungen zum Nachweis der Umsätze und die Vorlage der Eingangsrechnungen zum Nachweis des Vorsteueranspruches.

Mehr als ein halbes Jahr nach Anforderung der Rechnungen legte die Bf. lediglich die Eingangsrechnungen vor .
Hinsichtlich der Ausgangsrechnungen wurde eine Aufstellung in tabellarischer Form vorgelegt.

Diese Aufstellung weist keine fortlaufende Nummerierung, kein Datum und keine Empfänger auf.
Als Leistungsgegenstand scheinen vereinzelt allgemeine Bezeichnungen wie "divers matériels" und "principales matériels" auf, meist fehlt jedoch der Leistungsgegenstand.

In der Begründung der angefochtenen Bescheide und in den Beschwerdevorentscheidungen verwies das Finanzamt dezidiert darauf, dass die Bf. die behaupteten Umsätze in Österreich nicht nachgewiesen hatte, weshalb auch die Veranlagung zu unterbleiben habe.
Die Bf. behauptet dazu nur lapidar, dass diese Ansicht des Finanzamtes falsch sei.

Erst in der mündlichen Verhandlung am führte die Bf. über Befragen durch die Richterin aus, dass im EDV - System der Bf. für so lange zurückliegende Zeiträume die Anfertigung von Ausdrucken der Ausgangsrechnungen nicht mehr möglich sei. Die nunmehrige Unmöglichkeit des Ausdruckes der geforderten Ausgangsrechnungen sei auch mit dem enormen Datenvolumen eines solch großen Betriebes wie der Bf. zu erklären.

Das Bundesfinanzgericht führt dazu aus:

Die Bf. konnte die vorsteuerrelevanten Rechnungen sehr wohl ausdrucken und vorlegen, behauptet hingegen, die hier maßgeblichen die Ausgangsrechnungen nicht mehr ausdrucken bzw. lesbar machen zu können.
Es ist nicht glaubwürdig, dass zwar noch Eingangsrechnungen, nicht aber Ausgangsrechnungen im Buchhaltungssystem der Bf. ausgedruckt werden können.

Diese Behauptung der Bf. spricht eindeutig gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdevorbringens. Mit diesem augenscheinlichen Widerspruch hat die Bf. vorweg die Wahrhaftigkeit ihrer Begründung widerlegt.

Es ist dem Finanzamt beizupflichten, dass trotz technischer Schwierigkeiten die Buchhaltung eines Unternehmens so zu führen ist, dass die einzelnen Vorgänge auch für Zwecke einer Überprüfung sichtbar gemacht werden können und zwar bis zum Ablauf von sieben Jahren.

Nach § 132 Abs. 1 BAO besteht eine Aufbewahrungspflicht für alle Buchhaltungsunterlagen und Aufzeichnungen (Konten, Belege, Geschäftspapiere, Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben etc.), welche sieben Jahre beträgt.
Der Fristlauf startet mit Schluss des Kalenderjahres, für das die Verbuchung vorgenommen wurde bzw. auf das sich der Beleg bezieht.
Die Aufbewahrungsfrist endete für 2010 frühestens mit Ablauf des Jahres 2017.
Frühestens deshalb, weil die Aufbewahrungsfrist sich bei anhängigen Verfahren wie dem vorliegenden verlängert.
Im Beschwerdefall erging das Ersuchen um Ergänzung, mit dem die Ausgangsrechnungen der Streitjahre angefordert wurden, bereits am .
Die gesetzliche Aufbewahrungsfrist für 2010 war folglich noch nicht abgelaufen.
Die Bf. war gemäß § 132 Abs. 2 BAO verpflichtet gewesen, für die strittigen Ausgangsrechnungen, soweit diese auf Datenträgern aufbewahrt waren, die vollständige, geordnete, inhaltsgleiche und urschriftgetreue Wiedergabe bis zum Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist jederzeit zu gewährleisten.
Die vorgelegten Tabellen der Bf. weisen die wesentlichen Inhalte von Rechnungen, wie Datum, Leistungsempfänger und Leistungsinhalt nicht auf.
Der Hinweis der Bf., dass aus der Tabelle die Rechnungsnummer hervorgeht, ist unbeachtlich, da die Rechnungsnummer nichts über den Rechnungsinhalt aussagt.
Dazu kommt, dass die vorgelegten Tabellen schon auf Grund ihres Erscheinungsbildes keinen Bezug zur Bf. nachweisen. Es gibt keinen Hinweis, dass diese Tabellen der Bf. zuzuordnen sind.

