Antrag auf Rückzahlung von AGH-Zahlungen durch Abgabepflichtige, die im Konkursverfahren sämtliche "Haftrücklässe" der insolventen Firma erworben hat
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch Ri R in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Gerd Dieter Weidacher, Geidorfgürtel 42 Tür 9, 8010 Graz,vertreten durch RA, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom , Abgabenkontonummer ***1***, betreffend die Zurückweisung eines Rückzahlungsantrages zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am per Mail beim Finanzamt Wien 4/5/10 die Rückzahlung der an die X.GmbH geleisteten Auftraggeberhaftungs- (AGH-) Zahlungen in der Höhe von 1.067,11 Euro.
Am Datum1 sei über das Vermögen der X.GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden. Die Bf. habe am die Haftrücklässe der Gesellschaft aus diversen Bauvorhaben aus der Konkursmasse gekauft. Mit diesem Stichtag seien alle Rechte aus bestehenden und künftigen Forderungen aus Haftrücklässen in das Eigentum der Bf. übergegangen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Forderungen entstünden oder entstanden seien. Der Konkurs der X.GmbH sei am Datum2 rechtskräftig aufgehoben werden.
Die Firma1 und die Firma2 hätten nach Ablauf der Haftzeit Zahlungen an das Dienstleistungszentrum der NÖGKK geleistet. Aus diesen Aufträgen seien an das Finanzamt AGH-Zahlungen in der Höhe von 695,99 Euro bzw. 371,12 Euro geleistet worden. Als Auftraggeber sei durch die Übernahme der Haftrücklässe und der Gewährleistung die Bf. eingetreten, die keine Abgabenschuldigkeiten habe und daher die Auszahlung der angeführten Beträge beantrage.
In Ergänzung dieser - vom Finanzamt bis dahin nicht bearbeiteten - Mail legte die Bf. in der postalischen Eingabe vom einen Kontoauszug des Dienstleistungszentrums bei, "worauf die darauf angeführten Zahlungen an Sie aufgrund von Haftrücklässen, welche uns gehören) geleistet wurden". Der Antrag auf Auszahlung werde nunmehr durch einen weiteren Eingang der Firma1 für das Bauvorhaben Firma3 auf nunmehr insgesamt 1.884,81 Euro erhöht.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Rückzahlung vom zurück.
Mit der Aufhebung des Konkurses über die X.GmbH und der Enthebung der Masseverwalterin seien alle eventuell zuvor existierenden Vollmachten erloschen. Eine Vertretung bzw. eine Geldvollmacht habe für die Bf. nach der Aktenlage nie bestanden. Die Bf. sei daher am nicht legitimiert gewesen, auf das Abgabenkonto der X.GmbH zuzugreifen und Rückzahlungen oder Überrechnungen zu veranlassen.
Im Übrigen könnten nach § 239 BAO nur auf einem Abgabenkonto bestehende Guthaben zurückgezahlt werden. Die gegenständlichen AGH-Zahlungen seien mit der im Rückstand befindlichen ältesten Lohnabgabe, der Lohnsteuer 01/2011 verrechnet worden und hätten daher kein rückzahlbares Guthaben auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft entstehen lassen.
Die Abgabenbehörde gehe davon aus, dass von der X.GmbH nach Insolvenzeröffnung keine Leistungen mehr erbracht worden seien und sich die geleisteten AGH-Zahlungen daher auf Leistungen der Schuldnerin vor Insolvenzeröffnung beziehen.
Bei den Zahlungen nach §§ 67a ASVG und 82a EStG handle es sich um gesetzliche Ansprüche, die nicht der Disposition der Parteien unterliegen. Diese seien daher von der Vereinbarung der Bf. mit der Masseverwalterin im Konkurs der X.GmbH vom nicht betroffen.
