Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 08.06.2020, RV/7100890/2020

Zurückweisung von verspäteten Beschwerden gegen mittels FinanzOnline zugestellte Einkommensteuerbescheide

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***SenV*** als Vorsitzenden, den Richter ***1*** als beisitzenden Richter, ***2*** als fachkundige Laienrichterin und ***3*** als fachkundige Laienrichterin, in der Beschwerdesache Ing. ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde ***FA*** vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2017 und 2018, in nichtöffentlicher Sitzung am beschlossen:

Die Beschwerden vom werden gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Satz 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog in den streitgegenständlichen Jahren 2017 und 2018 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vom ***4***.

In seinen Erklärungen zu den Arbeitnehmerveranlagungen für 2017 und 2018, die am elektronisch am Finanzamt einlangten, beantragte der Bf. ua. die jeweilige Zuerkennung des großen Pendlerpauschales.

Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens erließ das Finanzamt am die Einkommensteuerbescheide (Arbeitnehmerveranlagungsbescheide) für 2017 und 2018, mit denen es jeweils nur das kleine Pendlerpauschale anerkannte, da für den Bf. die Möglichkeit bestehe, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen.

Die Zustellung dieser Einkommensteuerbescheide (Arbeitnehmerveranlagungsbescheide) erfolgte elektronisch jeweils am in die FinanzOnline-Databox des Bf. (siehe dazu die Bezug habenden Ausdrucke des Finanzamts aus der Datenbank "Jahresveranlagung Privat" vom ("Zustellungsnachweis Erstbescheid 2017" und "Zustellungsnachweis Erstbescheid 2018"), S 17 sowie S 31 BFG-Akt). Eine E-Mail-Verständigung über die behördliche Zustellung unterblieb, da der Bf. in FinanzOnline keine elektronische Adresse für Verständigungszwecke (§ 5b Abs. 2 FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 idgF) angegeben hatte.

Jeweils am erhob der Bf. gegen die genannten Einkommensteuerbescheide (Arbeitnehmerveranlagungsbescheide) elektronisch Beschwerden:

Er wolle vorweg festhalten, dass er keine Benachrichtigung über die Zustellung der Bescheide bekommen habe. Weder eine schriftliche Buchungsmitteilung noch eine Benachrichtigung, dass er eine neue Nachricht in der Databox habe. Er beeinspruche die Bescheide für 2017 und 2018, weil das große Pendlerpauschale jeweils nicht berücksichtigt worden sei, obwohl es ihm aus in den Beschwerden näher ausgeführten Gründen nicht zumutbar und auch nicht möglich sei, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerden gemäß § 260 Abs. 1 BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurück.

Begründend führte es dazu aus, dass gemäß § 245 Abs. 1 BAO die Beschwerdefrist einen Monat betrage. Die Zurückweisungen nach § 260 Abs. 1 BAO seien erfolgt, weil die Beschwerden nicht fristgerecht eingebracht worden seien (die Erstbescheide seien am in die Databox zugestellt worden, die Beschwerden seien am elektronisch eingebracht worden). Hinsichtlich der Zustellung der Erstbescheide werde auf § 5b FinanzOnline-Verordnung 2006 verwiesen.

In seinen Vorlageanträgen vom führte der Bf. aus, hinsichtlich der Begründung seines Begehrens und der beantragten Änderungen auf seine Beschwerden vom zu verweisen bzw. diese wie folgt zu ergänzen:

Den ursprünglichen Beschwerden sei nichts hinzuzufügen.

Allerdings seien in den Beschwerdevorentscheidungen nicht alle Umstände beachtet und damit wichtige - die Zustellung betreffende - Tatsachen nicht berücksichtigt worden. Die Beschwerdevorentscheidungen seien folglich inhaltlich unrichtige Urkunden und könnten somit keine Rechtskraft entfalten.

