Vorliegen einer Berufsausbildung
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RV/3100390/2019-RS1 | Wird im Rahmen einer Ausbildung (zB Abendgymnasium für Berufstätige), bei welcher kein starrer struktureller
Rahmen für die Absolvierung vorgegeben ist, durch die Belegung nicht aller möglichen
Fächer offensichtlich von vornherein darauf abgezielt, die Ausbildung nicht in möglichst kurzer
Zeit abzuschließen, kann von Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit keine Rede sein. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R****** in der Beschwerdesache B****** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 7. Feber 2019 betreffend die Abweisung von Anträgen auf Gewährung von Familienbeihilfe für die Töchter T1****** und T2****** ab August 2018
zu Recht erkannt:
I.
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang:
Mit Eingabe vom beantragte der Beihilfenwerber die Zuerkennung der Familienbeihilfe für seine beiden volljährigen Töchter [Name1], geb am [Datum1], und [Name2], geb am [Datum2], rückwirkend ab August 2018. Er beziehe Mindestsicherung, seine Ehegattin wäre als Küchenhilfe beschäftigt. Beide bei ihm wohnenden Töchter wären Schülerinnen und hätten ihre Ausbildung am begonnen. Zudem beziehe die ältere Tochter Einkünfte aus einem Dienstverhältnis in Höhe von € 380,00 monatlich.
Das Finanzamt entsprach dem Begehren nicht und hielt im abweisenden Bescheid vom 7. Feber 2019 fest, dass die ältere Tochter (nur) mit 14 Wochenstunden, die jüngere Tochter mit 15 Wochenstunden bei der Bildungseinrichtung gemeldet seien. Nach grundsätzlichen Ausführungen zum Beihilfenanspruch für volljährige Kinder und zum Vorliegen einer Berufsausbildung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass wegen "mangelnder Zeitintensivität" kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, seine beiden Töchter wären seit Jahresbeginn 2018 als arbeitssuchend beim AMS vorgemerkt und würden auf die Vermittlung einer Anstellung warten. Beide seien arbeitswillig und würden auch selbst nach einer Arbeit suchen. Sie würden "auch" das Abendgymnasium für Berufstätige besuchen.
Er selbst lebe seit 2010 in Österreich, seine Familie ab 2013. Sie wären subsidiär Schutzberechtigte nach der Genfer Konvention. Die Gattin gehe seit Jänner 2018 einer Beschäftigung (Teilzeit) nach. Seit Dezember 2014 würden sie Sozialhilfe beziehen und würde er selbst seit Dezember 2014 beim AMS als arbeitssuchend vorgemerkt sein.
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung begründete das Finanzamt nach Hinweis auf § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 damit, dass eine Ausbildung die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch zu nehmen habe. Das Finanzamt gehe dabei von mindestens 20 Wochenstunden Anwesenheit an der Schule und 15 Stunden Lernzeit zu Hause aus. Dies treffe gegenständlich für beide Töchter nicht zu.
Daraufhin beantragte der Einschreiter die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Das Finanzamt habe die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe nicht beachtet. Seine Töchter seien als arbeitssuchend vorgemerkt, der Schulbesuch sei "nebensächlich" und würden seine Töchter "hauptsächlich" arbeiten wollen. Sie würden das Abendgymnasium als "Nebenbeschäftigung" besuchen.
Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
2. Sachverhalt und Beweiswürdigung:
Der nachfolgende Sachverhalt ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer getätigten Ausführungen und den von ihm vorgelegten Unterlagen sowie aus dem Auskunftsverfahren der Sozialversicherung.
Der Antragsteller ist türkischer Staatsbürger und lebt seit dem Jahr 2010 in Österreich. Ihm wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und er bezog im gesamten Jahr 2018 Mindestsicherung. Seine Ehegattin, ebenfalls türkische Staatsbürgerin, lebt, wie auch die beiden Töchter, seit 2013 in Österreich. Auch diesen wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die Ehegattin arbeitet seit Jänner 2018 in einem Teilzeit-Dienstverhältnis. Die gesamte Familie lebt in einem gemeinsamen Haushalt.
Zur Tochter [Name1]:
Diese wurde im Jahr 2016 volljährig und schloss in diesem Jahr die Polytechnische Schule ab.