Die Zahlungen stünden daher dem Finanzamt zu.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid führte der Rechtsvertreter der Bf. aus, bei den vom Dienstleistungszentrum der Wiener GKK an das BMF weiter geleiteten Zahlungen handle es sich um Zahlungen aus Haftrücklässen aufgrund von Rechnungen, welche von der X.GmbH vor Konkurseröffnung gelegt wurden. Diese Forderungen stünden nunmehr im Eigentum der Bf.
Ohne den Erwerb der Forderungen durch die Bf. wären die Haftrücklässe aufgrund Beendigung des Insolvenzverfahrens überhaupt nicht ausbezahlt und auch eine geringere Verteilungsquote erwirtschaftet worden.
Der Zurückweisungsbescheid sei rechtswidrig erlassen worden, die belangte Behörde habe Verfahrensmängel zu verantworten , da der Sachverhalt weder korrekt erhoben noch richtig beurteilt worden sei.
Die Bf. mache keine Ansprüche als Bevollmächtigte der X.GmbH, sondern vielmehr Zahlungen aus Haftrücklässen geltend, die an das Dienstleistungszentrum der Wiener GKK bezahlt wurden, aber im Eigentum der Antragstellerin stehen. Da auf dem GKK-Konto und dem Finanzamtskonto der Bf. keine Rückstände bestehen, habe die GKK die Teilbeträge, die im Rahmen der Auftraggeberhaftung an das Dienstleistungszentrum bezahlt wurden, an die Bf. ausgefolgt.
Eine Bevollmächtigung der Bf. sei weder im Zeitraum des Konkursverfahrens noch danach notwendig gewesen. Der Bescheid sei ohne tatsächliche Begründung und somit rechtswidrig ergangen und aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung zur Gänze aufzuheben.
Die Verrechnung der AGH-Zahlungen mit Rückständen der X.GmbH sei unzulässig, weil es sich dabei um Forderungen der Gesellschaft gegenüber Kunden handle. Der Bescheid sei daher auch in diesem Punkt rechtswidrig, da die Ausführungen mit dem Sachverhalt nichts zu tun hätten und jeder rechtlichen Grundlage entbehrten.
Die im angefochtenen Bescheid zitierten VwGH-Entscheidungen [ und , Ro 2015/08/0019] beträfen nicht den Sachverhalt bzw. ergebe sich daraus sogar eine nur eingeschränkte Verrechnung. Eine solche könne nur mit lohnabhängigen Abgaben vorgenommen werden, weshalb die Verrechnung mit den ältesten Lohnabgaben grundsätzlich unzulässig sei. Zu hinterfragen sei weiters, womit die belangte Behörde die Verrechnung durchgeführt habe, da laut Rückstandsausweis vom nur Lohnabgaben für das Jahr 2014 in der Höhe von 1.418,68 Euro aushafteten. Unter Berücksichtigung der Verteilungsquote von über 76% erscheine eine Verrechnung mit Lohnabgaben Jänner 2011 daher nicht nachvollziehbar.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Eine Rückzahlung von einem Abgabenkonto könne nur an den Abgabepflichtigen oder bei Vorliegen einer Geldvollmacht an einen Dritten erfolgen. Der von der Bf. geltend gemachte Anspruch an die Abgabenbehörde resultiere aus einem zivilrechtlichen Vertrag und legitimiere das Finanzamt in keiner Weise zu einer Auszahlung der der Abgabenbehörde zustehenden Beträge.
Im Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht vom brachte der Vertreter der Bf. vor, die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung seien unrichtig.
Es handle sich um Rückforderungsansprüche des Masseverwalters im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Dieser habe die Ansprüche an die Bf. übertragen. Somit hätte das Finanzamt nach Bezahlung der Haftrücklässe und auch Bezahlung von 25% der Haftrücklässe an das Finanzamt diese an den Masseverwalter zurückzahlen müssen. Da dieser die Ansprüche aus Haftrücklässen an die Bf. veräußert habe, stünden dieser die Rückzahlungsansprüche zu.