Aus den Tabellen lassen sich, wie bereits dargelegt weder Leistungsinhalt, Leistungsempfänger noch Leistungsdatum als wesentliche Inhalte von Umsätzen ableiten.

Der Verweis, dass die Bf. in der Vergangenheit auch Umsätze getätigt habe und diese nun in Form eines Lagerabverkaufes fortgesetzt hätte, ist nicht überzeugend, da doch der Vertrieb der Produkte der Bf. ab 2008 durch die ***1*** übernommen worden war.

Wie oben dargestellt wurde die Bf. wiederholt vom Finanzamt zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung aufgefordert und hat darauf nicht reagiert, woraus ebenfalls geschlossen werden kann, dass sie eben keine Umsätze mehr in Österreich erbracht hatte.

Die Ausführungen der Bf., sie habe die Umsatzsteuererklärung deshalb nicht früher eingereicht, weil noch eine Außenprüfung für die Vorjahre anhängig war und 2008 noch nicht veranlagt war, ist nicht beachtlich, da die Bf. schon auf Grund der gesetzlichen Fristen zur zeitgerechten Einreichung der Jahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet gewesen wäre.

Dem Finanzamt ist auch insoweit zu folgen, dass angesichts der späten Abgabe der Erklärung und dem deutlichen Vorsteuerüberhang sowie mehrfacher Fristverlängerungsansuchen für die Vorhaltbeantwortung und die Beschwerdebegründung von einer Konstruktion der Umsätze für Zwecke der Berücksichtigung der Vorsteuern auszugehen ist.

Mangels Vorlage der Ausgangsrechnungen oder sonstiger Nachweise über die behaupteten Umsätze im Jahr 2010 ist nach dem Gesamtbild er Verhältnisse in freier Beweiswürdigung davon auszugehen, dass die Bf. im Streitjahr 2010 keine Umsätze in Österreich erbracht hat.

Eine Festsetzung der Umsatzsteuer für 2010 hat daher nicht zu erfolgen.
Die Beschwerde war in diesem Punkt folglich abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II (Gegenstandsloserklärung)

Zurückweisung des Vorlageantrages betreffend die Umsatzsteuer 2011

Wie oben dargestellt wurde dem Berufungsbegehren für 2011 mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 299 BAO und gleichzeitigem Ergehen eines neuen Sachbescheides am bereits Rechnung getragen.
Mit dem neuen Sachbescheid wurde die Umsatzsteuer 2011 erklärungsgemäß (siehe auch die Umsatzsteuervoranmeldung 01-03/2011) mit einer Gutschrift in Höhe von 1.453,11 Euro festgesetzt.

Nach § 261 Abs. 1 lit. a BAO war die Beschwerde folglich mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären.

Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall war ua. auf der Tatsachenebene festzustellen, ob die Verjährung der Festsetzung der Umsatzsteuer 2009 bereits eingetreten war.
Für 2010 war ebenfalls auf Tatsacheneben die Frage des Vorliegens von Umsätzen zu würdigen.
Hinsichtlich 2011 ergibt sich aus dem Gesetz, namentlich § 261 Abs. 1 BAO, unmittelbar die Rechtsfolge der Gegenstandsloserklärung.
Es liegen daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 21 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 261 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100142.2019

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