Im Schuljahr 2016/17 besuchte sie eine Handelsakademie für Berufstätige mit Fernunterrichtsanteil und wurde im ersten Semester in zwei Drittel der Fächern mit "Nicht genügend" beurteilt. Im zweiten Semester wurden bei elf Fächern vier mit "Nicht genügend" beurteilt und konnte in drei Fächern mangels ausreichender Unterrichts- bzw Prüfungsteilnahme keine Beurteilung erfolgen. Im Schuljahr 2016/17 bezog die Tochter für ca 2,5 Monate Arbeitslosengeld bzw Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz und stand für fünf Tage in einem Dienstverhältnis als Angestellte. In den restlichen Zeiten war sie als arbeitssuchend vorgemerkt.
Im Schuljahr 2017/18 war die Tochter an einem Bundesgymnasium für Berufstätige angemeldet und stand in einem Dienstverhältnis als geringfügig beschäftigte Angestellte. Von sieben Pflichtgegenständen wurden im Wintersemester einer nicht und drei mit "Nicht genügend" beurteilt, eine Unverbindliche Übung wurde ebenfalls nicht beurteilt. Im Sommersemester wurden bei sechs Pflichtgegenständen einer nicht und vier mit "Nicht genügend" beurteilt. Keine Beurteilung war auch bei der Unverbindlichen Übung möglich.
Im Schuljahr 2018/19 war die Tochter weiterhin an der genannten Bildungseinrichtung angemeldet. Ein Erfolgsnachweis wurde nicht vorgelegt. Das Dienstverhältnis als geringfügig beschäftigte Angestellte wurde im November 2018 beendet, es folgte eine Zeit der Meldung als arbeitssuchend, im April 2019 wurde kurzfristig ein neues Dienstverhältnis als geringfügig beschäftigte Angestellte eingegangen, gefolgt von einem weiteren Dienstverhältnis als geringfügig beschäftigte Arbeiterin.
Der Beschwerdeführer führt selbst aus, dass die Tochter die Anmeldung an der Bildungseinrichtung nur als "Nebenbeschäftigung" ansieht und das "Hauptinteresse" und der "Wille" darauf gerichtet sind, arbeiten zu gehen.
Zur Tochter [Name2]:
Diese wurde im Juni 2018 volljährig.
Für das Wintersemester 2017/18 liegt ein Zeugnis einer polytechnischen Schule vor. In einem Fach wurde die Tochter negativ beurteilt. Im Sommersemester 2018 besuchte die Tochter ein Bundesgymnasium für Berufstätige. Das Zeugnis weist bei sieben Pflichtfächern drei "Nicht genügend" aus. Zudem hat die Tochter noch an einer Unverbindlichen Übung teilgenommen.
Im Wintersemester des Schuljahres 2018/19 war die Tochter weiterhin an diesem Gymnasium mit 15 Wochenstunden angemeldet. Ein Erfolgsnachweis wurde nicht vorgelegt.
Von Juli bis Oktober 2018 stand sie in einem Dienstverhältnis als geringfügig beschäftigte Arbeiterin, ab März 2019 in einem Dienstverhältnis als geringfügig beschäftigte Angestellte. Dazwischen war die Tochter als arbeitssuchend gemeldet.
Der Beschwerdeführer führt selbst aus, dass die Tochter die Anmeldung an der Bildungseinrichtung nur als "Nebenbeschäftigung" ansieht und das "Hauptinteresse" und der "Wille" darauf gerichtet sind, arbeiten zu gehen.
Für beide Töchter wurde Familienbeihilfe bis inklusive Juli 2018 gewährt.
3. Rechtslage:
Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, haben nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
4. Erwägungen:
Zur grundsätzlichen Situation des Beschwerdeführers und seiner grundsätzlichen Anspruchsberechtigung wird auf das Erkenntnis des BFG, , RV/3100253/2016, verwiesen.
Unabhängig von der fremdenrechtlichen Situation der Familie besteht ein Familienbeihilfenanspruch für volljährige Kinder jedenfalls nur dann, wenn einer der Anspruchsgründe des § 2 FLAG 1967 und auch die sonstigen allgemeinen Voraussetzungen gegeben sind und keine Ausschlussgründe vorliegen.