Der Bf. sei über die Zustellung der Einkommensteuerbescheide in seine Databox nicht informiert worden. Demzufolge habe er die Rechtsmittelfrist von einem Monat, beginnend mit , nicht ergreifen können. Mit habe er Beschwerden gegen die Bescheide vom eingebracht. Die Beschwerdevorentscheidungen seien dem Bf. schriftlich per Post zugestellt worden. Mit dieser Zustellart sei dem in seinen Beschwerden vorgebrachten Mangel an Benachrichtigung über die Hinterlegung von behördlichen Schriftstücken Rechnung getragen worden. Das bedeute, der Fehler sei erkannt worden.

Bei den Zustellungen in seine Databox liege nach Ansicht des Bf. ein Zustellmangel vor, da im 3. Abschnitt des ZustG ("Elektronische Zustellung") § 37 Abs. 1a leg. cit. ("Zustellung an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde") vorsehe, dass der Empfänger unmittelbar und unverzüglich zu verständigen sei, dass ein Dokument für ihn zur Abholung bereitliege.

Der Bf. habe offenbar keine elektronische Adresse hinterlegt. Somit müsste die Verständigung schriftlich per Post erfolgen.

Gemäß § 35 Abs. 5 ZustG gelte ein zur Abholung bereitgehaltenes Dokument spätestens mit seiner Abholung als zugestellt.

Der Bf. habe dahingehend die Frist zur Erhebung von Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide eingehalten.

Abschließend beantragte der Bf. die Entscheidung über seine Beschwerden durch den gesamten Senat.

Am wurden die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im Bezug habenden Vorlagebericht beantragte die Abgabenbehörde, die streitgegenständlichen Beschwerden vom als verspätet zurückzuweisen:

Die Zustellung der beiden Bezug habenden Einkommensteuerbescheide in die Databox des Bf. sei mit erfolgt. Die Beschwerden seien dem Finanzamt am übermittelt worden. Mit Beschwerdevorentscheidungen seien die Beschwerden als verspätet eingelangt zurückgewiesen worden.

Lt. Aktenlage sei beim Finanzamt die elektronische Zustellung hinterlegt, weshalb beantragt werde, die Beschwerden als verspätet zurückzuweisen.

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Für den Beginn der Beschwerdefrist ist der Tag maßgebend, an dem der Bescheid bekannt gegeben worden ist (vgl. Ritz, BAO6, § 245 Tz 4).

Nach § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine nicht fristgerecht eingebrachte Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen.

Die FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 idgF, normiert in § 5b Abs. 2, dass jeder Teilnehmer in FinanzOnline eine elektronische Adresse angeben kann, an welche er über eine elektronische Zustellung zu informieren ist. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen elektronischen Adresse nicht gehindert.

§ 98 Abs. 2 BAO lautet:

"(2) Elektronisch zugestellte Dokumente gelten als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind (und damit gemäß § 98 Abs. 2 BAO als zugestellt gelten), ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat (vgl. Ritz, BAO6, § 98 Tz 4, mit zahlreichen Judikaturnachweisen, darunter ). Dies gilt auch, wenn die Daten am Freitag nach Ende der Kanzleiöffnungszeit des zustellungsbevollmächtigten Parteienvertreters einlangen ().

Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an (Ritz, § 98 Tz 4, mit Judikaturnachweisen).

Irrelevant ist das Datum der Information über die in die Databox erfolgte Zustellung (). Der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox ist auch dann der Zustellzeitpunkt, wenn die in § 5b Abs. 2 FinanzOnline-Verordnung 2006 vorgesehene Information an der vom Teilnehmer angegebenen elektronischen Adresse unterblieben ist. Diese Information hat lediglich Service-Charakter (Ritz, § 98 Tz 4).

Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe einer elektronischen Adresse nicht gehindert (§ 5b Abs. 2 2. Satz FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 idgF, siehe oben).