Veräußert seien die restlichen Werklohnzahlungen worden. Der an das Finanzamt übermittelte Betrag sei lediglich eine Sicherstellung für den Fall, dass die Abgabenschuldnerin Abgaben nicht bezahle.
Da die Bf. zum Zeitpunkt des Geldflusses oder zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Haftrücklasses nicht einmal mehr Dienstnehmer gehabt habe, wäre der Betrag an den Masseverwalter zurück zu zahlen gewesen.
Die Ausführungen zu § 239 BAO, wonach der zivilrechtliche Vertrag der Bf. keine Antragsberechtigung gebe, sei nicht nachvollziehbar. § 239 Abs. 1 BAO lege fest, dass die Rückzahlung von Guthaben auch von Amts wegen erfolgen könne. Da eine Werklohnforderung an die Bf. übertragen und von diesem ein Teilbetrag an das Finanzamt im Rahmen der Auftraggeberhaftung bezahlt wurde, könne die Bf. auch den ihr zustehenden Bestandteil des Werklohns, der nur als Sicherungsbetrag für eine eventuelle Haftung diene, zurückfordern.
Sei der Abgabepflichtige nicht rechtsfähig, könne die Rückzahlung nur an die erfolgen die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über das Guthaben verfügen. Gerade dieser Teil der Bestimmung bestätige, dass Rückzahlungsansprüche übertragbar seien, weshalb die Ausführungen des Finanzamtes als rechtlich unrichtig anzusehen seien.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Antrag vom
Nach der Aktenlage wurde dieser Antrag ausschließlich per E-Mail eingebracht. Der Ausführung des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung vom , ein postalisch eingebrachter Antrag vom liege dem Finanzamt nicht vor, wurde im weiteren Verfahren nicht entgegen getreten. - Der Beschwerdevorentscheidung kommt nach der Rechtsprechung des VwGH (, 2008/15/0288) insoweit Vorhaltscharakter zu.
Einer E-Mail kommt im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu. Ein solches Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen. Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt ( , mwN).
Eine Erledigung dieses Anbringens per E-Mail durch die Abgabenbehörde erfolgte daher zu Recht nicht.
Antrag vom
In diesem - auch postalisch eingebrachten Antrag - wurde der Antrag vom insofern modifiziert, als nunmehr eine Rückzahlung in der Höhe von 1.884,81 Euro (statt bisher 1.067,11 Euro) beantragt wurde.
Über den gegenständlichen Antrag wurde mit dem angefochtenen Zurückweisungsbescheid vom entschieden.
Zurückweisung
Die Zurückweisung des Anbringens erfolgte, weil das Finanzamt die Rechtsansicht vertritt, die Bf. sei nicht legitimiert, eine Rückzahlung der auf das Abgabenkonto der X.GmbH überwiesenen Auftraggeberhaftungsbeträge zu beantragen.
Gemäß § 239 Abs. 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der Vorschrift des § 80 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.
Zur Stellung eines Antrages auf Rückzahlung ist der Abgabepflichtige berechtigt, auf dessen Namen das Abgabenkonto lautet (vgl. 78/13/2259 ).
Unstrittig ist, dass die Bf. nicht Abgabepflichtige im Hinblick auf die strittigen Beträge oder bevollmächtigte Vertreterin der X.GmbH ist oder war.
Die Bf. beruft sich auf den mit der Masseverwalterin der X.GmbH abgeschlossenen Vertrag über den Ankauf von Haftungsnachlässen. Im Vorlageantrag vom wird in diesem Zusammenhang auf den 2. Satz des § 239 Abs. 1 BAO verwiesen. Daraus gehe hervor, dass Rückzahlungsansprüche nach dem Gesetz übertragbar seien.
§ 239 Abs. 1 2. Satz gilt für Personengemeinschaften, die nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig sind. Solche Personenvereinigungen können Steuersubjekt und auch Partei im Abgabenverfahren sein (vgl. ), die Legitimation für den Anspruch auf Rückzahlung richtet sich hingegen nach bürgerlichem Recht. Eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung kann daher zwar nach dem materiellen Abgabenrecht Steuerschuldnerin sein, der Rückzahlungsanspruch steht aber nicht der Personenvereinigung, sondern allen Gesellschaftern oder Mitgliedern zu.