Der Beschwerdeführer vermeint nun in der Beschwerde, dass ihm Familienbeihilfe zustünde, weil er die Voraussetzungen für den Beihilfenbezug nach § 3 FLAG 1967 erfülle. Dabei übersieht er aber, dass in § 3 FLAG 1967 nur besondere zusätzliche Voraussetzungen für nicht österreichische Staatsbürger normiert sind, die aber für sich gesehen keinen Anspruch dem Grunde nach vermitteln. Vielmehr gilt auch bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 FLAG 1967, dass ein Anspruchsgrund des § 2 FLAG 1967 gegeben sein muss, um dem Grunde nach einen Beihilfenanspruch haben zu können.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in seinen Eingaben ausführlich dargestellt, dass seine beiden Töchter arbeiten wollen, eine Arbeitsstelle suchen und aus diesem Grund auch beim zuständigen Arbeitsmarktservice als Arbeit suchend vorgemerkt sind.
Diese Argumentation kann jedoch keinen Anspruch begründen, da die Vormerkung als Arbeit suchend seit dem keinen Anspruchsgrund mehr darstellt (Aufhebung des § 2 Abs 1 lit f FLAG 1967 durch das BGBl I 111/2010).
Ebenfalls in den Eingaben erwähnt wird, dass die beiden Töchter ein Abendgymnasium besuchen würden. Damit wird der Anspruchsgrund des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 angesprochen.
Befindet sich ein volljähriges Kind in Berufsausbildung, liegt bis zur Vollendung eines bestimmten Lebensjahres ein Anspruchsgrund für den Beihilfenbezug vor.
Was unter "Berufsausbildung" zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des FLAG 1967, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (vgl zB , und ). Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung für sich allein reicht nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Hinzu muss vielmehr das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, das sich im Antreten zu den erforderlichen (Vor-)Prüfungen manifestiert. Zwar ist nicht (alleine) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, das anspruchsvermittelnde Kind muss aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (vgl etwa ).
Für die Qualifikation als Berufsausbildung kommt es nicht darauf an, ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Der zeitlichen Gestaltung und Verteilung einer Ausbildung einschließlich der erforderlichen Vorbereitungs- und Lernzeit kommt Indizwirkung für die zeitliche Inanspruchnahme zu (vgl ).
Daraus ergibt sich, dass zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 einerseits das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang inklusive dem Antreten zu den erforderlichen Prüfungen gegeben sein und die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen muss (vgl etwa , mwN).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers, dass seine Töchter die Schulausbildung am Abendgymnasium für Berufstätige lediglich als "Nebenbeschäftigung" absolvieren. Wird eine Bildungsmaßnahme nämlich nur als "Nebenbeschäftigung" angesehen, kann bereits dem Grunde nach nicht unreflektiert davon ausgegangen werden, dass diese die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und ernsthaft und zielstrebig im Sinne eines erkennbaren Bestrebens um einen möglichst raschen Abschluss betrieben wird. Im vorliegenden Fall ist klar erkennbar, dass der Schulbesuch durch beide Töchter nicht erfolgreich absolviert wird. Insbesondere wenn mangels ausreichender Anwesenheit des Kindes im Unterricht gar keine Beurteilung möglich ist, kann von Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit keine Rede sein. Dies gilt beim vorliegenden Sachverhalt auch, wenn in einer Mehrzahl von Unterrichtsfächern keine positive Beurteilung erreicht wird. Letztlich hat der Beschwerdeführer für das gegenständlich besonders relevante Wintersemester 2018/19 gar keinen Erfolgsnachweis mehr vorgelegt, obwohl in der Beschwerdevorentscheidung (welcher diesbezüglich Vorhaltscharakter zukommt) ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines ernsthaften und zielstrebigen Betreibens der Ausbildung hingewiesen wurde. Vielmehr wurde die Ausbildung lediglich als "Nebenbeschäftigung" besonders hervorgehoben, was letztlich auch durch die Belegung nur einer tatsächlich geringeren Stundenzahl als möglich zum Ausdruck kommt. Wird im Rahmen einer Ausbildung, bei welcher kein starrer struktureller Rahmen für die Absolvierung vorgegeben ist, durch die Belegung nicht aller möglichen Fächer nämlich von vornherein darauf abgezielt, die Ausbildung nicht in möglichst kurzer Zeit abzuschließen, kann von Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit keine Rede sein.
Da sich die beiden Töchter des Beschwerdeführers gegenständlich somit nicht in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 befunden haben und ein anderer Anspruchsgrund weder behauptet wurde, noch ersichtlich ist, erfolgte die Abweisung des Antrages zu Recht.
5. Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht hat sich bei der gegenständlichen Entscheidung an der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und entsprechend dieser und dem festgestellten Sachverhalt entschieden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu lösen, weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100390.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at