Im gegenständlichen Fall ist die Teilnahme des Bf. an der elektronischen Zustellung durch die mit FinanzOnline zugestellten Einkommensteuerbescheide (Arbeitnehmerveranlagungsbescheide) für 2017 und 2018, die Bezug habenden Ausdrucke des Finanzamts aus der Datenbank "Jahresveranlagung Privat" vom ("Zustellungsnachweis Erstbescheid 2017" und "Zustellungsnachweis Erstbescheid 2018", S 17 sowie S 31 BFG-Akt) und aus der Subjektdatenbank (GDV) vom ("Zustellungsdaten lt. Akt", S 4 BFG-Akt) sowie durch die Ausführungen des Bf. in seinen Rechtsmittelschriftsätzen aktenkundig.

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass die Bezug habenden Einkommensteuerbescheide (Arbeitnehmerveranlagungsbescheide) für 2017 und 2018 vom elektronisch am selben Tag, sohin bereits am , in die FinanzOnline-Databox des Bf. zugestellt wurden. Eine Verständigung des Bf. mittels E-Mail über die in seine Databox erfolgte Zustellung dieser Bescheide erfolgte nicht, da der Bf. in FinanzOnline keine elektronische Adresse für Verständigungszwecke (§ 5b Abs. 2 FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 idgF) angegeben hatte (diese bereits aktenkundige Tatsache (vgl. S 4 BFG-Akt) wurde dem gefertigten Vorsitzenden nach dessen diesbezüglicher Anfrage am Finanzamt von letzterem am ausdrücklich bestätigt (S 41 BFG-Akt)).

Damit steht fest, dass die am elektronisch erfolgte Einbringung der Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide (Arbeitnehmerveranlagungsbescheide) für 2017 und 2018 vom verspätet erfolgte, da letztere bereits am elektronisch in die FinanzOnline-Databox des Bf. eingebracht wurden, dh. in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangten und damit gemäß § 98 Abs. 2 BAO als zugestellt galten. Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an, und die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe einer elektronischen Adresse nicht gehindert (siehe oben; entgegen der vom Bf. in seinen Vorlageanträgen vertretenen Auffassung hat daher diesfalls keine schriftliche Verständigung per Post zu erfolgen).

Die Berufung des Bf. auf § 37 Abs. 1a ZustG geht schon deshalb ins Leere, weil Zustellungen ohne Zustellnachweis an eine elektronische Zustelladresse iSd § 2 Z 5 ZustG die Bekanntgabe einer solchen Adresse (zB einer E-Mail-Adresse) voraussetzen (vgl. Ritz, § 37a ZustG Tz 3), eine solche im gegenständlichen Fall jedoch unterblieben ist.

Damit begann aber der einmonatige Fristenlauf des § 245 Abs. 1 BAO am Mittwoch, dem , und endete am Freitag, dem , sodass sich die am Dienstag, dem erfolgte Einbringung der streitgegenständlichen Beschwerden als verspätet erweist.

An diesem Ergebnis würde auch eine erfolgte Verständigung des Bf. mittels E-Mail (so er in FinanzOnline eine elektronische Adresse für Verständigungszwecke angegeben gehabt hätte) über die in seine Databox erfolgte Zustellung der Bezug habenden Einkommensteuerbescheide (Arbeitnehmerveranlagungsbescheide) nichts ändern, da, wie bereits oben ausgeführt, das Datum der Information über die in die Databox erfolgte Zustellung irrelevant ist (); diese Information hat lediglich Service-Charakter (Ritz, § 98 Tz 4). Die Zustellung eines Bescheides erfolgt nämlich mit der Einbringung der Daten in die Databox und nicht mit der Verständigung darüber (; ).

Dass der Bf. wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, wurde von ihm nicht einmal behauptet.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge der Zurückweisung der Beschwerden aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen und der FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 idgF, sowie der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (die Rechtslage ist eindeutig im Sinne des ), weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 5b Abs. 2 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100890.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at