Gemäß § 1393 ABGB können alle veräußerlichen Rechte Gegenstand der Abtretung sein. Nach Lehre und Rechtsprechung sind Forderungen aus Abgabenguthaben frei zedierbar (siehe dazu Stoll, BAO Kommentar, Bd. 3, § 239, 2480 ff.).
Im vorliegenden Fall wurde aber weder ein Abgabenguthaben der X.GmbH zediert noch bestand ein solches am Abgabenkonto der Gesellschaft. Die Bf. vermeint, Anspruch auf die auf das Abgabenkonto der Gesellschaft überwiesenen Zahlungen aus dem Titel der Auftraggeberhaftung ab zu haben.
Der Rechtsgrund der Rückzahlung von Abgaben liegt im öffentlichen Recht. Die Rückzahlung von Abgaben(guthaben) ist ausdrücklich in der BAO geregelt. Bei den (vermeintlich) der Bf. zustehenden Geldansprüchen handelt es sich um vermögensrechtliche Ansprüche aus einer privatrechtlichen Vereinbarung, die von der Bf. gegen den Bund geltend gemacht werden. Auf Art. 137 B-VG wird verwiesen.
Wie die Abgabenbehörde bereits ausgeführt hat, handelt es sich bei der Geltendmachung der Ansprüche daher nicht um eine bescheidmäßig zu erledigende Rückzahlung von Abgabenguthaben. Die Zurückweisung des Antrages erfolgte somit zu Recht.
Haftrücklass
Insoweit die Bf. vorbringt, es handle sich um Rückforderungsansprüche der Masseverwalterin im Rahmen des Insolvenzverfahrens, in die die Bf. vertraglich eingetreten sei, ist auszuführen:
§ 82a EStG 1988 (Haftung bei Beauftragung zur Erbringung von Bauleistungen) lautet:
(1) Wird die Erbringung von Bauleistungen nach § 19 Abs. 1a UStG 1994 von einem Unternehmen (Auftrag gebendes Unternehmen) an ein anderes Unternehmen (beauftragtes Unternehmen) ganz oder teilweise weitergegeben, so haftet das Auftrag gebende Unternehmen für die vom Finanzamt einzuhebenden lohnabhängigen Abgaben, die das beauftragte Unternehmen abzuführen hat, bis zum Höchstausmaß von 5% des geleisteten Werklohnes.
(2) Die Haftung nach Abs. 1 tritt mit dem Zeitpunkt der Zahlung des Werklohnes ein und umfasst die vom beauftragten Unternehmen zu entrichtenden und vom Finanzamt einzuhebenden lohnabhängigen Abgaben, die bis zum 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats fällig werden, in dem die Leistung des Werklohnes erfolgt. Als Werklohn gilt das gesamte für die Erfüllung des Auftrages zu leistende Entgelt. Als Leistung des Werklohnes gilt auch jede Teilleistung dieses Entgeltes. Als Leistung gilt insbesondere auch die Erfüllung durch Aufrechnung seitens des Auftrag gebenden Unternehmens oder des beauftragten Unternehmens. Die Haftung kann geltend gemacht werden, wenn beim beauftragten Unternehmen zur Einbringung der vom Finanzamt einzuhebenden lohnabhängigen Abgaben erfolglos Exekution geführt wurde oder bezüglich des beauftragten Unternehmens ein Insolvenztatbestand nach § 1 IESG vorliegt.
(3) Die Haftung nach Abs. 1 entfällt,
1. wenn das beauftragte Unternehmen zum Zeitpunkt der Leistung des Werklohnes in der Gesamtliste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Gesamtliste) nach § 67b Abs. 6 ASVG geführt wird oder
2. - wenn Z 1 nicht zutrifft - das Auftrag gebende Unternehmen 5 % des zu leistenden Werklohnes (Haftungsbetrag) gleichzeitig mit der Leistung des Werklohnes an das Dienstleistungszentrum bei der Österreichischen Gesundheitskasse (§ 67c ASVG ) überweist.
Die beiden letzten Sätze des § 67a Abs. 3 ASVG gelten entsprechend.
(4) Der Haftungsbetrag nach Abs. 3 Z 2 wirkt gegenüber dem beauftragten Unternehmen schuldbefreiend; er gilt als Drittleistung und unterliegt nicht dem Zweiten Abschnitt des Ersten Teiles/Erstes Hauptstück der Insolvenzordnung . Der Haftungsbetrag ist, sofern auch eine Überweisung nach § 67a Abs. 3 Z 2 ASVG erfolgt, gemeinsam mit dieser abzuführen. Für Zwecke der Weiterleitung des Haftungsbetrages nach Abs. 3 Z 2 an das Finanzamt sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, oder, wenn nicht vorhanden, die Finanzamtsnummer und die Steuernummer des beauftragten Unternehmens mitzuteilen. Erfolgt eine Überweisung nach § 82a Abs. 3 Z 2 gemeinsam mit der Überweisung nach § 67a Abs. 3 Z 2 ASVG sind auch die in § 67a Abs. 4 ASVG genannten Daten anzugeben. Das beauftragte Unternehmen ist verpflichtet, dem Auftrag gebenden Unternehmen seine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder, wenn nicht vorhanden, seine Finanzamtsnummer und Steuernummer bekannt zu geben.
(5) Die beim Dienstleistungszentrum der Österreichischen Gesundheitskasse einlangenden Haftungsbeträge sind folgendermaßen zuzuordnen:
1. 80% entfällt auf den Haftungsbeitrag nach § 67a Abs. 3 Z 2 ASVG und 20% auf den Haftungsbetrag nach § 82a Abs. 3 Z 2.
2. Abweichend von Z 1 kann das Auftrag gebende Unternehmen mittels Verrechnungsweisung den Haftungsbetrag nach § 67a Abs. 3 Z 2 ASVG unter der Bezeichnung "AGH-SV" und den Haftungsbetrag nach § 82a Abs. 3 Z 2 unter der Bezeichnung "AGH-LSt" betragsmäßig bestimmen.
…..
§ 82a EStG 1988 wurde durch das Betrugsbekämpfungsgesetz (BGBl. I 105/2010 ) mit Wirkung ab eingefügt. Damit wurde die Haftung des Auftraggebers zur Vermeidung von Ausfällen im Zusammenhang mit Bauleistungen für Sozialversicherungsabgaben auch auf lohnabhängige Abgaben ausgedehnt. Der Generalunternehmer bzw. Auftraggeber haftet bei der Erbringung von Bauleistungen für Beiträge und Abgaben aus Arbeitsverhältnissen von Subunternehmen.
Überwiesene Haftungsbeträge an das Dienstleistungszentrum der Österreichischen Gesundheitskasse (DLZ) dienen gemäß § 82a Abs. 3 Z 2 EStG 1988 der Vermeidung der Haftungsinanspruchnahme. Sie wirken gegenüber dem beauftragten Unternehmer schuldbefreiend. Durch die (korrekte) Überweisung dieser Beträge wird eine Haftungsinanspruchnahme des Auftraggebers aus dem Titel des § 82a EStG unzulässig. Derartige auf Gesetz beruhende Zahlungen können nicht der Disposition von Parteien unterliegen.
Bei den in der Vereinbarung vom angeführten Haftrücklässen handelt es sich hingegen um ein Zurückbehaltungsrecht am Werklohn für den Fall, dass der Auftragnehmer die ihm aus der Gewährleistung oder aus dem Titel des Schadenersatzes obliegenden Pflichten nicht erfüllt. Haftrücklässe sind daher zwischen den Vertragsparteien festgelegte Ansprüche.
Im Erkenntnis vom , Ro 2017/15/0027, verwies der VwGH auf das Vorerkenntnis vom , Ro 2015/08/0019, wonach AGH-Zahlungen zur Vermeidung einer Haftung nach § 67a Abs. 3 Z 2 ASVG für Werkleistungen, die bis zum Tag der Insolvenzeröffnung erbracht wurden, auf die als Insolvenzforderungen zu wertenden Beitragsrückstände, hingegen für Werkleistungen, die ab dem der Insolvenzeröffnung folgenden Tag erbracht wurden, auf die als Masseforderungen unberichtigt aushaftenden Beiträge anzurechnen sind. Diese Rechtsprechung wurde auf Lohnabgaben übertragen.
Das Finanzamt ging - wiederum von der Bf. unwidersprochen - aufgrund der Auflösung der Gesellschaft in Folge Konkurseröffnung am Datum1 davon aus, dass nach der Insolvenzeröffnung von der Gesellschaft keine Leistungen mehr erbracht wurden. Diese Feststellung wurde von der Bf. durch das Vorbringen, zum Zeitpunkt der "Fälligkeit des Haftrücklasses" habe die X.GmbH nicht einmal mehr Dienstnehmer gehabt, bestätigt.
Bei den von der Bf. zur Rückzahlung beantragten Zahlungen an das Finanzamt handelt es sich daher nicht um die im Baugewerbe üblichen vertraglich vereinbarten Haftrücklässe zur Sicherung allfälliger Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche aufgrund mangelhafter Leistung, sondern um Zahlungen der Auftrag gebenden Firmen, die sich mit der Entrichtung des Haftungsbetrages an das DLZ von ihrer Haftung für Lohnabgaben der beauftragten X.GmbH befreit haben. Wären diese Zahlungen nicht erfolgt, hätte das Finanzamt gegenüber diesen Firmen die Haftung lohnabhängiger Abgaben geltend machen können, weil mit dem Konkursverfahren gegen die X.GmbH ein Insolvenztatbestand nach § 1 IESG vorliegt (§ 82a Abs. 2 EStG 1988 ).
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Bestimmung des § 82a EStG 1988 dazu dienen, der nach Einführung der Reverse Charge Regelung im Baugewerbe zu beobachtenden sukzessiven Verlagerung der Betrugsszenarien im Zusammenhang mit der Beauftragung von Subunternehmen von der Umsatzsteuer hin zu den Lohnabgaben entgegenzuwirken. Mit der Einführung einer zur Haftung für Sozialversicherungsbeiträge analogen Haftung auch für die vom Finanzamt einzuhebenden lohnabhängigen Abgaben (Lohnsteuer, DB, DZ) soll das bei derartigen Konstellationen verbleibende Risiko der Nichtabfuhr der Lohnsteuer unterbunden werden (vgl. RV 875 BlgNR 24. GP 5).
Selbst wenn man daher wie die Bf. die Zahlungen an das DLZ unter die im Vertrag vom angeführten "Haftrücklässe" subsumiert, wurden nach der Konkurseröffnung von der X.GmbH keine Bauleistungen mehr erbracht, weshalb nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe nochmals Erkenntnis vom , Ro 2017/15/0027) die AGH-Zahlungen ausschließlich der bevorzugten Befriedigung der aushaftenden Lohnabgaben dienen.
Was das Vorbringen der Bf. zur Verrechnung der AGH-Zahlungen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Rechtmäßigkeit von Buchungen nicht im Rückzahlungsverfahren, sondern auf Antrag des Abgabepflichtigen im Abrechnungsbescheidverfahren gemäß § 216 BAO zu klären ist (vgl. zB ).
Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung folgt vielmehr der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die zitierte Judikatur, insbesondere ) bzw. ergibt sich die Folge direkt aus dem Gesetz.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | § 82a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102298.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at